Hessischer VGH, Beschluss vom 11.03.1997 - 22 TL 3298/96
Fundstelle
openJur 2012, 21295
  • Rkr:
Tatbestand

Der Antragsteller versucht zu erreichen, daß die Zustimmung des beteiligten Personalrats zu der außerordentlichen Kündigung eines seiner Mitglieder, des Beteiligten zu 2., durch verwaltungsgerichtliche Entscheidung ersetzt wird.

Der 43 Jahre alte verheiratete Beteiligte zu 2., der ein 15- jähriges Kind hat, ist seit 1980 bei der Stadt als Arbeiter beschäftigt. Er ist Fahrer eines Kranwagens.

Am 27. Januar 1994 erfuhr der Antragsteller durch Anruf eines Reifenmonteurs, daß der Kranwagen, den der Beteiligte zu 2. fährt, anstatt mit sechs in Rechnung gestellten neuen Reifen mit nur zwei neuen und vier runderneuerten versehen worden war und der Beteiligte zu 2. persönlich zwei Reifen kostenlos mit Montage erhalten habe.

Daraufhin hörte der Antragsteller den Beteiligten zu 2. in Anwesenheit des Personalratsvorsitzenden zu dieser Anzeige. Der Beteiligte zu 2. erklärte dazu, daß das städtische Fahrzeug sechs neue Reifen erhalten habe und ihm keinerlei Vorteil zugewendet worden sei. Daraufhin beauftragte der Antragsteller einen Rechtsanwalt mit der Erstattung einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft. Mit Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 27. September 1995 wurde der Beteiligte zu 2. wegen Beihilfe zum Betrug und Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten und 2 Wochen verurteilt; die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil, das auch den Geschäftsführer der Reifenhandlung, von der die Reifen geliefert und montiert worden waren, betraf, legten dieser Geschäftsführer sowie der Beteiligte zu 2. und die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Alle Berufungsführer nahmen ihre Berufungen unter dem 13. März 1996 zurück. Mit Beschluß vom 21. März 1996 erlegte das Landgericht Darmstadt den Berufungsführern die Kosten der Rechtsmittel auf.

Nachdem der Antragsteller nach seinen Angaben zu Beginn der letzten Woche des März 1996 gerüchteweise aus dem Hauptamt erfahren hatte, daß der Beteiligte seine Berufung zurückgenommen habe, beauftragte er den Rechtsanwalt, den er die Strafanzeige hatte erstatten lassen, zu klären, ob dies zutreffe.

Unter dem 1. April 1996 - bei der Stadt eingegangen am 3. April 1996 - übersandte der Rechtsanwalt einen Auszug aus der Strafakte und teilte mit, nach Berufungsrücknahme sei das Urteil rechtskräftig.

Daraufhin erörterte der Antragsteller mit dem Personalrat im Monatsgespräch am 10. April 1996 das ergangene strafgerichtliche Urteil, das verlesen wurde und von dem der Personalrat eine Kopie erhielt, und bat um die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 2.. Diese lehnte der Personalrat mit der Begründung ab, der Beteiligte zu 2. sei seit 16 Jahren bei der Stadt beschäftigt und habe sich mit Ausnahme des ihm zur Last gelegten Sachverhalts stets tadellos und kollegial verhalten. Eine fristlose Kündigung wäre eine weitere Bestrafung und eine Existenzgefährdung für ihn und seine Familie. Er werde schwer einen neuen Arbeitsplatz finden. Seine sozialen Verhältnisse seien zu bedenken. - Die Frauenbeauftragte machte unter dem 15. April 1996 keine Bedenken gegen die außerordentliche Kündigung geltend.

In seiner Sitzung am 16. April 1996 beschloß der Magistrat, dem Beteiligten zu 2. gemäß § 53 Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe - BMT-G II - mit sofortiger Wirkung außerordentlich zu kündigen, was noch am selben Tage geschah. Als Grund wurde angegeben,

"wegen Beihilfe zum Betrug zum Nachteil der Stadt und Bestechlichkeit wurden Sie vom Amtsgericht Darmstadt zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten und 2 Wochen verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach Berufungsrücknahme ist das Urteil rechtskräftig."

