Hessischer VGH, Beschluss vom 21.07.1997 - 6 TZ 2487/97
Fundstelle
openJur 2012, 21420
  • Rkr:
Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist nicht begründet, denn ein Grund, der die Zulassung rechtfertigen kann, ist nicht dargelegt (§ 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO).

Die Antragsteller haben keine Gründe dargetan, nach denen die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 146 Abs. 4 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dabei kann hier unentschieden bleiben, ob der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur spezifisch auf Eilverfahren bezogene Fragestellungen umfasst (so VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Februar 1997 - 8 S 483/97 -, VBlBW 1997, 262 f.; vgl. auch Hess.VGH, Beschluss vom 8. Juli 1997 - 6 TZ 2386/97 -). Denn in dem Zulassungsantrag vom 10. Juli 1997 ist weder der Zulassungsgrund genau bezeichnet noch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht erläutert, warum der geltend gemachte Zulassungsgrund für gegeben erachtet wird (vgl. zu diesen Voraussetzungen Hess.VGH, Beschluss vom 4. April 1997 - 12 TZ 1079/97 - Seite 2 des amtlichen Umdrucks mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

In dem Schriftsatz vom 10. Juli 1997 wurden unter I. zum Zulassungsantrag nur allgemeine Ausführungen betreffend Bürgerbegehren im Sinne des § 8 b HGO gemacht. Zu einer konkreten für die Beurteilung des Streitfalles maßgeblichen Rechtsfrage, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentlich für die einheitliche Auslegung und Anwendung oder für die Fortbildung des Rechts ist (vgl. zu diesen Anforderungen Kopp, VwGO, 10. Auflage, 1994, Rdnr. 9 zu § 132 m.w.N.), werden keine Ausführungen gemacht. Es wird zunächst allgemein darauf abgestellt, die Grundsätzlichkeit der Bedeutung der Rechtssache folge aus der Tatsache, dass die im konkreten Fall den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund prägenden Vorschriften des § 8 b HGO durch die Neufassung vom 1. April 1993, mithin vor verhältnismäßig kurzer Zeit, wirksam geworden und daher nur sporadisch Gegenstand obergerichtlicher Beurteilung gewesen seien. Insbesondere gelte dies für Initiativrechte der Bürgerschaft, die wie im konkreten Fall auf die Änderung der Hauptsatzung und die darin bestimmte Zahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder zielten. Welche Rechtsfrage der Senat hier klären soll, ergibt sich daraus nicht. Die allgemein gehaltenen Ausführungen deuten sogar eher darauf hin, dass mehrere Rechtsfragen geklärt werden sollen. Welche dies sein sollen, wird nicht gesagt.

Im Folgenden heißt es dann, zwar habe es in diesem Zusammenhang bereits in der Gemeinde Niddatal, Regierungsbezirk Darmstadt, ein Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid gegeben. Allerdings liege keine obergerichtliche Entscheidung vor zur Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit des konkreten Gegenstands des "Bürgerbegehrens-Bescheids". Auch sei es gänzlich ungeklärt, wann und unter welchen Umständen das gesetzlich verbriefte Initiativrecht der Träger des Bürgerbegehrens durch Maßnahmen der entgegenstehenden Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung, des Magistrats oder der Gemeindeverwaltung so sehr in seiner Effektivität beeinträchtigt werde, dass zur Vereitelung des Rechtsverlusts eiliger gerichtlicher Rechtsschutz geboten sei (Art. 19 Abs. 4 GG). Zunächst wird hier der konkrete Gegenstand des Bürgerbegehrens nicht genannt. Die Bemerkung, es sei gänzlich ungeklärt, wann und unter welchen Umständen das gesetzlich verbriefte Initiativrecht der Träger des Bürgerbegehrens so sehr beeinträchtigt werde, dass eiliger gerichtlicher Rechtsschutz geboten sei, nennt auch keine konkrete Rechtsfrage, sondern läuft auf ein umfassendes Rechtsgutachten hinaus, in dem abstrakt und unabhängig vom konkreten Fall geklärt werden soll, "wann und unter welchen Umständen" gerichtlicher Eilrechtsschutz "zur Vereitelung des Rechtsverlusts" geboten sei.

