Hessischer VGH, Beschluss vom 21.05.1997 - 7 TG 2293/95
Fundstelle
openJur 2012, 21354
  • Rkr:
Gründe

Das Verfahren ist gemäß §§ 92 Abs. 3 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen und die Wirkungslosigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 analog ZPO auszusprechen, soweit die Beteiligten - in dem aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Umfang - überein- stimmend Erledigung erklärt haben.

Im übrigen hat die Beschwerde des Antragsgegners, über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entscheidet (vgl. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO), im wesentlichen - und zwar in dem (wiederum) aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang - Erfolg.

Die Beschwerde ist allerdings, soweit keine übereinstimmenden Erledigungserklärungen abgegeben worden sind, in vollem Umfang zulässig. Insbesondere fehlt den Antragstellerinnen nicht deshalb teilweise das Rechtsschutzbedürfnis, weil in der wasserungesättigten Bodenzone im Bereich des "Flusenschachts" in der zweiten Hälfte des Jahres 1993 ein Erdaushub und im Frühjahr 1996 eine Bodenluftabsaugung erfolgten; denn das in der unanfechtbaren Genehmigung des Antragsgegners vom 17. Oktober 1995 festgesetzte Sanierungsziel (die Summe der halogenierten Kohlenwasserstoffe muß kontinuierlich einen Wert von 5 mg/m3 Bodenluft unterschreiten) wurde nur ein einziges Mal - am 9. Februar 1996 - erreicht, bei den folgenden Beprobungen hingegen nicht mehr. Entsprechendes gilt hinsichtlich der vom Antragsgegner veranlaßten und vorfinanzierten Abreinigung des Grundwassers über den Brunnen B 1 im Bereich des Hauptschadenszentrums unter dem Nordwestflügel des Betriebsgebäudes; auch insoweit ist nämlich ausweislich der letzten in das Verfahren eingeführten Meßergebnisse aus der Zeit vom 3. April bis zum 21. November 1996 der in Ziff. I.1.1 (3. Abs.) der angegriffenen Verfügungen bestimmte Wert von 50 ug/l noch nicht unterschritten worden.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist aber nur im wesentlichen - nämlich hinsichtlich der Grundwassersanierung im Bereich des Hauptschadenszentrums und im Bereich des zweiten Schadenszentrums unter dem "Flusenschacht" sowie hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme in bezug auf das Hauptschadenszentrum - begründet; lediglich insoweit hat nämlich das Verwaltungsgericht dem Antrag der Antragstellerinnen auf vorläufigen Rechtsschutz zu Unrecht entsprochen. Denn die wasserbehördlichen Verfügungen des Antragsgegners vom 3. März 1995 erweisen sich bei der - in Anbetracht der Verfahrensart notgedrungen summarischen - Überprüfung nur im vorgenannten Umfang als offenbar rechtmäßig, im übrigen hingegen als offenbar rechtswidrig. Bei der Überprüfung durch das Beschwerdegericht sind, da ein Widerspruchsbescheid bisher nicht ergangen ist, die gegenwärtigen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse als maßgebend zugrunde zu legen (Hess. VGH, B. v. 14.11.1991 - 7 TH 12/89 -, ESVGH 42, 138 = NVwZ 1992, 393).

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die untere Wasserbehörde zu Recht aufgrund wasserrechtlicher Bestimmungen gegen die Antragstellerinnen eingeschritten. Zwar hält das Beschwerdegericht auch nach den durch das Altlastenrechts-Neuordnungs-Gesetz vom 20. Dezember 1994 (GVBl. I S. 764) erfolgten Rechtsänderungen angesichts des unverändert gebliebenen § 77 Abs. 3 HWG daran fest, daß die altlastenrechtlichen Vorschriften für ihren Anwendungsbereich ein Einschreiten auf wasserrechtlicher Grundlage ausschließen (vgl. Hess. VGH, Be. v. 02.04.1990 - 7 TH 4059/87 -, NVwZ-RR 1990, 550 = ZfW 1991, 46, v. 14.11.1991 - 7 TH 12/89 -, a.a.O., v. 27.11.1991 - 7 TH 2340/88 - u. v. 03.07.1996 - 14 TH 2389/93 -). Die streitbefangenen Grundstücke der Antragstellerinnen unterliegen indes nicht dem Altlastenrecht, weil es sich bei ihnen weder um Altstandorte noch um Altablagerungen im Sinne des § 2 Nrn. 2 und 3 HAltlastG handelt.