Dem Personalrat teilte der Antragsteller den Magistratsbeschluß am 17. April 1996 mit und bat um Zustimmung. Nach seiner Erinnerung hat der Personalratsvorsitzende diesen Zustimmungsantrag gegen 8.00 Uhr erhalten und gegen 9.00 Uhr dem Bürgermeister unter Hinweis auf die Zustimmungsverweigerung vom 11. April 1996 mitgeteilt, daß dem Antrag nicht zugestimmt werde.

Unter dem 17. April 1996 wurde an den Beteiligten zu 2. ein Schreiben mit folgendem Inhalt gerichtet:

"Unsere ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 16.4.1996 nehmen wir hiermit zurück und fordern Sie auf, sofort Ihre Arbeit wieder anzutreten, bis eine Entscheidung vom Verwaltungsgericht Darmstadt zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung vorliegt."

Ebenfalls am 17. April 1996 ist bei dem Verwaltungsgericht Darmstadt beantragt worden, die vom Personalrat nicht erteilte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu ersetzen. Der Antrag ist unter dem Briefkopf des Magistrats der Stadt gefertigt, in der ersten Person Plural (wir) formuliert und trägt die Unterschrift des Bürgermeisters.

Mit Beschluß vom 1. Juli 1996 hat das Verwaltungsgericht diesem Antrag entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 2. seien gegeben, so daß das Gericht die verweigerte Zustimmung des beteiligten Personalrats zu ersetzen habe. Nach § 53 Abs. 1 BMT-G II sei eine außerordentliche Kündigung zulässig, wenn Tatsachen vorlägen, aufgrund derer dem Kündigungsberechtigten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden könne. Da die Kündigung auf ein Fehlverhalten im Vertrauensbereich zurückzuführen sei, habe es keiner vorausgegangenen Abmahnung bedurft. Der Antragsteller habe auch innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt habe, die Ersetzung der Zustimmung des Personalrats beim Verwaltungsgericht beantragt. Die Frist habe am 3. April 1994 zu laufen begonnen, dem Tag, an dem der Antragsteller von der Rechtskraft des Strafurteils erfahren habe. Der Antrag beim Verwaltungsgericht sei noch am Tage des Fristablaufs, dem 17. April 1996, gestellt worden. Der Antragsteller habe sich nicht auf Gerüchte über den Eintritt der Rechtskraft verlassen dürfen. Es sei vielmehr sachgerecht gewesen, daß er sich auf dem von ihm eingeschlagenen Wege zuverlässige Kenntnis verschafft habe. Die außerordentliche Kündigung sei auch gerechtfertigt, weil der Beteiligte sich wegen Beihilfe zum Betrug zum Nachteil seines Arbeitgebers strafbar gemacht und als bestechlich erwiesen habe. Es handele sich dabei nicht um Bagatellen, wie sich schon aus dem Strafmaß ergebe. Hinzu komme, daß der Beteiligte zu 2. gegenüber seinem Arbeitgeber die Tat geleugnet habe. Unter diesen Umständen sei das Vertrauen des Arbeitgebers zu dem Beteiligten zu 2. in derart tiefgreifender Weise zerstört worden, daß eine Weiterbeschäftigung auch in Anbetracht der für den Beteiligten zu 2. schwerwiegenden Folgen der Kündigung für die Anstellungskörperschaft unzumutbar sei.

Gegen den am 22. bzw. 23. Juli 1996 zugestellten Beschluß haben beide Beteiligte am 22. August 1996 Beschwerde eingelegt, die sie innerhalb der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist begründet haben.

Der Beteiligte zu 1. vertritt die Ansicht, nach Rücknahme der Kündigung sei ein neuer Anhörungsvorgang erforderlich gewesen, nachdem das Arbeitsverhältnis wieder fortbestanden habe. Der Antrag und die Anhörung vom 17. April 1996 hätten nicht ausgereicht, weil eine Begründung gefehlt habe, also keine rechtzeitige und umfassende Unterrichtung erfolgt sei. Der Personalrat habe nicht erkennen können, warum der Dienststellenleiter eine erneute Zustimmung beantragt habe. Dem Antragsteller sei auch bekannt gewesen, daß es am 17. April 1996 nicht zu einer abschließenden Willensbildung des Personalrats gekommen sei. Deswegen hätte er kein gerichtliches Beschlußverfahren anhängig machen dürfen, weil dem Personalrat zunächst hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, die Frist von drei Tagen nach § 66 Abs. 1 HPVG auszuschöpfen. Der unzulässige Antrag hätte vom Verwaltungsgericht abgewiesen werden müssen. Im übrigen sei der Beteiligte zu 2. vor der beabsichtigten Kündigung nicht gehört worden, was bei einer Verdachtskündigung notwendig sei. Auch deswegen könne der Antrag keinen Erfolg haben.

