Hessischer VGH, Urteil vom 19.09.1989 - 11 UE 1395/87
Fundstelle
openJur 2012, 18932
  • Rkr:
Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Bestellung des Klägers als Bezirksschornsteinfegermeister zu Recht widerrufen worden ist.

Der Kläger wurde mit Bescheid des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 30. Dezember 1980 zunächst für ein Jahr auf Probe zum Bezirksschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk Offenbach 28 bestellt.

Mit Schreiben vom 22. September 1981 wandte sich das für den Kläger zuständige Finanzamt an den Regierungspräsidenten, da der Kläger Abgabenrückstände in Höhe von 5.789,-- DM habe, seine Steuererklärungen für die Jahre 1979 und 1980 fehlten und seine Einkünfte für das Jahr 1978 hätten geschätzt werden müssen.

Am 4. November 1981 wurde die ordnungsgemäße Verwaltung des Kehrbezirkes des Klägers - vor einer endgültigen Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister - überprüft. Die von dem Regierungspräsidenten in Darmstadt hinzugezogenen Sachverständigen kamen zu dem Ergebnis, daß die kaufmännische Verwaltung des Kehrbezirks durch den Kläger insbesondere im Hinblick auf die Nichteinhaltung der gegenüber dem Finanzamt bestehenden Verpflichtungen zu wünschen übrig lasse.

Der Regierungspräsident bat daraufhin das für den Kläger zuständige Finanzamt um Mitteilung, ob Bedenken gegen die endgültige Bestellung des Klägers zum Bezirksschornsteinfegermeister bestünden. Mit Schreiben vom 20. April 1982 vertrat das Finanzamt die Auffassung, der Kläger müsse als unzuverlässiger Steuerpflichtiger angesehen werden, da er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme und die Steuerrückstände = so wurde am 3. Mai 1982 mitgeteilt - 7.890,-- DM betrügen.

Der Regierungspräsident teilte daraufhin dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, seine probeweise Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister zu widerrufen. Der Kläger führte hierauf aus, er habe zwischenzeitlich seine Steuerrückstände begleichen können. Nachdem das Finanzamt die Richtigkeit der Angaben des Klägers bestätigt hatte, stellte der Regierungspräsident das Verfahren auf Widerruf der Bestellung ein und bestellte den Kläger mit Bescheid vom 20. Juli 1982 mit Wirkung zum 1. Januar 1982 zum Bezirksschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk Offenbach 28.

Am 10. Februar 1983 wurde der Kehrbezirk des Klägers erneut überprüft. Hierbei wurde festgestellt, daß die AOK-Beiträge fehlerhaft berechnet waren und die fälligen Beträge jeweils beigetrieben werden mußten. Ferner konnten die Zahlungen der Beiträge zur Handwerkerversicherung und zur Bauberufsgenossenschaft nur zum Teil von dem Kläger nachgewiesen werden. Das zuständige Finanzamt teilte unter dem 11. April 1983 mit, der Kläger habe wiederum Steuerrückstände, und zwar in Höhe von 17.096,18 DM. Die Voranmeldungen zur Umsatzsteuer seien von dem Kläger verspätet eingereicht und die Umsatzsteuerbeträge bisher nicht beglichen worden. Auch die angemeldeten Lohnsteuerbeträge habe der Kläger noch nicht beglichen.

Am 20. Mai 1983 leitete der Regierungspräsident in Darmstadt daraufhin ein Verfahren auf Widerruf der Bestellung des Klägers zum Bezirksschornsteinfegermeister ein.

Der hierzu angehörte Kläger erklärte, bei der AOK keine Rückstände mehr zu haben. Auch die sonstigen Beiträge seien beglichen worden. Es sei zutreffend, daß eine Steuerschuld von rund 17.000,-- DM bestehe. Hierauf habe er eine Abschlagzahlung von 10.200,-- DM geleistet. Die restlichen rd. 7.000,-- DM würden Ende Juni 1983 gezahlt werden.

Im August 1983 teilte das Finanzamt mit, die Steuerrückstände des Klägers seien auf 22.841,72 DM angestiegen, worin 14.839,90 DM Umsatzsteuerrückstände enthalten seien. Ferner fehlten die Voranmeldungen für die Lohnsteuer im 2. Quartal 1983 und die Anmeldung für die Umsatzsteuer für die Monate Mai und Juni 1983.

