VG Gießen, Urteil vom 18.06.1996 - 9 E 656/95
Fundstelle
openJur 2012, 21015
  • Rkr:
Tatbestand

Die Klägerin ist ein privater Arbeitgeber mit Sitz in Hessen und verfügt dort über 530 Vollzeitarbeitsplätze.

Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit für das Land Hessen, i.d.F. der Bekanntmachung vom 02.08.1983 (GVBl. I, 130, HSUG) hatten die Arbeitgeber den ehrenamtlich und führend in der Jugendarbeit der Jugendverbände, der öffentlichen Jugendpflege und -bildung sonstiger Jugendgemeinschaften und deren Zusammenschlüsse sowie den im Jugendsport in Vereinen, dem Landessportbund und in den Sportfachverbänden tätigen Personen über 18 Jahren auf Antrag zu den in den Ziffern 1 und 2 sowie den Absätzen 2 und 3 näher bezeichneten Veranstaltungen bezahlten Sonderurlaub zu gewähren. Ein Ausgleich für den fortgezahlten Lohn fand nach dem Gesetz in der genannten Fassung nicht statt. In einem auf eine Verfassungsbeschwerde von hessischen Unternehmen hin ergangenen Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.02.1992 (1 BvR 890/84, 1 BvR 74/87; BVerfGE 85, 226) stellte das Bundesverfassungsgericht fest, daß § 1 Abs. 1 HSUG mit Art. 12 GG insoweit unvereinbar sei, als hierdurch Arbeitgeber verpflichtet würden, während des Sonderurlaubes das volle Entgelt weiterzuzahlen, ohne daß Ausgleichsmöglichkeiten vorgesehen seien. Von einer Nichtigerklärung sah das Bundesverfassungsgericht ab, da der Gesetzgeber die Verfassungswidrigkeit auf verschiedene Weise, z.B. etwa durch eine Solidareinrichtung der Arbeitgeber, beseitigen könne. Dem dürfe das Bundesverfassungsgericht nicht vorgreifen. Für die Behebung der festgestellten Verfassungswidrigkeit setzte das Bundesverfassungsgericht dem Landesgesetzgeber eine Frist bis zum 01.04.1994. Aufgrund dieser Entscheidung nahm der Gesetzgeber eine Novellierung des HSUG vor. § 1 Abs. 1 HSUG in der nunmehr gültigen Fassung der Bekanntmachung vom 11.02.1994 (GVBl. I, S. 364) blieb dabei inhaltlich unverändert. Nach § 7 Abs. 1 HSUG wird zur Finanzierung geleisteter Entgeltfortzahlung bei Freistellungen nach § 1 HSUG ein Ausgleichsfonds geschaffen. Arbeitgeber mit mehr als 50 Arbeitsplätzen haben in diesen Fonds jährlich eine Ausgleichsabgabe zu entrichten (§ 7 Abs. 2 S. 1 HSUG). Die Höhe der Ausgleichsabgabe bemißt sich nach der Zahl der Arbeitsplätze und dem voraussichtlichen Umfang der Erstattungspflichten (§ 7 Abs. 2 S. 2 HSUG). Private Arbeitgeber mit mehr als 50 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, die Zahl der Arbeitsplätze dem Landesversorgungsamt Hessen bis zum 01.08. eines jeden Jahres mitzuteilen (§ 7 Abs. 2 S. 4 HSUG). Gemäß § 1 der Verordnung über den Ausgleichsfonds nach § 7 des Gesetzes über den Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit für das Land Hessen vom 22.12.1993 (VO) erhebt das Landesversorgungsamt Hessen die Ausgleichsabgabe nach § 7 Abs. 2 HSUG. Für das Jahr 1994 wurde die Ausgleichsabgabe vorläufig für jeden Vollzeitarbeitsplatz auf 2,- DM festgesetzt (§ 3 Abs. 4 VO). Abgabepflichtige private Arbeitgeber haben die Ausgleichsabgabe jährlich mit der Mitteilung der Zahl der Arbeitsplätze nach § 7 Abs. 2 S. 3 und 4 HSUG an das Landesversorgungsamt Hessen zu entrichten (§ 4 VO).

