Hessischer VGH, Urteil vom 10.09.1998 - 8 UE 2003/94
Fundstelle
openJur 2012, 21834
  • Rkr:
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Negativbescheinigung für die Ausfuhr von Gegenständen nach Libyen. Käufer der Ware ist das Directorate of Military Procurement in Tripolis. Endempfänger soll die Engineering Academy in Tajoura/Libyen sein, bei der es sich um eine technische Ausbildungsstätte für Militärangehörige und Zivilisten handelt.

Bereits aufgrund einer Freizeichnung durch das Bundesamt für Wirtschaft vom 20. September 1989 hatte die Klägerin Produkte in einem Gesamtvolumen von 3.647.000,-- DM nach Libyen geliefert. Mit Schreiben vom 8. Juli 1992 und 13. Juli 1992 beantragte sie für eine Restlieferung im Wert von 8.500,-- DM die Bestätigung, daß der Vorgang dem Ausfuhrverbot von § 69 g der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) nicht unterliege. Es handelt u. a. um ein handelsübliches Steckernetzgerät, 1 Axialfeldsonde, 3 Experimentierhandbücher für Versuche mit einer Luftkissenfahrbahn, 2 Stativstangen mit einer Länge von 60 cm, 8 Magneten mit Bohrung, 10 Netzgeräte mit Sicherungseinrichtung, 10 Widerstände mit 27 Ohm und 2 Watt, 10 Aufbewahrungstabletts, 3 Stück 9-Volt- Batterien, 2 Meßleitungen für Mikrowellen, diverses Stativmaterial, 3 Stück Ukw-Empfangsteile, 1 Relaiskoppler, 2 Transistoren, 20 Feinsicherungen als Ersatzsicherungen für netzbetriebene Geräte, 1 Gleichstrommotor, 2 Signallampen, mehrere Holzwerkzeuge (Sägen, Raspel, Schmirgelpapier), Bücher mit Experimentieranleitungen zu Transformatoren, Regelungstechnik, Leistungselektronik, Servotechnik, Mikrocomputertechnik und Digitaltechnik. Wegen der Einzelheiten wird auf die Liste vom 24. Januar 1992 (Bl. 5 bis 7 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Nach Angaben der Klägerin betrifft die Ergänzungssendung die Nachlieferung von Fehlteilen und Ersatz für defekte Produkte im Zusammenhang mit dem oben genannten großen Auftrag. Die Klägerin führte aus, alle Gegenstände seien Standardprodukte. Sie würden von der Ausfuhrliste nicht erfaßt. Von einer rüstungstechnischen Verwendung habe sie, die Klägerin, keine Kenntnis. Die erwähnten Schriften seien Experimentieranleitungen für die Anwendung der Produkte im Unterricht sowie Gebrauchsanweisungen. Die in den letzten beiden Positionen der zweiten Seite der Rechnung erwähnten Zeichnungen seien Zusammenstellungszeichnungen, die den Austausch defekter Teile erleichtern sollten und zur Fertigung nicht geeignet seien. Keines der Produkte habe einen spezifischen Bezug zur Wartung oder zum Gebrauch von Rüstungsmaterial oder Luftfahrzeugen.

Mit Bescheid vom 16. März 1993 lehnte das Bundesausfuhramt den Antrag ab, da nach § 69 g Abs. 1 Nr. 2 AWV u. a. die "Lieferung von Rüstungsmaterial und damit im Zusammenhang stehender Waren aller Art" nach Libyen verboten sei. Eine Exportware stehe aber dann "im Zusammenhang" mit "Rüstungsmaterial", wenn sie - wie hier - für eine technische Ausbildungsstätte des Militärs bestimmt sei und sie - zumindest auch - in den (insbesondere naturwissenschaftlichen oder technischen) Ausbildungsfächern verwendet werden könne, die auf den qualifizierten Gebrauch bzw. die Herstellung oder die Wartung von Rüstungsmaterial vorbereiteten.

