Hessischer VGH, Beschluss vom 03.07.1995 - 11 N 1432/94
Fundstelle
openJur 2012, 20744
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Tatbestand

Der Normenkontrollantrag richtet sich gegen die Gültigkeit der Verordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Frankfurt am Main vom 23. Dezember 1986 - Sperrgebietsverordnung - (Staatsanzeiger 1987 S. 100) i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Frankfurt am Main vom 25. Juni 1992 (Staatsanzeiger S. 1523). Diese Sperrgebietsverordnung enthält in § 1 Abs. 1 eine Festlegung derjenigen Teile des Stadtgebiets der Stadt Frankfurt am Main, in denen jede Form der Prostitution verboten ist, und in § 1 Abs. 2 folgende Regelung:

"In dem übrigen Stadtgebiet ist es mit Ausnahmeder in den Abs. 3 und 4 bezeichnetenGebieten verboten, auf öffentlichen Straßen,Wegen, Plätzen, in öffentlichen Anlagen undan sonstigen Orten, die von dort aus eingesehenwerden können, sowie in Prostituiertenwohnheimen,Prostituiertenunterkünften undähnlichen Einrichtungen (u.a. in sogenanntenMassagesalons und sonstigen überwiegend vonProstituierten genutzten Häusern) der Prostitutionnachzugehen."§ 1 Abs. 3 und 4 der Sperrgebietsverordnung enthält eine Aufzählung der sogenannten Toleranzzonen, in denen die Beschränkungen des Abs. 2 nicht gelten.

In § 1 Abs. 4 ist u.a. geregelt:

"Von den Beschränkungen des Abs. 2 sind ferner folgende Gebieteausgenommen:1. ...2. Folgende im Bereich gelegenenFlurstücke:Flur 53, Flurstücke ...Flur 54, Flurstücke 21, 22, 25, 27, 28,29, 30/2, 31/2, 32/2, 32/3, 32/4, 32/5,32/6, 34/2, 36/4, 57/2, 57/3 und 57/4(hierzu gehören nicht GrundstückeNr. 11, 24 und 29);3. ..."H, Mitgesellschafter und früher auch Geschäftsführer der Antragstellerin (vgl. Handelsregisterauszug Band II Bl. 233 f. GA), ist seit 1971 Alleineigentümer des damals ungeteilten Grundstücks Frankfurt am Main, vgl. Grundbuchauszug Band Bl. des Grundbuchamts Frankfurt am Main. Auf diesem Grundstück wurde nach dem von der Antragstellerseite vorgelegten Schriftverkehr aufgrund einer im Jahre 1954 erteilten Baugenehmigung ein fünfgeschossiges "Gast- und Logierhaus" errichtet, in dem seither Frauen der Prostitution nachgehen. Im Jahre 1973 wurde H die "Errichtung einer Hofüberdachung zwecks Schaffung eines Kontakthofes" genehmigt. Aufgrund eines am 2. Juni 1982 geschlossenen Gesellschaftsvertrages wurde die Antragstellerin am 17. August 1982 in das Handelsregister beim Amtsgericht Frankfurt am Main eingetragen; ihr Unternehmensgegenstand ist "die Führung von Pensions- und Restaurationsbetrieben und Betrieb und Verwaltung des Sauna Clubs im Hause Frankfurt am Main, Gesellschafter sind derzeit mit einem Geschäftsanteil von 70 % H und mit Geschäftsanteilen von je 15 % die beiden Geschäftsführer.

