Hessischer VGH, Beschluss vom 26.07.1994 - 4 TH 1779/93
Fundstelle
openJur 2012, 20452
  • Rkr:
Tatbestand

Der Antragsteller ist Pächter des Grundstücks in (Gemarkung, Flur, Flurstück). Das Grundstück ist mit einem Gebäude bestehend aus Erdgeschoß, 5 Obergeschossen (einschließlich Dachgeschoß) und einem über dem Dachgeschoß befindlichen nicht ausgebautem Spitzboden bebaut. Das 1. bis 5. Obergeschoß sind zu Wohnzwecken genehmigt (Bauschein-Nr. vom 24.08.1945). Bezüglich der Räumlichkeiten im Erdgeschoß wurde mit Bauscheinen vom 21.11.1980 und 18.05.1982 die Nutzung "Cafe-Lokal" zugelassen. Das Grundstück befindet sich im räumlichen Geltungsbereich der Toleranzzone nach § 1 Abs. 5 der Verordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Frankfurt am Main vom 23.12.1986 (StAnz. 1986, 100) in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 25.06.1992 (StAnz. 1992 S. 1523).

Seit dem 19.12.1992 nutzt der Antragsteller die Räume des Gebäudes zum Zwecke der gewerblichen Zimmervermietung (Bordell). Die Räume des Erdgeschosses stehen dem Hauswirtschafter zur Verfügung. Im 1. bis 5. Obergeschoß werden insgesamt 25 Zimmer an Prostituierte vermietet.

Nach vorheriger Anhörung mit Schreiben vom 09.02.1993 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Verfügung vom 24.02.1993 auf, die Nutzung der Räume im 1. bis 4. Obergeschoß und im Dachgeschoß des Grundstücks zu gewerblichen Zwecken sofort einzustellen. Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung angeordnet und für den Fall der Nichtbeachtung die Versiegelung angedroht. Gegen die Verfügung vom 24.02.1993 legte der Antragsteller mit Schreiben gleichen Datums Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 24.02.1993 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Bescheid vom 02.03.1993 verfügte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller ein der Verfügung vom 24.02.1993 entsprechendes, sofort vollziehbares und zwangsmittelbewehrtes Nutzungsverbot für die Räume des 5. Obergeschosses des Gebäudes. Gegen diese Verfügung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 05.04.1993 Widerspruch eingelegt, über den ebenfalls bislang noch nicht entschieden ist. Seinen vorläufigen Rechtsschutzantrag hat er mit Schriftsatz vom 05.04.1993 entsprechend erweitert. Im Laufe des Verfahrens hob die Antragsgegnerin die Versiegelungsandrohungen auf.

