Hessischer VGH, Urteil vom 17.11.1992 - 9 UE 1765/89
Fundstelle
openJur 2012, 19939
  • Rkr:
Tatbestand

Der -- arbeitslose -- Kläger wendet sich gegen die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Hauptfürsorgestelle des Beklagten.

Der 1955 geborene Kläger ist durch Bescheid des Versorgungsamtes M vom 12. Dezember 1984 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v. H. anerkannt, unter anderem wegen Hirntraumafolgen mit geringer Leistungsbeeinträchtigung. Er ist Vater eines unterhaltsberechtigten Kindes. Nach einer Umschulung zum Sozialversicherungsfachangestellten war er seit dem 01. Juli 1984 bei der Betriebskrankenkasse der Firma R L OHG, die dem Verfahren mit Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 02. November 1988 beigeladen wurde -- im folgenden Beigeladene --, beschäftigt und zuletzt in der Buch- und Rechnungsführungsabteilung eingesetzt.

Der Kläger wurde zu Beginn seiner Tätigkeit am 02. Juli 1984 gemäß § 5 Datenschutzgesetz auf die Wahrung des Sozialgeheimnisses nach § 35 Sozialgesetzbuch -- Erstes Buch -- (SGB I) verpflichtet.

Am 25. April 1985 wurde der Kläger zum stellvertretenden Vertrauensmann der Schwerbehinderten für die Region 14 der Beigeladenen mit ca. 2000 Beschäftigten und etwa 20 Schwerbehinderten gewählt. Aufgaben als stellvertretender Vertrauensmann der Schwerbehinderten nahm der Kläger nicht wahr.

Am 17. November 1986 ermahnte der Datenschutzbeauftragte der Beigeladenen den Kläger schriftlich wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.

Unter dem 16. Dezember 1987 übersandte ein Bürger der Beigeladenen eine sogenannte Sachbuchauskunft der Betriebskrankenkasse, die er in einer Mülltonne des Anwesens straße in W, dem zweiten Wohnsitz des Klägers, gefunden hatte. Bei der aufgefundenen Sachbuchauskunft, die das Datum 27. Januar 1987 trägt, handelt es sich um einen weiteren Ausdruck aus der Datenverarbeitungsanlage der Beigeladenen. Sie enthält die Bezeichnung "B" sowie Buchungen zu Beitragseinnahmen (Gesamtsozialversicherungsbeiträge) und die Namen von Beitragszahlern, zum Teil mit weiteren Textinformationen.

Am 21. Dezember 1987 erklärte der Kläger hierzu befragt gegenüber dem Geschäftsführer der Betriebskrankenkasse der Beigeladenen, er habe die Sachbuchauskunft vom 27. Januar 1987 mit nach Hause genommen. Am 30. Dezember 1987 beantragte die Beigeladene bei der Hauptfürsorgestelle des Beklagten die Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers mit der Begründung, der Kläger habe durch sein Verhalten im Zusammenhang mit der in einer Mülltonne aufgefundenen Sachbuchauskunft in besonders krasser Weise gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen.

Im Rahmen einer schriftlichen Anhörung gab der Kläger unter dem 04. Januar 1988 unter anderem an, er habe die Unterlagen -- die Monatsabrechnung betreffend -- Anfang/Mitte 1987 ausschließlich zu Lernzwecken in seine Wohnung mitgenommen, um ein Bearbeitungskonzept für eine Monatsabrechnung zu erstellen. Dies habe er dem Abteilungsleiter mitgeteilt. Die Unterlagen habe er zwischen gesammelten Zeitungen aufbewahrt. Seine Lebensgefährtin habe die Zeitungen in den Müll geworfen, ohne zu bemerken, daß sich zwischen den Zeitungen noch andere Unterlagen befunden hätten.

Der Betriebsrat der Beigeladenen und der Vertrauensmann der Schwerbehinderten widersprachen in ihren Stellungnahmen vom 07. Januar 1988 der Kündigung nicht.

In einem im Betrieb der Beigeladenen von der Hauptfürsorgestelle am 11. Januar 1988 durchgeführten Erörterungstermin erklärte der Kläger u. a., er habe nach vorheriger Information des Abteilungsleiters der Buch- und Rechnungsführung die Sachbuchauskunft mit nach Hause genommen, um sie sich von seiner Lebensgefährtin, die mit buchhalterischen Aufgaben vertraut sei, erläutern zu lassen. Der Abteilungsleiter der Buch- und Rechnungsführung der Beigeladenen bestritt, eine entsprechende Erlaubnis zur Mitnahme der Sachbuchauskunft gegeben zu haben.

Mit Bescheid vom 12. Januar 1988 erteilte die Hauptfürsorgestelle der Beklagten die Zustimmung zur vorgesehenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.

Das von der Hauptfürsorgestelle angehörte zuständige Arbeitsamt B K führte in seiner bei dem Beklagten am 14. Januar 1988 eingegangenen Stellungnahme vom 13. Januar 1988 aus, daß der Antrag auf Kündigung nicht im Zusammenhang mit der Behinderung des Klägers stehe. Die Vermittlungsaussichten im dortigen Arbeitsamtsbezirk seien als äußerst ungünstig zu bezeichnen; es müsse mit einer längeren Arbeitslosigkeit des Klägers gerechnet werden.