Mit Bescheid vom 17.02.1995 verpflichtete der Beklagte die Klägerin innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides für das Jahr 1994 2,- DM pro Vollzeitarbeitsplatz auf ein im Bescheid näher bezeichnetes Konto einzuzahlen (Ziffer 1) und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügungen unter Ziffer 1 an (Ziffer 2). Zur Begründung der unter Ziffer 1 seines Bescheides getroffenen Verfügungen verwies der Beklagte auf die vorstehend zitierten gesetzlichen Vorschriften. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit begründete er im wesentlichen damit, daß eine geordnete Auszahlung der Erstattungsansprüche an die Arbeitgeber es erfordere, daß über die Mittel des Ausgleichsfonds sofort verfügt werden könne.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.02.1995 Widerspruch ein und begründete diesen mit der Verfassungswidrigkeit des HSUG. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.1995 zurück. Zur Begründung nahm die Behörde im wesentlichen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.02.1992 zu den Aktenzeichen 1 BvR 890/84, 1 BvR 74/87 (BVerfGE 85, 226) Bezug.

Mit Schriftsatz vom 26.04.1995, bei Gericht eingegangen am 02.05.1995, hat die Klägerin Klage erhoben; am 02.03.1995 hat sie um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht. Das einstweilige Rechtschutzverfahren wurde unter der Geschäftsnummer 9 G 310/95(2) geführt.

Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin vor, an den dem Bescheid vom 17.02.1995 zugrundeliegenden Regelungen bestünden finanzverfassungsrechtliche Zweifel. Hieran änderten auch die Hinweise des Bundesverfassungsgerichtes im Urteil v. 11.02.1992 (BVerfGE 85, 226) auf die verschiedenartigen Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers, die unter anderem besagten, es könne ein Ausgleich durch eine Solidareinrichtung der Arbeitsgeber vorgesehen werden, nichts. Es handele sich hierbei um bloße obiter dicta, die weder inhaltlich noch systematisch im Begründungszusammenhang der auf Art. 12 GG gestützten Entscheidung stünden. Bei der Sonderabgabe nach den Vorschriften des HSUG handele es sich um eine Finanzierungssonderabgabe, die nicht den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten strengen Kriterien genüge. So liege eine spezifische Sachnähe zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem mit der Ausgleichsabgabe verfolgten Zweck nicht vor. Die Aufgabe Gewinnung von Personen zur Förderung der ehrenamtlichen Jugendarbeit könne nicht vorrangig unter den Verantwortungsbereich der Arbeitgeber subsumiert werden. Hierbei handele es sich vielmehr um einen dem staatlichen Verantwortungsbereich unterfallenden Zweck. Das Aufkommen aus der Sonderabgabe werde auch nicht gruppennützig verwendet, da die Mittel ausschließlich dem den Sonderurlaub in Anspruch nehmenden Arbeitnehmer sowie Jugendeinrichtungen und deren Trägerschaften zugute kämen. Darüber hinaus verstoße § 7 Abs. 2 HSUG, wonach nur diejenigen Arbeitgeber eine Ausgleichsabgabe zu entrichten hätten, die mehr als 50 Arbeitsplätze hätten, gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Ein sachlicher Grund für diese Regelung bestehe nicht, da die durchschnittliche Beschäftigtenzahl pro Unternehmen in den alten Bundesländern bei weniger als 11 Arbeitsnehmern liege. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer arbeite nach den statistischen Unterlagen in Betrieben mit weniger als 50 Arbeitsnehmern. Freigestellt seien also insgesamt Arbeitgeber, die erheblich mehr als die Hälfte sämtlicher Arbeitnehmer beschäftigten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Hessischen Landesamtes für Versorgung und Soziales vom 17.02.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.1995 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage zurückzuweisen.

Er bringt vor, die Klägerin bestreite zu Unrecht die finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der in § 7 Abs. 2 HSUG geregelten Ausgleichsabgabe. Die Voraussetzung einer spezifischen Sachnähe der Arbeitgeber und der hieraus folgenden Verantwortungsbeziehung sei erfüllt. Unmittelbarer Zweck der Abgabe sei nicht die Förderung der Jugendarbeit, sondern zuvörderst der gruppeninterne kompensatorische Belastungsausgleich durch Refinanzierung der durch § 1 Abs. 1 HSUG auferlegten Entgeltfortzahlungsbelastung zur Vermeidung zufallsbeeinflußter besonderer Härten im Einzelfall, wie sie sich durch die unvermeidbar zufällige und ungleiche Verteilung von in Anspruch genommenem Sonderurlaub in der Praxis ergeben müsse. So habe auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 11.02.1992 die Gruppenverantwortung, die einer finanzielle Inanspruchnahme der Arbeitgebergesamtheit rechtfertige, gerade bejaht. Die Mittel des Ausgleichsfonds würden auch ausschließlich gruppennützig verwendet. Sämtliche Mittel seien der Auszahlung an Arbeitgeber zu dienen bestimmt. Andere Begünstigte gebe es nicht. Schließlich seien auch der Gleichheitsgrundsatz und das Willkürverbot nicht verletzt. Die Entscheidung zu einer unterschiedlichen Inanspruchnahme von Arbeitgebern mit unterschiedlich großem Personalbestand rechtfertige sich sowohl aus der Tatsache, daß kleinere Betriebe seltener von Freistellungen betroffen seien als auch daraus, daß sie in solchen Fällen von einer ungleich höheren Ausfall und Organisationsbelastung betroffen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte in vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren 9 G 310/95 verwiesen und auf den Inhalt der vom Beklagten vorgelegten Behördenakte, die zum Gegenstand der Beratung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist, soweit sie auf die Aufhebung der Ziffern 2 vom 17.02.1995 gerichtet ist, unzulässig und im übrigen unbegründet.