Am 29. März 1993 legte die Klägerin Widerspruch ein und führte dazu aus, bei den Waren handele es sich nicht um "Rüstungsmaterial und damit im Zusammenhang stehende Waren aller Art". Der Verordnungsgeber sei bei Erlaß der 21. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung nicht befugt gewesen, den in der deutschen Ausfuhrgesetzgebung bisher unzweideutigen Begriff "Rüstungsmaterial" einschließlich der ergänzenden Bestimmungen gemäß § 5 c AWV neu oder in seiner Wirkung weitergehend zu definieren. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen seien verpflichtet gewesen, die in der UN-Resolution Nr. 748 vorgesehenen Zwangsmaßnahmen gegen Libyen umzusetzen. Daraus folge, daß es sich bei "damit im Zusammenhang stehende Waren aller Art" im Sinne des § 69 g nur um solche handeln könne, die im funktionalen Zusammenhang mit Rüstungsgütern stünden. Bei den Waren handele es sich um Lehrmaterialien, die in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern Verwendung fänden und durch die Erkenntnisse und Grundprinzipien der Mathematik, Physik, Chemie und der Ingenieurwissenschaften vermittelt werden sollten. Der Schluß, mit diesen Lehrmitteln solle eine Vorbereitung auf den qualifizierten Gebrauch bzw. die Herstellung oder die Wartung von Rüstungsmaterialien erfolgen, sei nicht gerechtfertigt. Dafür lägen keinerlei Anhaltspunkte vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 1993, abgesandt mit Einschreibebrief am selben Tag, wies das Bundesausfuhramt den Widerspruch zurück. Die zu liefernden Waren würden nicht von der Ausfuhrliste erfaßt. Sie unterfielen jedoch dem Ausfuhrverbot des § 69 g AWV, da es sich um eine Lieferung von mit Rüstungsmaterial in Zusammenhang stehenden Waren bzw. von Ausrüstung im Sinne des § 69 g Abs. 1 Nr. 2 AWV handele. Die Ermächtigung zu dieser Ausfuhrbeschränkung ergebe sich aus § 2 Abs. 1, §§ 5 und 7 Abs. 1 und 3 AWG. Nach der UN-Resolution Nr. 748 vom 31. März 1992, die als Reaktion auf die Verwicklung Libyens in terroristische Anschläge auf den Zivilluftverkehr und dessen unnachgiebige Haltung in der sogenannten Lockerbie-Affäre ergangen sei, sei u. a. die Lieferung von Rüstungsmaterial und damit im Zusammenhang stehender Waren aller Art sowie die Lieferung jeder Art von Ausrüstung verboten. Gemäß den Erläuterungen zu § 69 g Abs. 1 Nr. 2 AWV (Bundesanzeiger Nr. 75 vom 16. April 1992, Seite 3278) handele es sich dabei um Rüstungsmaterial im weitesten Sinne. Erfaßt werde auch Ware, die nicht in der Ausfuhrliste genannt sei, sowie Ausrüstung jeder Art, sofern der Empfänger eine militärische bzw. paramilitärische (einschließlich Polizei-) Organisation sei. Hieraus sowie aus dem Verbund von Dienstleistungen, die sich auf die Ausbildung im Hinblick auf den Gebrauch der in der Vorschrift genannten Gegenstände bezögen (§ 69 g Abs. 1 Nr. 3 AWV), folge, daß Zielrichtung des umfassenden UN-Embargos sei, jegliche Lieferung von mit Rüstungsmaterial im weitesten Sinne im Zusammenhang stehender Waren aller Art und von Ausrüstung jeder Art zu verhindern, sofern dies eine Förderung des libyschen Militärpotentials zur Folge hätte. Die zur Ausfuhr anstehenden Geräte seien für eine nicht für jedermann zugängliche Militärschule bestimmt, in der spätere Anwender, Entwickler oder Reparateure von Waffensystemen ausgebildet würden.

Am 17. Juni 1993 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Erläuterungen der Beklagten, auf die sie Bezug nehme, seien rechtlich nicht verbindliche Verwaltungsvorschriften. Der Wortlaut des § 69 g Abs. 1 Nr. 2 AWV ziehe der von der Beklagten vertretenen extensiven Auslegung insofern eine Grenze, als er die Lieferung von Rüstungsmaterial "und damit im Zusammenhang stehender Waren aller Art sowie Ersatzteilen" verbiete. Der Zusammenhang müsse zwischen den zu liefernden Waren einerseits und Rüstungsmaterial andererseits bestehen. Das sei hier nicht der Fall. Vielmehr konstruiere die Beklagte einen Zusammenhang zwischen Waren aller Art und einem bestimmten Empfänger. Der funktionale Zusammenhang zwischen Rüstungsmaterial und Waren aller Art ergebe sich auch aus dem "Einschließlich"- Halbsatz, worin u. a. Waffen, Munition, "militärische Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände hierfür" als vom Verbot mit umfaßte Gegenstände genannt würden. Schließlich werde diese Auslegung auch durch die Zielrichtung des § 69 g AWV, die in einer Umsetzung der genannten UN-Resolution bestehe, gestützt. Die Resolution habe auf ein Luftverkehrsembargo und ein totales Waffenembargo, nicht aber auf ein generelles Handelsembargo gezielt. Es gehe lediglich um Beschränkungen in Teilbereichen, nicht aber um ein Embargo bezüglich Waren aller Art.