Am 9. Dezember 1982 schlossen H als Verpächter und die Antragstellerin als Pächterin rückwirkend auf den 1. August 1982 einen Pachtvertrag (Kopie Band II Bl. 288 GA), in dessen § 1 folgendes vereinbart wurde:

"Der Verpächter ist Eigentümer der Liegenschaft,6000 Frankfurtam Main. Auf dieser Liegenschaft betreibter im Hause sowie inden Clubräumen im Untergeschoß und den Umkleideräumenund Eingangsräumen im Erdgeschoßder Gesamtliegenschaft einen Sauna-Club-Betrieb.Der Verpächter verpachtet den vorgenanntenBetrieb an die Pächterin.Mitverpachtet ist die gesamte Einrichtungsowie das Inventar laut anliegendem, vonbeiden Parteien unterzeichneten Inventarverzeichnis,in dem der Zustand der einzelnenGegenstände aufgeführt ist."Nach dem Inkrafttreten der Sperrgebietsverordnung Ende 1986 betrieb der Grundstückseigentümer H die Teilung des Flurstücks in einen nur an die Zeil angrenzenden Grundstücksteil mit einer Größe von 200 qm und ein nur an die angrenzendes Grundstück mit einer Grundfläche von 211 qm. Diese Teilung wurde im Grundbuch am 19. August 1991 vollzogen; wegen der räumlichen Folgen der Teilung wird auf das Abmarkungsprotokoll vom 6. März 1989 (Band II Bl. 254 GA) Bezug genommen.

Am 15. Juli 1992 schlossen der Grundstückseigentümer und die Antragstellerin einen auf 10 Jahre befristeten "Mietvertrag für gewerblich genutzte Räume und Grundstücke" (Band II Bl. 235 ff. GA) mit einer vereinbarten Laufzeit vom 1. August 1992 bis 31. Juli 2002. Vermietet werden "zum Betrieb" eines "Sauna-Club Betriebes" folgende Räume: "Haus 29 sowie im Hause Clubraum Untergeschoß, Umkleideraum und Eingangsraum im EG".

Am 17. September 1992 stellte der Grundstückseigentümer bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag (11 N 1731/92), mit dem er die später vom Senat mit Urteil vom 8. Dezember 1992 - 11 N 2041/91 - (Staatsanzeiger 1993, 404; NVwZ-RR 1993, 294) teilweise für nichtig erklärte Verordnung zur Änderung der Sperrgebietsverordnung vom 27. Februar 1991 (Staatsanzeiger 1991 S. 743) angriff. In der Antragsschrift vom 16. September 1992 (Bl. 2 der beigezogenen Akten 11 N 1731/92 des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs) ließ H folgendes ausführen:

"Der Antragsteller ist Eigentümer der bebautenLiegenschaft.In dem Gebäude befinden sich28 Wohneinheiten, die vom Antragsteller anFrauen zum Zwecke der Prostitutionsausübungvermietet sind."Das Normenkontrollverfahren 11 N 1731/92 wurde nach Rücknahme des Normenkontrollantrags mit Beschluß vom 7. April 1993 eingestellt.

Am 17. Mai 1994 hat die Antragstellerin den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt.

Sie behauptet, sie unterhalte in der abgetrennten Liegenschaft derzeit 28 Wohneinheiten, die sie an Frauen zum Zwecke der Prostitutionsausübung vermietet habe. In den Räumlichkeiten auf dem abgetrennten Grundstück, das aufgrund baulicher Veränderungen keinen unmittelbaren Zugang mehr zu den Gebäudeteilen auf dem Grundstück besitze, habe sie bisher einen organisatorisch selbständigen Sauna-Betrieb unterhalten, den sie inzwischen jedoch nach einer nach ihrer Auffassung rechtswidrigen Besichtigung durch Bedienstete des Ordnungsamts der Stadt Frankfurt am Main Mitte Mai 1995 aufgegeben habe. Sie betreibe ihr Gewerbe seither lediglich in dem Hause der Liegenschaft weiter.

Die Antragstellerin hält die Sperrgebietsverordnung insgesamt, insbesondere jedoch die Herausnahme des Grundstücks aus der umliegenden Toleranzzone, für rechtswidrig und meint, die Verordnung sei deshalb insgesamt nichtig. Für die Herausnahme des Grundstücks aus der Toleranzzone existiere ein sachlicher Grund spätestens seit der grundbuchmäßig vollzogenen und auch durch bauliche Veränderungen praktisch durchgeführten Abtrennung der Grundstücke und Gebäude auf den beiden Flurstücken nicht mehr. Hierzu behauptet sie, schon vor der Aufgabe des Sauna-Betriebs in den zur Zeil hin gelegenen Räumen seien die beiden Betriebe räumlich und organisatorisch streng voneinander getrennt gewesen.