Der Beteiligte zu 2. macht geltend, das Verfahren sei nicht von dem Dienststellenleiter eingeleitet worden, sondern von dem Magistrat. Dieser sei jedoch nicht antragsberechtigt. Außerdem sei der Kündigungsgrund unklar. Das strafgerichtliche Urteil sei nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozeßordnung - EG ZPO - für die Zivilgerichte nicht bindend. Schließlich habe der Bürgermeister schon in der Zeit vom 18. bis 22. März 1996 davon erfahren, daß der Beteiligte zu 2. die Berufung in der Strafsache habe zurücknehmen lassen. Dies hätte er innerhalb einer Woche aufklären müssen. Im Hinblick darauf sei der Antrag beim Verwaltungsgericht verspätet gestellt worden. Überdies sei nach der Rücknahme der außerordentlichen Kündigung ein erneutes Beteiligungsverfahren einzuleiten gewesen, zumal der Magistrat am 16. April 1996 die Kündigung des Beteiligten zu 2. beschlossen gehabt und dadurch einen neuen Kündigungstatbestand geschaffen habe. Eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats sei daraufhin jedoch nicht erfolgt; insbesondere sei dem Personalrat nicht die Frist von drei Arbeitstagen nach Eingang des Zustimmungsantrages gelassen worden.

Die Beteiligten beantragen,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 1. Juli 1996 den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Er trägt vor, ihm sei nicht bekannt gewesen, daß der Personalrat vor Übergabe des Schreibens vom 17. April 1996, mit dem die Zustimmung zur Kündigung erneut abgelehnt worden sei, keine Beratung und Beschlußfassung durchgeführt habe. - Die Ausführungen zur Anhörung bei Verdachtskündigungen seien nicht entscheidungserheblich, weil keine Verdachtskündigung habe ausgesprochen werden sollen. Vielmehr sei der Ausgang des Strafverfahrens abgewartet und erst nach Rechtskraft des Strafurteils der Kündigungsentschluß gefaßt worden. Schließlich habe sich das Verwaltungsgericht auch auf das Strafurteil stützen können, denn es habe dem Beteiligten zu 2. zu Recht vorgehalten, er habe weder irgendwelche Gründe dargelegt, denen zu entnehmen wäre, daß es sich bei dem Urteil um ein Fehlurteil gehandelt habe, noch habe er plausibel gemacht, daß seine Berufungsrücknahme nicht darauf beruht habe, daß er sich von der gerichtlichen Überprüfung der ergangenen Entscheidung keinen Erfolg versprochen habe. Der Antrag sei auch von dem Bürgermeister gestellt worden, denn er habe ihn unterzeichnet. Im übrigen bezieht sich der Antragsteller auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Gründe

Die Beschwerden sind zulässig, aber nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Zustimmung des Personalrats zur Kündigung eines Mitglieds, des Beteiligten zu 2., zu Recht ersetzt.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zulässig ist. § 108 Abs. 1 Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG -, der zu den unmittelbar für die Länder geltenden Vorschriften gehört und dem § 66 Abs. 1 Hessisches Personalvertretungsgesetz - HPVG - wortgleich entspricht, setzt die Zustimmung der Personalvertretung bei der außerordentlichen Kündigung von Personalvertretungsmitgliedern voraus. Verweigert die Personalvertretung ihre Zustimmung, so kann das Verwaltungsgericht sie auf Antrag des Dienststellenleiters ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist.