Mit Schreiben vom 14. Januar 1988 kündigte die Beigeladene das Arbeitsverhältnis des Klägers (außerordentlich).

Am 27. Januar 1988 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung, den der Beklagte -- Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle -- mit Widerspruchsbescheid vom 06. April 1988 zurückwies. Hiergegen hat der Kläger am 10. Mai 1988 Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Gerichtsbescheid vom 07. März 1989 -- II E 504/88 -- abgewiesen hat. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Hess. VGH vom 17. November 1992 -- 9 UE 1262/89 -- zurückgewiesen.

Der B d B gab in einer datenschutzrechtlichen Bewertung der Sachbuchauskunft mit Schreiben vom 05. Februar 1988 folgende Stellungnahme ab: Bei den Daten handele es sich, soweit sie auf natürliche Personen hinwiesen, bis auf zwei Ausnahmen um anonyme Daten. In zwei Fällen könne der Personenbezug mit allgemein zugänglichem Zusatzwissen (z. B. Telefonverzeichnis, Adressbuch) durch die vorhandenen Ortsangaben hergestellt werden, so daß diese Daten unter den Schutz des Bundesdatenschutzgesetzes und der Offenbarungsvorschriften des Sozialgesetzbuches -- Verwaltungsverfahren -- (SGB X) fielen. Aus den Zahlen, die mit Firmen und Ortsnamen verknüpft seien, könnten mit allgemein zugänglichem Wissen Rückschlüsse auf die Grundlohnsummen der Firmen gezogen werden. Eindeutig gehe aus den Daten hervor, wer noch Beitragsrückstände und in welcher Höhe habe.

Am 23. Februar 1988 wurde der Kläger im Betrieb der Beigeladenen zu der vorgesehenen Zustimmung zur ordentlichen Kündigung angehört. Eine vergleichsweise Regelung zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam nicht zustande. Die Beigeladene legte dar, daß sie aus datenschutzrechtlichen Gründen im Bürobereich und im Hinblick auf die Behinderung des Klägers im Warenvertrieb keine Möglichkeit sehe, den Kläger weiter zu beschäftigen. Im übrigen sei -- was der Kläger aus seiner Sicht bestritt -- das Vertrauensverhältnis gestört.

In einer weiteren Stellungnahme vom 16. März 1988 widersprachen der Betriebsrat und der Vertrauensmann der Schwerbehinderten -- nach erneuter Behandlung der Kündigung -- der hilfsweisen ordentlichen Kündigung nicht.

Mit Bescheid vom 18. April 1988 erteilte die Hauptfürsorgestelle der Beklagten die Zustimmung zur vorgesehenen (hilfsweise) ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Sie führte zur Begründung im wesentlichen aus, der Kläger habe entgegen seinen arbeitsvertraglichen Pflichten und ohne Erlaubnis des zuständigen Abteilungsleiters die Sachbuchauskunft mit nach Hause genommen und durch die Art ihrer Aufbewahrung die Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch Dritte eröffnet. Selbst wenn ihm während der Arbeitszeit die Möglichkeit gefehlt hätte, sich sachgerecht einzuarbeiten und weiterzubilden, sei sein Verhalten nicht gerechtfertigt gewesen. Er habe mit seiner Handlungsweise das Vertrauensverhältnis zerstört. Wenn der Kläger eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses aus seiner Sicht verneine, so sei dies zwar verständlich. Demgegenüber müsse jedoch zu seinem Nachteil der Umstand gewichtet werden, daß er an einem Arbeitsplatz tätig gewesen sei, der eine äußerst sensible Handhabung der Belange des Datenschutzes auch im Hinblick auf das kritische Interesse der Öffentlichkeit erfordere. Allein die Tatsache, daß der Kläger mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und gegebenenfalls auch mit längerer Arbeitslosigkeit rechnen müsse, könne keine andere Entscheidung rechtfertigen. Selbst wenn er nicht in böser Absicht gehandelt habe, müsse er sich die Folgen seines unüberlegten Handelns -- gerade in seiner Position -- vorhalten lassen.

Am 29. April 1988 erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er habe die Unterlagen nicht eigenmächtig ohne Wissen und Genehmigung des zuständigen Abteilungsleiters mit nach Hause genommen. Den Aufbewahrungsort für die Sachbuchauskunft in seiner Wohnung habe er sorgfältig und bewußt ausgewählt. Er habe deshalb nicht damit rechnen müssen, daß diese in den Abfall gelangen könnte. Seine Lebensgefährtin habe von dem Geschehen keine Kenntnis besessen. Er habe mit der Mitnahme der Sachbuchauskunft in seine Wohnung nur den Zweck verfolgt, sich selbst notwendige Kenntnisse zu vermitteln, da die Beigeladene ihre schriftliche Zusage für angemessene Einarbeitung und notwendige Weiterbildung nicht eingehalten habe. Im übrigen sei kein Schaden entstanden.

Die Beigeladene kündigte dem Kläger am 14. Mai 1988 das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1988 (ordentlich).