Im übrigen hält die Antragstellerin die Sperrgebietsverordnung insgesamt für ungültig, weil die darin ausgewiesenen Toleranzzonen zur Aufnahme der in Frankfurt am Main vorhandenen Gebäudeprostitution zu klein und ungeeignet seien. Bei den in der Verordnung als Toleranzzonen bezeichneten Gebieten im Hafenbereich handele es sich um Scheinausweisungen, weil die Stadt Frankfurt am Main dort in Wahrheit gar keine Bordellbetriebe zulassen wolle und dies auch bisher nicht getan habe.

Die Antragstellerin beantragt,

die Verordnung des Regierungspräsidenten inDarmstadt zum Schutz der Jugend und des öffentlichenAnstandes in Frankfurt am Main vom23. Dezember 1986 (Staatsanzeiger 2/1987S. 100) i.d.F. der Zweiten Verordnung zurÄnderung der Verordnung zum Schutz der Jugendund des öffentlichen Anstandes in Frankfurtam Main vom 25. Juni 1992 (Staatsanzeiger27/1992 S. 1523) für nichtig zu erklären.Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.Er hält den Antrag für unzulässig, weil zum einen der zwischen dem Grundstückseigentümer und der Antragstellerin geschlossene Mietvertrag wegen Verstoßes gegen das in der angegriffenen Verordnung enthaltene Verbot der Prostitutionsausübung nichtig sei, und weil zum anderen in Wahrheit gar nicht die Antragstellerin, sondern der Grundstückseigentümer Bordellbetreiber sei. Sofern man gleichwohl eine Antragsbefugnis annehmen wolle, erstrecke sich diese nicht auf die Sperrgebietsverordnung als Ganzes, sondern nur auf die Herausnahme des ursprünglichen Grundstücks Flur Flurstück aus der in der Sperrgebietsverordnung ausgewiesenen Toleranzzone.

Im übrigen bestehe für diese Herausnahme nach wie vor ein sachlicher Grund, weil die grundbuchmäßig getrennten Flurstücke der Antragstellerin auch jetzt noch räumlich und tatsächlich zumindest wirtschaftlich als Einheit zu betrachten seien und nach Feststellungen des Ordnungsamts der Stadt Frankfurt am Main auch einheitlich als Bordell genutzt würden.

Schließlich tritt der Antragsgegner der Auffassung der Antragstellerin entgegen, bei den in der angegriffenen Sperrgebietsverordnung ausgewiesenen Toleranzzonen handele es sich größtenteils um Scheinausweisungen, und behauptet seinerseits, die ausgewiesenen Toleranzflächen seien ausreichend groß und geeignet, um die in Frankfurt am Main angesiedelte Bordellprostitution aufnehmen zu können. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird insoweit auf die Antragserwiderung vom 30. September 1994 (Band I Bl. 104 ff. GA) und seinen Schriftsatz vom 11. April 1995 (Band II Bl. 277 GA) Bezug genommen.

Der Senat hat der Stadt Frankfurt am Main mit Beschluß vom 6. Juni 1994 (Band I Bl. 85 ff. GA) Gelegenheit zur Äußerung nach § 47 Abs. 2 Satz 3 VwGO gegeben. Der Magistrat der Stadt Frankfurt am Main hat sich hierzu mit Schriftsatz vom 1. November 1994 (Band I Bl. 142 ff. GA), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, geäußert und ist im wesentlichen der Auffassung des Antragsgegners beigetreten. Mit Schriftsatz vom 9. Mai 1995 hat der Magistrat eine Planskizze der "Sauna"-Räume im Gebäude vorgelegt und im einzelnen zu den räumlichen Verhältnissen Stellung genommen. Insoweit wird auf den Schriftsatz des Magistrats vom 9. Mai 1995 (Band II Bl. 299 GA mit Anlagen) Bezug genommen.