Das Verwaltungsgericht hat den Bürgermeister zu Recht als Dienststellenleiter und Antragsteller angesehen. Aus § 8 Abs. 2 HPVG ergibt sich, daß Dienststellenleiter der Stadt im Sinne des Hessischen Personalvertretungsgesetzes nicht der Magistrat, sondern der Bürgermeister ist, obwohl es dem Magistrat vorbehalten ist, die Gemeindebediensteten zu entlassen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Hessische Gemeindeordnung). Auch die unrichtige Bezeichnung des Antragstellers durch den Kopfbogen des Magistrats führt nicht zur Unzulässigkeit des Antrags. Auch bei unrichtiger äußerer Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei bzw. Antragsteller anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGH, Urteil vom 16. Mai 1983 - VIII ZR 34/82 - NJW 1983, 2448). Die danach vorzunehmende Auslegung der Antragsschrift nach ihrem Sinn führt zwingend dazu, daß sie von dem nach § 108 Abs. 1 BPersVG allein antragsbefugten Dienststellenleiter gestellt werden sollte, wozu der die Antragsschrift unterzeichnende Bürgermeister als Dienststellenleiter im personalvertretungsrechtlichen Sinne auch befugt war.

Der Antrag ist nicht verspätet gestellt worden. Nach § 53 Abs. 2 des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe - BMT-G II - darf eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Im Hinblick auf die erforderliche Zustimmung des Personalrats bedeutet dies, daß der Dienststellenleiter innerhalb von zwei Wochen, nachdem er Kenntnis von den Kündigungsgründen erlangt hat, das Verfahren, in dem er sich um die Zustimmung des Personalrats zu bemühen hat, abgeschlossen und das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Verwaltungsgericht eingeleitet haben muß (vgl. Beschluß des Senats vom 27. September 1994 - TL 1511/94 - ESVGH 45, 83 <84> = HSGZ 1995, 241 mit weiteren Nachweisen).

Im vorliegenden Fall hatte der Dienststellenleiter nach dem Ergebnis der Anhörung nicht nach einer Sitzung der Personalvertretung - nach Darstellung des Beteiligten zu 2. in der 12. Woche -, sondern erst in der 13. Woche aus dem Hauptamt gerüchteweise davon gehört, daß der Beteiligte zu 2. seine Berufung gegen das ergangene Strafurteil zurückgenommen habe. Für die Richtigkeit dieser Angabe spricht auch die Erklärung des Vorsitzenden des beteiligten Personalrats bei der Anhörung, daß er selbst im März von der Berufungsrücknahme noch nichts erfahren hätte. Nachdem der Antragsteller von dem Gerücht gehört hatte, hatte er nach seinen Angaben bei der Anhörung vor dem Senat unverzüglich den Rechtsanwalt, den er seinerzeit die Strafanzeige wegen des Vorgangs hatte erstatten lassen, um Klärung gebeten. Dem Umstand, daß die nach Einsicht der Strafakten abgefaßte Antwort des Rechtsanwalts vom Montag, dem 1. April 1996 datiert, läßt sich entnehmen, daß der Antragsteller alsbald tätig wurde - jedenfalls in der Woche, in der er von dem Gerücht erfahren hatte. So vorzugehen war notwendig und sachgerecht, zumal auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hatte, so daß es nicht allein auf die Berufungsrücknahme des Beteiligten zu 2. ankam. Von der Berufungsrücknahme der Staatsanwaltschaft und der Berufungsrücknahme des Beteiligten zu 2. erlangte er erst definitiv durch den ihm von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt unter dem 1. am 3. April 1996 übersandten Auszug aus den Strafakten Kenntnis.

Diese Verfahrensweise ist nicht zu beanstanden, denn auf bloße Gerüchte konnte und durfte sich der Dienststellenleiter nicht verlassen, sondern mußte sie zunächst aufklären, was er zügig getan hat. Erst mit dem Eingang des ihm Aktenauszugs erlangte er am 3. April 1996 hinreichend sichere Kenntnis davon, daß das Strafverfahren gegen den Beteiligten zu 2. nach Rücknahme von dessen Berufung und der Berufung der Staatsanwaltschaft rechtskräftig abgeschlossen worden war. An diesem Tage begann daher die in § 53 Abs. 2 BMT-G II vorgeschriebene Frist von zwei Wochen.

Der Antragsteller hat am 10. April 1996 das Strafurteil mit dem Personalrat erörtert, ihm den ihm zugegangenen Aktenauszug zur weiteren Beratung überlassen und um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gebeten, die er dem Magistrat vorzuschlagen beabsichtigte. Daraufhin hat der Personalrat am 11. April 1996 seine Zustimmung verweigert. Damit war das vorgerichtliche personalvertretungsrechtliche Zustimmungsverfahren beendet und der Antrag auf gerichtliche Ersetzung der Zustimmung innerhalb der zweiwöchigen Frist zulässig.