Die Beklagte hat vorgetragen, unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der UN-Resolution werde deutlich, daß es sich in § 69g Abs. 1 Nr. 2 AWV um eine beispielhafte und nicht abschließende Aufzählung handele. Die UN-Resolution wolle jede Lieferung an militärische bzw. paramilitärische Organisationen verbieten, sofern diese eine irgendwie geartete Förderung des libyschen Militärpotentials zur Folge hätte. Eine solche Förderung bestehe auch bei Lieferungen von Waren, die der Ausbildung von Militärangehörigen an einer nicht jedermann zugänglichen technischen Ausbildungsstätte des libyschen Militärs dienten.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 24. Februar 1994 stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, die beantragte Negativbescheinigung zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Negativbescheinigung bezüglich der in der Liste Bl. 5 bis 7 der Gerichtsakte näher bezeichneten Gegenstände ergebe sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 AWG, wonach der Warenverkehr mit fremden Wirtschaftsgebieten grundsätzlich frei sei. § 69 1 Abs. 1 AWV (früher: § 69 g Abs. 1 Nr. 2 und 3 AWV) stehe der Ausfuhr der Gegenstände nicht entgegen, denn diese seien weder Rüstungsmaterial noch stünden sie mit Rüstungsmaterial in Zusammenhang. Der Regelungsgehalt des § 69 1 AWV müsse sich im Rahmen der Vorgabe der UN-Resolution Nr. 748 halten. Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß der Vorschrift sei § 5 AWG, wonach der Außenhandel zur Erfüllung zwischenstaatlicher Vereinbarungen beschränkt werden könne. Die Umsetzung des Beschlusses des Sicherheitsrats gemäß Art. 41 der Charta der Vereinten Nationen sei eine Erfüllung zwischenstaatlicher Vereinbarungen im Sinne des § 5 AWG. Die Notwendigkeit einer am Text der UN-Charta angelehnten Interpretation des Begriffs Rüstungsmaterial ergebe sich auch aus Art. 113 Abs. 1 EWG-Vertrag, wonach eine ausschließliche Gemeinschaftskompetenz auf dem Gebiet des Außenhandels konstituiert sei. Die Befugnis einer einzelstaatlichen Regelung auf dem Gebiet des Außenhandels als Ausnahme von der Gemeinschaftskompetenz ergebe sich aus Art. 223, 224 EWG-Vertrag. Danach sei die Bundesrepublik nur zur Aufrechterhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit (Art. 224 letzte Variante EWG-Vertrag) befugt gewesen, das UN-Embargo umzusetzen. Das in der UN-Resolution verwendete Wort "arms" bedeute nicht "Rüstungsmaterial", sondern "Waffen". Daher sei der Begriff Rüstungsmaterial in § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV eng auszulegen. Er erfasse nur solche Gegenstände, die für den Einsatz in kriegerischen Auseinandersetzungen besonders konstruiert seien. Die Waren stünden mit Rüstungsmaterial auch nicht in Zusammenhang, weil insoweit ein objektiv-funktionaler Zusammenhang verlangt werden müsse, wie sich bereits aus der grammatikalischen Auslegung des Wortlauts des § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV, bei der der Wortlaut der UN-Resolution einbezogen werden müsse, ergebe. Die weite Interpretation, daß jede irgendwie geartete Förderung des libyschen Militärpotentials verhindert werden solle, werde durch den Wortlaut der UN-Resolution und des § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV nicht gedeckt.