Dem Senat liegen die die Normenkontrollverfahren 11 N 2041/91 und 11 N 1731/92 betreffenden Akten des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vor. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Gründe

Es bestehen erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags, die im wesentlichen aus Zweifeln an der Rechtswirksamkeit des zwischen dem Grundstückseigentümer und der Antragstellerin geschlossenen Mietvertrags resultieren, die jedoch letztlich auf sich beruhen können. Denn jedenfalls ist der Normenkontrollantrag unbegründet, weil die Sperrgebietsverordnung in den Teilen, für deren Überprüfung die Antragstellerin im Falle der Wirksamkeit dieses Mietvertrags ein Rechtsschutzbedürfnis hätte, offensichtlich rechtmäßig und damit gültig ist.

Der Antragsbefugnis der Antragstellerin im Sinne des § 47 Abs. 2 Nr. 1 VwGO steht nicht entgegen, daß sie allenfalls Mieterin und nicht Eigentümerin der Räumlichkeiten auf den Grundstücken ist und daß der derzeit laufende Mietvertrag erst nach Erlaß der Sperrgebietsverordnung in der beanstandeten Form geschlossen worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht der Antragsbefugnis gegenüber Bebauungsplänen auch Mietern zu, die Räume im Geltungsbereich des Plans erst nach dessen Inkrafttreten angemietet haben (BVerwG, Beschluß vom 11. November 1988 - 4 NB 5.88 -; NVwZ 1989, 553 = BayVBl. 1989, 315 (316)):

"Daß die Klägerin nicht Eigentümerin desGeschäftsgrundstücks ist, sondern darin nurRäume gemietet hat, steht ihrer Antragsbefugnisnicht entgegen. Die Festsetzung des Bebauungsplansüber die Nutzung der Grundstückemit Vergnügungsstätten und ähnlichen Einrichtungenbestimmt Inhalt und Schranken desGrundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG)unabhängig von der Ausgestaltung der privatrechtlichenRechtsverhältnisse. Sie regelteine (öffentlich-) rechtliche Eigenschaft derGrundstücke selbst. Der daraus resultierendeNachteil kann den Eigentümer selbst, einendinglich Nutzungsberechtigten oder einenMieter oder Pächter treffen. Wer ihn in dergegebenen Situation erleidet, kann ihn ineinem Antrag nach § 47 Abs. 1 und 2 VwGOgeltend machen."Es bestehen keine Bedenken, diese Grundsätze auf die Überprüfung anderer Rechtsnormen zu übertragen, soweit diese - wie Sperrgebietsverordnungen - eine Abwägung widerstreitender Interessen voraussetzen.

Erforderlich und ausreichend ist nach dieser Rechtsprechung, daß der jeweilige Antragsteller durch die angegriffene Rechtsnorm in einem "abwägungsrelevanten" Interesse betroffen wird (BVerwG, Beschluß vom 9. November 1979 - 4 N 1.78 u.a. -, BVerwGE 59, 87). Die Antragstellerin behauptet, sie selbst vermiete die angemieteten Räume in der an Prostituierte weiter, und macht damit geltend, sie sei durch den Abschluß des Mietvertrages sozusagen in die Rolle der Betreiberin des seit seinem Bau in dem Gebäude betriebenen Bordells hineingewachsen. Würde diese Behauptung zutreffen, wäre sie durch die Sperrgebietsverordnung in einem Belang betroffen, der schon bei Erlaß der Verordnung in ihrer ursprünglichen Fassung im Jahr 1986 abwägungsrelevant war. Denn vor Erlaß dieser Sperrgebietsverordnung war die Prostitutionsausübung im Gebäude erlaubt. Zwar war durch § 1 Satz 1 Nr. 2 der Sperrgebietsverordnung vom 25. November 1970 (Staatsanzeiger S. 2352) in der Neufassung der Verordnung vom 30. März 1973 (Staatsanzeiger S. 734) die von der Einmündung straße bis zur Einmündung zum Sperrgebiet erklärt worden. Diese Änderungsverordnung wurde jedoch durch Urteil des Hess. VGH vom 3. November 1980 - 8 N 2/79 - (HessVGRspr. 1981, 74 = NJW 1981, 779 = Gewerbearchiv 1981, 143) für ungültig erklärt. Die dadurch wiederaufgelebte Ursprungsfassung der Sperrgebietsverordnung vom 25. November 1970 sah kein Verbot der Bordellprostitution in der vor. Mithin hatte der Verordnungsgeber bei der Neufassung der Sperrgebietsverordnung im Jahr 1986 Veranlassung, sich mit den einem Verbot der Bordellprostitution speziell im Hause entgegenstehenden Belangen konkret auseinanderzusetzen.