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 1988, dem Kläger zugestellt am 04. Oktober 1988, wies der Beklagte -- Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle -- den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses könne der Beigeladenen nicht mehr zugemutet werden. Der Kläger habe sich einen groben Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht datengeschützter Sozialgeheimnisse zu schulden kommen lassen, weil er keine Vorkehrungen getroffen habe, um die Kenntnisnahme geheimhaltungsbedürftiger Sozialdaten durch Dritte zu verhindern. Daß bei einem Unternehmen von der Art der Beigeladenen die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen im Vordergrund der Obliegenheiten stehe, sei dem Kläger bekannt. Zwar bedeute die Kündigung für den Kläger eine soziale Härte. Die Schwierigkeiten bei der Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes könnten jedoch eine Versagung der Zustimmung nicht rechtfertigen. Dies sei eine Folge, die das Schwerbehindertengesetz in Kauf nehme. Auch wenn der Kläger im Hinblick auf zwischenzeitlich eingegangene finanzielle Verpflichtungen bei Verlust des Arbeitsplatzes in die Gefahr eines nicht unerheblichen sozialen Abstiegs geraten könne, müsse demgegenüber dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, daß er durch sein eigenes -- wenn auch fahrlässiges -- Verhalten den Verlust seines Arbeitsplatzes verursacht habe. Eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes sei wegen der Art und Schwere seiner arbeitsrechtlichen Verfehlung der Beigeladenen nicht zumutbar. Eine Umsetzung innerhalb der Firma OHG komme wegen der speziellen Ausbildung des Klägers und angesichts seiner Behinderung nicht in Betracht.

Am 27. Oktober 1988 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Wiesbaden Klage erhoben und sie im wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, daß die Beigeladene der ihm gegenüber obliegenden Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei. Die Interessenabwägung sei fehlerhaft zu seinen Lasten erfolgt. Die Ermessensentscheidung sei zudem nicht nachvollziehbar. Der Beklagte habe nicht die wirtschaftliche Lage und die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen einer Prüfung unterzogen und offen gelassen, ob ein -- wie von der Beigeladenen behauptet -- wichtiger Kündigungsgrund vorliege. Ihm könne allenfalls eine unbewußte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, die jedoch nicht ausreiche, um eine ordentliche Kündigung zu begründen.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides der Hauptfürsorgestelle vom 18. April 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 31. August 1988 den Beklagten zu verpflichten, die Zustimmung zur hilfsweisen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zu versagen.

der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich im wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und seine Ausführungen im Verfahren 9 UE 1262/89 -- die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung betreffend -- bezogen sowie sein bisheriges Vorbringen vertieft.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 10. April 1989 -- II E 1184/88 -- die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Hauptfürsorgestelle des Beklagten habe das ihr eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Sie habe das Interesse des Arbeitgebers, die vorhandenen Arbeitsplätze wirtschaftlich zu nutzen, gegen das Interesse des Schwerbehinderten, seinen Arbeitsplatz zu behalten, sachgerecht abgewogen. Die Beigeladene habe überzeugend dargelegt, daß dem Kläger kein anderer Arbeitsplatz habe angeboten werden können. Auch sei das Ermessen des Beklagten nicht eingeschränkt gewesen, denn der Kläger habe sich eine erhebliche Pflichtverletzung zuschulden kommen lassen, weshalb ein Kündigungsgrund offensichtlich nicht ausgeschlossen werden könne.

Gegen den am 25. April 1989 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit am 22. Mai 1989 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sie wie folgt begründet: Der Beklagte habe bei seiner Ermessensentscheidung unberücksichtigt gelassen, daß im Gesamtbetrieb der OHG die Beschäftigungspflicht nach dem Betriebsverfassungsgesetz nicht erfüllt werde. Die Beigeladene sei ihrer Fürsorgepflicht nicht nachgekommen und habe ihn nicht in gebotenem Maße gefördert. Die Möglichkeit seiner Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz oder die (zumutbare) Weiterbeschäftigung auf seinem Arbeitsplatz bei entsprechenden arbeitsorganisatorischen Maßnahmen und Vorkehrungen sei ebenso pflichtwidrig nicht in Erwägung gezogen worden. Berücksichtigung habe nicht gefunden, daß es ihm während seiner Arbeitszeit nicht möglich gewesen sei, sich die benötigten zusätzlichen Kenntnisse anzueignen. Er sei neben den von ihm zu erledigenden Aufgaben durch zusätzliche Arbeiten belastet worden. Die Abteilung der Buch- und Rechnungsführung sei zudem personell unterbesetzt gewesen. Buchhalterisch sei er mit Aufgaben betraut worden, für die er nicht ausgebildet gewesen sei. Er habe nicht selten Aufgaben von Mitarbeitern, die erkrankt oder in Urlaub gewesen seien, miterledigen müssen. Dadurch seien Gelegenheiten für Beschwerdevorgänge geschaffen und die Gefahr der Fehlerquote erhöht worden. Die Beigeladene habe entgegen ihren Zusagen nicht für seine Fort- und Weiterbildung gesorgt. Einen Schriftwechsel wegen einer tarif- und belastungsgerechten Entlohnung habe die Beigeladene zum Anlaß genommen, erhebliche, im einzelnen jedoch unbegründete Kritik an seiner Arbeitsweise zu üben. Er habe sich infolgedessen einem gewissen Psychoterror ausgesetzt gesehen und aufgrund des beharrlichen Drängens der Beigeladenen einem weiteren Einsatz in der Abteilung der Buch- und Rechnungsführung zugestimmt. Aus dem Gesamtzusammenhang lasse sich erkennen, daß die Beigeladene mit ihrem planmäßigen Verhalten darauf abgezielt habe, ihn mit einer Vielzahl von Arbeiten, für die er nicht ausreichend qualifiziert gewesen sei, scheitern zu lassen. Die Hauptfürsorgestelle habe zudem die aufgrund seiner Schwerbehinderung bedingte besonders schwierige Unterbringungsmöglichkeit auf dem Arbeitsmarkt ebensowenig berücksichtigt, wie den Umstand, daß er im Hinblick auf die Zweitwohnung finanzielle Verpflichtungen eingegangen sei. Der Beklagte habe sich nicht ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich der Kündigungsanlaß durch Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz oder auf andere Weise bei entsprechenden Maßnahmen beheben lasse. Der Beklagte habe zudem außer acht gelassen, daß er im Zeitpunkt der Kündigung -- was unstreitig ist -- stellvertretender Vertrauensmann der Schwerbehinderten gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 10. April 1989 -- II E 1184/88 -- sowie den Bescheid der Hauptfürsorgestelle des Beklagten vom 18. April 1988 und den Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses der Hauptfürsorgestelle des Beklagten vom 31. August 1988 aufzuheben.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beziehen sich auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids. Der Beklagte macht ergänzend geltend: Rechtlich erheblich für die getroffene Entscheidung sei der Umstand, daß der Kläger nicht ausreichend dafür Sorge getragen habe, daß die von ihm mit nach Hause genommenen Unterlagen ausreichend und sorgfältig vor der Kenntnisnahme durch Dritte geschützt gewesen seien. Damit stehe nicht im Zusammenhang, ob die Beigeladene dem Kläger ausreichend Gelegenheit für sein berufliches Fortkommen gegeben habe oder nicht. Ob der Arbeitgeber die ihm nach dem Schwerbehindertengesetz obliegenden Beschäftigungspflicht erfülle, sei für die Rechtmäßigkeit der ordentlichen Kündigung ohne Bedeutung. Möglichkeiten zur Umsetzung des Klägers auf einen anderen Arbeitsplatz hätten nicht festgestellt werden können. Daß der Kläger stellvertretender Vertrauensmann der Schwerbehinderten gewesen sei, sei für das Zustimmungsverfahren ohne Bedeutung.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 04. August 1988 -- 13 Ca 19/88 -- die gegen die außerordentliche Kündigung gerichtete Klage abgewiesen und in den Gründen die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung gemäß § 626 BGB bejaht. Dasselbe Gericht hat mit Urteil vom 01. Dezember 1988 -- 13 Ca 300/88 -- die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Klage unter Bezugnahme auf das Urteil vom 04. August 1988 mit der Begründung abgewiesen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die fristlose Kündigung vom 14. Januar 1988 beendet worden.

Die gegen beide Urteile eingelegte Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main nach Verbindung der beiden Verfahren -- 15 Sa 1648/88 -- mit Urteil vom 08. September 1989 zurückgewiesen. Durch Beschluß vom 17. April 1989 hat das Bundesarbeitsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig verworfen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den angefochtenen Gerichtsbescheid, das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Verfahrensbeteiligten und die Verhandlungsniederschrift vom 17. November 1992 sowie die Prozeßakte gleichen Rubrums betreffend die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung -- 9 UE 1262/89 --, die das Verfahren betreffenden Verwaltungsvorgänge (zwei Hefter) und die Prozeßakte des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main (drei Bände) -- 13 Ca 19/88 -- (davon eine ursprünglich: 13 Ca 300/88), die beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Rechtsschutzinteresse steht nicht deshalb in Frage, weil die Kündigungsschutzklage des Klägers während des Verwaltungsstreitverfahrens in dem parallel dazu laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahren rechtskräftig abgewiesen worden ist. Denn die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle ist als ein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakt gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die (privatrechtliche) Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Schwerbehinderten (§ 15 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl. I, Seite 1421), geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 1987 (BGBl. I, S. 2609 f.). Zwar können die Gerichte für Arbeitssachen in einem Verfahren, das die Kündigungsschutzklage zum Gegenstand hat, in den Fällen, in denen die Hauptfürsorgestelle oder eine folgende Instanz eine Zustimmung zur Kündigung erteilt hat, über deren Wirksamkeit noch gestritten wird, darüber entscheiden, ob die Kündigung aus arbeitsrechtlichen Gründen für wirksam gehalten wird, ohne das Verfahren nach § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Verwaltungsgerichte aussetzen zu müssen. Die endgültige Wirksamkeit der schwebend wirksamen Kündigung hängt dann aber davon ab, ob die nach § 15 SchwbG erteilte Zustimmung Bestand hat oder nicht (vgl. Dörner, Schwerbehindertengesetz, Kommentar, Stand: 30. Juni 1992, Band I, § 15 Anm. 2; Neumann/Pahlen, Schwerbehindertengesetz, Kommentar, 8. Auflage 1992, § 15 Rdnr. 23; Cramer, Schwerbehindertengesetz, Kommentar, 4. Auflage 1992, § 15 Rdnr. 20).

Ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Kündigungsschutzklage bereits rechtskräftig abgewiesen worden und gibt das Verwaltungsgericht später der Anfechtungsklage des Schwerbehinderten rechtskräftig statt, dann ist die Kündigung aufgrund fehlender Zustimmung der Hauptfürsorgestelle von vornherein unwirksam. Denn die spätere rechtskräftige Aufhebung des Zustimmungsbescheides entfaltet rückwirkende Kraft (vgl. Cramer, a.a.O., § 15 Rdnr. 20; Neumann/Pahlen, a.a.O., § 15 Rdnr. 24 mit weiteren Nachweisen; Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, Kommentar, 50. Auflage 1992, § 580, Anm. 3). Dem Schwerbehinderten ist dann gemäß § 580 Nr. 6 Zivilprozeßordnung (ZPO) die Möglichkeit eröffnet, im Wege der Restitutionsklage die Wiederaufnahme des arbeitsgerichtlichen Verfahrens innerhalb der Frist des § 586 Abs. 2 ZPO zu erreichen. Denn der Grundsatz der Einheit der rechtsprechenden Gewalt erfordert die Erstreckung des Restitutionsgrundes des § 580 Nr. 6 ZPO auch auf den Fall, in dem ein Verwaltungsakt, der Wirksamkeitsvoraussetzung für eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung ist, durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil aufgehoben wird und hierdurch die Grundlage für die frühere arbeitsgerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit dieser Willenserklärung entfällt (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. November 1980 -- 6 AZR 210/80 -- BAGE 34, 275 ff.).

Auch der Umstand, daß die Hauptfürsorgestelle bereits zur außerordentlichen Kündigung ihre Zustimmung mit der Folge erteilt hat, daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zum 14. Januar 1988 beendet wurde (Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung zur Kündigung entfalten gemäß § 18 Abs. 4 SchwbG keine aufschiebende Wirkung), läßt das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur ordentlichen Kündigung nicht entfallen. Denn im Hinblick darauf, daß auch die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung durch den Kläger angefochten und das sich daran anschließende Verwaltungsstreitverfahren (9 UE 1262/89) noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, ist die vorliegende Anfechtungsklage noch nicht gegenstandslos geworden. Insoweit ist der Kläger auch rechtsmittelbefugt, denn anders als nach § 42 Abs. 2 VwGO, wo eine materielle Betroffenheit gefordert wird, kommt es für das Rechtsmittel -- hier für die Berufung -- nur auf eine formelle Beschwer an (vgl. Kopp, Vorbemerkung § 124 Rdnr. 40).

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Denn der Zustimmungsbescheid des Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 114 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).

Der Kläger unterfällt dem Schutzbereich des Schwerbehindertengesetzes (§ 1 SchwbG), denn er ist durch Bescheid des Versorgungsamtes M vom 12. Dezember 1984 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v. H. anerkannt worden.

Die formellen Voraussetzungen für eine Zustimmungsentscheidung sind eingehalten. Denn die Hauptfürsorgestelle hat eine Stellungnahme des zuständigen Arbeitsamtes B K, des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung eingeholt und im Rahmen einer am 23. Februar 1988 durchgeführten Anhörung auch auf eine gütliche Einigung hingewirkt (vgl. § 17 Abs. 2 und 3 SchwbG). Zwar hat die Hauptfürsorgestelle ihre Zustimmung zur ordentlichen Kündigung erst mit Bescheid vom 18. April 1988, also nicht innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrages an (vgl. § 18 Abs. 1 SchwbG) getroffen. Dies ist jedoch, unabhängig davon, ob die Verzögerung im Hinblick auf umfangreiche Ermittlungen geboten war, für die Wirksamkeit der Zustimmungsentscheidung rechtlich ohne Belang. Denn im Falle der verspätet erteilten Zustimmung zur ordentlichen Kündigung gilt anders als im Falle einer außerordentlichen Kündigung (vgl. § 21 Abs. 3 Satz 2 SchwbG) die Zustimmung nach fruchtlosem Ablauf der Monatsfrist nicht als erteilt.

Die angefochtene Entscheidung der Hauptfürsorgestelle ist auf der Grundlage des § 15 SchwbG rechtmäßig. Danach bedarf die (ordentliche) Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle.

Über die Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber entscheidet die Hauptfürsorgestelle nach pflichtgemäßem Ermessen. Innerhalb dieser Ermessensentscheidung hat die Hauptfürsorgestelle das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten (seines Direktionsrechts) und das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen, wobei vor allem auch dessen Nachteile auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Auge zu behalten sind (Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 16. Juni 1990 -- 5 B 127.89 --, Buchholz 436.61, § 15 Nr. 3; Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 05. Juni 1975, -- BVerwG V C 57.73 --, BVerwGE 48, 264 (267); und vom 28. Februar 1968, -- BVerwG V C 33.66 --, BVerwGE 29, 140). Dabei wird dem Arbeitgeber nicht zugemutet, den schwerbehinderten Arbeitnehmer "durchzuschleppen". Er braucht auch für ihn keinen neuen Arbeitsplatz einzurichten oder einen anderen Arbeitnehmer zu entlassen, um für den Schwerbehinderten Platz zu schaffen. Allerdings ist es dem Arbeitgeber zuzumuten, den Schwerbehinderten nach Möglichkeit umzusetzen, also ihm innerhalb der vorhandenen Arbeitsplätze einen geeigneten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen. Dabei muß das Bemühen um einen geeigneten Arbeitsplatz von fürsorgerischem Denken und Fühlen getragen sein (Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 11. September 1990 -- 5 B 63.90 --, Buchholz 436.61, § 15 Nr. 4; Bundesverwaltungsgericht Urteile vom 05. Juni 1975 a.a.O. und vom 28. Februar 1968 a.a.O.).

Zwar kann möglicherweise die Frage nach Ermessensfehlern dann offen bleiben, wenn eine Entscheidung im Hinblick auf die beantragte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung getroffen wurde, aber der Arbeitgeber befugt gewesen wäre, dem Schwerbehinderten fristlos zu kündigen (OVG Hamburg, Urteil vom 06. Dezember 1955 -- OVG III 62/55, AP 1956, 381 f.). Denn bei einer solchen Fallgestaltung ist die Zustimmung nach § 21 Abs. 4 SchwbG zu erteilen; eine Entscheidung der Hauptfürsorgestelle kann daher nicht auf Ermessenserwägungen beruhen (Neumann/Pahlen, a.a.O., § 15 Rdnr. 75). Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es jedoch hier nicht, denn die angefochtenen Bescheide halten auch einer Ermessensüberprüfung stand.

Die Hauptfürsorgestelle hatte ihr Ermessen in einer Weise ausgeübt, die dem Zweck der Ermächtigung entsprach. Denn sie hat in ihrer Erwägung das eingestellt, was nach Lage des Einzelfalles einzustellen war. Sie ist in dem entscheidungserheblichen Umfang dabei von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen und hat schließlich die Interessen der Beteiligten sachgerecht gewichtet.

Der Beklagte hat zutreffend im Rahmen seiner Ermessensentscheidung die geltend gemachten Kündigungsgründe unter Berücksichtigung des besonderen Schutzzweckes des Schwerbehindertenrechts gegen die Interessen des behinderten Klägers abgewogen. Allerdings ist es nicht Aufgabe der Hauptfürsorgestelle, über die Wirksamkeit der Kündigung zu entscheiden. Denn § 15 SchwbG enthält ausschließlich Handlungsnormen für den Arbeitgeber und Beurteilungsnormen für die Arbeitsgerichte, nicht aber für die Hauptfürsorgestelle (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 02. Juli 1992 -- BVerwG 5 C 39.90 -- unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1988 -- BVerwG 5 C 67.85 --, BVerwGE 81, 84 f. für die wortgleiche Fassung der §§ 12, 18 Abs. 1 SchwbG, Fassung 1979). Diese hat nämlich nicht über die Wirksamkeit der Kündigung zu urteilen, sondern Kündigungsschutz im Rahmen der durch § 15 SchwbG gezogenen Grenzen zu gewähren (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 07. März 1991 -- BVerwG 5 B 114.89, Buchholz 436.61, § 12 SchwbG Nr. 13) und zwar mit dem Ziel, die aus der Behinderung resultierenden Benachteiligungen des Schwerbehinderten auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen und dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit mit Nichtbehinderten herzustellen. Denn es ist nicht Aufgabe des Sonderkündigungsschutzes, den von den Arbeitsgerichten nach erfolgter Kündigung zu gewährenden arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz zu ersetzen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 02. Juli 1992 -- BVerwG 5 C 39.90 --).

Etwas anderes könnte möglicherweise nur dann gelten, wenn sich im Rahmen der im Zustimmungsverfahren vorzunehmenden Ermittlungen herausstellen sollte, daß die vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe eine ordentliche Kündigung offensichtlich nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 02. Juli 1992 -- BVerwG 5 C 39.90 --; so wohl auch im Ergebnis VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 16. Februar 1988 -- 6 S 1430/86 --; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. August 1989 -- 6 S 3782/88 --). Die im Rahmen des Zustimmungsverfahrens von der Hauptfürsorgestelle angestellten Ermittlungen haben dafür keine Anhaltspunkte ergeben. Denn es ist offenbar, daß das Verhalten des Klägers, das die Beigeladene zum Anlaß für die ordentliche Kündigung genommen hat, ihre Interessen als Arbeitgeberin erheblich und nachhaltig tangiert (hat). Daß der mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen vertraute Kläger, der in einem datenschutzsensiblen Bereich eingesetzt war, die Sachbuchauskunft mit nach Hause genommen, dort zwischen alten Zeitungen aufbewahrt hat und diese dann letztlich in der Mülltonne aufgefunden wurde, ist unstreitig. Denn der Kläger hat diesen Geschehensablauf selbst eingeräumt. Die in der Sachbuchauskunft enthaltenen Daten unterliegen auch (teilweise) dem Sozialdatenschutz (§§ 67 -- 78 SGB X), wie der B d B -- im Rahmen seiner datenschutzrechtlichen Bewertung vom 05. Februar 1988 überzeugend dargelegt hat.

Unabhängig davon, ob die Mitnahme der Sachbuchauskunft in seine Wohnung von der Beigeladenen gestattet war, führte jedenfalls die Art ihrer Aufbewahrung zwischen alten Zeitungen sowie das Wegwerfen in die Mülltonne dazu, daß geheimhaltungsbedürftige Sozialdaten unbefugten Dritten zugänglich gemacht wurden. Dieses Verhalten des Klägers stellt eine erhebliche Verletzung seiner gegenüber dem Arbeitgeber (der Beigeladenen) bestehenden Pflicht aus seinem Arbeitsverhältnis dar, denn der Kläger durfte die Sachbuchauskunft nicht dergestalt aufbewahren, daß in seinem häuslichen Bereich sich aufhaltende und vertraute Dritte -- wie seine Lebensgefährtin -- ohne größere Schwierigkeiten, wenn auch ohne Wissen, zur unzulässigen Offenbarung geschützter Sozialdaten beitragen konnten.

Selbst wenn der Kläger -- aus seiner Sicht -- davon ausgehen konnte, erlaubtermaßen die Sachbuchauskunft zu Lernzwecken in seine Wohnung mitzunehmen, trafen ihn dann erhöhte Sorgfaltspflichten. Denn aufgrund seiner Verpflichtung zur Wahrung des Sozialgeheimnisses gemäß § 5 Datenschutzgesetz und der am 17. November 1986 ausgesprochenen Ermahnung wegen Nichteinhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen war ihm bewußt, daß er die dem Datenschutz unterfallende Sachbuchauskunft sorgfältigst gegenüber unbefugten Dritten verwahren mußte. Diese Pflicht hat der Kläger verletzt, denn er hat, was jedenfalls erkennbar nicht mehr im Einverständnis der Beigeladenen liegen konnte und mit dem Datenschutz nicht vereinbar war, ohne Grund annähernd ein Jahr (und nicht mehr im Zusammenhang mit den behaupteten Lernzwecken) die Sachbuchauskunft an einer Stelle im Haushalt seines zweiten Wohnsitzes abgelegt, die auch bei objektiver Betrachtung nicht als "sicherer Aufenthaltsort" für geheimhaltungsbedürftige Daten angesehen werden kann. Denn zum einen bieten im allgemeinen in einer Wohnung in einem Stapel offen daliegende Zeitungen für Besucher willkommenen Anlaß, darin zu blättern. Zum anderen werden erfahrungsgemäß gestapelte Zeitungen ohne weitere Durchsicht in gewissen Abständen zum Müll gegeben. Insoweit ist sein Verhalten als grobe Pflichtverletzung zu werten, denn was der Kläger als Verkettung unglücklicher Umstände bezeichnet, erweist sich bei näherer Betrachtung als fahrlässiges, wenn nicht grob fahrlässiges und damit schuldhaftes Verhalten. Unabhängig von einer strafrechtlichen Relevanz ist nämlich allein erheblich, daß der Kläger damit unbefugten Dritten die Möglichkeit geboten hat, Einblicke in die Unterlagen der Betriebskrankenkasse nehmen zu können und geschützte Daten zweckentfremdend zu nutzen.

Diese erhebliche Pflichtwidrigkeit rechtfertigt sich auch nicht aus der vom Kläger unterbreiteten Überlegung heraus, sich im Interesse seines Arbeitgebers -- der Beigeladenen -- zu Hause außerhalb der regulären Arbeitszeit fort- und weiterbilden zu wollen. Denn zum einen ist das Rechtsgut des Sozialdatenschutzes von einem so hohen Rang, daß auch eine vom Arbeitnehmer wohlgemeinte Wahrnehmung von Arbeitgeberinteressen dahinter zurücktreten muß. Zum anderen kann eine Fort- und Weiterbildung ebenso effektiv durch Zuhilfenahme geeigneter und nicht dem Datenschutz unterliegender Fachliteratur und Übungsunterlagen der Sozialversicherungsträger erfolgen.

Durch das Verhalten des Klägers ist -- entgegen seiner Auffassung -- der Beigeladenen auch nicht unerheblicher Schaden entstanden, denn, wie das Auffinden der Sachbuchauskunft durch einen W Bürger und seine Mitteilung an die Beigeladene zeigen, ist die Verletzung des Datenschutzes durch den Kläger Dritten und somit der Öffentlichkeit bekannt geworden. Dieser Umstand allein reicht aus, um die Betriebskrankenkasse der Beigeladenen, bei der in besonders hohem Umfang sensible Sozialdaten verwahrt und verwaltet werden, in nicht unerheblichen Mißkredit zu bringen. Zu Recht hat die Hauptfürsorgestelle in ihrer Abwägungsentscheidung daher dem Umstand, daß gerade in einem Betrieb -- wie der Betriebskrankenkasse der Beigeladenen -- die Handhabung des Schutzes von Sozialdaten eine überdurchschnittliche Sorgfalt ihrer Arbeitnehmer erfordert, ein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen. Angesichts dessen war es ihr nicht mehr zumutbar, den Kläger, der als ausgebildeter Sozialversicherungsfachangestellter in Arbeitsbereichen erhöhter Sorgfalt und Verantwortung im Umgang mit Sozialdaten beschäftigt war, auf dem bislang innegehabten oder einem vergleichbaren Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen. Eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz außerhalb der datenschutzsensiblen Abteilungen scheiterte bereits daran, daß nach dem Vortrag der Beigeladenen, dem der Kläger nicht entgegengetreten ist und gegen dessen Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, außerhalb des datenschutzsensiblen Bürobereiches nur im Bereich der Warenkommissionäre freie Arbeitsplätze vorhanden waren und der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung eine derartige Arbeit nicht hätte übernehmen können. Ob die Beklagte -- was der Kläger in diesem Zusammenhang rügt -- ihre Beschäftigungspflicht in ihrem Betrieb gemäß § 5 SchwbG erfüllt hat, ist rechtlich ohne Belang. Denn die Einstellungspflicht des Arbeitgebers besteht als öffentlich-rechtliche Verpflichtung nur dem Staat, nicht jedoch dem einzelnen Schwerbehinderten gegenüber (Neumann/Pahlen, a.a.O, § 5 Rdnr. 10).

Die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie den Umstand, daß der Kläger mit längerer Arbeitslosigkeit rechnen mußte und im Hinblick auf eingegangene finanzielle Verpflichtungen der Gefahr eines sozialen Abstieges ausgesetzt wurde, weniger gewichtig bewertet hat als das Kündigungsinteresse der Beigeladenen. Denn im Hinblick auf die notwendige äußerst sensible Handhabung der Belange des Datenschutzes auch angesichts des kritischen Interesses der Öffentlichkeit und der mit einer Weiterbeschäftigung des Klägers verbundene Gefahr, weiterer (zukünftiger) Verletzungen datenschutzrechtlicher Bestimmungen, ist die Entscheidung, die Interessen des Klägers, seinen Arbeitsplatz zu behalten als weniger gewichtig anzusehen, nicht als sachfremd zu beanstanden. Das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit im Umgang mit sensiblen Sozialdaten hat nämlich gezeigt und läßt den begründeten Schluß zu, daß die Gefahr weiterer Verletzungen nicht ausgeschlossen werden kann. Dem Kläger wird auch insoweit erkennbar im Vergleich zur Gruppe der Schwerbehinderten, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, nicht ein über die allgemeine Belastung hinausgehendes Sonderopfer abverlangt. Denn die den Kläger treffenden Folgen des Verlustes seines Arbeitsplatzes sind nicht außergewöhnlich. Das Schwerbehindertengesetz nimmt, auch bei der gerichtsbekannten schlechten Lage auf dem Arbeitsmarkt, die erfahrungsgemäß Vermittlungsaussichten von Schwerbehinderten weiter verschlechtert, diese Folgen in Kauf und sieht darin allein noch keinen Grund, die Interessen des Arbeitgebers hinter die Belange des Schwerbehinderten zurücktreten zu lassen. Zudem ist der Kläger noch in einem solchen Alter, daß eine Weitervermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.

Eine Gewichtung der Interessen zugunsten des Klägers gebietet auch nicht der Umstand, daß er finanzielle Verpflichtungen eingegangen ist. Zwar hat der Kläger -- nach seinem Vortrag -- ein Darlehen in Höhe von ca. 8.000,00 DM bei seinen Eltern für die Einrichtung seiner (inzwischen aufgegebenen) Zweitwohnung aufgenommen und es bis heute nicht -- auch nicht teilweise -- zurückgezahlt. Dem Kläger dürften jedoch -- anders als bei professionellen Darlehensgebern (z. B. Banken) -- von seinen Eltern erfahrungsgemäß keine Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer Ansprüche drohen. Daß der Kläger gegenüber seinem aus der geschiedenen Ehe hervorgegangenen Kind unterhaltspflichtig ist, hebt ihn im Vergleich zu anderen unterhaltspflichtigen Schwerbehinderten gleichfalls nicht als besonders Belasteten hervor.

Daß die Hauptfürsorgestelle bei ihrer Entscheidung keine Erwägungen darüber angestellt hat, ob und mit welcher rechtlichen Folge der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung stellvertretender Vertrauensmann der Schwerbehinderten gewesen ist, stellt die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsentscheidung nicht in Frage. Denn selbst wenn man nach dem -- nicht bestrittenen -- Vortrag des Klägers davon ausgeht, daß er im Zeitpunkt der Erteilung der Zustimmung zur ordentlichen Kündigung noch deshalb stellvertretender Vertrauensmann der Schwerbehinderten gewesen ist, weil zwischenzeitlich keine Neuwahl erfolgte, konnte die Hauptfürsorgestelle im Rahmen ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung diesen Umstand unberücksichtigt lassen.

Ein Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung genießt als solcher noch keinen Kündigungsschutz (vgl. Neumann/Pahlen a.a.O. § 26 Rdnr. 8). Denn er ist kein Organ und steht dem Vertrauensmann nicht gleich, sondern tritt nur im Falle der Verhinderung an seine Stelle und kommt dann erst in den Genuß des besonderen Schutzes. Es ist zwischen den Verfahrensbeteiligten aber unstreitig, daß der Kläger zu keiner Zeit den Vertrauensmann der Schwerbehinderten in einem Verhinderungsfall vertreten hat. Er ist auch nicht unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 3 SchwbG zu bestimmten Aufgaben herangezogen worden. Denn in der Region der Beigeladenen, für die er als stellvertretender Vertrauensmann gewählt wurde, waren bei ca. 2000 Beschäftigten nur etwa 20 Schwerbehinderte und nicht, wie in § 25 Abs. 1 Satz 3 SchwbG vorausgesetzt wird, wenigstens 300 Schwerbehinderte beschäftigt.