Altstandorte sind Grundstücke mit stillgelegten Anlagen, die - u.a. - wirtschaftlichen Unternehmen dienten. Die Betriebsanlagen der Färberei einschließlich des Kühlwasserbeckens auf dem Flurstück 103 sind bisher nicht stillgelegt. Allein der Umstand, daß ein auf dem vorgenannten Grundstück befindlicher Schacht nicht mehr zur Ablagerung von HKW-haltigen Flusen benutzt wird, macht dieses Grundstück oder gar das gesamte Betriebsgelände nicht zu einer Altfläche. Vielmehr sind, wie insbesondere aus § 11 Abs. 1 Satz 3 HAltlastG deutlich wird, zum einen sämtliche dem Betriebsgelände zuzurechnenden verunreinigten Grundstücke, jedenfalls soweit sie - wie nach Lage, Größe und Nutzung das Flurstück 103 - nicht selbständig verkehrsfähig sind (vgl. hierzu Hess. VGH, Be. v. 14.01.1993 - 14 TH 2465/92 - u. v. 03.07.1996 - 14 TG 2389/93 -), einheitlich zu betrachten. Und zum anderen setzt die Annahme eines Altstandortes die Stillegung sämtlicher und nicht nur einzelner betrieblicher Anlagen voraus, wie insbesondere aus der Fassung der Vorläufervorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 2 HAbfAG (dort war von stillgelegten industriellen und gewerblichen Betrieben die Rede) zu ersehen ist; die - redaktionell nicht ganz geglückte - Neufassung des § 2 Nr. 3 a) HAltlastG ist nämlich nur darauf gerichtet, zusätzlich stillgelegte Betriebe nicht industrieller und nicht gewerblicher Art zu erfassen (amtl. Begr. zu § 2 HAltlastG, LT-Drucksache 13/6495, S. 21), nicht hingegen stillgelegte Teile fortbestehender Betriebe.

Mit den Altablagerungen im Sinne des § 2 Nr. 2 HAltlastG zielt der Gesetzgeber - in ersichtlicher Anlehnung an § 11 Abs. 1 Satz 2 AbfG - auf sämtliche stillgelegten Anlagen zur Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen ab, seien sie zugelassen (und damit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AbfG Abfallentsorgungsanlagen im Rechtssinne) oder nicht (vgl. die amtl. Begr. zu § 16 Abs. 2 HAbfAG, LT-Drucksache 12/2868, S. 25, u. zu § 2 HAltlastG, LT-Drucksache 13/6495, S. 21). Der auf den Betriebsgrundstücken der Färberei befindliche ehemalige "Flusenschacht" macht diese nicht insgesamt zu einer Altablagerung im vorgenannten Sinne. Das scheitert freilich nicht schon daran, wie der Antragsgegner meint, daß die Flusen in der zweiten Hälfte des Jahres 1993 entfernt wurden, denn nach § 2 Nr. 2 HAltlastG ist nur erforderlich, daß eine Ablagerung erfolgt ist, nicht aber daß sie als solche fortbesteht; auch dann können nämlich noch Verunreinigungen gegeben sein, die der altlastenrechtlichen Sanierung bedürfen. Die Qualifizierung der streitbefangenen Grundstücke als Altablagerung scheitert aber deshalb, weil dem "Flusenschacht" im Rahmen des Betriebsablaufs der Färberei nur eine gänzlich untergeordnete Bedeutung zugekommen ist und das Betriebsgelände in seiner Gesamtheit dadurch nicht maßgebend geprägt wird (vgl. Kunig/Schwermer/Versteyl, Abfallgesetz, 2. Aufl. 1992, § 4, Rdnr. 12, u. § 12, Rdnrn. 16 f. u. 19). Eine isolierte Betrachtung des Flurstücks 103 scheidet auch im vorliegenden Zusammenhang schon mangels dessen Verkehrsfähigkeit aus.