Die Betroffenheit der Antragstellerin in abwägungsrelevanten Belangen wäre allerdings dann ausgeschlossen, wenn der mit dem Grundstückseigentümer geschlossene Mietvertrag vom 15. Juli 1992 nichtig wäre, was nach den dem Senat bisher vorliegenden Informationen nicht mit letzter Sicherheit beurteilt werden kann und dahingestellt bleibt.

Grundsätzlich sind Mietverträge über Räume nicht allein deshalb sittenwidrig und damit nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB), weil die Vermietung dazu dient, die Räume zur Ausübung der Prostitution nutzbar zu machen. Entgegen früherer Auffassung hat die Rechtsprechung der Zivilgerichte seit Mitte der 70er Jahre entsprechenden Pacht- oder Mietverträgen die Rechtswirksamkeit nur noch dann abgesprochen, wenn der Pächter oder Mieter von den Prostituierten überhöhten Mietzins verlangte und sie damit wirtschaftlich ausbeutete oder sie in ihrer Selbständigkeit beeinträchtigte und zu ihrer Betätigung anhielt, wobei eine in auffälligem Mißverhältnis zum objektiven Pacht- oder Mietwert stehende Pacht oder Miete als Indiz für entsprechende Absichten gewertet werden kann (BGH, Urteil vom 8. Januar 1975 - VIII ZR 126/73 -, BGHZ 63, 365 (367)). Nach der neuerdings offenbar wieder etwas strengeren Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit auf den Betrieb eines Bordells gerichteter Verträge (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 15. März 1990 - III ZR 248/88 -, NJW-RR 1990, 750) müßte allerdings zum Ausschluß der Nichtigkeit des Mietvertrags konkret festgestellt werden, ob es sich bei der Prostituiertenunterkunft in der um einen organisierten Bordellbetrieb handelt, was nach den bisherig vorliegenden Informationen weder mit Bestimmtheit angenommen noch ausgeschlossen werden kann.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ergibt sich die Nichtigkeit des Mietvertrags hier nicht aufgrund eines gesetzlichen Verbots im Sinne des § 134 BGB i.V.m. den angegriffenen Bestimmungen der Sperrgebietsverordnung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vertragsabschluß im Jahre 1992 ein eigenständiges Rechtsgeschäft oder nur die Ausübung eines aus dem ursprünglichen Pachtvertrag hergeleiteten Optionsrechts war. Letzteres ist allerdings schon dadurch ausgeschlossen, daß der Pachtvertrag aus dem Jahre 1982 einen anderen Inhalt hatte als der Mietvertrag aus dem Jahre 1992. Während 1982 ein "Betrieb" verpachtet wurde, beschränkt sich der 1992 geschlossene Vertrag - wohl in Erkenntnis der rechtlichen Problematik sogenannter Bordellpachtverträge - auf die Vermietung von Räumen zum Zweck der Überlassung an Prostituierte. Ungeachtet fehlender rechtlicher Identität der beiden Vertragsverhältnisse kann § 134 BGB der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags jedenfalls deshalb nicht entgegengehalten werden, weil gerade um die Wirksamkeit der Verbotsnormen gestritten wird, also gerade das Bestehen eines "gesetzlichen Verbots" Streitgegenstand ist.