Durch Beschluß vom 15.06.1993 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wieder hergestellt, soweit mit der Verfügung vom 24.02.1993 die Nutzung des Dachgeschosses sofort vollziehbar untersagt wurde, und im übrigen den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Nutzungsverbot bezüglich des Dachgeschosses sei auf den Spitzboden bezogen, der allerdings nicht ungenehmigt genutzt werde. Soweit sich der Eilantrag gegen die Androhung der Versiegelung in den Verfügungen vom 24.02.1993 und 02.03.1993 richte, fehle es dem Antragsteller an einem Rechtsschutzbedürfnis, da beide Zwangsvollstreckungsandrohungen aufgehoben worden seien. Im übrigen sei der Antrag unbegründet, weil die Prostitutionsausübung gegenüber der Wohnnutzung eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung darstelle. Die formell illegal vorgenommene Nutzungsänderung rechtfertige sowohl das verfügte Nutzungsverbot als auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Gegen den den Bevollmächtigten des Antragstellers am 18.06.1993 zugestellten Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 15.06.1993 hat dieser am 13.07.1993 Beschwerde eingelegt, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung der Beschwerde trägt der Antragsteller vor, daß er ursprünglich auf der Liegenschaft ein Bordell betrieben habe. Mit Vereinbarung vom 16.03.1989 habe er sich gegenüber der Antragsgegnerin verpflichtet, die baurechtlich illegale Nutzung auf der Liegenschaft bis zum 30.06.1989 zu beenden. Im Gegenzug habe sich die Antragsgegnerin verpflichtet, ein Appartementhaus auf der Liegenschaft zur Verfügung zu stellen, wohin der Antragsteller seinen Bordellbetrieb hätte verlegen können. Ausdrücklich habe es die Antragsgegnerin übernommen, gegen eine baurechtlich illegale Nutzung jedenfalls solange nicht vorzugehen, bis das Appartementhaus fertiggestellt sei. Nachdem die Sperrgebietsverordnung vom 27.02.1991 die Bordellprostitution im Gebiet nicht mehr zugelassen habe und mit Verordnung vom 25.06.1992 im Gebiet -, -, r- und straße, in dem sich die Liegenschaft befinde, eine Toleranzzone ausgewiesen worden sei, habe er die Bordellnutzung dort aufgenommen. Die Duldungsverpflichtung der Antragsgegnerin aus der Vereinbarung vom 16.03.1989 erstrecke sich auch auf die Nutzung des streitbefangenen Objekts, denn die Vereinbarung enthalte die Zusicherung, daß gegen ein von ihm betriebenes Bordell solange nicht eingegriffen werde, bis Ausweichmöglichkeiten bestünden. Durch die von ihr veranlaßte Ausweisung der Toleranzzone habe die Antragsgegnerin zu erkennen gegeben, daß ihr selbst daran gelegen sei, den Widmungszweck des Gebiets ohne Unterbrechungen durch ein Baugenehmigungsverfahren zu verwirklichen. Im übrigen verletzten die angefochtenen Verfügungen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da in entsprechenden Fällen Bordellbetreibern eine Frist zur Nutzungsaufgabe von 6 Monaten gesetzt worden sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 1993 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 25. Februar 1993 und 7. April 1993 gegen die Verfügungen der Antragsgegnerin vom 24. Februar 1993 und 2. März 1993 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Vereinbarung vom 16.03.1989 sei zwischenzeitlich gegenstandslos geworden. Die Verpflichtung, das verfügte Nutzungsverbot sofort zu beachten, sei im vorliegenden Einzelfall deshalb gerechtfertigt, weil der Antragsteller die Bordellnutzung auf dem Grundstück erst kurze Zeit betreibe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der Beratung waren, Bezug genommen.

Gründe

Die gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet, soweit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen das Nutzungsverbot bezüglich der Räume im 1. bis 5. Obergeschoß beantragt wird.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die in den angefochtenen Verfügungen enthaltenen Versiegelungsandrohungen richtet, ist die Beschwerde unbegründet. Aus dem in der Beschwerdeschrift vom 13.07.1993 enthaltenen Antrag, mit dem ausdrücklich neben der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche begehrt wird, ergibt sich, daß der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren sein vorläufiges Rechtsschutzbegehren gegen die Vollstreckungsandrohungen weiter verfolgt. Das Verwaltungsgericht hat dieses Begehren jedoch zu Recht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgelehnt, da die Antragsgegnerin die in den angefochtenen Verfügungen enthaltenen Zwangsmittelandrohungen bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung aufgehoben hatte.