Gegen das am 3. Juni 1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. Juni 1994 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie vorträgt, weder der Wortlaut des § 69 1 AWV noch der der englisch verfaßten UN-Resolution forderten den objektiv-funktionalen Zusammenhang, wie er vom Verwaltungsgericht gesehen werde. Die Verwendung des Annexes "Waren aller Art" bzw. "of all types" bestätige die Annahme, daß ein derartiger Zusammenhang nicht gewollt sei. Im übrigen sei aber auch der objektiv-funktionale Zusammenhang gegeben, denn bei einem Einsatz der hier streitigen Geräte und Materialien in einer technischen Akademie bzw. Ingenieurschule des libyschen Militärs würden die Absolventen dieser Einrichtung unter Zuhilfenahme dieser Geräte/Materialien zum Gebrauch von Rüstungsmaterial ausgebildet. Das Verwaltungsgericht grenze mit seiner Vorgehensweise alle Waren aus dem Erfassungsbereich des Verbotes aus, die ihren objektiv-funktionalen Zusammenhang zu Rüstungsmaterial erst durch eine spätere vom Verwender bestimmte subjektiv-intentionale Zweckbestimmung erhielten. Die sogenannten "Dual-use-Waren", also alle im Abschnitt C des Teils I der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) erwähnten Waren, würden dadurch ausgenommen. Es reduziere den Kreis der von der Resolution bzw. dem § 69 1 AWV erfaßten Waren auf diejenigen, denen konstitutiv ein funktionaler Zusammenhang zum Rüstungsmaterial zukomme, wie dies z. B. bei der Panzerkette oder dem Geschützturm zum Panzer der Fall sei. Damit werde aber der Kreis der erfaßten Waren wiederum auf das Rüstungsmaterial selbst oder bestenfalls auf dafür benötigte Ersatzteile beschränkt. Der Annex "und damit im Zusammenhang stehende Waren aller Art" wäre obsolet und könnte durch den bloßen Annex "Ersatzteile hierfür" ersetzt werden. Die vom Gericht vorgenommene Auslegung sei daher zu eng. Eine hier gebotene teleologische Auslegung müsse vor Augen haben, daß es Zweck der UN-Resolution Nr. 748/1992 sei, die libysche Staatsführung zum Einlenken in der Lockerbie-Affäre zu bewegen und so die Auslieferung von zwei Tatverdächtigen an ein international noch zu bestimmendes Gericht zu erreichen. Diesem Normzweck zufolge müsse jede Auslieferung verboten werden, die in irgendeiner Form das libysche Militärpotential stärke. Sogar der Abschluß von Lizenzabkommen und Dienstleistungen, die sich auf technische Beratung, Unterstützung oder Ausbildung im Hinblick auf die oben genannten Gegenstände bzw. ihre Herstellung, Wartung oder ihren Gebrauch bezögen (§ 69 1 Abs. 1 Nr. 2 AWV), seien verboten. Hätten die Verfasser ein einfaches, eng gefaßtes Embargo für das klassische Rüstungsmaterial gewollt, so hätten sie auf all diese Zusätze ebenso verzichtet wie auf den hier streitigen Annex. Auch eine systematische Auslegung der UN-Resolution bzw. des § 69 1 führe zu einem weiten Erfassungsrahmen des Verbotes, wenn sie Wertungswidersprüche vermeiden wolle. Neben der Regelung des § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV als Regelung des Warenverkehrs sei in Nr. 2 der Vorschrift als Dienstleistung u. a. die technische Beratung bzw. Ausbildung zur Herstellung, Wartung bzw. den Gebrauch von Rüstungsmaterial verboten worden. Nichts anderes aber finde tagtäglich in einer Ingenieurschule des libyschen Militärs statt, nämlich die Ausbildung von Absolventen zu qualifizierten späteren Gebrauchern von Rüstungsmaterial. Demnach wäre eine Dienstleistung an dieser Hochschule, also z. B. der Gastvortrag eines deutschen Dozenten, der in den Gebrauch eines Kampfpanzers einweise, zweifelsfrei vom Verbotstatbestand erfaßt. Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt käme man aber zu dem sonderbaren Ergebnis, daß der Dozent für seinen Vortrag dieselben oder ähnliche Materialien und Geräte, wie sie die Klägerin hier ausführen wolle, mitführen dürfe. Wenn schon ein solcher Vortrag als Unterstützungsleistung der Militärhochschule vom Verbot erfaßt sei, dann müsse erst recht die Lieferung von entsprechendem Unterrichtsmaterial bzw. entsprechenden Unterrichtsgeräten verboten sein. Der deutsche Verordnungsgeber habe zu Recht den englischen Begriff "arms" mit "Rüstungsmaterial" übersetzt. Die englische Vokabel "arms" sei im Rahmen der internationalen Embargopolitik der gebräuchliche Begriff, um ein umfassendes Rüstungsembargo zu formulieren. Alle diese Embargos verstünden sich als Lieferungsverbote für Rüstungsmaterial jeder Art, also z. B. auch für militärische Kampfanzüge, die kaum mit dem Begriff Waffen - auch nicht verstanden als Gattungsbegriff - zu erfassen wären.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, sowohl der Wortlaut des § 69 1 AWV (vorher: § 69 g Abs. 1 AWV) als auch der präzisere Wortlaut der dieser Bestimmung zugrundeliegenden UN-Resolution Nr. 748 sowie Systematik und Zielrichtung des § 69 g Abs. 1 AWV stünden der extensiven Auslegung entgegen, die die Beklagte dieser Bestimmung aus politischen Opportunitätserwägungen geben wolle. Unbestreitbar sei, daß der Wortlaut des deutschen Verordnungstextes einen "Zusammenhang" zwischen dem "Rüstungsmaterial" einerseits und den "Waren aller Art" auf der anderen Seite verlange. Dieser Zusammenhang müsse also zwischen Gegenständen bestehen, und es müsse sich um einen unmittelbaren (d. h. einen nicht durch dazwischentretende Menschen vermittelten) Zusammenhang handeln. Der von der Beklagten behauptete Zusammenhang bestehe nicht zwischen Waren aller Art und Rüstungsmaterial, sondern zwischen Waren aller Art und Militärangehörigen. Dieser Zusammenhang sei in § 69 Abs. 1 AWV jedoch nicht formuliert. Die erste Ungenauigkeit der deutschen Übersetzung bestehe darin, daß der in der UN-Resolution verwandte Begriff "arms" nicht mit dem Gattungsbegriff "Waffen", sondern mit dem sehr viel weiteren Begriff "Rüstungsmaterial" übersetzt werde. Hierdurch werde der Anwendungsbereich der Vorschrift in unzulässiger Weise ausgedehnt, so daß eine korrigierende, restriktive Interpretation zwingend geboten sei. Die zweite Ausweitung ergebe sich aus der im Widerspruch zum englischen Originaltext stehenden Stellung des "Einschließlich"- Halbsatzes im deutschen Verordnungstext. Indem die Benennung von "Ersatzteilen" vor den "Einschließlich"-Halbsatz gezogen und auf "Rüstungsmaterial und damit im Zusammenhang stehende ... Waren aller Art" bezogen werde, würden der erläuternde Charakter des "Einschließlich"-Satzes verwischt und die im englischen Originaltext ganz deutlichen Rückbezüge des "Einschließlich"- Halbsatzes sowohl auf "arms" als auch auf "related material of all types" aufgelöst. Die genannten Gegenstände, nämlich Waffen, Munition, militärische Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände hierfür, paramilitärische Polizeiausrüstungen seien durchweg gekennzeichnet durch einen engen, sachlich-funktionalen Bezug zu Waffen (verstanden als Gattungsbegriff: "arms"). Das gleiche gelte in besonderem Maße für die an letzter Stelle der Aufzählung genannten "Ersatzteile" für die vorgenannten Gegenstände. Das von der Beklagten konstruierte lebensfremde Beispiel des Gastvortrags eines deutschen Dozenten treffe die vorliegende Konstellation in keiner Weise. Auch Sinn und Zweck der UN-Resolution sowie der ihrer Umsetzung dienenden deutschen Verordnungsbestimmung geböten es, einen vernünftigen, funktionalen Zusammenhang zwischen Rüstungsmaterial und Waren aller Art zu verlangen und nicht den tagespolitisch motivierten Wünschen der Beklagten folgend jeden entfernten, indirekten Zusammenhang mit Rüstung, Rüstungsmaterial oder mit Rüstung befaßten Personen ausreichen zu lassen. Die von der Beklagten als Anlage 1 und Anlage 2 vorgelegten UN-Resolutionen Nr. 864/1993 und Nr. 841/1993 bestätigten die Auffassung der Klägerin, daß die UN-Resolution Nr. 748 einen funktionalen Zusammenhang zwischen Waffen und Waren aller Art verlange. Nur so sei nämlich zu erklären, daß beide von der Beklagten jetzt vorgelegten UN-Resolutionen neben der Lieferung von Waffen usw. auch die Lieferung von "petroleum and petroleum products" verböten. Dieser Ausweitung des Kreises von Boykottwaren hätte es nicht bedurft, wenn die extensive Auslegung der Beklagten richtig wäre, wonach der Terminus "material of all types" ganz umfassend und ohne das Erfordernis eines funktionalen Bezuges zu Waffen (arms) zu verstehen sei.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Heft), Unterlagen der Klägerin (1 Ordner) sowie die Akten des von der Klägerin angestrengten und erfolglos gebliebenen einstweiligen Anordnungsverfahrens 1 G 1666/93 (1) VG Frankfurt haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgenannten Unterlagen sowie auf die gewechselten Schriftsätze und den darüber hinausgehenden Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt worden. Sie ist auch begründet, denn das Verwaltungsgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen.