Es kann auch nicht festgestellt werden, daß der Mietvertrag als Scheingeschäft gemäß § 117 BGB nichtig ist, obgleich Indizien dafür sprechen, daß schon der Gesellschaftsvertrag aus dem Jahre 1982, der Pachtvertrag aus demselben Jahr und der 1982 geschlossene Mietvertrag lediglich zu dem Zweck geschlossen worden sind, das Betreiben eines Bordellbetriebs unmittelbar durch den Hauseigentümer zu verschleiern. Dafür spricht insbesondere die Tatsache, daß der Hauseigentümer selbst zur Begründung seines im September 1992 gestellten Normenkontrollantrags in der auf S. 4 zitierten Passage seiner Antragsschrift vom 16. September 1992 behauptet hat, er selbst vermiete die Wohnungen im Haus an Prostituierte. Diese Behauptung ist um so bemerkenswerter, als der Mietvertrag mit der Antragstellerin gerade zwei Monate vorher geschlossen worden war.

Ohne weitere Nachforschungen bezüglich der Rechtsverhältnisse zwischen den im Hause tätigen Prostituierten und dem Vermieter bzw. der Vermieterin ist es jedoch nicht möglich festzustellen, ob es sich bei dem Mietvertrag um ein Scheingeschäft handelt. Der Senat läßt dies offen, da sich der Normenkontrollantrag aus anderen Gründen teilweise als unzulässig und im übrigen als unbegründet erweist.

Der Antragstellerin fehlt jedenfalls für die von ihr angestrebte umfassende Prüfung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Sperrgebietsverordnung das hierfür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Daß ein Rechtsschutzbedürfnis für die Normenkontrolle neben der in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderlichen Antragsbefugnis vorhanden sein muß, hat im Hinblick auf die Überprüfung von Sperrgebietsverordnungen bereits der 8. Senat in seiner schon zitierten Entscheidung vom 3. November 1980 (a.a.O.; vgl. Kopp, VwGO, 10. Aufl., Rdnr. 34 zu § 47 VwGO m.w.N.) festgestellt. Der beschließende Senat hat sich dieser Auffassung zuletzt in seinem Urteil vom 8. Dezember 1992 - 11 N 2041/91 - (Staatsanzeiger 1993, 404; NVwZ-RR 1993, 294; vgl. S. 18 des amtlichen Umdrucks) dadurch angeschlossen, daß er die Zulässigkeit des damals gestellten Antrags mit der Erwägung bejaht hat, der damalige Antragsteller habe den ursprünglich weiter gefaßten Antrag in der mündlichen Verhandlung auf die ihn beschwerenden Bestimmungen der Änderungsverordnung vom 27. Februar 1991 beschränkt.

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist in Anbetracht der besonderen Verhältnisse des Einzelfalls auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Herausnahme des Flurstücks aus der in der Sperrgebietsverordnung ausgewiesenen Toleranzzone rechtmäßig ist. Ein darüber hinausgehendes Bedürfnis, auch eine Prüfung der Vereinbarkeit der Sperrgebietsverordnung im übrigen mit der Ermächtigungsnorm in Art. 297 EGStGB und sonstigem höherrangigen Recht herbeizuführen, besteht nicht, insbesondere hat die Antragstellerin kein rechtlich beachtliches Interesse daran, daß im Normenkontrollverfahren die konkrete Aufnahmefähigkeit der in der Sperrgebietsverordnung ausgewiesenen Toleranzzonen sowie deren Eignung zur Aufnahme der aus anderen Bereichen verdrängten Bordellprostitution überprüft wird. Zwar dient das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht lediglich dem Individualrechtsschutz, sondern auch einer objektiven Rechtskontrolle unabhängig von den Beanstandungen des jeweiligen Antragstellers. Der Prüfungsumfang wird jedoch durch die Reichweite des Rechtsschutzbedürfnisses des jeweiligen Antragstellers begrenzt (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 1989 - 4 N 3.87 - (BVerwGE 82, 225 (332)):

"Wie bereits dargelegt, hat das Normenkontrollverfahrennach § 47 VwGO eine doppelteFunktion als subjektives Rechtsschutzverfahrenu n d objektives Prüfungsverfahren.Das Zulässigkeitserfordernis eines Nachteilsgemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO soll sogenanntePopularanträge ausschließen. Das danebennotwendige allgemeine Rechtsschutzinteressesoll vermeiden, daß die Gerichte in eineNormprüfung eintreten müssen, deren Ergebnisfür den Antragsteller wertlos ist."Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist zum einen durch ihren Gesellschaftszweck, der sowohl durch die aus dem Handelsregister ersichtliche Zweckbestimmung als auch durch die gewählte Firma auf das Betriebsgrundstück beschränkt ist, zum anderen durch den Gegenstand des mit dem Grundstückseigentümer geschlossenen Mietvertrags - dessen Wirksamkeit unterstellt - begrenzt. Würde auf ihren Normenkontrollantrag hin die Sperrgebietsverordnung umfassend auch im Hinblick auf denkbare Ausweichmöglichkeiten überprüft, würde dies der Antragstellerin keinen rechtlichen Vorteil bringen, weil es ihr ersichtlich nur um die Nutzbarkeit des bisherigen Betriebsgrundstücks geht und nicht darum, irgendwo im Frankfurter Stadtgebiet Räumlichkeiten an Prostituierte vermieten zu können.

Mithin ist der Normenkontrollantrag - jedenfalls - insoweit unzulässig, als die Antragstellerin eine über die Nutzbarkeit dieses Grundstücks bzw. der aus dem ursprünglichem Grundstück durch Teilung entstandenen Grundstücke hinausgehende Normenkontrolle begehrt.

Soweit der Normenkontrollantrag als zulässig angesehen werden kann, ist er unbegründet. Denn die Herausnahme des früheren Flurstücks der Flur der Stadt Frankfurt am Main erweist sich auch unter Berücksichtigung der seither eingetretenen tatsächlichen Veränderungen als rechtmäßig.

Was die formelle Rechtmäßigkeit der Sperrgebietsverordnung anlangt, hat diese der Senat hinsichtlich der Ursprungsfassung bereits mit Beschluß vom 19. Februar 1990 - 11 N 2596/87 - (ESVGH 41, 151 = DÖV 1990, 849 = NVwZ-RR 1990, 492) und bezüglich der aktuellen Auffassung mit Urteil vom 8. Dezember 1992 - 11 N 2041/91 - (NVwZ-RR 1993, 294) überprüft und gebilligt. Auf die Ausführungen hierzu in den beiden zitierten Entscheidungen kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

Für die Ausgliederung des Grundstücks bzw. der entstandenen Teilgrundstücke besteht nach wie vor ein sachlicher Grund, weil die auf dem Teilgrundstücken vorhandenen Gebäude nach den tatsächlichen Feststellungen des Ordnungsamts der Stadt Frankfurt am Main auch derzeit noch baulich so gestaltet sind, daß auch die in den an die Zeil angrenzenden Gebäudeteilen gelegenen Räume zur Ausübung der Prostitution bzw. für Nebenleistungen des Bordellbetriebs genutzt werden können und weil nach dem Inhalt des laufenden Mietvertrags auch diese Räume der Antragstellerin für diese Zwecke zur Verfügung stehen. Daran ändert die im Schriftsatz der Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 16. Mai 1995 abgegebene Absichtserklärung, den Betrieb des Sauna-Clubs in der Liegenschaft einstellen zu wollen, nichts. Denn diese Absichtserklärung ist völlig unverbindlich und angesichts der Tatsache, daß die Antragstellerin in ihrer Firma nach wie vor den Hinweis auf die Zeil als Anknüpfungspunkt ihrer geschäftlichen Interessen führt, auch unglaubhaft.

Es steht außer Zweifel, daß ein beachtliches öffentliches Interesse daran besteht, die ohnehin problematische innerstädtische Toleranzzone scharf und wirksam von dem innerstädtischem Geschäftszentrum in der abzugrenzen, um Kollisionen zwischen der Prostitutionsausübung und ihren Begleiterscheinungen und dem kommerziellen und kulturellen Leben in der zu vermeiden. Abgesehen davon, daß nach der im Urteil vom 8. Dezember 1992 - 11 N 2041/91 - (a.a.O.) zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung des Senats die Voraussetzungen für die vom Magistrat der Stadt Frankfurt am Main beabsichtigte Schließung der Toleranzzone seinerzeit noch nicht gegeben waren, weil die praktische Umsetzung entsprechender Planungsvorstellungen noch nicht in eine konkrete Phase getreten war, ist doch jedenfalls absehbar, daß jede Ausdehnung der Prostitutionsausübung von der in die sowohl den tatsächlichen Verhältnissen wie den planerischen Absichten der Stadt Frankfurt widersprechen würde. Wie der Senat in seinem Urteil vom 8. Dezember 1992 - 11 N 2041/91 - (a.a.O.) hervorgehoben hat, dürfen Verordnungen nach Art. 297 EGStGB nicht ihrerseits Vorgaben für die künftige Bauleitplanung setzen, müssen also im Hinblick auf die weitere Stadtentwicklung "neutral" sein. Da nichts dafür ersichtlich ist, daß seitens der Stadt Frankfurt am Main in absehbarer Zukunft eine Änderung des Gebietscharakters im Einkaufszentrum beabsichtigt sein könnte, ist es nicht nur sachgerecht, sondern geboten, daß der Verordnungsgeber an der erfolgten Herausnahme des Betriebsgrundstücks der Antragstellerin aus der Toleranzzone festhält, um eine schleichende Ausweitung der Prostitutionsausübung in diesen Bereich hinein zuverlässig zu vermeiden.

Die Antragstellerin erleidet hierdurch keine unzumutbaren Nachteile, selbst wenn man unterstellt, daß bereits der 1982 mit dem Grundstückseigentümer abgeschlossene Pachtvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit oder als Scheingeschäft nichtig gewesen sei. Denn wie der Senat mehrfach, unter anderem in seinem bereits zitierten Urteil vom 8. Dezember 1992 - 11 N 2041/91 - ausgeführt hat, müssen Bordellbetreiber als latente Störer stets damit rechnen, aufgrund der an kommunalen Planungen zu orientierenden Fortschreibung von Verordnungen nach Art. 297 EGStGB aus bestimmten Stadtteilen oder bestimmten Liegenschaften verdrängt zu werden, wenn die Nutzung von Liegenschaften zur Ausübung der Prostitution nicht mit dem nach der Bauleitplanung zulässigen tatsächlichen Gebietscharakter vereinbar ist. Die Antragstellerin wird dadurch weder in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 noch aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, weil sowohl das Grundrecht auf freie Berufsausübung als auch die Eigentumsgarantie unter Gesetzesvorbehalt stehen und durch rechtmäßige Normen eingeschränkt werden können.

Mithin ist der Normenkontrollantrag insgesamt zurückzuweisen.

Die Kosten des Normenkontrollverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen, weil ihr Antrag erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Der Streitwert wird entsprechend der Anregung der Antragstellerin (Band I Bl. 91 f. GA) auf 1.120.000,-- DM festgesetzt. In Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung des Senats hat die Antragstellerin die Auffassung vertreten, daß bei 28 Mieterinnen und einem Zimmerpreis von täglich 200,-- DM an 300 Tagen im Jahr Gesamteinnahmen in dieser Höhe erzielbar seien. Soweit der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1994 (Band II Bl. 204 f. GA) dem mit der Erwägung widersprochen hat, im Normenkontrollverfahren 11 N 1731/92 sei die Zahl der Prostituierten durch den Hauseigentümer mit 10 angegeben worden, ist die Antragstellerin dem mit Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 14. Januar 1995 (Band II Bl. 209 (212)) substantiiert entgegengetreten.