Die Klage ist unzulässig, soweit sie auf Aufhebung der Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides gerichtet ist. Der Klägerin fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt im zu beurteilenden Fall nämlich bereits aufgrund der in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO getroffenen Regelung, ohne daß es einer Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde überhaupt bedurft hätte.

Die Klage im übrigen ist unbegründet.

Die Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Ihre Rechtsgrundlage findet die von der Klägerin geforderte Ausgleichsabgabe in § 7 Abs. 2 S. 1 HSUG. Danach haben Arbeitgeber mit mehr als 50 Arbeitsplätzen jährlich eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Die Klägerin ist zur Zahlung der Ausgleichsabgabe verpflichtet, denn sie beschäftigte zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides in Hessen 530 Mitarbeiter in einem Vollzeitarbeitsverhältnis.

Die erkennende Kammer hält diese gesetzliche Regelung auch nicht für verfassungswidrig (Art. 100 Abs. 1 GG). Das Grundgesetz nennt neben Steuern, Gebühren und Beiträgen keine anderen öffentlichen Abgaben. Das Bundesverfassungsgericht hat neben diesen Abgabeformen jedoch auch außersteuerliche Geldleistungspflichten unter bestimmten Voraussetzungen als Sonderabgaben für verfassungsrechtlich zulässig erachtet, die einem begrenzten Personenkreis im Hinblick auf vorgegebene besondere wirtschaftliche oder soziale Zusammenhänge für einen dieser Gruppe dienenden Finanzierungszweck gesetzlich auferlegt werden (vgl. BVerfG, Urteil v. 10.12.1980 - 2 BvL 3/77 -, BVerfGE 55, 274; Beschluß v. 31.05.1990 - 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87 -, BVerfGE 82, 156). Solche Sonderabgaben treten in Konkurrenz zu Steuern. Diese werden dem Zahlungspflichtigen ebenfalls ohne Rücksicht auf eine entsprechende Gegenleistung der öffentlichen Hand auferlegt. Anders als Steuern belasten sie jedoch nur Angehörige einer bestimmten Gruppe. Hieraus folgt eine Gefährdung des Grundsatzes der Abgabengleichheit aller Bürger. Darüber hinaus sind derartige Abgaben geeignet, die bundesstaatliche Finanzverfassung zu stören und das Budgetrecht des Parlaments in Frage zu stellen (BVerfG, 31.05.1990, a.a.O., 24.01.1995 - 1 BvL 18/93 u.a. -, DVBl. 1995, 613, 614). Neben Steuern, Beiträgen und Gebühren hat das Bundesverfassungsgericht gleichwohl im Laufe der Zeit außer den genannten "Sonderabgaben" unter besonderen Voraussetzungen auch andere Abgaben für verfassungsrechtlich zulässig gehalten (08.06.1988 - 2 BvL 9/85 und 3/86 -, BVerfGE 78, 249 - Fehlbelegungsabgabe als Abschöpfungsabgabe; 23.01.1990 - 1 BvL 44/86 und 48/87 -, BVerfGE 81, 156, Erstattungsabgabe). Kennzeichnend für die Sonderabgabe in engeren Sinne dieser Rechtsprechung ist ihr Finanzierungszweck, während die anderen vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Abgabenarten jeweils anderen Zwecken dienten. Die Grundsätze für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Sonderabgaben sind zwar vom Bundesverfassungsgericht anhand der Prüfung von bundesrechtlichen Abgaben entwickelt worden. Die grundgesetzliche Garantiefunktion der Finanzverfassung und der Grundsatz der Abgabengleichheit gelten jedoch auch für die Länder, so daß die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen auch von Sonderabgaben der Länder zu erfüllen sind (BVerfG, 24.01.1995, a.a.O.; Hess.VGH, Beschluß v. 08.01.1996 - 5 TG 1688/95 -).

Die in § 7 Abs. 2 HSUG vorgesehene Abgabe ist unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung als Sonderabgabe in Gestalt einer Ausgleichsabgabe, die vorrangig Finanzierungszwecken dient, zu qualifizieren. Sie dient der Bewältigung einer besonderen Aufgabe, nämlich der Refinanzierung der durch die Inanspruchnahme von Sonderurlaub durch Arbeitnehmer in der Jugendarbeit ausgelösten Entgeltansprüche. Sie unterscheidet sich hierbei von Ausgleichsabgaben, die vorrangig der Verhaltenssteuerung der Abgabepflichtigen in bestimmten Lebensbereichen dienen und deren Aufkommen bei Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zieles bei "Null" liegt (z.B. Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz, BVerfG, Urteil v. 26.05.1981 - 1 BvL 56, 57/78 -, BVerfGE 57, 139). Die Ausgleichsabgabe ist nach ihrem materiellen Gehalt insbesondere keine Steuer. Sie dient nämlich nicht der Deckung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs, sondern der Bewältigung der oben dargelegten Aufgabe. Sie ist trotz gewisser Ähnlichkeit auch keine Zwecksteuer. Anders als bei der Zwecksteuer soll mit der Ausgleichsabgabe nicht eine in die Allgemeinverantwortung fallende Aufgabe finanziert werden. Vielmehr soll eine besondere Aufgabe, deren Bewältigung nach den Vorstellungen des Landesgesetzgebers in der spezifischen Verantwortung der Gruppe der Arbeitgeber liegt, finanziert werden. In Abgrenzung zur Gebühr und zum Beitrag handelt es sich bei der dem Arbeitgeber hoheitlich auferlegten Abgabenpflicht auch nicht um eine Gegenleistungspflicht für eine besondere Leistung des Staates. Die nach § 7 Abs. 2 S. 1 HSUG zu entrichtende Ausgleichsabgabe entspricht den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Anforderungen (vgl. zuletzt: BVerfG, Beschluß v. 11.10.1994 - 2 BvR 633/86 -, DVBl. 1995, S. 100).

Bei den durch § 7 Abs. 2 S. 1 HSUG Verpflichteten handelt es sich um eine homogene Gruppe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, d. h. um eine Gruppe, die durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar ist (BVerfG, Urteil v. 10.12.1980 - 2 BvL 3/77 -, BVerfGE 55, 274). Diese Abgrenzbarkeit der Abgabeverpflichteten ergibt sich daraus, daß sie diejenige Gruppe der Arbeitgeber sind, der bei Gewährung von bezahlten Sonderurlaub nach § 6 HSUG ein Refinanzierungsanspruch zusteht (vgl. Hess.VGH, Beschluß v. 08.01.1996, a.a.O.).

Die umlagepflichtige Gruppe der privaten Arbeitgeber hat auch eine spezifische Beziehung (Sachnähe) zu dem mit der Umlageerhebung verfolgten Zweck, d.h. sie steht diesem Zweck näher als die Allgemeinheit der Steuerzahler und andere Gruppen (vgl. BVerfG, Urteil v. 10.12.1980, a.a.O. (306)). Diese spezifische Beziehung besteht jedenfalls hinsichtlich des bereits angesprochenen Zwecks, mit der Ausgleichsabgabe die unterschiedlichen aus der Entgeltfortzahlungspflicht nach § 1 Abs. 1 HSUG erwachsenden Belastungen der privaten Arbeitgeber auszugleichen. Die notwendige Sachnähe liegt aber auch dann vor, wenn man in erster Linie auf das hinter der Begründung eines Anspruches auf bezahlten Sonderurlaub stehende Anliegen der Förderung der Jugendarbeit der Verbände und Vereine, der öffentlichen Jugendpflege und des Jugendsports als einem wichtigen Gemeinschaftsgut abstellt. Unter diesem Aspekt ist nämlich nicht alleine das Ziel "Förderung der Jugendarbeit" einzubeziehen, sondern auch der Umstand zu berücksichtigen, daß abhängig Beschäftigte ohne arbeitsrechtliche Absicherung nur schwerlich bereit und in der Lage wären, sich für die ehrenamtliche Tätigkeit zur Verfügung zu stellen. Dieses - für die Mehrzahl der Betroffenen zur Sicherung der Lebensgrundlage notwendige - Beschäftigungsverhältnis begründet einen engeren Bezug (vgl. Hess.VGH, Beschluß v. 08.01.1996, a.a.O., S. 12).

Auch dem Erfordernis der "gruppennützigen Verwendung" trägt die in § 7 Abs. 2 S. 1.HSUG geregelte Ausgleichsabgabe Rechnung. Danach muß zwischen der Belastung und der Begünstigung durch eine Sonderabgabe eine sachgerechte Verknüpfung bestehen (BVerfG, Urteil v. 01.12.1980, a.a.O. (307)). Dies besagt allerdings nicht, daß das Aufgabeabkommen im Interesse jedes einzelnen Abgabepflichtigen verwendet werden muß. Vielmehr genügt es, wenn es überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe verwendet wird. Dies ist vorliegend der Fall. Alle zur Leistung der Abgabe verpflichteten privaten Arbeitgeber sind potentiell Anspruchsberechtigte auf Erstattung geleisteter Entgeltfortzahlungen für Sonderurlaub nach § 1 Abs. 1 HSUG (vgl. Hess.VGH, Beschluß v. 08.01.1996, a.a.O. (14)).

Das Gericht hält die in § 7 Abs. 2 S. 1 HSUG getroffene Regelung auch deshalb nicht für verfassungswidrig, weil das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 11.02.1992 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß das Mitinteresse der Arbeitgeber an der Mitwirkung von Beschäftigten als ehrenamtliche Helfer in der Jugendarbeit es rechtfertigen könne, den Arbeitgebern als Gesamtheit die Kosten der Lohnfortzahlung aufzuerlegen (vgl. BVerfG, Beschluß v. 11.02.1992 - 1 BvR 890/84, 1 BvR 74/87 -; BVerfGE 85, 226 (237)). Es hat dem Gesetzgeber deshalb nahegelegt, einen Ausgleich durch eine Solidareinrichtung der Arbeitgeber einzurichten (BVerfG, Beschluß v. 11.02.1992, a.a.O. (238)). Das Bundesverfassungsgericht hatte dabei auch offensichtlich eine obligatorische und nicht etwa, wie die Klägerin wohl meint, eine freiwillige Solidareinrichtung vor Augen. Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß im Falle einer freiwilligen Solidareinrichtung die finanzielle Ausstattung nicht gesichert wäre, falls sich kein Arbeitgeber zur Zahlung bereitfände.

Die erkennende Kammer vermag des weiteren die Auffassung der Klägerin, § 7 Abs. 2 S. 1 HSUG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil nicht alle Betriebe, sondern nur diejenigen mit einer bestimmten Mindestzahl von Arbeitsplätzen abgabepflichtig sind, nicht zu teilen. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet gleiche Sachverhalte ungleich und ungleiche Sachverhalte ohne sachlichen Grund gleich zu behandeln. Dabei steht dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des sachlichen Grundes ein weiter Spielraum offen. Es ist nicht die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Verboten ist lediglich eine willkürliche Gleich bzw. Ungleichbehandlung. Die gesetzliche Regelung erscheint unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und Effektivität gerechtfertigt. Angesichts der geringen Höhe der Beträge, die bei Unternehmen, die weniger als 50 Vollzeitarbeitsplätze haben, einzuziehen wären (pro Arbeitsplatz und Jahr 2,- DM, vgl. § 3 Abs. 4 VO), stünde der Aufwand für die Ermittlung des Kreises der Abgabepflichtigen und die Einziehung der Beträge in keinem sinnvollen Verhältnis zum jeweiligen Ertrag. Gerade im Abgabenrecht ist anerkannt, daß derartige Praktikabilitätserwägungen regelmäßig einen vernünftigen Grund dafür abgeben können, daß der Gesetz- oder Satzungsgeber bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage eine ungleiche Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen hinnehmen darf, so lange die verwaltungsökonomischen Vorteile der Typisierung in einem angemessenen Verhältnis zu der mit jeder Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der abgabenrechtlichen Belastung stehen (vgl. BVerwG, Urteil v. 12.02.1988 - 4 C 24.85 -, BVerwGE 79, 54 (60)). Diese Grenze scheint hier angesichts der insgesamt im Verhältnis zur jeweiligen Betriebsgröße relativ geringen Belastung der Abgabeverpflichteten auch dann nicht überschritten, wenn man berücksichtigt, daß ein erheblicher Anteil der Arbeitnehmer an der Gesamtzahl in Kleinbetrieben beschäftigt ist (vgl. Hess.VGH, Beschluß v. 08.01.1996, a.a.O. (15)).

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie unterliegt (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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