Der Antrag wurde nicht deswegen unzulässig, weil der Antragsteller den beteiligten Personalrat nach dem Magistratsbeschluß am 17. April 1996 erneut aufforderte, der Kündigung zuzustimmen, und der Personalrat wegen dieses Zustimmungsersuchens vor Ablauf der zweiwöchigen Frist keinen Beschluß faßte. Dieses erneute Zustimmungsersuchen an den Personalrat, über das der Personalrat nicht entschied, hätte den Dienststellenleiter nur gehindert, einen Antrag auf gerichtliche Ersetzung der Zustimmung vor Ablauf der Frist des § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG auf Gründe zu stützen, die mit dem wiederholten Zustimmungsersuchen neu vorgebracht wurden. Das Recht, einen Antrag auf gerichtliche Ersetzung einer bereits verweigerten Zustimmung zu stellen, blieb dadurch unberührt.

Das Ersuchen an den Personalrat, der außerordentlichen Kündigung eines seiner Mitglieder zuzustimmen, setzt auch keine Entscheidung des zuständigen Organs (hier des Magistrats) darüber voraus, daß die Kündigung erfolgen soll. Vielmehr muß dem Magistrat vor der endgültigen Entscheidung über die Kündigung die Stellungnahme des Personalrats und deren Begründung bekannt sein.

Die Zustimmungsverweigerung des Personalrats vom 11. April 1996 ist entgegen der Ansicht der Beteiligten auch nicht dadurch gegenstandslos geworden, daß gegenüber dem Beteiligten zu 2. am 16. April 1996 die fristlose Kündigung ausgesprochen und diese am Tage danach im Hinblick darauf zurückgenommen wurde, daß die gerichtliche Entscheidung über die Ersetzung der Zustimmung abgewartet werden müsse. Anders als die Beteiligten meinen, war durch die Rücknahmeerklärung kein neues Arbeitsverhältnis begründet worden. Die außerordentliche Kündigung durfte erst nach Zustimmung des Personalrats bzw. nach gerichtlicher Ersetzung der Zustimmung erfolgen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 4. März 1976 - 2 AZR 15/75 - NJW 1976, 1368). Eine vorher ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist unheilbar nichtig (BAG a.a.O. und Urteile vom 11. November 1976 - 2 AZR 457/75 - NJW 1978, 72, und vom 1. Dezember 1977 - 2 AZR 426/76 - NJW 1978 Seite 661). Infolgedessen ist die Rücknahme einer derart unheilbar nichtigen Kündigung folgenlos, weil sie an der bestehenden Rechtslage nichts ändert.

In dem Schreiben vom 17. April 1996, mit dem die Kündigung zurückgenommen und der Beteiligte zu 2. aufgefordert wurde, seine Arbeit wieder anzutreten, bis eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur "beabsichtigten außerordentlichen Kündigung" vorliege, ist auch eindeutig erklärt, daß sich an der Absicht, außerordentlich zu kündigen, nichts ändere, die Kündigung aber von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts abhängig sei. Damit war klargestellt, daß von der Kündigungsabsicht nicht abgerückt und nicht darauf verzichtet werden sollte, eine Kündigung auf die bisherige, mit dem Personalrat erörterte Begründung zu stützen. Der Antragsteller wollte erkennbar dem geltenden Recht Rechnung tragen, wenn er die wegen der fehlenden Zustimmung des Personalrats nichtige Kündigung zurückzog und zugleich zum Ausdruck brachte, daß die Realisierung der Kündigungsabsicht von der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung abhänge. Entgegen der Meinung des Beteiligten zu 1. bestand das Arbeitsverhältnis nicht deshalb ungekündigt fort, weil die Kündigung zurückgenommen worden, sondern weil sie nichtig und deswegen unwirksam war.

Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1. war der Beteiligte zu 2. von dem Antragsteller auch nicht "im Hinblick auf die beabsichtigte Verdachtskündigung anzuhören". Von einer Verdachtskündigung kann keine Rede sein, denn der Antragsteller hat nach Auftreten des Verdachts und Anhörung des Beteiligten zu 2., der die Tat nachdrücklich bestritt, durch eine Strafanzeige die Aufklärung im Strafverfahren betrieben und dessen Ausgang abgewartet. Es ist davon auszugehen, daß ein Arbeitgeber, der nach abgeschlossenem Strafverfahren kündigt, regelmäßig wegen erwiesener Tat und nicht wegen fortbestehenden Verdachts kündigen will (BAG, Urteil vom 26. März 1992 - 2 A ZR 519/91 - NJW 1993, 83 <84>).

