Hessischer VGH, Beschluss vom 23.01.1997 - 6 UE 3118/95
Fundstelle
openJur 2012, 21208
  • Rkr:
Gründe

Der Senat weist die Berufung gemäß § 130 a Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - durch Beschluß zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, daß die Beklagte den Einspruch des Klägers, soweit er die Gültigkeit der Kommunalwahl zur Stadtverordnetenversammlung in L. betrifft, deren Ungültigkeit der Kläger im Berufungsverfahren allein noch festgestellt wissen will, zu Recht zurückgewiesen hat.

Über Einwendungen gegen die Gültigkeit einer Kommunalwahl ist im Wahlprüfungsverfahren nur sachlich zu entscheiden, soweit der Wahlberechtigte den Sachverhalt, auf den er den geltend gemachten Wahlfehler stützt, innerhalb der Einspruchsfrist des § 25 Abs. 1 des Hessischen Kommunalwahlgesetzes - KWG - so substantiiert dargelegt hat, daß sich anhand dessen feststellen läßt, ob einer der Tatbestände des § 26 Abs. 1 KWG vorliegt (Hess. VGH, Urteil vom 5. März 1985 - II OE 42/82 - HSGZ 1985, 377 <nur Leitsatz>; vgl. ferner Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 3. Juni 1975 - 2 BvC 1/74 - BVerfGE 40, 11 <30> = NJW 1975, 1551 = DVBl. 1975, 626, und vom 12. Dezember 1991 - 2 BvR 562/91 - BVerfGE 85, 148 = NJW 1992, 2623 = NVwZ 1992, 257; OVG Koblenz, Urteil vom 4. Juni 1991 - 7 A 12657/90 - NVwZ-RR 1991, 659).

Der Kläger hat mit seinem Einspruchsschreiben vom 17. März 1993 vorgetragen, ihm sei als Beisitzer der Briefwahlauszählung am 6. März 1993 aufgefallen, daß etwa 15 Wahlscheine bei der "Versicherung an Eides Statt zur Briefwahl" links neben der Unterschrift mit einem gleichen Orts- und Datumsstempel versehen waren. Es sei davon auszugehen, daß diese "wahlvorbereitenden Stempel" von einer Geschäftsstelle eines Altersheimes stammten, was seines Erachtens unzulässig sei. Von der Möglichkeit, eine Hilfsperson einzusetzen, sei bei diesen "wahlvorbereitenden Maßnahmen" nicht Gebrauch gemacht worden. Er äußere den Verdacht, daß diese "wahlvorbereitenden Maßnahmen" in Einzelfällen unter Ausschluß der Öffentlichkeit bis hin zum Ausfüllen und Eintüten der Briefwahlunterlagen stattgefunden hätten. Der Nachweis könne jedoch nur durch Schriftproben, Unterschriftenvergleiche zum Wahlschein erbracht werden. Er hat im folgenden Fragen zu diesem Komplex gestellt.

Sein Einspruch ist hinreichend substantiiert, soweit er damit geltend gemacht hat, auf etwa 15 Wahlscheinen sei die eidesstattliche Versicherung des Wählers, daß der Stimmzettel persönlich gekennzeichnet worden sei, rechtsfehlerhaft mit einem Orts- und Datumsstempel versehen worden. Im übrigen hat er keine konkreten Tatsachen, sondern nur Mutmaßungen vorgetragen, die keinen substantiierten Tatsachenvortrag darstellen, aus dem sich schließen läßt, daß einer der Tatbestände des § 26 Abs. 1 KWG vorliegt.