Der Regierungspräsident in Darmstadt widerrief daraufhin nach Anhörung der Schornsteinfegerinnung mit Verfügung vom 12. Oktober 1983 die Bestellung des Klägers zum Bezirksschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk Offenbach 28. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Kläger besitze nicht die erforderliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes. Seine bereits seit längerer Zeit bestehenden Steuerrückstände und die Entwicklung der Steuerschulden zeigten, daß der Kläger zu einer sachgemäßen Wirtschaftsführung und zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung seines Kehrbezirkes nicht in der Lage sei.

Hiergegen legte der Kläger am 1. November 1983 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, Steuerrückstände könnten allein einen Widerruf der Bestellung nicht rechtfertigen. Ferner müsse berücksichtigt werden, daß zunächst Anlaufschwierigkeiten zu überwinden gewesen seien und er - der Kläger - jetzt in der Lage sei, seinen steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen. Die angekündigte Zahlung von rund 7.000,-- DM auf die bestehenden Steuerrückstände habe er nicht leisten können, weil das Geschäft im Sommer 1983 schlechter als erwartet verlaufen sei.

Das zuständige Finanzamt teilte am 16. Januar 1984 mit, die Steuerrückstände des Klägers beliefen sich auf rund 30.000,-- DM. Unter dem 12. April 1984 wurde mitgeteilt, die Steuerrückstände hätten sich auf rund 20.000,-- DM reduziert. Am 5. November 1984 teilte das Finanzamt mit, die Steuerrückstände betrügen nunmehr 15.220,94 DM, in denen rund 10.000,-- DM Umsatzsteuerrückstände enthalten seien. Der Kläger komme seinen laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht nach und reiche Umsatzsteuervoranmeldungen zum Teil verspätet ein. In der Folgezeit entwickelten sich die Steuerrückstände des Klägers nach den Mitteilungen des Finanzamtes wie folgt:

am 15. Februar 1985 19.983,51 DM am 14. Mai 1985 13.274,74 DM und am 25. Juli 1985 15.830,55 DM.

Im Juli 1985 fehlten ferner die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Mai und Juli 1985.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1985 wies der Regierungspräsident in Darmstadt den Widerspruch des Klägers mit der Maßgabe zurück, daß der Widerrufsbescheid vom 12. Oktober 1983 dahingehend berichtigt werde, daß die Kehrbezirksbezeichnung nicht Offenbach 28, sondern Offenbach 29 laute. Zur Begründung wiederholte und vertiefte der Regierungspräsident die Gründe der angegriffenen Erstverfügung und wies ergänzend auf die immer noch bestehenden Abgabenrückstände des Klägers hin. Die Berichtigung des Verfügungstenors sei infolge einer Änderung der Kehrbezirkseinteilung erforderlich geworden.

Am 8. Januar 1986 erhob der Kläger Klage. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Angaben des Finanzamtes seien zum Teil unrichtig. Zwar werde nicht bestritten, daß immer wieder Steuerrückstände bestanden hätten. Es müsse aber berücksichtigt werden, daß stets Teilbeträge geleistet worden seien und keine völlige Zahlungsunwilligkeit bestanden habe. Eine vollständige Begleichung der Steuerschulden sei nicht möglich gewesen, da sonst die erforderlichen Betriebsmittel gefehlt hätten. Es müsse ferner berücksichtigt werden, daß er - der Kläger - bei der Übernahme des Kehrbezirkes in einer schlechteren wirtschaftlichen Lage als andere Bezirksschornsteinfegermeister gewesen sei. Bis Anfang Mai 1986 sei jedoch mit einer Begleichung der Steuerrückstände zu rechnen. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 1986 teilte der Kläger mit, es stünden nur noch Säumniszuschläge in Höhe von rund 3.000,-- DM aus, für die ein Erlaßantrag gestellt worden sei.

Der Kläger beantragte,

den Bescheid des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 12. Oktober 1983 sowie den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 10. Dezember 1985 aufzuheben.

Das beklagte Land beantragte,

die Klage abzuweisen.

Es bezog sich auf die Begründung der angegriffenen Bescheide. Ergänzend wurde ausgeführt, die Steuerrückstände des Klägers hätten am 30. Januar 1986 27.626,61 DM betragen. In der Folgezeit seien die Steuerrückstände zwar für kurze Zeit beglichen worden, hätten aber bereits im August 1986 wieder rund 20.000,-- DM betragen. Ausweislich einer Auskunft des Finanzamtes vom 12. Januar 1987 sei der Kläger im Januar 1987 mit Steuern in Höhe von 18.871,96 DM in Rückstand. In dieser Summe seien rund 4.500,-- DM Säumniszuschläge enthalten.