Selbst wenn aber eine Altfläche im Sinne des § 2 Nr. 1 HAltlastG anzunehmen und auch die Voraussetzungen für eine altlastenverdächtige Fläche im Sinne des § 2 Nr. 4 HAltlastG erfüllt wären, wenn also die Zuständigkeit der unteren Wasserbehörde nach § 4 Abs. 1 Satz 5 HAltlastG entfallen wäre, könnte ihr dies gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 HAltlastG nicht entgegengehalten werden. Insofern handelt es sich um eine den Anwendungsbereich des § 46 HVwVfG hinsichtlich der sachlichen Unzuständigkeit erweiternde spezielle Regelung, die das Verwaltungsgericht offenbar übersehen hat.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein wasserbehördliches Einschreiten nach § 77 Abs. 1 Satz 1 HWG liegen angesichts der dokumentierten Grundwasserverunreinigungen im Bereich des Hauptschadenszentrums unter dem Nordwestflügel des Betriebsgebäudes von zuletzt (21. November 1996) 565 ug/l und im Bereich des zweiten Schadenszentrums unter dem ehemaligen "Flusenschacht" von zuletzt (3. April 1995) 1141 ug/l, welche den Sanierungsschwellenwert von 50 ug/l erheblich überschreiten (vgl. Nr. 3.1 Abs. 6 i.V.m. Anlage 1 Nr. 5 Gw-VwV, StAnz. 1994, 1590), eindeutig vor. Ob zusätzliche Bodenverunreinigungen der in § 77 Abs. 1 Satz 2 HWG bezeichneten Qualität (noch) bestehen, mag im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen.

Die Antragstellerinnen als gegenwärtige Grundstückseigentümerinnen sind für die vorgenannten Gewässerverunreinigungen verantwortlich. Wer die Verantwortlichen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 HWG sind, ergibt sich infolge der in § 74 Abs. 2 Satz 1 HWG enthaltenen Verweisung aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 6 und 7 HSOG (Hess. VGH, B. v. 02.06.1992 - 7 TH 1035/90 -, NVwZ 1993, 1011). Die Verantwortlichkeit der Antragstellerinnen kann danach nur aus § 7 Abs. 2 Satz 1 HSOG hergeleitet werden.

Voraussetzung ist, daß von einer in ihrem Eigentum stehenden Sache eine Gefahr ausgeht. Als Sache in diesem Sinne kommen nur die Betriebsgrundstücke in Betracht, grundsätzlich nicht hingegen das diese durchfließende Grundwasser, weil es dem Grundeigentum rechtlich nicht zuzuordnen ist (Hess. VGH, Be. v. 20.03.1986 - 7 TH 455/86 -, DÖV 1987, 260 = ZfW 1987, 98, u. v. 02.06.1992 - 7 TH 1035/90 -, a.a.O.). Von den Betriebsgrundstücken selbst kann eine Gefahr indes nur noch ausgehen, soweit sie weiterhin kontaminiert sind, was jedenfalls für den Bereich des Hauptschadenszentrums nach der bereits im Oktober 1989 beendeten Bodenreinigung kaum noch zu bejahen sein wird; und für den Bereich des "Flusenschachts" könnte nach der bis auf einen Bodenluft-Wert von zuletzt (3. April 1996) 6,07 mg/m3 gereinigten wasserungesättigten Bodenzone ähnliches zu erwägen sein. Dem braucht jedoch an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen zu werden, weil bei einer entsprechenden Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HSOG im Geltungsbereich des § 77 Abs. 1 Satz 1 HWG eine Verantwortlichkeit nicht nur für eine noch bestehende Gefahr, sondern weitergehend auch für durch deren Realisierung bereits eingetretene Gewässerverunreinigungen begründet wird. Mit der neuen Vorschrift des § 77 HWG verfolgt der Gesetzgeber nämlich gerade die Absicht zu verdeutlichen, "daß die nach Polizeirecht verantwortlichen Zustands- und Handlungsstörer (auch) die Sanierung von Gewässern (richtig: Gewässer-) und Bodenverunreinigungen durchzuführen haben" (amtl. Begr. zu § 76a (jetzt § 77) HWG, LT-Drucksache 12/4199, S. 52). Eine Entlassung des Eigentümers aus der Verantwortlichkeit mit dem endgültigen Schadensaustrag aus seinem Grundstück erscheint auch nicht sachgerecht, weil dieser Zeitpunkt weitgehend vom Zufall abhängt und allein der Zeitablauf kein maßgebendes Kriterium für die Verantwortlichkeit sein kann. Demnach kommt es entscheidend darauf an, ob die im Eigentum der Antragstellerinnen stehenden Betriebsgrundstücke die dokumentierten Grundwasserverunreinigungen verursacht haben (im Ergebnis ebenso: VGH Baden-Württemberg, U. v. 11.10.1985 - 5 S 1738/85 -, DÖV 1986, 249, u. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 11.06.1992 - 20 A 2485/89 -, NVwZ 1993, 1000); hiermit steht die durch Erlaß vom 30. August 1994 geänderte Fassung der Nr. 6.1.1. Abs. 3 Gw-VwV (StAnz. 1994, 2839) in Einklang. Soweit in früheren Entscheidungen des Hess. Verwaltungsgerichtshofs angeklungen sein sollte, daß der Eigentümer für bereits eingetretene Grundwasserverunreinigungen grundsätzlich nicht (mehr) verantwortlich sei (vgl. etwa Be. v. 02.06.1992 - 7 TH 1035/90 -, a.a.O., u. v. 15.11.1993 - 7 TH 2226/93 -), wird hieran jedenfalls für den Anwendungsbereich des § 77 HWG nicht festgehalten.

Im vorliegenden Fall steht - bei der angesichts der Verfahrensart nur möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung - mit hinreichender Sicherheit fest, daß die dokumentierten Grundwasserverunreinigungen vom Betriebsgelände der Färberei herrühren. Ein Schadenseintrag in den Oberstrom ist aufgrund der dort durchgeführten Untersuchungen des Instituts für Biotechnik Dr. (Gutachten vom 13.11.1990) und der Gesellschaft für Baugeologie und -meßtechnik mbH - gbm - (Kurzgutachten vom 12.11.1993) - auch unter Berücksichtigung der je nach Wasserführung des bachs wechselnden Grundwasserfließverhältnisse - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Dies ist insbesondere in dem Zwischenbericht des Instituts für Umwelt-, Geotechnik und Ingenieurwesen GmbH vom 1. September 1994, dem umfangreiche Grundwasserspiegelmessungen vorausgegangen sind, nachvollziehbar dargelegt. Damit ist auch der von den Antragstellerinnen wiederholt (zuletzt mit Schriftsätzen vom 04.03. und vom 06.05.1997) vermutete Schadenseintrag von außerhalb hinreichend sicher widerlegt. Das gilt insbesondere für das Gelände auf der anderen Seite des bachs, wo die Färberei früher ihren Sitz gehabt haben soll. Ebensowenig erscheint angesichts der Lage der beiden Schadenszentren auf dem Betriebsgelände der Färberei auch nur annähernd wahrscheinlich, daß für deren Entstehung - wie die Antragstellerinnen meinen - vom bach angeschwemmte Schadstoffe ursächlich sein könnten. Die Zunahme der Schadstoffkonzentration im Bereich des "Flusenschachts" im Dezember 1993 steht dem nicht entgegen; sie dürfte vielmehr - so der Zwischenbericht des Instituts vom 1. September 1994 - auf eine Mobilisierung der Schadstoffe infolge des in der zweiten Hälfte des Jahres 1993 ohne wasserbehördliche Beteiligung veranlaßten Aushubs des "Flusenschachts" zurückzuführen sein. Dagegen, daß die dokumentierten Grundwasserverunreinigungen vom Betriebsgelände der Färberei herrühren, spricht auch nicht die vorläufige Bewertung der GmbH vom 17. Mai 1995, daß die im Bereich des "Flusenschachts" am 3. April 1995 gemessene maximale Bodenluftkonzentration von 34 mg/m3 die festgestellte Grundwasserkontamination von 1141 ug/l erfahrungsgemäß nicht verursacht haben könne; denn diese Einschätzung beruhte auf der - unzutreffenden - Prämisse, daß im betreffenden Bodenbereich in der Vergangenheit keine höheren HKW-Konzentrationen vorlagen; vor dem aushub des "Flusenschachts" hatte die gbm, wie aus deren Kurzgutachten vom 2. Juli 1993 hervorgeht, dort nämlich eine weit höhere Bodenbelastung ermittelt. Mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann schließlich, daß die beiden Schadenszentren in nennenswertem Umfang auf Schadstoffaustritten aus dem das Betriebsgebäude in südlicher Richtung verlassenden Abwasserkanal beruhen, was die Antragstellerinnen - offenbar in Anknüpfung an die gutachterliche Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes vom 7. April 1987 (S. 3, Ziff. 4 b) - in jüngster Zeit wiederholt geltend gemacht haben. Undichtigkeiten dieser Kanalleitung könnten laut Bundesgesundheitsamt nämlich allenfalls Kontaminationen im Bereich der am 11. November 1986 zur Bodenluftentnahme niedergebrachten Bohrungen 10, 11 und 12 (vgl. den betreffenden Lageplan (Anlage zur vorgenannten gutachterlichen Stellungnahme)) herbeigeführt haben, kaum hingegen im Bereich der beiden Schadenszentren, die Gegenstand der streitbefangenen wasserbehördlichen Verfügungen sind.