Die Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 16. März 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 1993 die beantragte Negativbescheinigung nach § 69 1 AWV zu erteilen, ist zwar als Verpflichtungsklage zulässig. Insbesondere handelt es sich bei der begehrten Negativbescheinigung um einen Verwaltungsakt nach § 42 Abs. 1 VwGO, nämlich um einen feststellenden Verwaltungsakt, der Regelungswirkung hat, denn - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - die nach den Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts bestehende Rechtslage wird für einen konkreten Fall verbindlich festgestellt.

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Klägerin steht die Negativbescheinigung nicht zu. § 69 1 der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (Außenwirtschaftsverordnung - AWV -) vom 18. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2671), in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 1993 (BGBl. I S. 1934, berichtigt S. 2493), zuletzt geändert durch die 41. Änderungsverordnung vom 20. Januar 1998 (BAnz. Nr. 985), zur Zeit des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 14. Mai 1993 § 69 g AWV, steht der Erteilung der Negativbescheinigung entgegen.

§ 69 1 AWV ist in dem mit "Besondere Beschränkungen gegen Libyen" überschriebenen Kapitel VII d AWV enthalten. In der Vorschrift ist unter der Paragraphen-Überschrift "Beschränkungen aufgrund der Resolution 748 (1992) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Kapitel 7 der Charta)" in u.a. die Regelung getroffen:

"(1)Folgende Tätigkeiten sind verboten:1.      Die Lieferung von Rüstungsmaterial und damit in Zusammenhang

stehender Waren aller Art sowie Ersatzteilen einschließlich des Verkaufs oder der Lieferung von Waffen, Munition, militärischen Fahrzeugen und Ausrüstungsgegenständen hierfür und paramilitärischer Polizeiausrüstung; ebenso die Lieferung jeder Art von Ausrüstung, von Nachschub nach Libyen und der Abschluß von Lizenzabkommen für die Herstellung oder die Wartung der genannten Waren,

2...."An der Wirksamkeit der genannten Verordnungsregelung bestehen keine Bedenken.

Ein Verstoß der Vorschrift gegen Europarecht ist nicht ersichtlich. Insbesondere steht die Verordnung (EG) Nr. 3381/94 des Rates vom 19. Dezember 1994 über eine Gemeinschaftsregelung der Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (ABl. Nr. L 367 vom 31. Dezember 1994, S. 1 ff., 3) nicht entgegen. Denn nach der in Artikel 5 VO (EG) Nr. 3381/94 geregelten nationalen Öffnungsklausel kann ein Mitgliedstaat die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, die nicht in Anhang I des Beschlusses 94/942/GASP - das ist der Beschluß des Rates vom 19. Dezember 1994 über die vom Rat gemäß Artikel 3 des Vertrages über die Europäische Union angenommene gemeinsame Aktion zur Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (a. a. O., S. 8 ff.) - aufgeführt sind, untersagen oder hierfür eine Genehmigung vorschreiben. Nach Artikel 5 Abs. 2 a) der VO (EG) Nr. 3381/94 gilt Absatz 1 unter anderem für Maßnahmen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bestehen. Sie gilt somit auch für § 69 1 AWV, der nach Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 3381/94 in Kraft geblieben ist. Artikel 5 Abs. 1 und 2 der VO (EG) Nr. 3381/94 ist hier einschlägig, da "dual-use-Gegenstände", die der Schulung von Militärangehörigen in einer militärischen Schulungseinrichtung dienen, von Anlage I des Beschlusses 94/942/GASP nicht erfaßt werden.

Obwohl mit § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV weitergehende Ausfuhrbeschränkungen angeordnet sind als in der Resolution Nr. 748 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vorgesehen sind, die der Grund für das Ergehen der in § 69 g Abs. 1 Nr. 2 AWV a.F. und nunmehr des § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV n.F. war, macht dieser Umstand die genannte Verordnungsregelung nicht unwirksam. Denn die Resolution Nr. 748 mag zwar Anlaß für die Verordnungsregelung gewesen sein. Sie ist jedoch nicht deren Rechtsgrundlage, so daß der bundesdeutsche Verordnungsgeber eine weitergehende Ausfuhrbeschränkung anordnen konnte, soweit dies nicht gegen das - ebenfalls bundesdeutsche - Außenwirtschaftsgesetz oder sonstiges Bundesrecht bzw. gegen Europarecht verstieß. Dies war und ist nicht der Fall.

Zwar ist der Außenwirtschaftsverkehr grundsätzlich frei (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Außenwirtschaftsgesetzes - AWG - vom 28. April 1961, BGBl. I S. 481, 495, 1555, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 1997, BGBl. I S. 3108, 3115). Er unterliegt jedoch den Einschränkungen, die dieses Gesetz enthält oder die durch Rechtsverordnung aufgrund dieses Gesetzes vorgeschrieben werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AWG). Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 AWG können Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr beschränkt werden, um eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhüten. Auf Grund der genannten Rechtsgrundlagen in § 1 Abs. 1 Satz 2 und § 7 Abs. 1 Nr. 2 AWG ist die Außenwirtschaftsverordnung erlassen worden.

§ 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV findet somit seine Ermächtigungsgrundlage in § 7 Abs. 1 Nr. 2 AWG, denn die über die Vorgaben der UN- Resolution Nr. 748 hinausgehenden Regelungen in § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV sind Maßnahmen, die eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker verhüten sollen. Auch die Bundesregierung ist bei Erlaß der 21. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 15. April 1992 (BAnz. Nr. 75 S. 3277) davon ausgegangen, daß unter anderem § 7 Abs. 1 AWG gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die damals in § 69 g Abs. 1 Nr. 2 AWV ergangene und heute in § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV weiterhin gültige Vorschrift sei, denn im Text der 21. Änderungsverordnung folgt nach der Paragraphenbezeichnung "69 g" die Überschrift "Beschränkung nach § 7 Abs. 1 und 3 AWG".

Daher vermag der Senat dem Verwaltungsgericht nicht zu folgen, soweit es die Auffassung vertritt, der Regelungsgehalt des § 69 1 AWV müsse sich im Rahmen der Vorgabe der UN-Resolution Nr. 748 halten. Das Verwaltungsgericht begründet seine Auffassung u.a. damit, Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß der Vorschrift sei § 5 AWG, wonach der Außenhandel zur Erfüllung zwischenstaatlicher Vereinbarungen beschränkt werden könne. Die Umsetzung des Beschlusses des Sicherheitsrates gemäß Art. 41 der Charta der Vereinten Nationen sei eine Erfüllung zwischenstaatlicher Vereinbarungen im Sinne des § 5 AWG. - Die Schlußfolgerung des Verwaltungsgerichts erscheint angesichts des Umstands, daß nicht § 5 AWG, sondern § 7 Abs. 1 und 3 AWG die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die hier umstrittene Verordnungsregelung ist, nicht zwingend. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Umsetzung des Beschlusses des Sicherheitsrats gemäß Art. 41 der Charta der Vereinten Nationen eine Erfüllung zwischenstaatlicher Vereinbarungen im Sinne des § 5 AWG darstellt, hindert dies den Verordnungsgeber nicht, über den Beschluß des Sicherheitsrats hinausgehende Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs anzuordnen. Nach § 5 AWG können Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr zur Erfüllung zwischenstaatlicher Vereinbarungen, denen die gesetzgebenden Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes zugestimmt haben, beschränkt und bestehende Beschränkungen aufgehoben werden. In der Vorschrift ist somit lediglich geregelt, daß es zulässig ist, Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr zu beschränken und bestehende Beschränkungen aufzuheben, wenn und soweit dies der Erfüllung der genannten zwischenstaatlichen Vereinbarungen dienen soll. Eine Regelung dahingehend, ob es zulässig ist oder wie zu verfahren ist, wenn - gestützt auf andere gesetzliche Ermächtigungen, hier § 7 Abs. 1 und 3 AWG - schärfere Ausfuhrbeschränkungen angeordnet werden sollen als in der entsprechenden zwischenstaatlichen Vereinbarung vorgesehen sind, wird in § 5 AWG nicht getroffen. Deshalb ist der Verordnungsgeber hier nicht gehindert, schärfere Ausfuhrbestimmungen vorzusehen als in den entsprechenden zwischenstaatlichen Vereinbarungen initiiert werden sollen.

Eine derartige schärfere Regelung ist hier getroffen worden. Die Auslegung, die § 69 g AWV a.F. = § 69 1 AWV n.F. durch die Bekanntmachung des Bundeswirtschaftsministers vom 15. April 1992 (BAnz. Nr. 75 S. 3278 zu II. 1.1 und 2.1) erfahren hat, die in der Vorschrift angesprochenen Verbote deckten sich mit dem Umfang der UN-Resolution Nr. 748 und gingen nicht weiter als diese, ändert daran nichts. Denn an diese Auslegung durch eine Verwaltungsvorschrift ist der Senat nicht gebunden. Vielmehr hat er unter Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden - insbesondere der wörtlichen, teleologischen und systematischen Auslegung - deren Inhalt zu ermitteln. Danach geht die Formulierung "Rüstungsmaterial und damit in Zusammenhang stehender Waren aller Art sowie Ersatzteilen" über "arms and related material of all types" hinaus, denn mit "arms", einem Gattungsbegriff, werden "Waffen" bezeichnet, während unter "Rüstungsmaterial" auch militärisch genutzte Gegenstände verstanden werden, die keine Waffen sind, z.B. Kampfanzüge.

Es ist nach alledem unerheblich, ob in Nr. 5. (a) der Resolution Nr. 748 durch die Formulierung "arms and related material of all typs" nur mit diesen in objektiv-funktionalem Zusammenhang stehende Materialien angesprochen werden, denn dies änderte nichts daran, daß der bundesdeutsche Verordnungsgeber über das Verbot der Lieferung von Waffen und damit in objektiv-funktionalem Zusammenhang stehenden Materialien hinausgehende Lieferungsverbote anordnen kann, wenn insbesondere die im Außenwirtschaftsgesetz geregelten Voraussetzungen für den Erlaß einer derartigen Verordnungsregelung erfüllt sind, was hier der Fall ist, wie oben bereits ausgeführt wurde.

Es ist aus dem genannten Grund auch unerheblich, ob in neueren UN-Resolutionen neben der Lieferung von Waffen usw. auch die Lieferung von "petroleum and petroleum products" verboten worden ist und ob in einer schweizerischen Verordnung "jede Ausfuhr von Rüstungsgütern und dazugehörigem Material jeglicher Art nach Libyen" untersagt wird.

Die Gegenstände, die die Klägerin ausführen möchte, sind in Zusammenhang mit Rüstungsmaterial stehende Waren aller Art im Sinne des § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV. Darunter fallen auch Waren aller Art, die - isoliert betrachtet - einer neutralen, nicht militärischen Nutzung zugeführt werden können, die aber vom Empfänger der Waren oder ihrem Verwender in einen Zusammenhang mit Rüstungsmaterial und der Verwendung von Rüstungsmaterial gebracht werden können; es ist somit entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht erforderlich, daß die Waren in einem objektiv-funktionalen Zusammenhang mit Waffen oder mit Rüstungsmaterial stehen. Dies ergibt die Auslegung von § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV.

Zum einen läßt sich das Erfordernis des objektiv-funktionalen Zusammenhangs nicht aus der Resolution Nr. 748 herleiten, weil diese zwar Anlaß, aber nicht Rechtsgrundlage für die hier streitige Verordnungsregelung war und weil der bundesdeutsche Gesetzgeber nicht gehindert war, auch die neutralen Materialien einem Ausfuhrverbot zu unterwerfen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie am Bestimmungsort durch eine dort vorgenommene Zweckbestimmung in Zusammenhang mit Waffen und sonstigem Rüstungsmaterial gebracht werden. Zum anderen enthält die in § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV getroffene Regelung weder vom Wortlaut her noch aufgrund ihres Sinns und Zwecks sowie aufgrund des Regelungszusammenhangs eine Beschränkung auf die mit Rüstungsmaterial in einem objektiv-funktionalen Zusammenhang stehenden Waren. Vielmehr deutet die Formulierung "damit in Zusammenhang stehender Waren aller Art sowie Ersatzteilen" und die Formulierung "ebenso die Lieferung jeder Art von Ausrüstung" (Nr. 1 zweiter Halbsatz) darauf hin, daß auch die "dual-use-Waren" dann nicht nach Libyen ausgeführt werden sollen, wenn sie vom Empfänger mit Rüstungsmaterial in Zusammenhang gebracht werden.

Die Beklagte hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, daß die "dual-use-Waren", also alle im Abschnitt C des Teils I der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) erwähnten Waren, durch die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts ausgenommen würden. Das Verwaltungsgericht reduziere den Kreis der von der Resolution bzw. dem § 69 1 AWV erfaßten Waren auf diejenigen, denen konstitutiv ein funktionaler Zusammenhang zum Rüstungsmaterial zukomme, wie dies z.B. bei der Panzerkette oder dem Geschützturm zum Panzer der Fall sei. Damit werde aber der Kreis der erfaßten Waren wiederum auf das Rüstungsmaterial selbst oder bestenfalls auf dafür benötigte Ersatzteile beschränkt. Der Zusatz "und damit in Zusammenhang stehender Waren aller Art" wäre überflüssig und könnte durch den Zusatz "Ersatzteile hierfür" ersetzt werden.