Das Verwaltungsgericht Darmstadt wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. März 1987 ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Kläger besitze nicht die erforderliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes. Der Kläger habe nahezu während des gesamten Zeitraumes der Ausübung seines Berufes Steuerrückstände gehabt. Hierbei wiege besonders schwer, daß der Kläger die lediglich treuhänderisch eingenommenen Umsatzsteuerbeträge in der Regel nicht rechtzeitig abgeführt habe. Auch sei der Kläger seinen Erklärungspflichten nicht immer nachgekommen, was ebenfalls seine Unzuverlässigkeit begründe.

Gegen diesen am 22. April 1987 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19. Mai 1987 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, steuerliches Fehlverhalten sei allein nicht geeignet, den Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister zu begründen. Das Verwaltungsgericht habe zudem nicht hinreichend die - insbesondere betriebswirtschaftlichen - Gründe berücksichtigt, die zur Entstehung von Steuerrückständen geführt hätten. Ferner seien die Mitteilungen des Finanzamtes häufig irreführend und unzutreffend gewesen. So seien beispielsweise gegenüber dem Regierungspräsidenten Steuerrückstände angegeben worden, obwohl ihm - dem Kläger - zuvor die fraglichen Steuerbescheide nicht einmal bekannt gemacht worden seien. So sei es auch zu erklären, daß er - nachdem es ihm im Jahre 1986 gelungen sei, die Steuerrückstände auszugleichen - kurze Zeit später angeblich bereits wieder Steuerrückstände in erheblichem Umfang gehabt habe. Einzuräumen sei allerdings, daß die Anfang des Jahres 1987 bestehenden Steuerrückstände in Höhe von rund 18.000,-- DM nicht umgehend beglichen worden seien. Hiervon habe er abgesehen, weil aufgrund zwischenzeitlich eingereichter Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 1984 und 1985 mit einer Reduzierung der zunächst festgesetzten Forderungen zu rechnen gewesen sei. Wenn ihm der Regierungspräsident nunmehr den Vorwurf mache, im Rahmen der Kehrbezirksneueinteilung unrichtige Angaben gemacht zu haben, sei dies unzutreffend. Ebenfalls unzutreffend sei, daß nunmehr Steuerrückstände in Höhe von 64.320,32 DM bestünden. Seine - des Klägers - Steuerschuld habe sich zum 23. Mai 1989 auf 53.097,79 DM belaufen. In diesem Betrag seien aber rund 14.000,-- DM Säumniszuschläge enthalten, für die ein Erlaßantrag gestellt worden sei, so daß sich die eigentliche Steuerschuld lediglich auf rund 38.000,-- DM belaufe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. März 1987 - III/2 E 31/86 - die Verfügung des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 12. Oktober 1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1985 aufzuheben.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es trägt ergänzend vor, nach einer Mitteilung des Finanzamtes Offenbach vom 1. Dezember 1988 habe der Kläger im März 1988 eine Teilzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt getroffen, diese jedoch nur in unzureichendem Maße eingehalten. Freiwillige Zahlungen seien kaum geleistet worden, vielmehr hätten die Beträge zwangsweise beigetrieben werden müssen. Nach einer Mitteilung des Finanzamtes Offenbach vom 19. Juli 1989 habe der Steuerrückstand des Klägers zu diesem Zeitpunkt 64.320,32 DM betragen. Zum 30. August 1989 bestünden Steuerrückstände des Klägers in Höhe von 52.249,32 DM. Schließlich habe der Kläger auch im Rahmen der Neueinteilung der Kehrbezirke unrichtige Angaben gemacht.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie den Behördenvorgang der Beklagten (1 Band) Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Widerrufsverfügung vom 12. Oktober 1983 und der Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1985 sind zu Recht ergangen.

Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, hier also der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 10. Dezember 1985 (vgl. Musielak-Cordt-Manke, SchfG, Kommentar, 3. Aufl., 1984, Rdnr. 9 zu § 11 SchfG m.w.N.). Auf diesen Zeitpunkt ist abzustellen, weil es sich um eine Anfechtungsklage handelt und nicht die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung, sondern die Aufhebung eines rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes begehrt wird. Darüber hinaus ist die nach einem Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister gegebene Wiedereintragungsmöglichkeit in die Bewerberliste, die eine erneute Zuverlässigkeitsprüfung voraussetzt und Voraussetzung für eine erneute Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister ist, von einem an die Behörde zu stellenden Antrag abhängig (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 b, Abs. 3 i.V.m. § 1 Nr. 1 der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen vom 19. Dezember 1969, BGBl. I Seite 2363, zuletzt geändert durch die Zweite Verordnung über das Schornsteinfegerwesen vom 29. Dezember 1977, BGBl. I Seite 138, - VOSch -). Dieses Antragserfordernis schließt es nicht anders als bei der Wiedergestattung einer zuvor untersagten Gewerbeausübung (vgl. §§ 35 Abs. 5 und 6 Gewerbeordnung und hierzu BVerwG, Urteil vom z. Februar 1982 - 1 C 146.80 - Gewerbearchiv 82, 294) aus, die für eine Wiedergestattung relevanten Umstände im laufenden Anfechtungsprozeß zu berücksichtigen.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bestellung des Klägers zum Bezirksschornsteinfegermeister vor.

Gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen vom 15. September 1969 (BGBl. I Seite 1634), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes vom 26. November 1979 (BGBl. I Seite 1953) - SchfG - ist die probeweise oder endgültige Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister nach Anhörung des Vorstandes der Schornsteinfegerinnung zu widerrufen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Bezirksschornsteinfegermeister nicht die erforderliche persönliche oder fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes besitzt.

An der erforderlichen Zuverlässigkeit fehlt es, wenn der Bezirksschornsteinfegermeister nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Berufspflichten bietet (vgl. BVerwG, Beschluß vom 1. April 1963 - 1 B 90.62 - Gewerbearchiv 1964, 13). Wie allerdings die §§ 11 Abs. 2 Nr. 2 und 27 Abs. 1 SchfG zeigen, führt nicht bereits jede Pflichtverletzung zur Unzuverlässigkeit mit der zwingenden Folge des Widerrufs der Bestellung. Nach § 27 Abs. 1 SchfG kann der Bezirksschornsteinfegermeister durch die zuständige Behörde zu den ihm obliegenden Pflichten und Aufgaben durch Aufsichtsmaßnahmen wie Verweis, Warngeld und Versetzung in einen anderen Kehrbezirk angehalten werden. § 27 Abs. 1 SchfG würde leerlaufen, wenn jede Pflichtverletzung zur Annahme der Unzuverlässigkeit ausreichen würde. Aus § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG folgt, daß nicht einmal die zweimalige Verletzung von Berufspflichten, die mit einem Warngeld oder der Versetzung in einen anderen Kehrbezirk geahndet worden ist, den Widerruf der Bestellung auslöst, sondern die Behörde nur dann zum Widerruf berechtigt, wenn der Bezirksschornsteinfegermeister seine Berufspflichten abermals gröblich verletzt hat. Eine Unzuverlässigkeit im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 SchfG kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn Pflichtverletzungen erheblichen Ausmaßes vorliegen.

Sind diese gegeben, so ist dann allerdings unerheblich, ob zuvor Maßnahmen der Aufsichtsbehörde nach § 27 SchfG getroffen worden sind (vgl. BVerwG, Beschluß vom B. September 1959 - 1 CB 91.59 Gewerbearchiv 1959/60, 160).

Zu den Berufspflichten eines Bezirksschornsteinfegermeisters gehört allerdings nicht nur die Befolgung der ihm speziell nach dem Schornsteinfegergesetz und den dazu ergangenen Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben, sondern auch die Beachtung der ihm wie jedem anderen Gewerbetreibenden obliegenden steuerlichen Mitwirkungs- und Zahlungsverpflichtungen. Ein Bezirksschornsteinfegermeister ist deshalb als unzuverlässig im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG anzusehen, wenn er immer wieder in nicht unerheblichem Maße die mit der Gewerbeausübung verbundenen steuerlichen Mitwirkungs- und Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt hat und aufgrund seines Verhaltens in der Vergangenheit damit zu rechnen ist, daß er zu einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Berufspflichten auch zukünftig nicht in der Lage sein wird.

Diese Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG waren zum maßgeblichen Zeitpunkt im Falle des Klägers erfüllt.