Das Verwaltungsgericht ist auch mit zutreffenden Gründen davon ausgegangen, daß die außerordentliche Kündigung nach § 53 Abs. 1 BMT-G II gerechtfertigt war, weil Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigungsberechtigten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Das Verwaltungsgericht hat das Strafurteil für überzeugend gehalten, wonach sich der Beteiligte zu 2. durch Beihilfe zum Betrug zum Nachteil seines Arbeitgebers strafbar gemacht und als bestechlich erwiesen hat. Es ist davon ausgegangen, daß der Beteiligte zu 2. keine Gründe dargelegt hat, daß das Urteil fehlerhaft zustandegekommen sei und die Berufungsrücknahme darauf beruhte, daß er sich von der gerichtlichen Überprüfung des Strafurteils keinen Erfolg versprach. Das Verwaltungsgericht hat weiter die Situation des Beteiligten zu 2. bewertet, die Straftat des Beteiligten gewichtet und zusätzlich berücksichtigt, daß der Beteiligte zu 2. gegenüber seinem Arbeitgeber die Taten geleugnet habe. Es ist davon ausgegangen, daß das Vertrauen des Arbeitgebers und Antragstellers zu dem Beteiligten zu 2. in so tiefgreifender Weise zerstört worden sei, daß eine Weiterbeschäftigung auch in Anbetracht der für den Beteiligten zu 2. schwerwiegenden Folgen der Kündigung unzumutbar sei.

Diese Beurteilung des Verwaltungsgerichts ist richtig. Allerdings ist das Verwaltungsgericht an das Strafurteil nicht gebunden, sondern hat eine eigene Würdigung vorzunehmen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen des Amtsgerichts vom 19. Mai und 27. September 1995 muß jedoch davon ausgegangen werden, daß der Beteiligte zu 2. die ihm vorgeworfene Tat begangen hat. Der mitangeklagte Reifenhändler, der zwar bestritten hat, den Beteiligten zu 2. bestochen zu haben, hat am 19. Mai 1995 ausgesagt, der Beteiligte zu 2. habe geäußert, irgendwann seien neue Reifen für den von ihm gefahrenen städtischen Wagen fällig, "aber da muß was hängenbleiben. Dabei war schon klar, daß ich ihm eine Gefälligkeit tun soll." Der Reifenmonteur hat am selben Tage bei seiner Vernehmung ausgesagt, sein Chef habe ihn angewiesen, auf das städtische Fahrzeug zwei neue und vier runderneuerte Reifen zu montieren, aber auf den Lieferschein sechs neue Reifen zu schreiben. Der Beteiligte zu 2. komme zwei bis drei Tage später vorbei und solle dann zwei neue Reifen ohne Berechnung erhalten. Der Kriminalbeamte C. hat bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht am 19. Mai 1995 ausgesagt, er habe aufgenommen, welche Bereifung auf den Rädern des Fahrzeugs des Beteiligten zu 2. montiert war. Bei der Werkstatt, in der der Beteiligte zu 2. die beiden Reifen nach seinen Angaben erhalten haben wollte, seien derartige Reifen nicht montiert worden. Bei seiner Vernehmung am 27. September 1995 hat der Beteiligte zu 2. dann erklärt, sein Fahrzeug habe die Bereifung schon gehabt, als er es gebraucht gekauft habe. Weiter hat er ausgesagt, er habe mit dem Angebot, dem Auftrag und den Preisen überhaupt nichts zu tun gehabt. Demgegenüber hat der Vorgesetzte des Beteiligten zu 2., Diplom-Ingenieur H., ausgesagt, er habe den Beteiligten zu 2. beauftragt gehabt, er solle mit dem mitangeklagten Reifenhändler besprechen, daß dieser Preise übermittle. Es sei auch Sache des Fahrers gewesen zu prüfen, ob die richtigen Reifen montiert worden seien. Weiter hat der Beteiligte vor dem Amtsgericht am 27. September 1995 erklärt, wenn er die von dem Mitangeklagten bekundete Äußerung, "da muß was 'rüberspringen", getan habe, dann sei das Spaß gewesen.