Die Zustandsverantwortlichkeit der Antragstellerinnen entfiele übrigens selbst dann nicht, wenn sie sich in einer sog. Opferposition befänden. Ein solcher Haftungsausschluß auf der Primärebene, wie ihn etwa § 12 Abs. 1 Nr. 5 HAltlastG vorsieht, ist wegen des spezialgesetzlichen Ausnahmecharakters dieser Vorschrift auf das Wasserrecht und das allgemeine Polizeirecht nicht - auch nicht analog - übertragbar (Hess. VGH, U. v. 28.05.1993 - 7 UE 3894/87 -; ebenso Brandt, Altlastenrecht, 1993, Abschn. IV D, Rdnr. 71). Der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist allerdings im Rahmen der gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 HWG i.V.m. § 5 Abs. 1 HSOG vorzunehmenden pflichtgemäßen Ermessensausübung Rechnung zu tragen (Hess. VGH, U. v. 28.05.1993 - 7 UE 3894/87 -; ebenso Brandt, a.a.O.).

Ein dem Antragsgegner durch die Heranziehung gerade der Antragstellerinnen - und nicht anderer möglicher Verantwortlicher - unterlaufener Ermessensfehler ist nicht ersichtlich.

Verhaltensverantwortliche, die grundsätzlich vorrangig in Anspruch zu nehmen sind, lassen sich - abgesehen von dem früheren Betriebsinhaber - nicht feststellen; vor allem ist dem jetzigen Betriebsinhaber ein nennenswerter Schadstoffeintrag ab dem 1. Januar 1983 nicht nachweisbar, zumal er den Betrieb hinsichtlich des Umgangs mit umweltgefährdenden Stoffen offenbar kurz nach der Übernahme umgestellt hat (vgl. dazu schon Hess. VGH, B. v. 06.09.1989 - 7 TH 2275/88 -, u. den Ergebnis-Bericht des Forschungsinstituts H vom 07.04.1988, insbesondere aber die Stellungnahme der GmbH an den Antragsgegner vom 30.03.1994). Daß die jetzigen Maßnahmen nicht erneut gegen gerichtet worden sind - und wegen des am 25. Juli 1990 mit ihm geschlossenen Prozeßvergleichs wohl auch nicht mit Aussicht auf Erfolg (hätten) gerichtet werden können -, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn jedenfalls dann, wenn eine effektive Sanierung durch Verhaltensverantwortliche aus rechtlichen, faktischen oder finanziellen Gründen nicht gewährleistet ist, kann ermessensfehlerfrei gegen Zustandsverantwortliche eingeschritten werden (vgl. Hess. VGH, B. v. 20.03.1986 - 7 TH 455/86 -, a.a.O., m.w.N.); auch gegen einen abgestuften Zugriff - also zunächst gegen die Verhaltensverantwortlichen bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und alsdann gegen die Zustandsverantwortlichen - ist demnach nichts einzuwenden (vgl. OVG Niedersachsen, U. v. 10.06.1989 - 12 A 234/86 -, NVwZ 1990, 786). Die finanzielle Leistungsfähigkeit beschränkte sich bei Abschluß des damaligen Prozeßvergleichs offensichtlich auf seinen Anteil in Höhe von 207.500,-- DM aus einem Hausverkauf; hiervon zahlte in Erfüllung des Vergleiches 150.000,-- DM an den Antragsgegner. Da dem Antragsgegner bis zum Eintritt der Vollziehbarkeit der streitbefangenen Verfügungen am 7. März 1995 bereits Sanierungskosten von insgesamt 710.546,24 DM entstanden sind, wirkt sich der im Vergleichswege erlassene Betrag von maximal 57.500,-- DM nicht zum Nachteil der Antragstellerinnen aus, die jedenfalls bisher ausschließlich zu nach dem 7. März 1995 durchzuführenden Maßnahmen herangezogen worden sind. Es ist auch nichts dafür ersichtlich oder substantiiert dargetan, daß zwischenzeitlich wieder Vermögen in Höhe von mehr als 500.000,-- DM erlangt hätte oder in absehbarer Zeit erlangen wird. Nur dann oder aber im Falle eines Erstattungsbegehrens des Antragsgegners bezüglich der bis zum 7. März 1995 entstandenen und noch offenen Sanierungskosten könnte sich das Problem eines Verzichts zu Lasten der Antragstellerinnen durch den seinerzeitigen Vergleichsabschluß stellen.