Die darüber hinausgehende Beschwerde ist begründet. Widerspruch und Anfechtungsklage haben regelmäßig aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO). Die Behörde kann jedoch ausnahmsweise die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage dadurch beseitigen, daß sie nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Verfügung anordnet. Sie ist zu einer solchen Anordnung aber nur berechtigt, wenn die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten erscheint. Die Behörde muß also vor Erlaß der Anordnung einerseits die Interessen der Öffentlichkeit und eines etwaigen Beteiligten an einer sofortigen Durchführung der Maßnahme sowie andererseits die entgegenstehenden Interessen des Betroffenen an dem Bestand der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegeneinander abwägen. Eine ähnliche Prüfung hat das Gericht anzustellen, wenn gemäß § 80 Abs. 5 VwGO um vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes nachgesucht wird. Dem sogenannten Stoppantrag ist stattzugeben, wenn der Verwaltungsakt, gegen den Widerspruch erhoben ist, offensichtlich rechtswidrig ist; in diesem Fall kann kein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung bestehen. Umgekehrt ist der Rechtsschutzantrag abzulehnen, wenn der angefochtene offensichtlich rechtswidrig ist; in diesem Fall kann kein öffentliches auch nicht etwa wegen eigenen Ermessens der Widerspruchsbehörde aussichtsreich und seine Vollziehung eilbedürftig ist. In allen anderen Fällen entscheidet bei summarischer Beurteilung des Sachverhalts eine reine Abwägung der beteiligten öffentlichen und privaten Interessen, die für oder gegen die Vollziehung sprechen, über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Die Verfügungen der Antragsgegnerin vom 24.02.1993 und 02.03.1993 sind offensichtlich rechtswidrig.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage in diesem Verfahren ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Zwischen dem Erlaß der Verfügungen und dem Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung eingetretene Rechtsänderungen sind zu berücksichtigen. Dies folgt bereits daraus, daß es in diesem Verfahren auch um die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs und einer eventuell sich daran anschließenden Anfechtungsklage geht. Die Rechtslage ist im Falle einer Anfechtungsklage mindestens bis zur letzten behördlichen Entscheidung maßgeblich, die in aller Regel der Widerspruchsbescheid ist, zu berücksichtigen. Folglich sind vor Erlaß des Widerspruchsbescheides eintretende Rechtsänderungen auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu berücksichtigen. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügungen ist daher seit Inkrafttreten der Hessischen Bauordnung vom 20.12.1993 (GVBl. I S. 655) - HBO - am 01.06.1994 (§ 88 Abs. 1 HBO) nach § 61 Abs. 2 HBO i.V.m. § 78 Abs. 1 HBO zu beurteilen. Danach kann die Bauaufsicht die Nutzung untersagen, wenn bauliche Anlagen oder andere Anlagen und Einrichtungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 HBO oder Teile von ihnen gegen baurechtliche oder sonstige Vorschriften über Errichtung, Änderung, Instandhaltung oder Nutzung dieser Anlagen und Einrichtungen verstoßen. Zu den baurechtlichen Vorschriften zählen auch diejenigen, die die Nutzungsänderung der Genehmigungspflicht unterstellen. Es besteht demgemäß auch unter Geltung des § 78 Abs. 1 HBO kein Anlaß, die bisherige Senatsrechtsprechung, wonach allein die formelle Illegalität einer baulichen Anlage ein Nutzungsverbot rechtfertigt, zu ändern. Die Bauaufsicht ist auch nach § 78 Abs. 1 HBO nicht darauf beschränkt, dem Eigentümer aufzugeben, Bauvorlagen einzureichen. Nur durch die Möglichkeit, formelle illegale Nutzungen zu verbieten, und zwar ohne Rücksicht auf eine etwaige materielle Legalität, ist die Bauaufsicht in der Lage, das System des präventiven Bau- und Nutzungsverbots in Verbindung mit der Genehmigungspflicht von Bauvorhaben zu sichern (vgl. zu § 83 Abs. 1 HBO 1990 Hess. VGH, Beschluß vom 04.11.1993 - 4 TH 2109/92).