Ebenfalls in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Beklagten ist der Senat weiter der Auffassung, daß bei der hier gebotenen teleologischen Auslegung - also der Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung - berücksichtigt werden muß, daß es Zweck der Resolution Nr. 748 aus dem Jahre 1992 war, die libysche Staatsführung zum Einlenken in der Lockerbie-Affäre zu bewegen und so die Auslieferung von zwei Tatverdächtigen an ein international noch zu bestimmendes Gericht zu erreichen. Diesem Normzweck zufolge liegt es nahe davon auszugehen, daß jede Ausfuhr verboten werden sollte, die geeignet ist, in irgendeiner Form das libysche Militärpotential zu stärken.

Die Beklagte hat weiterhin zu Recht darauf hingewiesen, daß neben den in § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV geregelten Beschränkungen des Warenverkehrs in Nr. 2 der Vorschrift ein Verbot bestimmter Dienstleistungen, nämlich u.a. ein Verbot der technischen Beratung, Unterstützung oder Ausbildung im Hinblick auf die Lieferung, Herstellung, Wartung oder den Gebrauch der in Nr. 1 genannten Gegenstände ausgesprochen worden ist. Es ist weiterhin nicht verfehlt davon auszugehen, daß in einer Ingenieurschule des libyschen Militärs wie der Engineering Academy in Tajoura/ Libyen die Ausbildung von Militärangehörigen zu qualifizierten Benutzern von Rüstungsmaterial betrieben wird. Es wäre in der Tat kaum verständlich, daß eine Dienstleistung an dieser Hochschule, also z.B. der Gastvortrag eines deutschen Dozenten, der in den Gebrauch eines Kampfpanzers einweist, zweifelsfrei vom Verbotstatbestand erfaßt ist, während unter Zugrundelegung der Auffassung des Verwaltungsgerichts der Dozent bei seiner Reise zur libyschen Ingenieurschule Materialien und Geräte mitführen dürfte, wie sie hier die Klägerin ausführen möchte.

Nach allem hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 16. März 1993 zutreffend entschieden, daß eine Exportware (auch dann) im Zusammenhang mit Rüstungsmaterial steht, wenn sie - wie hier - für eine technische Ausbildungsstätte des Militärs bestimmt ist und sie - zumindest auch - in den insbesondere naturwissenschaftlichen oder technischen Ausbildungsfächern verwendet werden kann, die auf den qualifizierten Gebrauch bzw. die Herstellung oder die Wartung von Rüstungsmaterial vorbereiten.

Dabei ist es entgegen der Auffassung der Klägerin (vgl. Seiten 12 und 13 des Schriftsatzes der Klägerin vom 27. September 1994, Bl. 92/93 der Gerichtsakten) nicht erforderlich, daß die Beklagte durch Angabe technischer Einzelheiten darlegt, in welcher Weise die Gegenstände, die die Klägerin nach Libyen liefern möchte, konkret geeignet sein sollen, die Absolventen der Militärakademie zum Gebrauch von Rüstungsmaterial auszubilden. Denn es genügt nach dem in § 7 Abs. 1 Nr. 2 AWG geregelten Zweck der dort genannten Ausfuhrbeschränkungen, daß sie angeordnet werden, "um eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhüten". Auch dann also, wenn nicht hinsichtlich eines jeden der von der Klägerin genannten Gegenstände von hier aus beurteilt zu werden vermag, ob und ggf. in welchem Umfang sie konkret dazu dienen, Angehörige der Militärakademie "zum Gebrauch von Rüstungsmaterial" auszubilden, liegt die diesbezügliche Vermutung der Beklagten doch nahe, so daß Maßnahmen mit der in § 7 Abs. 1 Nr. 2 AWV geregelten Zweckrichtung gerechtfertigt sind. Es ist im übrigen auch höchstwahrscheinlich, daß Auszubildende einer Militärakademie eine Ingenieur- oder Technikerausbildung gerade deshalb erhalten, damit sie nach Abschluß der Ausbildung militärisch besonders effizient vorgehen können. Dies schließt es notwendig ein, daß sie im Gebrauch von Rüstungsmaterial ausgebildet werden. Beispielsweise dürften die von der Klägerin genannten UKW-Empfangsteile oder die Bücher mit Experimentieranleitungen zu Transformatoren, Regelungstechnik, Leistungselektronik, Servotechnik, Mikrocomputertechnik und Digitaltechnik geeignet sein, das Verständnis für das Funktionieren militärischer Geräte - auch Nachrichtenübertragungsgeräte - zu fördern und dazu beizutragen, daß die Absolventen der Militärakademie Rüstungsmaterial bewußter und damit effektiver gebrauchen als ohne eine Ausbildung anhand der genannten Gegenstände bzw. Bücher.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), denn die Frage, ob in Anwendung von § 69 1 Abs. 1 Nr. 1 AWV ein objektiv-funktionaler Zusammenhang zwischen Rüstungsmaterial und damit in Zusammenhang stehender Waren aller Art sowie Ersatzteilen verlangt werden muß, oder ob hinsichtlich der Waren aller Art sowie der Ersatzteile eine militärische Zweckbestimmung durch den Empfänger an sich neutraler Gegenstände genügt, hat grundsätzliche Bedeutung und ist entscheidungserheblich.

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