Die Ermessenserwägungen, die der Antragsgegner - und zwar ausdrücklich jede für sich entscheidungstragend - hinsichtlich der vorrangigen Inanspruchnahme der Antragstellerinnen als Eigentümerinnen gegenüber dem als gegenwärtiger Inhaber der tatsächlichen Gewalt ebenfalls zustandsverantwortlichen (vgl. § 74 Abs. 2 Satz 1 HWG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 HSOG) angestellt hat, tragen zumindest im Ergebnis diese Entscheidung. Der Antragsgegner hat insbesondere ermessensfehlerfrei darauf abgestellt, daß die tatsächliche Gewalt des Mieters lediglich auf einem privatrechtlichen Schuldverhältnis beruht; dies ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil das Mietverhältnis derzeit bis zum 30. Juni 1997 befristet ist und bis dahin eine bestandskräftige Verfügung gegen bei realistischer Einschätzung nicht zu erwirken gewesen wäre, so daß es sachgerecht war, im Interesse einer effektiven Sanierung die Antragstellerinnen als Eigentümerinnen heranzuziehen.

Nicht alle der den Antragstellerinnen abverlangten und bisher nicht erledigten Maßnahmen sind hingegen (noch) erforderlich im Sinne des § 77 Abs. 1 HWG, namentlich geeignet und verhältnismäßig gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 HWG i.V.m. §§ 4 und 5 HSOG.

Die Fortführung der Grundwassersanierung im Bereich des Hauptschadenszentrums (Ziff. I.1.1 u. I.1.2 der Verfügungen) ist freilich nicht zu beanstanden. Sie ist insbesondere nicht deswegen unzulässig, weil etwa ihr Zweck nicht erreicht werden könnte (§ 74 Abs. 2 Satz 1 HWG i.V.m. § 4 Abs. 3 HSOG). Zwar gelingt es seit etwa Mitte Mai 1994 nicht, dem Sanierungsziel merklich näher zu kommen. Dies beruht indes, wie aus den beiden Zwischenberichten der GmbH vom 17. Januar und 1. September 1994 nachvollziehbar zu entnehmen ist, auf dem Ausbluten des zweiten Schadenszentrums in der wassergesättigten Zone des ehemaligen "Flusenschachts", deren gleichzeitige Sanierung aufgrund der gutachterlichen Empfehlung der GmbH vom 1. September 1994, der übrigens auch die GmbH unter dem 22. Februar 1995 aus fachlicher Sicht ausdrücklich zugestimmt hat, vom Antragsgegner angeordnet wurde.

Die Erforderlichkeit der Sanierung der wassergesättigten Zone im Bereich des "Flusenschachts" (Ziff. I.1.3, 1. Abs., der Verfügungen) kann angesichts der Verbindung mit dem Bereich des Hauptschadenszentrums und der Gefahr eines weiteren Schadensaustrags über den Grundwasserpfad nicht ernstlich bezweifelt werden; dies gilt auch für das in Anlehnung an den für das Hauptschadenszentrum bestimmten und im Zwischenbericht der GmbH vom 17. Januar 1994 einzelfallbezogen begründete Sanierungsziel von 50 ug/l.

Demgegenüber kann derzeit nicht nachvollzogen werden, warum die wasserungesättigte Zone im Bereich des "Flusenschachts" mittels Bodenluftabsaugung bis zu einem Wert von 5 mg/m3 gereinigt werden soll (Ziff. I.1.3, 2. Abs., der Verfügungen). Weshalb der Antragsgegner insoweit den Prüfwert und nicht - wie hinsichtlich des Grundwassers - den Sanierungsschwellenwert (von hier 25 mg/m3) als Sanierungsziel bestimmt hat und daß auch insoweit die gebotene Einzelfallprüfung erfolgt ist (vgl. Nr. 3.1 sowie Anlage 1 Nr. 5 Gw-VwV), kann weder aus der Begründung der streitbefangenen Verfügungen noch aus den zuvor eingeholten fachtechnischen Stellungnahmen ersehen werden. Nicht plausibel ist ferner - zumal angesichts der Verbindung der beiden Schadenszentren - die Diskrepanz zur Abschaltung der Bodenluftabsaugung im Hauptschadenszentrum im Oktober 1989 bereits bei einem Wert von 20, 3 mg/m3. In dem Zwischenbericht der GmbH vom 10. März 1990 heißt es dazu, die künftig zu erwartende geringfügige weitere Dekontamination hätte außer Verhältnis zu dem erforderlichen Energieaufwand gestanden; dies müßte für eine weitergehende Bodenluftsanierung im Bereich des "Flusenschachts" ebenso gelten, nachdem dort zuletzt dreimal hintereinander (9. Februar, 1. März und 3. April 1996) Werte von maximal 6,07 mg/m3 gemessen wurden.

Die Anordnung, einen Sanierungsplan in bezug auf die Reinigung der wassergesättigten Zone im Bereich des "Flusenschachts" durch eine Fachfirma erstellen zu lassen (vgl. Ziff. I.1.3, 3. Abs., u. I.1.5, 1. Abs., der Verfügungen), hält der rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand. Eine solche Anordnung ist mit Blick auf § 77 Abs. 2 Satz 1 HWG und die ermessensausfüllenden Bestimmungen in Nr. 5.4.3 i.V.m. Anlage 3 Gw-VwV (auch) dann rechtsfehlerhaft, wenn die ins Auge gefaßten Sanierungsmaßnahmen bereits derart weitgehend konkretisiert sind, daß die Wasserbehörde sie aufgrund der ihr vorliegenden fachtechnischen Stellungnahmen - unter Einschaltung des Wasserwirtschaftsamtes - unmittelbar anordnen kann (vgl. Hess. VGH, Be. v. 29.05.1992 - 7 TH 949/91 - u. v. 02.06.1992 - 7 TH 1035/90 -, a.a.O.). So liegt es hier, denn die wesentlichen Punkte, die Inhalt eines Sanierungsplans sein sollen, ergeben sich bereits aus den Zwischenberichten der GmbH vom 17. Januar und 1. September 1994, aus deren Stellungnahme an den Antragsgegner vom 30. März 1994 und aus dem - zustimmenden - Schreiben der GmbH vom 22. Februar 1995; ein Sanierungsplan erscheint um so weniger erforderlich, als sich durch die zwischenzeitliche Schadenseingrenzung die vermutete Kleinräumigkeit des zweiten Schadenszentrums offenbar bestätigt hat. Abgesehen davon fehlt es hinsichtlich der angeordneten Vorlage eines Sanierungsplans in den angegriffenen Verfügungen an der gebotenen Begründung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 HVwVfG.

Die Heranziehung der Antragstellerinnen zur Durchführung der angeordneten Maßnahmen erscheint auch im Hinblick auf Art. 14 GG nicht als unverhältnismäßig. Freilich darf die Inanspruchnahme eines Eigentümers als Zustandsverantwortlichen nicht über das Maß der Sozialbindung des Eigentums hinaus ausgedehnt werden, und deshalb ist vornehmlich zu überprüfen, in welchem Verhältnis die voraussichtlichen Kosten der angeordneten Maßnahmen zum Grundstückswert stehen (vgl. Hess. VGH, U. v. 28.05.1993 - 7 UE 3894/87 -). Bei der Ermittlung der Opfergrenze im Einzelfall wird nicht außer Betracht bleiben können, daß der Eigentümer nicht erst durch die ihm auferlegten Sanierungsmaßnahmen beeinträchtigt wird, sondern daß er durch die bestehenden Verunreinigungen bereits beeinträchtigt ist, und daß sein Grundstück durch eine Sanierung an Wert gewinnt (vgl. Brandt, a.a.O., Abschn. IV D, Rdnr. 71). Ebenso darf in die Betrachtung eingestellt werden, daß ein Eigentümer von der Vermietung eines Grundstücks an einen Gewerbetreibenden profitiert, wenn sich eine typische Gefahr des betreffenden Gewerbebetriebes realisiert hat. Die in diesem Zusammenhang vom Antragsgegner angestellten Ermessenserwägungen leiden demzufolge nicht an einem Ermessensfehler. Das gilt selbst dann, wenn man nicht die aus den Akten ersichtlichen bisherigen Angaben der Beteiligten zugrunde legt, wonach der bloße Bodenwert des Betriebsgrundstücks sich auf mindestes 800.000,-- DM beläuft; auch der vom Gutachterausschuß für Grundstückswerte und sonstige Wertermittlungen für den Bereich des Landkreises am 19. März 1997 unter Außerachtlassung von Sanierungskosten ermittelte Verkehrswert von 613.000,-- DM wird nämlich durch die vom Antragsgegner in den angegriffenen Verfügungen für die angeordneten Maßnahmen veranschlagten Kosten von insgesamt 583.000,-- DM nicht erreicht; entsprechendes gilt für die Summe der seit dem 8. März 1995 tatsächlich entstandenen (150.907,34 DM) und der - aus aktueller Sicht - voraussichtlich noch entstehenden (360.000,-- DM) Kosten von zusammen ca. 511.000,-- DM. Auf die Kosten der Gesamtsanierung kommt es schon deshalb nicht an, weil Gegenstand der an die Antragstellerinnen gerichteten Verfügungen nur die ab dem 8. März 1995 durchgeführten und noch durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen sind.

Auch die Androhung der Ersatzvornahme - ausgenommen in bezug auf die Vorlage des Sanierungsplans - ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigende Dringlichkeit ist in Anbetracht der fortbestehenden erheblichen Grundwasserverunreinigungen im Hauptschadenszentrum und im zweiten Schadenszentrum unter dem ehemaligen "Flusenschacht" und der daraus folgenden Gefahr eines permanenten Schadensaustrags über den Grundwasserpfad ebenfalls zu bejahen, soweit die streitbefangenen Verfügungen nach den vorstehenden Darlegungen rechtmäßig sind. Die von den Antragstellerinnen in dem Schriftsatz vom 4. März 1997 zitierte Passage aus dem Gutachten des Instituts Dr. Zirfas vom 13. November 1990 (die Berufung auf das Kurzgutachten der gbm vom 12. November 1993 ist ein Fehlzitat) steht dem nicht entgegen, da diese Aussage sich auf die beiden Meßstellen im Grundwasseroberstrom weit außerhalb des Betriebsgeländes der Färberei und gerade nicht auf dieses selbst bezieht.

Die Kostenentscheidung beruht, soweit in der Sache entschieden wird, auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und hinsichtlich des erledigten Verfahrensteils - insoweit ist davon auszugehen, daß die angeordnete Ein- bzw. Abgrenzung des Schadensherdes unter dem ehemaligen "Flusenschacht" über Rammkernsondierungen mit Grundwasser-, Boden- und Bodenluftbeprobungen erforderlich und auch im übrigen rechtmäßig und die hierauf bezügliche Androhung der Ersatzvornahme ebenfalls nicht zu beanstanden waren - auf § 161 Abs. 2 VwGO. Die vorgenommene Kostenquotelung entspricht in etwa dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen bzw. - hinsichtlich des erledigten Verfahrensteils - den Erfolgsaussichten im Zeitpunkt der Erledigung.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).