Das Verwaltungsgericht geht auch zutreffend von der formellen Illegalität der gegenwärtigen Nutzung der Räume im 1. bis 5. Obergeschoß des Gebäudes aus. Die Nutzung der Räume (auch) zum Zwecke der Prostitution stellt gegenüber der genehmigten Wohnnutzung eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung im Sinne des § 62 Abs. 1 HBO dar. Um eine solche handelt es sich - abgesehen davon, daß § 62 Abs. 1 HBO vom Wortlaut her jedwede Nutzungsänderung der Genehmigungspflicht unterstellt - immer dann, wenn es möglich ist, daß die neu beabsichtigte Nutzung bzw. die bereits aufgenommene geänderte Nutzung anderen bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Vorschriften unterworfen ist (Hess. VGH, Urteil vom 18.11.1979 - IV OE 51/75 - BRS 35 Nr. 52; Hess. VGH, Beschluß vom 25.04.1983 - 4 TH 12/83 - BRS 40 Nr. 166; Hess. VGH, Beschluß vom 22.04.1994 - 4 TH 1192/93 -). Die bauplanungsrechtliche Einordnung eines bordellartigen Betriebes ist zwar umstritten. Neben der Qualifizierung als Vergnügungsstätte oder als kerngebietsspezifische Vergnügungsstätte findet man überwiegend eine Einordnung als ein Gewerbebetrieb sui generis (Fickert/Fieseler, Kommentar zur Baunutzungsverordnung, 7. Aufl. 1992, § 8 Rndr. 5.1; Gelzer/Birk, Bauplanungsrecht, 5. Aufl. 1991, Rdnr. 748; Müller, Das Baurecht in Hessen, Loseblattsammlung, Stand: September 1993, III A 1.12, § 4a S. 6). Das Bundesverwaltungsgericht hat Bordelle, in denen die Prostituierten auch wohnen, als mit einer Wohnnutzung verbundene gewerbliche Betriebe angesehen (BVerwG, Urteil vom 25.11.1983 - 4 C 21.83 - BVerwGE 68, 213 (217)). Unabhängig von der Qualifizierung der Nutzung des Gebäudes als Vergnügungsstätte oder als Gewerbebetrieb unterliegt diese jedenfalls anderen planungsrechtlichen Vorschriften als die im 1. bis 5. Obergeschoß genehmigte Wohnnutzung.

Die Lage der Liegenschaft innerhalb der Toleranzzone gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung zum Schutze der Jugend und des Anstandes in Frankfurt am Main in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 25.06.1992 (StAnz. 1992, S. 1523) ändert an der formellen Illegalität der baugenehmigungspflichtigen Nutzungsänderung nichts. Ebensowenig steht die polizeirechtliche Zulässigkeit der Bordellnutzung einem Einschreiten aufgrund baurechtlicher Vorschriften entgegen (Hess. VGH, Beschluß vom 09.03.1994 - 4 TH 2523/93 -; vgl. auch zu den Fällen der Mehrfachgenehmigungen Hess. VGH, Beschluß vom 23.12.1988 - 4 TH 4362/88 - NVwZ 1990, 583 m.w.N.).

Darüber hinaus führt auch die Vereinbarung vom 16.03.1989 nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügungen. In seiner Entscheidung vom 22.04.1994 (- 4 TH 2834/93 -), die ein Nutzungsverbot betreffend eine Liegenschaft zum Gegenstand hatte, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 16.03.1989 vom damaligen Antragsteller als Bordell genutzt wurde und die auch ausdrücklich in der Anlage zu § 2 Abs. 2 der Vereinbarung vom 16.03.1989 genannt war, hat der Senat dazu folgendes ausgeführt:

Gemäß § 2 Abs. 2 der Vereinbarung vom 16.03.1989 - die die Beendigung der baurechtlich illegalen Nutzung u. a. der Liegenschaft... zum Gegenstand hat - sollte die bisherige Nutzung der betroffenen Gebäude im Bahnhofsgebiet über den 30.06.1969 hinaus nur noch vorübergehend bis zur Bezugsfertigkeit des als Großbordell geplanten Appartementhauses geduldet werden. Die Änderung des städtebaulichen Konzepts der Stadt führte aber zu einer Änderung der Sperrgebietsverordnung, die nunmehr der Realisierung des Projektes eines Großbordells in der entgegensteht. Damit ist die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung vom 16.03.1989 mit der Folge entfallen, daß eine Fortsetzung der Duldungspflicht des Antragsgegners nicht besteht (zu den Rechtsfolgen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 53. Aufl. 1994, § 242 Rdnr. 130 ff.). Selbst wenn man nicht von dem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgehen könnte, weil die Nichtdurchführbarkeit des Großbordellprojekts durch die Änderung des städtebaulichen Konzepts der Antragsgegnerin verursacht worden ist (vgl. dazu Palandt, a.a.O., Rdnr. 126 ff.), würde eine Auslegung der Vereinbarung, die von einer dauerhaften Duldung u. a. des Bordellbetriebs des Antragstellers ausginge, zur Nichtigkeit der Vereinbarung gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HessVwVfG - führen. Denn die Antragsgegnerin kann sich nicht vertraglich verpflichten, auf die hoheitliche Befugnis und gesetzliche Verpflichtung dauerhaft zu verzichten, für baurechtmäßige Zustände zu sorgen; ein solcher Vertragsinhalt wäre offenkundig grob rechtswidrig."

Diese Ausführungen müssen vorliegend um so mehr gelten, als das Objekt nicht in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1, Abs. 2 der Vereinbarung vom 16.03.1989 als eine derjenigen Liegenschaften aufgeführt ist, hinsichtlich derer sich die Antragsgegnerin zur vorübergehenden Duldung der baurechtswidrigen Zustände verpflichtet hatte.

Die angefochtenen Verfügungen vom 24.02.1993 und 02.03.1993 sind aber wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (§ 37 Abs. 1 HessVwVfG) offensichtlich rechtswidrig. Nach dem Inhalt der Verfügungen, wie sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, ist der Antragsteller verpflichtet, die ungenehmigte Nutzung der Räume im 1. bis 5. Obergeschoß der Liegenschaft sofort einzustellen. Gemäß dem Vortrag der Beteiligten und dem Inhalt der Akten ist davon auszugehen, daß der Antragsteller seinen bordellartigen Betrieb dadurch betreibt, daß er den Prostituierten auf der Grundlage von Mietverträgen die Räumlichkeiten überläßt, in welchem die Mieterinnen der Prostitution nachgehen. Dementsprechend ist das Gebot, die gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten sofort einzustellen, nicht als schlichtes Unterlassungsgebot im Sinne des Verbots einer Eigennutzung oder des Verbots, für freigewordene Zimmer ein Mietverhältnis zu begründen, das die Prostitutionsausübung ermöglicht, zu verstehen. Vielmehr wird der Antragsteller durch das Gebot, die gewerbliche Nutzung sofort einzustellen, verpflichtet, aktiv tätig zu werden. In diesem Sinne haben auch die Beteiligten den Inhalt der angefochtenen Verfügungen verstanden, was sich darin zeigt, daß die Antragsgegnerin bereits am Tage nach Erlaß der Verfügungen vom 24.03.1993 mit der Versiegelung der Räume begann und der Antragsteller am selben Tage, um die Versiegelung abzuwenden, seinen Mieterinnen fristlos kündigte und diese aufforderte, die Zimmer sofort zu räumen. Zur Beendigung der ungenehmigten Nutzung, nämlich der Ausübung der Prostitution durch die Mieterinnen im bordellartigen Betrieb des Antragstellers, steht jedoch neben der Kündigung der Mietverhältnisse zumindest eine weitere Möglichkeit zur Verfügung. Dabei ist im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, daß die Prostituierten in den ihnen überlassenen Räumlichkeiten auch wohnen. Die Antragsgegnerin hat während eines Ortstermins am 25.02.1993 festgestellt, "daß dem Augenschein nach die Zimmer auch als Wohnnutzung Verwendung finden". Soweit die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren die Richtigkeit der dahingehenden Behauptung des Antragstellers in Zweifel zieht, setzt sie sich in Widerspruch zu ihren eigenen Feststellungen. Neben der Kündigung der Mietverträge besteht somit die Möglichkeit der Beendigung der ungenehmigten Nutzung durch eine Vertragsänderung dergestalt, daß die Verträge die Ausübung der Prostitution in den überlassenen Räumlichkeiten nicht mehr zulassen. Im Falle der Kündigung müßten die Prostituierten ausziehen, im Falle der Vertragsänderung müßten sie die Prostitution in den gemieteten Räumen unterlassen. Bei einer derartigen Konstellation ist dem Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 HessVwVfG) aber nur dann genüge getan, wenn der Verwaltungsakt eindeutig erkennen läßt, was von dem Pflichtigen gefordert wird. Der Verwaltungsakt muß einen Inhalt haben, der es erlaubt, ihn ohne weitere Konkretisierung zwangsweise durchzusetzen (vgl. dazu Meixner, Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 3. Auf. 1991, § 4 Rdnr. 9 m.w.N.; § 5 Rdnr. 8; Hess. VGH, Beschluß vom 28.09.1993 - 4 TH 2834/93 -; Beschluß vom 22.04.1994 - 4 TH 1192/93 -). Soweit dem Pflichtigen ein Tätigwerden aufgegeben wird, genügt es in aller Regel nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit, lediglich das Ziel der Verfügung - hier die Einstellung der illegalen Nutzung - zu benennen. Die Behörde ist vielmehr verpflichtet anzugeben, welches von mehreren Mitteln der Pflichtige zur Erreichung des Ziels einsetzen muß. Diese Notwendigkeit ergibt sich bereits aus der im Bauordnungsrecht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 HSOG ergänzend geltenden Regelung des § 5 Abs. 2 HSOG. Danach genügt es, wenn die Gefahrenabwehr oder Polizeibehörde von mehreren zur Abwehr der Gefahr in Betracht kommenden Mitteln eines bestimmt. Bei mehreren in Betracht kommenden Mitteln ist die Auswahl folglich nicht dem Pflichtigen zu überlassen. Die Entscheidungskompetenz ist der Behörde zugewiesen (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.06.1992 - 20 A 2485/89 - UPR 1993, 71). Bei einem Handlungsgebot ist die Angabe des zum Ziel führenden Mittels nur ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn sich dessen Anwendung ohne weiteres aus dem Sachzusammenhang ergibt (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.01.1983 - 7 A 1742/82; Urteil vom 11.06.1992, a.a.O.). Dies ist hier nicht der Fall. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin stellt der Abschluß von Änderungsverträgen dergestalt, daß die Ausübung der Prostitution in den überlassenen Räumlichkeiten nicht mehr zulässig ist, aus der Sicht des Antragstellers auch ein geeignetes Mittel dar, die ungenehmigte Nutzung einzustellen. Der Umstand, daß die Mieterinnen wegen der Möglichkeit der Prostitutionsausübung in den angemieteten Räumen einen höheren Mietzins zahlen als für reine Wohnräume, steht dem jedenfalls nicht entgegen, da im Rahmen der Vertragsänderung auch die Höhe des zu zahlenden Mietzinses an die eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit angepaßt werden könnte, gegebenenfalls auch angepaßt werden müßte. Auch im übrigen ist es nicht zu beanstanden, wenn die Bauaufsichtsbehörde dem Störer eine von mehreren zivilrechtlich möglichen Handlungsweisen, die zur Beseitigung der Störung führen, aufgibt. Die Bauaufsichtsbehörde kann die Kündigung baurechtswidrig genutzter Räume anordnen und dem Vermieter im Sinne einer vorweggenommenen Gestattung im Sinne von § 5 Abs. 2 HSOG nachlassen, als anderes, ebenso wirksames Mittel innerhalb der festgesetzten Frist mit den Mietern eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 26.09.1983 - 4 TH 48/83 - BRS 40 Nr. 229). Selbstverständlich stünde es dem Störer auch frei, von sich aus gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 HSOG ein anderes ebenso wirksames Austauschmittel anzubieten.