Bereits bei Einleitung des Verfahrens auf Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister im Mai 1983 hatte der Kläger in nachhaltiger Weise gegen seine steuerlichen Mitwirkungs- und Zahlungsverpflichtungen verstoßen. Er hatte zu diesem Zeitpunkt Steuerrückstände von rund 17.000,-- DM und war in der Vergangenheit wiederholt seinen steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, indem er beispielsweise die Steuererklärungen für die Jahre 1979 und 1978 verspätet eingereicht und insbesondere immer wieder die Voranmeldungen für die Umsatzsteuer verspätet vorgelegt hatte. Bis zum Erlaß der Widerrufsverfügung im Oktober 1983 stiegen die Steuerrückstände des Klägers weiter an, nämlich auf über 22.000,-- DM. In diesem Betrag waren mehr als 14.000,-- DM lediglich treuhänderisch für den Staat eingenommene Umsatzsteuerbeträge enthalten. Auch zu diesem Zeitpunkt fehlten wiederum zum Teil die Vorausanmeldungen für die Lohn- und die Umsatzsteuer. Auch im folgenden Widerspruchsverfahren gelang es dem Kläger nicht, seinen steuerlichen Verpflichtungen zu genügen. Zwar reduzierten sich die Rückstände, doch betrugen sie bei Erlaß des Widerspruchsbescheides im Dezember 1985 immer noch fast 16.000,-- DM. Auch waren erneut die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht vollständig eingereicht worden. Aus dem Umstand, daß es dem Kläger nicht einmal unter dem Druck des Widerrufsverfahrens und trotz einer mehr als zweijährigen Dauer des Widerspruchsverfahrens gelang, seinen steuerlichen Pflichten nachzukommen, konnte zum maßgeblichen Zeitpunkt von der Behörde nur geschlossen werden, daß der Kläger entweder nicht willens oder aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, seine ihm als Bezirksschornsteinfegermeister obliegenden steuerlichen Mitwirkungs- und Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß zu erfüllen. Erschwerend mußte dem Kläger dabei angerechnet werden, daß er nicht einmal die lediglich treuhänderisch für Staat eingenommenen Umsatzsteuerbeträge rechtzeitig an das Finanzamt abgeführt hatte. Da der Kläger bereits seit Jahren in nicht unerheblichem Maße seinen steuerlichen Zahlungs- und Mitwirkungsverpflichtungen nicht genügt hatte, durfte der Regierungspräsident bei der von ihm zum hier maßgeblichen Zeitpunkt zu treffenden Prognoseentscheidung zu Recht davon ausgehen, daß der Kläger auch zukünftig in erheblichem Maße gegen die ihm als Gewerbetreibenden obliegenden Verpflichtungen verstoßen werde.

Eine andere Beurteilung hätte nur dann erfolgen können, wenn der Kläger trotz seiner Steuerschulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept gearbeitet hätte. Hierfür lagen bei Erlaß des Widerspruchsbescheides jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Zwar war der Kläger nicht völlig zahlungsunwillig, doch hatte er mit dem Finanzamt weder eine Zahlungsvereinbarung geschlossen noch lagen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, daß es dem Kläger in absehbarer Zeit gelingen werde, auf Dauer eine Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten sicherzustellen.

Die Richtigkeit der von dem Regierungspräsidenten gegebenen Unzuverlässigkeitsprognose hat - wenngleich es entscheidungserheblich hierauf nicht ankommt - sich auch im nachhinein als richtig erwiesen, da die Steuerrückstände des Klägers kontinuierlich angestiegen sind und heute - auch vom Kläger nicht bestritten bereits mehr als 50.000,-- DM betragen.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist es unerheblich, ob er aufgrund eigenen Verschuldens zur ordnungsgemäßen Entrichtung der Abgaben bzw. der Abgabe der Steuererklärungen nicht in der Lage war. Die Unzuverlässigkeit nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG setzt nämlich ebenso wie der Begriff der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit (vgl. BVerwGE 24, 38) kein Verschulden voraus (vgl. Musielak-Cordt-Manke, a.a.O., Rdnr. 7 zu § 11 SchfG). Im übrigen hat der Kläger auch keine Gründe dargelegt, die sein steuerliches Fehlverhalten rechtfertigen könnten. Insbesondere sind die von ihm angeführten betriebswirtschaftlichen Gründe nicht geeignet, die jahrelange unzureichende Erfüllung der steuerlichen Pflichten zu rechtfertigen.

Auch die sonstigen Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG waren bei Erlaß des Widerspruchsbescheides erfüllt. Der Vorstand der Schornsteinfegerinnung war angehört worden. Der Widerruf der Bestellung war schließlich auch nicht unverhältnismäßig, insbesondere bedurfte es - wie dargelegt - vor dem Erlaß der Widerrufsverfügung nicht der Ergreifung ordnungsbehördlicher Maßnahmen nach § 27 SchfG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).