Auch die folgende Bemerkung, der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe sich in anderen tatsächlich-rechtlichen Zusammenhängen des § 8 b HGO zur Sicherung des Initiativrechts der Bürger auf Einreichung und Durchführung des Bürgerbegehrens mit dem Ziel des Antrags auf einen Bürgerentscheid geäußert, dies ändere an der Richtigkeit der hier getroffenen Feststellung zur grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtssache nichts, enthält keine genaue Darstellung einer Rechtsfrage, die hier relevant und über den konkreten Fall hinaus von wesentlicher allgemeiner Bedeutung ist.

Soweit die Antragsteller mit den genannten allgemeinen Formulierungen beabsichtigt haben sollten, die vom Verwaltungsgericht auf Seite 3 des Beschlusses vom 23. Juni 1997 gegebene Begründung für die Entscheidung, ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben, als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu bezeichnen, vermag der Senat dem schon deshalb nicht zu folgen, weil in der Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen der Senat den Erlass einstweiliger Anordnungen zur Sicherung von Bürgerbegehren in Betracht zieht. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 26. Oktober 1993 (- 6 TG 2221/93 -, ESVGH 44, 99 = DÖV 1994, 270) einen im Wege der einstweiligen Anordnung sicherungsfähigen Unterlassungsanspruch anerkannt, wenn anderenfalls auf Seiten des Bürgers ein Rechtsverlust droht, weil der Vollzug irreversible Verhältnisse schafft. Im Beschluss vom 2. Juni 1995 (- 6 TG 1554/95 -, NVwZ 1996, 722) hat der Senat ausgeführt, im Wege der einstweiligen Anordnung könne grundsätzlich lediglich das Recht der Bürger der Gemeinde gesichert werden, ein Bürgerbegehren über einen zulässigen Gegenstand durchzuführen. Dazu dürften nur im Hinblick auf den Gegenstand des Hauptsacheverfahrens notwendige Maßnahmen angeordnet werden. Eine Verpflichtung zur Ergreifung zulässiger Maßnahmen zur vorläufigen Sicherung der Durchführung eines nach dem Gegenstand grundsätzlich zulässigen Bürgerbegehrens habe sich auf das unbedingt Notwendige zu beschränken, damit nicht irreversible Tatsachen geschaffen würden und ein jedenfalls im Hinblick auf den Gegenstand zulässiges Bürgerbegehren nicht von vornherein gegenstandslos werde.

Es erscheint hier eher zweifelhaft, dass ohne den Erlass der von den Antragstellern begehrten einstweiligen Anordnung der Gegenstand des Bürgerbegehrens/Bürgerentscheids gegenstandslos wird, denn auch wenn ein dritter hauptamtlicher Beigeordneter gewählt würde, bliebe das Ziel des Bürgerbegehrens/Bürgerentscheids, § 1 der Hauptsatzung der Universitätsstadt Marburg dahin zu ändern, dass der Magistrat nur noch aus dem Oberbürgermeister/der Oberbürgermeisterin, dem Bürgermeister/der Bürgermeisterin, einem/einer hauptamtlichen und acht ehrenamtlichen Stadträten/Stadträtinnen besteht, weiterhin möglich. Da insofern das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für die begehrte einstweilige Anordnung bereits unter Heranziehung der bisherigen Rechtsprechung des Senats eher zweifelhaft erscheint, ist auch nicht ersichtlich, dass allgemeine, den Anordnungsgrund betreffende und bisher ungeklärte Rechtsfragen für die Entscheidung des vorliegenden Falles maßgeblich sein könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf der entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz - GKG - in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).