Soweit die Wahlanfechtung zulässig ist, ist sie unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß das Aufstempeln von Ort und Datum unter der eidesstattlichen Versicherung (§ 19 Abs. 2 Satz 1 KWG) keine Wahlunregelmäßigkeit darstellt, weil das Gesetz nicht vorsieht, daß Ort und Tag der eidesstattlichen Versicherung höchstpersönlich von demjenigen handschriftlich einzutragen sind, der die eidesstattliche Versicherung abgibt. Insoweit wird auf Seite 9 des Urteils des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Daraus, daß sich auf Wahlscheinen gleichartige Stempelaufdrucke mit Ort und Datum befanden, läßt sich auch nicht der Schluß auf eine Manipulation ziehen. Der Wahlleiter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt, daß diejenigen Briefwähler, die von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, unmittelbar in seinem Büro zu wählen, teilweise Wahlscheine erhalten hätten, in die "quasi als Service der Verwaltung bereits die Orts- und Datumsangabe von ihm eingestempelt gewesen sei." Schon dadurch erklären sich gleichartige Stempelaufdrucke auf Wahlscheinen.

Soweit der Kläger nachträglich geltend gemacht hat, eine Wahlunregelmäßigkeit sei darin zu sehen, daß die Wahlscheine vor Unanfechtbarkeit der Wahl vernichtet worden seien, rügt er etwas, was nicht Gegenstand seines Einspruchs war.

Im übrigen wird durch die Vernichtung der Wahlscheine nach Abschluß der Wahl die Wahlvorbereitung, Wahlhandlung und Feststellung des Wahlergebnisses nicht berührt, so daß eine solche nachträgliche Maßnahme, auch wenn sie rechtswidrig ist, keine Unregelmäßigkeit der Wahl im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 KWG darstellen kann. Dies ist dem Kläger auch in der gerichtlichen Verfügung vom 8. Januar 1997 dargelegt worden. Soweit er demgegenüber vorträgt, die Vernichtung von Briefwahlunterlagen "vor Rechtskraft des Wahlergebnisses" stelle eine vorsätzliche Beweismittelvereitelung dar und sei ein fundamentaler Verfahrensfehler, der zur Ungültigkeitserklärung der Wahl durch den Senat führen müsse, verkennt er, daß zu den Unregelmäßigkeiten "beim Wahlverfahren" im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 KWG nur solche gehören können, die beim Wahlverfahren, also bis zur Feststellung des Wahlergebnisses, vorgekommen sind.

Der "Beweisantrag" des Klägers,

"daß die Beklagte die Urkunde der Vernichtungsanweisung für die Briefwahlunterlagen und das Vernichtungsprotokoll dem Senat vorlegt,"

ist abzulehnen, weil die Urkunden für die Entscheidung unerheblich sind.

Soweit der Kläger weiter auf seinem Antrag besteht,

daß der Senat "die strittige Frage gem. Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof (EGH) überweist",

fehlen die rechtlichen Voraussetzungen für eine derartige Vorlage, weil die Entscheidung in diesem Verfahren nicht von einer Entscheidung über eine europarechtliche Frage abhängt. Soweit sich der Kläger auf Art. 8 b des EG-Vertrages bezieht, werden durch die darin enthaltenen Bestimmungen EG-Ausländern Rechte in den Mitgliedsstaaten eingeräumt. Um die Rechte von EG-Ausländern geht es jedoch im vorliegenden Verfahren nicht. Soweit der Kläger schließlich geltend macht, er habe "als EU-Bürger den grundgesetzlich abgesicherten Rechtsanspruch, daß der EGH im Vorabverfahren darüber entscheidet, ob die vom Senat beabsichtigte Rechtsauslegung des nationalen Kommunalwahlverfahrens, dem auch ungeschriebenen EU-Verwaltungsverfahrensrechts - hier Wahlverfahren, in Verbindung mit der bereits im vorhergehenden Schreiben zitierten Konventionen übereinstimmt", bezeichnet er selbst weder eine europäische allgemeine Verwaltungsverfahrensregelung noch eine spezielle wahlprüfungsrechtliche, die im vorliegenden Fall für die Entscheidung erheblich sein könnte.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen.

Den Streitwert für das Berufungsverfahren bemißt der Senat nach § 14 Gerichtskostengesetz - GKG - mit dem Auffangwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. Im Berufungsverfahren geht es, anders als im ersten Rechtszug, nur noch um die Anfechtung einer Wahl.

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