Hessischer VGH, Beschluss vom 02.07.1990 - 1 TG 1376/90
Fundstelle
openJur 2012, 19224
  • Rkr:
Gründe

Die gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum Abschluß eines neu durchzuführenden Auswahlverfahrens untersagt, die Beigeladenen dem Antragsteller bei der Beförderung zum Polizeihauptmeister mit Amtszulage im Rahmen der "Beförderungsrunde April 1990" vorzuziehen. Zur Begründung wird zunächst auf die im wesentlichen zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug genommen (Art. 2 § 7 Abs. 1 des Entlastungsgesetzes). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann es jedoch gerichtlich nicht beanstandet werden, daß der Antragsgegner für jede der zu besetzenden 16 Stellen getrennte Auswahlentscheidungen getroffen hat. Zu Recht hat der Antragsgegner diejenigen Polizeibeamten, die er bereits für eine Beförderung ausgewählt hatte, nicht bei den weiteren Auswahlentscheidungen miteinbezogen. In die Prüfung, welche Beamte nach ihren dienstlichen Beurteilungen im wesentlichen gleich geeignet sind, mußte er nicht mehr die Beamten einbeziehen, die er bereits aufgrund der vorangegangenen Entscheidungen ausgewählt hatte. Dies wäre nicht sinnvoll gewesen, denn sie würden hinsichtlich der Frage, wer in bezug auf die noch zu besetzenden Beförderungsdienstposten im wesentlichen gleich qualifiziert ist, mit der Durchschnittspunktzahl ihrer Beurteilung auch hinsichtlich solcher Beförderungsdienstposten den maßgeblichen Punktgrenzwert setzen, bei deren Besetzung sie nicht mehr berücksichtigt werden können, weil sie bereits aufgrund vorangegangener Auswahlentscheidungen befördert werden sollen.

Wenn auch in diesem Punkt der Senat nicht dem Verwaltungsgericht folgt, so hat es gleichwohl die einstweilige Anordnung zu Recht erlassen. Nach seinem Beförderungssystem berücksichtigt der Regierungspräsident in D bei einer Beförderungsentscheidung all die Polizeibeamten, deren Beurteilungspunktzahl bis zu einem Punkt schlechter ist als die des bestbeurteilten Beamten. Unter diesen von ihm als im wesentlichen gleichgeeignet angesehenen Beamten wählt er anhand von Hilfskriterien (Dienstalter, Datum der Fachprüfung und Lebensalter) aus. Auf der Grundlage dieses Beförderungssystems ist es auch für den Senat trotz der im Beschwerdeverfahren eingeholten dienstlichen Erklärung des auswählenden Beamten nicht nachvollziehbar, weshalb gerade die als erste zu vergebende Planstelle mit dem auf Platz 1 der Reihenfolgeliste stehenden Beamten besetzt worden ist. Nach dem maßgeblichen Beförderungssystem gelten die Polizeihauptmeister von Platz 1 bis Platz 57 der Reihenfolgeliste als im wesentlichen gleich beurteilt (Durchschnittspunktzahl von 13,07 bis 12,07). Bei Berücksichtigung der genannten Hilfskriterien wäre zu erwarten gewesen, daß an einen anderen Beamten als den auf Platz 1 stehenden Beamten die erste Beförderungsstelle vergeben worden wäre. So haben die Beamten auf den Plätzen 2, 12, 17, 24, 50, 51, 52 und 57 ein höheres Dienstalter und auch die Fachprüfung früher abgelegt. Die Beamten auf den Plätzen 21 und 23 haben ein höheres Dienstalter und die Beamten auf den Plätzen 5, 9, 29 und 44 haben bei im wesentlichen gleichen Dienstalter die Fachprüfung früher als der Beamte auf Platz 1 abgelegt. Der Antragsgegner kann nicht mit Erfolg geltend machen, dem bestbeurteilten Beamten sei wegen seiner besonders guten Leistung der Vorrang zu geben gewesen. Hierzu hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluß zutreffend folgendes ausgeführt:

"Die Feststellung, mehrere Beamte seien im wesentlichen gleich beurteilt, schließt es eben gerade aus, einzelne hiervon dann wieder als etwas besser beurteilt zu bewerten. Insoweit muß sich der Antragsgegner auch Inkonsequenz vorhalten lassen, denn wenn er einerseits den mit 13,07 auf Platz 1 der Reihenfolgeliste stehenden Beamten im Verhältnis zum Antragsteller als so erheblich besser beurteilt ansieht (Differenz 0,38), daß er hierauf zumindest mitentscheidend abstellt, so ist zu fragen, weshalb er im Verhältnis des Antragstellers zu sämtlichen Beigeladenen (Differenz 0,75 bis 1) diesem Aspekt keine Bedeutung beimißt, sondern hier ausschließlich die genannten Hilfskriterien zur Entscheidungsfindung heranzieht. Insoweit zeugt das praktizierte Auswahlverfahren nicht von einem konsequenten System, sondern von einer gewissen Beliebigkeit."

Nach Auffassung des Senats spricht viel dafür, daß der Antragsgegner den Beamten auf Platz 1 der Liste nur deshalb zuerst ausgewählt hat, um bei den weiteren Auswahlentscheidungen den Kreis der zu berücksichtigenden Beamten ganz erheblich erweitern zu können und um dann den Hilfskriterien (Dienstalter, Datum der Fachprüfung und Lebensalter) eine Bedeutung zukommen zu lassen, die nicht mit dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 Abs. 1 HBG) zu vereinbaren ist. Gleiches gilt wohl auch hinsichtlich der Auswahlentscheidungen Nr. 8 und 9 betreffend die Beamten auf Platz 3 und 5 der Liste, wodurch aus der Sicht des Antragsgegners die Auswahl auch auf die Beamten auf den Plätzen 95 bis 147 der Reihenfolgeliste ausgedehnt wurde.

Bei der neu zu treffenden Auswahlentscheidung ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners der auf Platz 4 der Liste stehende Beamte mit einer Durchschnittspunktzahl von 12,75 mit zu berücksichtigen. Zwar kann es nicht beanstandet werden, daß dieser Beamte trotz seiner guten Beurteilung nicht befördert werden soll, weil er erst am 1.4.1989 zum Polizeihauptmeister befördert wurde, obwohl § 19 Abs. 2 HBG nicht entgegensteht. Diese nur auf dem Hilfskriterium des zu geringen Dienstalters beruhende Entscheidung bedeutet jedoch nicht, daß der Beamte bei der Prüfung, welche Beamte als im wesentlichen gleich qualifiziert anzusehen sind, nicht mit einzubeziehen wäre.

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