Die Erklärungen des Beteiligten zu 2. vor dem Amtsgericht sind, soweit er die Tat bestreitet, nicht glaubhaft und durch die Zeugenaussagen und das, was er zugestanden hat, widerlegt. Der mitangeklagte Reifenhändler hat zwar am 19. Mai 1995 vor dem Amtsgericht bestritten, die gewünschte Gefälligkeit gewährt zu haben. Das ist aber dadurch zu erklären, daß er der Bestrafung wegen Bestechung entgehen wollte. Angesichts der eindeutigen Aussage seines Mitangeklagten hat der Beteiligte zu 2. die Äußerung, "da muß was 'rüberspringen", in der Verhandlung vor dem Amtsgericht am 27. September 1995 nicht bestritten, sondern erklärt, wenn er so etwas gesagt haben sollte, wäre das Spaß gewesen und sonst nichts. Eine Äußerung "da muß was 'rüberspringen" gegenüber einem Auftragnehmer seines Arbeitgebers ist jedoch so eindeutig pflichtwidrig, daß sie schwerlich Gegenstand eines Spaßes sein kann. Die übrigen Äußerungen des Beteiligten zu 2. vor dem Amtsgericht sind durch die ihnen widersprechenden Aussagen der Zeugen und des Mitangeklagten widerlegt und als Schutzbehauptungen anzusehen. Die Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht hat ergeben, daß der Beteiligte zu 2. beauftragt war, den mitangeklagten Reifenhändler Preise an die Dienststelle übermitteln zu lassen. Nachdem der Auftrag erteilt worden war, sind auf dem städtischen Fahrzeug nur zwei anstatt sechs in Rechnung gestellte neue Reifen montiert worden sowie vier runderneuerte. Der Beteiligte selbst hat zwei neue Reifen 195/65 HR 15 P 4000 erhalten. Dieses Geschehen läßt sich nur durch Zusammenwirken des Reifenhändlers und des Beteiligten zu 2. erklären.

Bei den Zeugen ist kein Motiv erkennbar, das sie hätte veranlassen können, den Beteiligten zu 2. durch wahrheitswidrige Aussagen zu belasten. Das gilt auch für den Reifenmonteur, dessen Zwist mit seinem Arbeitgeber zwar das Motiv dafür war, die Stadt über das Geschehen zu informieren. Er hatte jedoch keinen Anlaß, den Beteiligten zu 2. zu belasten. Das Amtsgericht hat in seinem Urteil dazu ausgeführt, der Reifenmonteur habe seine Aussage sachlich und ohne jeglichen Belastungseifer gemacht. Hinsichtlich der von den Angaben im Lieferschein abweichenden Montage ist sie von dem Mitangeklagten, der dies veranlaßt hatte, nicht bestritten worden und ließ sich auch wegen der objektiven Beweise nicht erfolgreich bestreiten. Hinsichtlich der Aussage, daß der Beteiligte zu 2. zwei Reifen ohne Berechnung erhalten habe, sprechen auch dessen widersprüchliche Angaben zu deren Herkunft gegen die Richtigkeit seiner Erklärungen und für die Richtigkeit der Zeugenaussage hinsichtlich dieser beiden Reifen. Auch die Rücknahme seiner Berufung wäre unverständlich, wenn er sich für unschuldig gehalten hätte.

Ist danach davon auszugehen, daß der Beteiligte zu 2. die Straftat begangen hat, deretwegen er verurteilt wurde, dann ist ihm auch anzulasten, daß er von Anfang an bis heute keinen Schritt getan hat, um zu versuchen, sich mit seinem Arbeitgeber zu verständigen und ihn von seiner künftigen Loyalität zu überzeugen. Unter diesen Umständen erscheint seine Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber unzumutbar trotz der bisherigen Beschäftigungsdauer und der sozialen Konsequenzen für den Beteiligten zu 2., denn Beihilfe zum Betrug des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit sowie Bestechlichkeit sind Sachverhalte, durch die die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so schwerwiegend verletzt werden, daß gerade bei mangelndem Eingeständnis des Fehlverhaltens das Vertrauensverhältnis zu dem Dienstherrn grundlegend zerstört ist. Das Verwaltungsgericht hat die Zustimmung des Personalrats daher zu Recht ersetzt.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§§ 111 Abs. 3 HPVG, 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG).