VG Gießen, Beschluss vom 15.08.1995 - 2 G 34777/94.A(3)
Fundstelle
openJur 2012, 20762
  • Rkr:
Tatbestand

Die Antragstellerin, eine 1950 geborene syrische Staatsangehörige christlicher Religionszugehörigkeit, stellte mit am 14.06.1994 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im folgenden: Bundesamt) eingegangenem Schriftsatz vom 03.03.1994 Asylfolgeantrag.

Ihren ersten Asylantrag vom 14.12.1987, den sie nach ihrer Einreise im August 1987 gestellt hatte, begründete sie im wesentlichen damit, daß sie niemals Mitglied einer politischen Partei Organisation oder sonstigen Vereinigung gewesen sei. Seit Mai 1974 habe sie aber regelmäßig die in der Kirche abgehaltenen Veranstaltungen der assyrischen Partei besucht. Ihr Vater und ihre Brüder seien Mitglieder der assyrischen Partei. Wegen des Besuchs der Veranstaltung sei sie die letzten vier Jahre vor der Ausreise öfters durch den Geheimdienst verhört worden. Dabei habe man sie auch mißhandelt. Bei den Veranstaltungen der assyrischen Partei habe sie sich als Lehrerin von Volkstänzen engagiert. Die gegen die Ablehnung des Asylantrages (Bescheid des Bundesamtes vom 06.04.1989) und gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung (Bescheid des Landrates des Wetteraukreises vom 22.05.1989) erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Urteil vom 23.09.1993 (2 E 5771/89) abgewiesen. In dem Urteil ist ausgeführt, Christen würden in Syrien generell nicht verfolgt; wie sich aus den Auskünften des Auswärtigen Amtes ergebe, respektiere die syrische Regierung die christliche Minderheit. Auch aus dem Bericht der niederländischen Stiftung Inlia vom März 1989 über einen Besuch einer Delegation in Syrien im Auftrag der Stiftung ergäben sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine generelle Verfolgung syrisch-orthodoxer Christen. Die Verhöre durch den Geheimdienst, denen die Antragstellerin teilweise unter Zufügung von Schlägen ausgesetzt gewesen sei, erreichten nicht die erforderliche asylrechtliche Eingriffsintensität. Die bloße Asylantragstellung bringe keine Verfolgungsgefahr mit sich, da die Antragstellerin in ihrem Asylantrag keine erhebliche Kritik gegenüber der syrischen Regierung zum Ausdruck gebracht habe. Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 AuslG oder dessen Abs. 4 i.V.m. Art 3 EMRK seien nicht ersichtlich. Das Risiko einer Fortführung der Befragung abgeschobener Syrer in einem Haft- oder Verhörzentrum mit der Gefahr der Folter und der menschenrechtswidrigen Behandlung dürfte nur bei Personen bestehen, die sich zumindest in nicht ganz unerheblichem Umfang gegen den syrischen Staat betätigt hätten; dies sei bei der Antragstellerin aber nicht der Fall.

Ihren daraufhin gestellten Asylfolgeantrag begründet die Antragstellerin damit, daß eine neue Sachlage eingetreten sei. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden habe sich in seinem Urteil vom 23.09.1993 wesentlich auf den Bericht der niederländischen Stiftung Inlia gestützt. Einem neuen Bericht der Stiftung über die Untersuchung durch eine Delegation im Sommer 1993, der dem Asylfolgeantrag in Auszügen beigefügt war, sei zu entnehmen, daß sich die Sachlage der syrischen Christen im Vergleich zu der Sachlage im Jahre 1989 völlig anders beurteile. Demzufolge sei das Asylbegehren neu zu überprüfen. Der Bericht komme zu der zusammenfassenden Auffassung, daß zur Zeit eine Abschiebung nach Syrien für die Betroffenen mit zwangsläufiger Folge zu einer menschenrechtswidrigen Behandlung führe, was asylerheblich sei. Dies gelte insbesondere für die Antragstellerin, die im Falle ihrer Rückkehr als alleinstehende Frau aufgrund der im Bericht genannten Erfahrungen nicht in der Lage sein werde, dort eine Existenz zu gründen. Sie habe keine Verwandten und als christliche Frau sei sie nicht in der Lage, in dem durch Beziehungen bestimmten Wirtschaftssystem eine Existenz aufzubauen. Sie sei einer Existenzvernichtung ausgesetzt. Darüberhinaus könnte sie sich als alleinstehende Frau nicht gegen Übergriffe moslemischer Mitbürger wehren, wobei staatlicher Schutz fehle.

Am 10.10.1994 teilte das Bundesamt der Ausländerbehörde des Landrates mit, daß ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt werde und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen würden. Mit Schreiben vom 31.10.1994 teilte die Ausländerbehörde des Landrates der Antragstellerin mit, daß sie nach der ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes zur unverzüglichen Ausreise verpflichtet sei und übersandte ihr eine bis zum 03.11.1994 gültige Grenzübertrittsbescheinigung. Ihre Behördenakte hat sie der Ausländerbehörde des Landrates des Kreises zur Durchführung der Abschiebung vorgelegt. Am 01.11.1994 hat die Antragstellerin den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegnerin zu 1.) und am 02.11.1994 - nach einem richterlichen Hinweis - zusätzlich den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner zu 2.) gestellt.

Mit gegenüber der Antragstellerin ergangenem Bescheid vom 12.04.1995 hat das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt. Zur Begründung hat es angegeben, die Antragstellerin habe eine nachträgliche Änderung der Sachlage nicht substantiiert vorgetragen. Denn dem vorgelegten Auszug aus dem Inlia-Bericht 1993 könne die Schlußfolgerung der Antragstellerin nicht gezogen werden, daß sie bei Rückkehr in eine Notlage geraten würde, da sie als alleinstehende Frau nicht in der Lage sein werde, dort eine wirtschaftliche Existenz zu gründen und daher nunmehr politisch verfolgt wäre. Der Bericht befasse sich nicht mit dem individuellen Schicksal der Antragstellerin; es sei den Darlegungen der Antragstellerin nicht zu entnehmen, durch welche konkreten Aussagen in dem Bericht die Richtigkeit der Entscheidungsgrundlage des Erstverfahrens erschüttert werden könnte. Selbst in dem Bericht werde ausgeführt, daß das Verhältnis zu den Behörden noch immer das gleiche wie vor fünf Jahren sei.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 21.04.1995 Klage erhoben und einen weiteren Eilantrag gegen die Antragsgegnerin zu 1.) gestellt (Az. des VG Gießen: 2 E 31320/95 und 2 G 31321/95). Über die Klage ist noch nicht entschieden, der Eilantrag ist nach richterlichem Hinweis auf die bereits rechtshängigen Eilanträge zurückgenommen worden. Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, die ausführlichen Untersuchungen der Stiftung Inlia belegten eine als politisch Verfolgungsmaßnahme anzusehende Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz. Als alleinstehende Frau sei sie nicht in der Lage, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin zu 1.) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das Asylfolgeverfahren durchzuführen,

den Antragsgegner zu 2.) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Abschiebemaßnahmen gegen die Antragstellerin zu unterlassen.

Die Antragsgegnerin zu 1.) und der Antragsgegner zu 2.) beantragen,

die Anträge abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und den Verfahren 2 G 31321/95 und 2 E 31320/95, die Behördenakte des Bundesamtes (1 Hefter mit dem Gz. 475-02328-87, 1 Hefter mit dem Gz. D1 901 564-475), die Behördenakte der Ausländerbehörde des Landrates des kreises und des Landrates des Kreises (mit dem Az. I/3 151-18 bzw. L1.36 GN II), die Gerichtsakte des VG Wiesbaden (2 E 5771/89) sowie die Unterlagen über die Verhältnisse in Syrien, die den Beteiligten mit der Quellenliste und deren Ergänzung mitgeteilt worden sind, und die beigezogene allgemein zugängliche Version des Berichts der niederländischen Stiftung Inlia vom November 1994.

Gründe

Den Anträgen war der Erfolg zu versagen.

Der gegen die Antragsgegnerin zu 1.) gerichtete Antrag scheitert bereits daran, daß mit der begehrten Anordnung auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens die Hauptsache unzulässigerweise vorweggenommen würde. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO dient der vorläufigen Sicherung von Ansprüchen, wenn die Gefahr besteht, daß deren Durchsetzung im Wege des Hauptsacheverfahrens durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die einstweilige Anordnung darf die endgültige Entscheidung grundsätzlich nicht vorwegnehmen, es sei denn es käme andernfalls zu untragbaren oder unzumutbaren Ergebnissen (Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 33 Rn. 17). Da um vorläufigen Rechtsschutz vor der drohenden Abschiebung mit einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen das Land Hessen nachgesucht werden kann, der darauf gerichtet ist, daß bis zur Durchführung des weiteren Asylverfahrens keine Abschiebemaßnahmen durchgeführt werden dürfen, besteht kein Anlaß und keine besondere Dringlichkeit, im Wege der Vorwegnahme der Hauptsache die Durchführung des weiteren Asylverfahrens - die Gegenstand des Klageverfahrens ist - im vorläufigen Rechtsschutzverfahren anzuordnen.

Der Antrag gegen den Antragsgegner zu 2.) ist der statthafte Rechtsbehelf. Die Antragstellerin will mit ihrem Eilantrag den Vollzug der Abschiebung verhindern, für deren Durchführung das Land Hessen (Ausländerbehörde) zuständig ist. Beruht eine beabsichtigte Abschiebung - wie im vorliegenden Fall mit der Abschiebungsandrohung des Landrates des kreises vom 22.05.1989 - auf einer bestandskräftigen und damit vollziehbaren Abschiebungsandrohung, läßt sich dieses Rechtsschutzziel gegenüber der Ausländerbehörde nur noch im Wege des § 123 VwGO erreichen. Die Möglichkeit eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO, der wegen § 123 Abs. 5 VwGO Vorrang hätte, steht der Antragstellerin nicht zur Seite (vgl. Kanein/Renner, Komm. zum AuslR, § 71 AsylVfG, Rn. 48; VG Gießen, Beschluß vom 20.04.1993 - 4 H 12026/92). Denn erläßt das Bundesamt im Rahmen seiner Entscheidung über den Folgeantrag gemäß § 71 Abs. 5 S. 1 AsylVfG keine neue Abschiebungsandrohung, so ist ein gegen diesen Bescheid gerichteter Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO deshalb unzulässig, weil um Rechtsschutz in der Sache im Wege der Verpflichtungsklage nachgesucht werden müßte, § 80 Abs. 5 VwGO jedoch lediglich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage ermöglicht. Effektiver Rechtsschutz ist damit nur gegeben, wenn im Wege einer einstweiligen Anordnung Vollstreckungsmaßnahmen verhindert werden (vgl. HessVGH, 19.11.1993 - InfAuslR 1994, 102; GK - AsylVfG 1992, § 71 Rn. 127). Allerdings ist nach § 2 der Verordnung über die Zuständigkeiten der Ausländerbehörden vom 21.06.1993 (GVBL I 1993, 260), geändert durch Verordnung vom 23.09.1994 (GVBL I 1994, 428) der Landrat des -Kreises (Ausländerbehörde) auch im kreis für Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts abgelehnter Asylbewerberinnen und Asylbewerber zuständig, so daß im vorliegenden Verfahren - auch nachdem die Behördenakten vom Landrat des Wetteraukreises an den Landrat des -Kreises weitergegeben worden sind - das Land Hessen durch den Landrat des - Kreises vertreten wird.

Der Antrag gegen den Antragsgegner zu 2) ist jedoch unbegründet.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestehen gegen die Entscheidung des Bundesamtes, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, keine rechtlichen Bedenken. Das Bundesamt hat es zu Recht abgelehnt, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, denn die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG liegen nicht vor. Danach ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG gegeben sind. Dies ist aber nicht der Fall. Die Antragstellerin hat keine nachträgliche Änderung der Sachlage vorgetragen, die eine für sie günstigere Entscheidung über ihr Asylbegehren begründen könnte.

Hinsichtlich der Gefahren für die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin unterscheidet sich der neue Bericht der Stiftung Inlia, dessen allgemein zugängliche Version (das Einleitungsschreiben datiert vom 24.11.1994) das Gericht beigezogen hat, unter dem Gesichtspunkt der Asylrelevanz nicht von den Ausführungen in dem alten Inlia-Bericht von 1989 (Anlage zur Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 22.01.1990 - Quellenliste Nr. 35), den das VG Wiesbaden in seinem Urteil (Erstantragsverfahren) als Erkenntnisquelle genannt hat. Bereits in diesem ursprünglichen Bericht ist davon die Rede, daß sich die moslemischen Kurden durch Betrug und Gewalt das Land sowie die Bauernhöfe und Häuser der syrischen Christen aneignen und die Christen aus dem eigenen Haus verwiesen werden. Nach dem Bericht seien infolge der dadurch entstandenen wirtschaftlichen Not die Christen gezwungen, ihre eigene Region zu verlassen. Die syrische Obrigkeit unterstütze aus Schwäche oder Sympathie die Taten der Kurden und schreite nicht ein. Auch in dem aktuellen Bericht von 1994 wird ausgeführt, daß die Christen weniger beschützt seien als die Moslems, letztere mit großer Regelmäßigkeit, Sachen, Land und Töchter der Christen an sich rissen und die Polizei die Christen vor diesen Übergriffen nicht schütze und die Moslems noch unterstütze. Beispielhaft werden die Fälle eines Tankstellenwartes und eines Geschäftsmannes geschildert. Der Tankstellenwart sei von einer moslemischen Gruppe mißhandelt worden, als er sein Geschäft nicht einem Moslem habe verkaufen wollen. Auf eine Anzeige sei die Polizei unter dem Hinweis, es handele sich um eine Sache der beiden Familien, nicht tätig geworden. In dem anderen Fall habe der Geschäftsmann im Auftrag der Behörde sein Geschäft in ein anderes Dorf verlagern sollen, nachdem er sich geweigert hatte, es an einen islamischen Geschäftsmann zu übergeben, und dieser dann seine guten Kontakte habe spielen lassen. Diese Beispiele sind nicht geeignet, eine verschärfte Situation gegenüber der in dem alten Inlia-Bericht geschilderten Sachlage darzulegen.

Selbst wenn diesbezüglich eine neue Sachlage anzunehmen wäre, wäre sie nicht geeignet, eine asylrelevante Beeinträchtigung der Christen in Syrien zu belegen. Die Beispiele zeigen lediglich eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Betätigung der christlichen Geschäftsleute auf. Berufliche Beeinträchtigungen sind aber erst dann asylrelevant, wenn die wirtschaftliche Existenz bedroht und damit jenes Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ist, das ein menschenwürdiges Dasein erst ausmacht (Schenk, Asylrecht und Asylverfahrensrecht Rn. 4 bis 6), und eine solche Intensität erreicht wird, daß nicht mehr nur eine Beeinträchtigung, sondern eine Ausgrenzung anzunehmen ist (Schenk, aaO., Rn. 11). Dem Bericht ist nicht zu entnehmen, daß den Christen oder auch nur alleinstehenden Christinnen in Syrien die wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen ist. Allenfalls trifft er eine Aussage darüber, daß die gewählte wirtschaftliche Betätigung gewissen Schwierigkeiten unterworfen ist. In den Städten haben die Christen bessere wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten als auf dem Land; sie sind auch in den freien Berufen (Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure) stärker vertreten als es ihrem Bevölkerungsanteil in Syrien entspricht (AA vom 22.01.1990 - Quellenliste Nr. 35).

Im übrigen stellen sich die aufgezeigten Bedrohungen nicht als staatliche Bedrohungen dar. Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (Schenk, aaO., Rn. 55). Verfolgungshandlungen Dritter sind dem Heimatstaat dann zuzurechnen, wenn er zu Verfolgungshandlungen anregt oder derartige Handlungen unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit den Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt, wobei die die Zurechenbarkeit begründende Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit nicht bereits dann besteht, wenn in einem zu beurteilenden Einzelfall effektiver staatlicher Schutz nicht geleistet worden ist (BVerwGE 67,317). Kein Staat vermag einen perfekten, lückenlosen Schutz zu gewähren und sicherzustellen, daß Fehlverhalten, Fehlentscheidungen oder Pannen sonstiger Art bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgabe der Wahrung des inneren Friedens nicht vorkommen. Deshalb schließt weder Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch die im Einzelfall erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder -fähigkeit aus. Vielmehr sind Übergriffe Privater dem Staat als mittelbare staatliche Verfolgung nur dann zuzurechnen, wenn er gegen deren Verfolgungsmaßnahmen grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährt (BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 1/94). Der vorgelegte Inlia-Bericht vermag die grundsätzliche Schutzversagung durch den syrischen Staat nicht darzulegen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß in den Beispielen Einzelfälle eigenmächtigen, vom Staat nicht gedeckten Verhaltens der örtlichen Behörden angeführt werden (AA vom 22.01.1990 und vom 25.01.1990 - Quellen liste Nrn. 35 und 36). Wie das Auswärtige Amt in seinen jüngsten Lageberichten (Quellenliste Nrn. 111, 112 und 114) ausführt, sind Fälle mittelbarer staatlicher Verfolgung nicht bekannt. Übergriffe von Muslimen werden staatlicherseits nicht geduldet, da die syrische Regierung darauf bedacht ist, keine Spannungen zwischen den Konfessionen aufkommen zu lassen. In Polizei und Justiz gibt es keine Anzeichen von Diskriminierung gegenüber Christen (Quellenliste Nr. 114). Der Inlia-Bericht 1994 selbst stellt fest, daß sich seit dem ersten Bericht aus dem Jahre 1989 das Verhältnis der Christen zu den Behörden nicht verändert hat, lediglich zu der Bevölkerungsgruppe der Moslems eine Verschlechterung eingetreten ist.

Nach alledem ist keine neue Sachlage vorgetragen, die die Gefahr der wirtschaftlichen Existenzvernichtung der Antragstellerin wegen ihrer Religionszugehörigkeit zu begründen vermag.

Auch hinsichtlich der von der Antragstellerin befürchteten sonstigen Übergriffe der Moslems auf Leib und Leben der Christen ist keine neue Sachlage anzunehmen. Der Inlia-Bericht 1994 spricht diese Übergriffe ebenso wie schon der frühere Bericht an; die genannten Beispiele beschränken sich aber auf die wirtschaftliche Betätigung und sonstige Schikanen; Beispiele für körperliche Belästigungen werden hingegen nicht gemacht. Selbst wenn eine solche neue Sachlage anzunehmen wäre, würde die Asylrelevanz daran scheitern, daß diese Übergriffe nach den obigen Ausführungen dem Staat nicht zurechnenbar sind.

Auch ansonsten ist keine neue Sachlage vorgetragen, die eine asylrelevante Behandlung der Antragstellerin bei ihrer Rückkehr nach Syrien befürchten läßt. Der in der allgemein zugänglichen Version des Inlia-Berichts (nicht bereits in der vorgelegten Zusammenfassung des Berichts) geschilderte Fall einer nach Syrien abgeschobenen Familie ist nicht geeignet, eine neue asylrelevante Gefahr der Inhaftierung und Vernehmung der Antragstellerin zu begründen. Bereits in dem früheren Inlia-Bericht ist das Schicksal zweier nach Syrien zurückgekehrter Christinnen geschildert. Danach sind diese nach ihrer Ankunft drei Tage lang in einem kalten Keller ohne Fenster, Licht oder Sanitäranlagen ohne Essen, Decken oder Betten eingesperrt worden und nach einem Verhör mit den Fragen nach ihren Kontakten außerhalb Syriens und den Gründen ihrer Abschiebung freigelassen worden. Der neue Inlia-Bericht legt demgegenüber keine allgemeine Verschärfung der Rückkehrsituation dar. Nach diesem Bericht ist die Familie in ein Gefängnis verbracht und nach den Gründen der Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland befragt worden, wobei einzelne Familienmitglieder auch geschlagen worden sind. Bis auf ein Familienmitglied seien sie dann freigelassen worden, nach vierzehn Tagen aber wieder über Nacht inhaftiert und mit Hilfe eines höher gestellten Freundes und einer Geldzahlung wieder freigelassen worden. Das andere Familienmitglied sei drei Wochen nach der Abschiebung freigelassen, nach wenigen Tagen erneut zum Verhör abgeholt worden und nur mit Hilfe von Kontakten und Geldleistungen vorläufig freigelassen worden. Auch bereits in den zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Erstasylantrag bekannten bzw. zugänglichen Quellen ist die kurzfristige Festnahme und die Vernehmung abgeschobener Asylantragsteller angeführt (AA, Lagebericht vom 30.04.1993 und AA vom 19.01.1993 - Quellenliste Nrn. 97 und 78), so daß das genannte Beispiel in dem neuen Inlia-Bericht keine neue Sachlage darstellt. Der Umstand, daß nach dem Beispiel ein weiteres Familienmitglied für längere Zeit inhaftiert worden ist und auch nur vorläufig freigelassen worden ist, ist darauf zurückzuführen, daß diese Person wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit in Abwesenheit zu einer Gefängnisstrafe von 3 Jahren und einer Geldbuße von 15.000 Pfund verurteilt worden war. Dieser Fall stellt somit einen Sonderfall dar, der jedenfalls für die Antragstellerin, die - da sie keine Arbeitsstelle innehatte - eine solche Verurteilung nicht zu befürchten hat, keine günstigere Einschätzung ihres Asylbegehrens mit sich bringt.

Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG sind auch heute nicht ersichtlich. Die Schlußfolgerung in dem Inlia-Bericht 1994, wonach abgeschobene Syrer bei Rückkehr nach Syrien einer Behandlung unterworfen werden, die die Menschenrechte in grobem Umfang verletzt, vermag das Gericht aus dem bericht nicht zu ziehen. In dem Erstantragsverfahren ist die Frage, ob im Fall der Antragstellerin die konkrete Gefahr der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG) oder des Verstosses gegen Art. 3 der EMRK (§ 53 Abs. 4 AuslG) gegeben ist, geprüft worden. Das Gericht hat diese Frage zutreffend verneint und ausgeführt, die Überprüfungspraxis bei Rückkehr nach Syrien (kurzfristige Festnahme und Vernehmung) stelle für sich genommen noch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar. Das Risiko der Verbringung in ein Haft- und Verhörzentrum mit Gefahr der Folter stelle sich nur bei Personen, die sich im Ausland in nicht ganz unerheblichem Umfang gegen den syrischen Staat politisch betätigt haben, was bei der Antragstellerin gerade nicht der Fall sei. Eine gegenüber der Sachlage, die den bis zum Zeitpunkt dieser Gerichtsentscheidung zugänglichen Quellen zu entnehmen war, neue und verschärfte Situation hat die Antragstellerin mit dem neuen Inlia-Bericht nicht vorgetragen. Die in der allgemein zugänglichen Version des Berichtes geschilderte längere Inhaftierung eines Rückkehrers hat mangels anderer Anhaltspunkte mit dessen Verurteilung zu einer Haftstrafe zu tun, so daß - wie bereits dargelegt - diesem Einzelfall nicht die konkrete Gefahr der menschenrechtswidrigen Behandlung der Antragstellerin und deren Inhaftierung und Folterung entnommen werden kann. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 15.01.1995 - Quellenliste Nr. 114) kam es in keinem der Abschiebefälle der letzten Zeit über zum Teil mehrtägige Befragungen durch die Einwanderungs- und Sicherheitsbehörden hinaus zu Unregelmäßigkeiten.

Nach alledem hat die Antragstellerin weder einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, der einer Abschiebung heute entgegenstehen würde, noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG glaubhaft gemacht, so daß kein Anlaß besteht, den Antragsgegner zu 2.) zu verpflichten, vorläufig von Abschiebemaßnahmen abzusehen.

Da die Antragstellerin unterlegen ist, hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 VwGO).

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte