Hessischer VGH, Urteil vom 15.12.1988 - 4 UE 2318/86
Fundstelle
openJur 2012, 18665
  • Rkr:
Tatbestand

Die Kläger wenden sich im Wege der baurechtlichen Nachbarklage gegen eine der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Doppelwohnhauses.

Die Kläger sind Miteigentümer im Sinne des § 1 Abs. 5 Wohnungseigentumsgesetz des Flurstückes .../4 in der Flur ... der Gemarkung A Die Beigeladene zu 1 ist Eigentümerin des teilweise westlich, teilweise südlich an das Flurstück .../4 angrenzenden Flurstückes .../3.

Beide Flurstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans der Gemeinde A "Neuplanung Im H", der mit Verfügung des Regierungspräsidenten in D vom 26.02.1969 genehmigt wurde. Gemäß § 10 der Hauptsatzung der Gemeinde A vom 24.01.1967 wurde die Genehmigung durch Aushang an den in § 10 Abs. 1 der Hauptsatzung genannten Stellen bekanntgemacht. Gemäß § 10 Abs. 5 der Hauptsatzung lag der genehmigte Bebauungsplan mit Begründung vom 23.01.1970 bis zum 23.02.1970 zu jedermanns Einsicht während der Dienststunden in den Räumen des Planungsverbandes D sowie in der Gemeindeverwaltung A (Zimmer 2) aus. § 10 Abs. 5 der Hauptsatzung der Gemeinde A lautet:

"Die in § 12 des BBauG vom 23.06.1960 vorgeschriebene öffentliche Auslegung des genehmigten Bebauungsplanes mit Begründung erfolgt für die Dauer eines Monats im Rathaus während der Dienststunden. Die Frist beginnt mit der Vollendung der Bekanntmachung der Auslegungszeit."

In Blatt 1 des Planungsteils des Bebauungsplans sind die beiden streitgegenständlichen Flurstücke ungeteilt unter der Parzellennummer .../1 eingetragen. Die bebaubare Fläche beginnt 16 m östlich des Mweges. Die seitlich nicht überbaubaren Grundstücksflächen betragen auf der Nordseite mindestens 3 m, auf der Südseite mindestens 10 m. Im rückwärtigen Grundstücksbereich (Westseite) beträgt der Abstand der überbaubaren Grundstücksfläche zur Grundstücksgrenze zwischen 3 m und 6 m.

Ferner sind für den Bereich der Grundstücke der Kläger und der Beigeladenen folgende Festsetzungen getroffen: WR I-II o, GRZ 0,3, GFZ 0,6. Im Textteil des Bebauungsplans ist ferner bestimmt, die Sockelhöhen dürften nicht höher als 0,5 m sein.

Der Voreigentümer der Kläger und der Beigeladenen zu 1, Herr ... W, erwarb das damals ungeteilte, 1.675 m2 große Grundstück, das die Parzellenbezeichnung .../2 trug, im Jahre 1976 (Eintragung im Grundbuch: 01.11.1976). Auf seinen Antrag hin wurde mit Datum vom 25.01.1982 die Teilungsgenehmigung nach § 19 ff. BBauG sowie nach § 108 HBO für die Teilung des Grundstückes Gemarkung A Flur ... Nr. .../2 in die heutigen Flurstücke .../3 und .../4 erteilt. Nach dem genehmigten Lageplan verläuft die Teilungslinie dergestalt, daß das Flurstück .../4 in dem - vom Mweg aus gesehen - hinteren Grundstücksbereich (östlicher Grundstücksteil) mit einer Zufahrt entlang der südlichen Grundstücksgrenze des Flurstücks .../3 zum Mweg hin liegt. Der Abstand der nördlichen Hausecke des auf dem Flurstück .../4 vorhandenen Gebäudes - das jetzt im Eigentum der Kläger steht - beträgt 5 m. Vom südöstlichen Eckpunkt des Flurstücks .../3 beträgt der Abstand bis zur gegenüberliegenden Wand des auf dem Flurstück .../4 vorhandenen Gebäudes etwas mehr als 8 m (gemessen nach dem dem Teilungsbescheid beigefügten Lageplan mit Einzeichnung der Teilungslinien). Den Zweck der Teilung hatte der damalige Grundstückseigentümer in seinem Teilungsantrag vom 06.10.1981 mit "Bebauung" angegeben.

Unter dem Datum des 01.06.1982 erteilte die Bauaufsichtsbehörde des Beklagten dem damaligen Grundstückseigentümer W. einen Bauvorbescheid des Inhalts, daß im Falle eines Bauantrags zur Errichtung eines Wohnhauses in A Flur ..., Nr. .../2 entsprechend den beigefügten Unterlagen die Baugenehmigung erteilt werde. In dem beigefügten Ausschnitt aus dem Bebauungsplan "Neuplanung Im H" der Gemeinde A ist das geplante Vorhaben innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche des Bereichs des heutigen Flurstücks .../3 eingezeichnet, die nach der Teilung des Grundstücks nunmehr vorhandenen Flurstücksgrenzen sind nicht dargestellt. In einer weiteren Bauvorlage ist - aus nördlicher Blickrichtung - das beträchtliche Gefälle zwischen den Flurstücken .../4 und .../3 skizzenhaft eingezeichnet sowie der Abstand von 5 m zwischen der nordwestlichen Hausecke des klägerischen Gebäudes und der gegenüberliegenden Wand des geplanten Gebäudes der Beigeladenen zu 1. Der Bauvorbescheid vom 01.06.1982 enthält unter Ziffer 2 folgenden Zusatz:

"Die Genehmigung wird von folgenden Bedingungen abhängig gemacht: ... Die östliche Gebäudeaußenwand, die unmittelbar an der Grundstücksteilungslinie errichtet wird, ist als Brandwand auszubilden. Mit dem Bauantrag ist eine Baulasterklärung zu Lasten der hinteren Teilparzelle vorzulegen, mit der der Bereich zwischen den Gebäuden als Freifläche gesichert wird ... . Wegen der Höhenlage der Gebäude zueinander sind Vorkehrungen zu treffen, daß die Nutzung der Nachbargebäude durch Abgas und Rauch nicht beeinträchtigt werden kann. Im Hinblick auf die besonderen Höhenverhältnisse wird die Einrichtung einer Elektroheizung empfohlen."

Mit notariellen Verträgen vom 01.07.1982 verkaufte Herr ... W Herrn ... A, Frau ... G sowie deren Ehemann ... G, Herrn Dr. ... G sowie Frau ... K Wohnungseigentum im Sinne des § 1 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz an dem auf dem Flurstück .../4 vorhandenen Wohnhaus nebst Grundstück. § 9 Abs. 2 der jeweiligen Kaufverträge lautet einheitlich wie folgt:

"Der Notar hat das Baulastenverzeichnis nicht eingesehen. Der Verkäufer erklärt, Eintragungen im Baulastenverzeichnis nicht zu kennen und auch nicht beantragt zu haben. Es wird jedoch im Baulastenverzeichnis noch ein Grenzbebauungsrecht eingetragen, welches vom Käufer ohne Anrechung auf den Kaufpreis übernommen wird."

Die Auflassung wurde jeweils mit Datum vom 01.07.1982 erklärt. Herr ... A wurde am 28.12.1982 als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Für Herrn Dr. ... G wurde am 07.01.1983 eine Auflassungsvormerkung eingetragen, der Eigentumsübergang erfolgte am 20.01.1983. Für die Eheleute ... und ... G wurde am 30.09.1982 eine Auflassungsvormerkung eingetragen; der Eigentumsübergang erfolgte am 18.05.1983. Für Frau ... K (jetzt: K-A) wurde am 27.12.1982 eine Auflassungsvormerkung eingetragen, das Eigentum ging am 07.02.1984 über.

Mit notariellem Vertrag vom 06.08.1982 verkaufte Herr ... W das Flurstück .../3 an die Beigeladene zu 1. Am 03.12.1982 wurde eine Auflassungsvormerkung für die Beigeladene zu 1 ins Grundbuch eingetragen. Der Eigentumsübergang erfolgte am 19.04.1983.

Mit Datum vom 29.10.1982 gab Herr ... W zu Lasten des Flurstücks .../4 (in der Flur ... der Gemarkung A) folgende Baulasterklärung ab:

"Der jeweilige Eigentümer des Grundstückes gestattet, daß von seinem Grundstück eine Teilfläche (siehe Abzeichnung der Flurkarte) dem Nachbargrundstück Mweg, Flur ... Nr. .../3 bei der Bemessung des Bauwichs und der Grenzabstandfläche gemäß § 7 (4) HBO zugerechnet wird. Er verpflichtet sich, mit seinen baulichen Anlagen von dieser Teilfläche die vorgeschriebenen Abstände einzuhalten."

Die Unterschrift des Herrn ... W wurde von dem Notar ... K mit Datum vom 29.10.1982 beglaubigt. Die der Erklärung beigefügte Abzeichnung der Flurkarte im Maßstab 1 : 1000 enthält entlang der östlichen und südlichen Grundstücksgrenze des Flurstücks .../3 eine grün umrandete und grün schraffierte Fläche, welche teilweise etwas unter 4 m, teilweise etwas über 4 m breit ist. Auf der östlichen Seite - dem Gebäude der Kläger zugewandt - verläuft die Linie nicht ganz gerade und auch nicht durchgehend parallel zur Grundstücksgrenze, im südlichen Bereich verläuft die Linie gerade und in einem Abstand von etwas über 3 m parallel zur Grundstücksgrenze des Flurstücks .../3. Die Baulasterklärung ging am 10.11.1982 beim Kreisbauamt des Beklagten ein. Mit Verfügung vom 26.04.1983 wurde von dort die Eintragung ins Baulastenverzeichnis angeordnet.

Mit Datum vom 14.09.1982 - bei der Bauaufsichtsbehörde am 24.09.1982 eingegangen - stellte die Beigeladene zu 1 einen Bauantrag zwecks Bebauung des Flurstücks Nr. .../3 mit einem Gebäude für Wohnzwecke. Das Doppelhaus soll mit zwei Vollgeschossen und einer Sockelhöhe von 1,2 m in den zum Wohnhaus der Kläger steil ansteigenden Hang hineingebaut und auf der südlichen und östlichen Grenze zum Grundstück der Kläger hin errichtet werden. Mit Schreiben vom 26.10.1982 an den Regierungspräsidenten in D legte die Klägerin K-A "Beschwerde" gegen das geplante Bauvorhaben ein. Sie wies zum einen darauf hin, daß wegen der steilen Hangverhältnisse die Standsicherheit des Hauses auf dem Flurstück .../4 gewährleistet sein müsse; vor Erteilung der Baugenehmigung sei daher ein entsprechendes sachverständiges Bodengutachten erforderlich. Ferner seien unzumutbare Belästigungen für das höher liegende Haus durch die zu erwartenden Schornsteinabgase zu erwarten. Ferner widerspreche die geplante Grenzbebauung den Festsetzungen des Bebauungsplanes, der offene Bauweise vorsehe, wobei die Grenzabstände und die bebaubare Fläche genau festgelegt seien. Bei der geringen Größe des Grundstückes sei das Haus "wesentlich zu groß" geplant.

Unter dem Datum des 27.04.1983 erteilte der Beklagte der Beigeladenen zu 1 die streitgegenständliche Baugenehmigung zur Bebauung des Flurstücks .../3 mit einem Wohnhaus. Die genehmigte Grundflächenzahl (GRZ) beträgt 0,24, die genehmigte Geschoßflächenzahl (GFZ) 0,48. Entsprechend den Streichungen in den Bauvorlagen von Öffnungen in der östlichen und südlichen Außenwand des genehmigten Gebäudes enthält die Baugenehmigung unter der Überschrift "Auflagen" die Anordnung, die Wand an der Grenze zum Flurstück .../4 sei als Brandwand auszubilden. Ferner ist in den Auflagenteil folgende Anordnung aufgenommen: "Das Gutachten zur Gründungsbeurteilung ist Teil der Baugenehmigung. Die Forderungen im Gutachten sind zu beachten und die statischen Berechnungen vor Beginn der Bauarbeiten entsprechend abzuändern."

Diese "Auflage" bezieht sich auf das Gutachten des Erdbaulaboratoriums Dr. T/Dipl-Ing.N vom 24.01.1983. Das Gutachten kommt unter Textziffer (Tz.) 4 zu der Gründungsbeurteilung, entsprechend der Lage des geplanten Bauvorhabens in einem relativ steil abfallenden Hanggelände - in herkömmlicher Bauweise als Mauerwerksbau mit Stahlbetongeschoßdecken sowie einer hinteren Stahlbetonwand zur Aufnahme von Erddrucklasten bei 1-2-geschossiger Bauweise ohne Unterkellerungen - ergebe sich eine Geländeeinbindung von max. 7 m Tiefe, so daß unter Berücksichtigung des geringen Abstandes zu dem oberhalb des Bebauungsgrundstückes bestehenden Wohnhauses und dessen schadensfreier Erhaltung entsprechende Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen seien. Diese Sicherungsmaßnahmen sind unter Tz. 4.5 bis 4.7 des Gutachtens im einzelnen dargestellt. Unter Tz. 4.2 sind Angaben für die Fundamentbemessung enthalten. Die Tz. 4.3 und 4.4 enthalten Vorschläge für die Konstruktionen der Gründungsplatte sowie die Anordnung einer Setzfuge von mindestens 3 cm Öffnungsweite zwischen den beiden Einzelhäusern sowie Maßnahmen zum Feuchtigkeitsschutz.

Mit Schreiben vom 23.05.1983, bei der Bauaufsichtsbehörde des Beklagten am 24.05.1983 eingegangen, legten die Kläger Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein. Sie wandten sich im wesentlichen gegen die genehmigte Grenzbebauung unter Hinweis darauf, daß zwischen dem Wohnhaus und der Grundstücksgrenze nur ein Abstand von 5 m bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.1983, als eingeschriebener Brief abgesandt am 31.10.1983, wies der Regierungspräsident in D den Widerspruch zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, ein Verstoß gegen die im Bebauungsplan festgesetzte offene Bauweise liege nicht vor. Eine ausreichende öffentlich-rechtliche Sicherung des Bauwichs im Sinne des § 9 HBO liege in der Festsetzung des Bebauungsplans, wonach der fragliche Bereich des Grundstücks, auf dem das Haus der Kläger stehe, als nicht überbaubare Fläche ausgewiesen sei. Soweit aus der gebotenen Anwendung des früher geltenden Geschoßbegriffes des § 2 HBO a.F. - der maßgebliche Bebauungsplan sei noch unter der Geltung der alten Fassung der Hessischen Bauordnung in Kraft getreten - von drei Vollgeschossen auszugehen sei, fehle es an einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Kläger, da das Gebäude tief in den Hang hineingebaut sei. Dasselbe gelte auch für die Überschreitung der im Bebauungsplan festgesetzten zulässigen Sockelhöhe von 50 cm um 70 cm. Den zur Standsicherheit vorgetragenen Bedenken sei im übrigen durch die Einbeziehung des Bodengutachtens als Auflage in die Baugenehmigung Rechnung getragen worden.

Mit Schriftsatz vom 28.11.1983 - beim Verwaltungsgericht Darmstadt am 29.11.1983 eingegangen - haben die Kläger ... G, ... K, ... A und Dr. ... G Klage erhoben. Sie haben vorgetragen, sie hielten die Baugenehmigung vom 27.04.1983 wegen Nichteinhaltung der im Bebauungsplan festgesetzten offenen Bauweise sowie wegen des im Bodengutachten, welches Bestandteil der Baugenehmigung sei, dargestellten Risikos für die Standsicherheit ihres Hauses für rechtswidrig. Dies stelle einen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts dar. Auch die Festlegung der Anzahl der Vollgeschosse und der Sockelhöhe im Bebauungsplan habe nachbarschützende Wirkung. Nur so könne die durch die Hanglage vorgegebene Aussicht mit Fernblick von ihrem Gebäude aus erhalten bleiben.

Die Kläger haben beantragt,

die der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung vom 27. April 1983 und den darauf bezüglichen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten in D vom 27. Oktober 1983 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er auf den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten in D Bezug genommen.

Mit Urteil vom 11.06.1986 hat das Verwaltungsgericht Darmstadt die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Vorhaben entspreche zwar nicht der Festsetzung offener Bauweise im Bebauungsplan "Neuplanung Im H" der Beigeladenen zu 2, da es mit zwei Seiten an der Grenze errichtet werden solle. Die Festsetzung offener Bauweise vermittele jedoch keinen Nachbarschutz. Hinsichtlich der Zahl der genehmigten Vollgeschosse halte das Bauvorhaben die Festsetzungen des Bebauungsplanes ein, da von der Vollgeschoßdefinition des § 2 Abs. 4 HBO n.F. auszugehen sei. Danach seien zwei Vollgeschosse genehmigt, da das Dachgeschoß im Lichten weder vollständig mindestens 2 m noch über mehr als 2/3 seiner Grundfläche mindestens 2,3 m hoch sei. Es könne im übrigen offen bleiben, ob das genehmigte Vorhaben gegen § 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 HBO n.F. verstoße; im Hinblick auf die abgegebene Baulasterklärung könnten die Kläger sich nämlich nicht auf eine Verletzung des § 7 Abs. 3 HBO berufen, da nach der Baulast, die gemäß § 109 Abs. 2 HBO auch gegenüber den Rechtsnachfolgern wirksam sei, von ihrem Grundstück eine Teilfläche von 3 m dem Grundstück der Beigeladenen zu 1 bei der Berechnung des Bauwichs zugerechnet werde. Der Mindestbauwerksabstand des § 8 Abs. 1 HBO sei ebenso eingehalten wie der Belichtungsabstand des § 8 Abs. 2 HBO. Eine Gefährdung der Standsicherheit des Hauses der Kläger erscheine ausgeschlossen. Nach dem Gutachten zur Baugrund- und Gründungsbeurteilung sei bei Befolgung der darin genannten Maßnahmen eine solche Gefährdung nicht zu erwarten. Auch eine schwere und unerträgliche Eigentumsverletzung (Art. 14 Abs. 1 GG) liege nicht vor. Angesichts der topographischen Situation werde das Vorhaben der Beigeladenen zu 1 nach seiner Fertigstellung für das darüber liegende Haus kaum in Erscheinung treten, so daß auch eine erhebliche Wertminderung des Grundstücks der Kläger ausgeschlossen sei.

Gegen das den übrigen Prozeßbeteiligten am 17.07.1986 zugestellte Urteil - ein Zustellungsnachweis betreffend die Kläger ist in der Gerichtsakte nicht enthalten - haben die Kläger ... G, ... G, ... K und ... A mit Schriftsatz vom 15.08.1986 - beim Verwaltungsgericht Darmstadt am 15.08.1986 eingegangen - Berufung eingelegt.

Sie tragen vor, eine wirksame Baulast liege nicht vor, da im Wortlaut der Baulasterklärung eine konkrete Bestimmung der anzurechnenden Teilfläche, insbesondere eine exakte Größenangabe nicht erfolgt sei. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einer "ca. 3 m" großen Teilfläche ausgegangen; eine exakte Vermessung des schraffierten Teils in der der Baulasterklärung beigefügten Flurkarte sei aufgrund der Ungenauigkeit der Zeichnung nicht möglich. Im übrigen sei bei Bewilligung der Baulast davon ausgegangen worden, der einzuhaltende Abstand betrage 2,50 m, so daß insgesamt ein Abstand von 5 m gewahrt sei. Wegen des Abstandes des bereits vorhandenen Gebäudes zur Grundstücksgrenze von nur 5 m sei bei Annahme einer für die Baulast zur Verfügung gestellten Teilfläche von 3 m Breite die Einhaltung des erforderlichen Grenzabstandes von ebenfalls 3 m auf dem Grundstück der Kläger selbst nicht möglich gewesen. Die Baulast sei daher nichtig. Mithin könnten sie -- die Kläger - sich auf die Verletzung des § 7 Abs. 3 HBO berufen. Ferner sei sehr wohl eine Gefährdung der Standsicherheit des Hauses der Kläger zu befürchten. Mit der Auflage in der Baugenehmigung, die Forderungen des Gutachtens seien zu beachten, sei das Problem der Standsicherheit nicht gelöst, da diese Auflage völlig unbestimmt sei. Die Kläger legen ein Gutachten des Grundbauinstituts Prof. Dr. Ing. ... S vom 12.11.1986 über den Zustand und die Standsicherheit des Grundstückes Mweg 4 in A vor, das gemäß Beschluß des Amtsgerichts Darmstadt vom 28.05.1986 in einem Beweissicherungsverfahren erstellt wurde. Darin ist zusammenfassend ausgeführt, am Ende der Aushubarbeiten für die derzeit vorhandene und provisorisch gesicherte Baugrubenböschung sei eine akute Gefährdung des Hanges vorhanden gewesen. Eine unmittelbare Gefahr für das Haus selbst habe jedoch wahrscheinlich nicht bestanden. Durch die nach Abschluß der Aushubarbeiten vorgenommene Vorschüttung sei diese Gefahr in rein erdstatischer Hinsicht zunächst wieder beseitigt. In Anbetracht des im Grundriß gewölbten Verlaufes der Baugrubenböschung und der Ergebnisse des überschlägigen Standsicherheitsnachweise werde keine unmittelbare Gefährdung der Standsicherheit des bestehenden Wohnhauses gesehen. Damit stimme überein, daß das Gebäude seit dem teilweisen Baugrubenaushub bis zur Erstellung des Gutachtens mehr als drei Jahre schadensfrei geblieben sei. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß bei weiterer Erosion der oberen Böschung der Gehweg zumindest bereichsweise nachbreche. Dann wäre auch eine Erosion des Bodens unmittelbar neben dem Fundament und damit eine Bedrohung der Hausgründung gegeben. Es sei daher, falls in absehbarer Zeit die Bauarbeiten für den talseitigen Neubau nicht wieder aufgenommen würden, eine Sicherung der Böschungsoberfläche angezeigt. Falls die Bauarbeiten weitergeführt würden, sei ohnehin ein Baugrubenverbau erforderlich. Angaben dazu seien im Gutachten T/N enthalten. Wenn die vorhandene Hangoberfläche gesichert werde, seien Schäden am Gebäude selbst nicht zu erwarten. Falls die Bauarbeiten auf dem talseitigen Nachbargrundstück in absehbarer Zeit wieder aufgenommen würden, seien Befestigungen der Böschungsoberfläche vorher nicht sinnvoll.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 11. Juni 1986 die der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung vom 27. April 1983 und den darauf bezüglichen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten in D vom 27. Oktober 1983 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt der Beklagte auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug.

Die Beigeladene zu 1 schließt sich dem Antrag des Beklagten an. Die Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag.

Dem Senat liegen folgende Beiakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, vor:

Die Grundakten des Amtsgerichts Darmstadt zu Band ..., Blatt ... bis Blatt ..., zu Band ..., Blatt ..., ein Band Unterlagen der Beigeladenen zu 2 betreffend die Bauleitplanung im maßgeblichen Bereich, ein Hefter Unterlagen der Beigeladenen zu 2 betreffend die Bebauung des früheren Flurstücks .../2 (beginnend 1979, endend 1984), ein Heftstreifen der Beigeladenen zu 2 betreffend den Versuch der Änderung des Bebauungsplans "Im H" (Az.: ...), ferner folgende Bauakten des Beklagten:

ein Heftstreifen betreffend die Bebauung des Grundstückes in der Gemarkung A, Flur ..., Nr. .../1, ein Heftstreifen betreffend den Umbau des auf dem jetzigen Flurstücks .../4 vorhanden gewesenen Altbaus durch Herrn ... W (Az.: ...), ein Heftstreifen betreffend die Bebauung des Flurstücks .../2 durch Herrn ... W (Zeitraum 1977/78), ein Heftstreifen betreffend das Flurstück .../1 (Bauschein-Nr.: ...), ein Heftstreifen betreffend den Wohnhausneubau auf dem Flurstück .../1 (Tgb.-Nr.: ...); ein Heftstreifen zur Bauvoranfrage (Az.: ...); ein Heftstreifen betreffend die Teilungsgenehmigung (Az.: ...) und die Bauakte betreffend das streitgegenständliche Vorhaben der Beigeladenen zu 1 (Az.: ...).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet, da die Klage zulässig und begründet ist.

Die Baugenehmigung vom 27.04.1983 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Voraussetzung für den Erfolg einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats, daß den Klägern ein nachbarliches Abwehrrecht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zusteht. Dies ist der Fall, wenn

ein genehmigtes Vorhaben gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt und die Voraussetzungen für eine Ausnahme oder Befreiung nicht vorliegen

und entweder die verletzten Vorschriften auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt, also nachbarschützend sind

und

durch das rechtswidrige Vorhaben eine tatsächliche Beeinträchtigung des Nachbarn hinsichtlich der durch die Vorschrift geschützten nachbarlichen Belange eintritt

oder

insbesondere bei nicht dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften des Baurechts die Genehmigung eines Vorhabens bzw. ihre Ausnutzung die vorgegebene Grundstückssituation eines Dritten nachhaltig ändert und dadurch den Nachbarn schwer und unerträglich trifft

(vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 26.07.1984 - 4 TG 1669/84 -, veröffentlicht in Hess.VGRspr. 1985, S. 14).

Vorliegend ist die Baugenehmigung vom 27.04.1983 zum einen deshalb rechtswidrig, weil der nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Hessischen Bauordnung (HBO) erforderliche Grenzabstand von 3 m nicht eingehalten ist.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß auf das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1 der Vollgeschoßbegriff der Hessischen Bauordnung in der Fassung vom 16.12.1977 zugrunde zu legen ist (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 26.07.1984, a.a.O.). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (S. 6, 2. Absatz) Bezug genommen.

Diesen Grenzabstand von 3 m hält das Vorhaben der Beigeladenen zu 1) weder an der östlichen noch an der nördlichen Grenze zum Grundstück der Kläger hin ein; es soll vielmehr unmittelbar auf der Grenze errichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 HBO kann zwar zugelassen werden, daß ein Bauwich, der auf dem Baugrundstück selbst liegen müßte, sich ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstreckt. Dies hat jedoch zur Voraussetzung, daß öffentlich-rechtlich gesichert ist, daß die auf das andere Grundstück übernommenen Bauwiche etc. nicht überbaut und nicht auf die auf diesem Grundstück erforderlichen Bauwiche etc. angerechnet werden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 HBO).

Voraussetzung für die Übernahme eines erforderlichen Bauwichs auf das Nachbargrundstück ist mithin, daß öffentlich-rechtlich gesichert ist, daß die Fläche, welche auf das Nachbargrundstück übernommen wird, nicht überbaut wird, und daß sie nicht auf die Bauwiche oder sonstigen Abstände oder Abstandsflächen angerechnet wird, die auf dem belasteten Grundstück selbst erforderlich sind. Von den nach § 9 Abs. 1 Satz 2 HBO aufgezählten Möglichkeiten einer öffentlich-rechtlichen Sicherung kommen vorliegend die Alternativen "Festsetzungen eines Bebauungsplanes" oder "Begründung einer Baulast (§ 109)" in Betracht.

Entgegen der im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung ist vorliegend eine Sicherung durch Festsetzungen des Bebauungsplanes offensichtlich nicht gegeben, weil im einschlägigen Bebauungsplan der Bereich von der nördlichen Grundstücksgrenze der Beigeladenen zu 1 bis zur gegenüberliegenden Hauswand der Kläger als überbaubare Fläche ausgewiesen ist.

Aber auch eine Baulast ist nicht wirksam bestellt worden.

Gemäß § 109 Abs. 1 HBO können Grundstückseigentümer durch Erklärung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, wenn sich die Verpflichtungen nicht aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben. Diese sogenannten Baulasten sind gegenüber dem Rechtsnachfolger wirksam. Die Baulasterklärung bedarf nach § 109 Abs. 2 HBO der Schriftform; die Unterschrift muß öffentlich beglaubigt oder vor der Bauaufsichtsbehörde geleistet oder von ihr anerkannt werden.

Diesem Formerfordernis ist vorliegend durch die notarielle Beglaubigung der Unterschrift des damaligen Grundstückseigentümers W vom 29.10.1982 Genüge getan.

Herr W konnte auch noch eine wirksame Baulasterklärung abgeben, denn er war am 29.10.1982 noch Alleineigentümer der heutigen Parzelle .../4.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die am 30.09.1982 ins Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung für die Eheleute ... und ... G der Abgabe einer wirksamen Baulasterklärung entgegensteht. Nach dem Wortlaut des § 109 Abs. 1 HBO ist die Eigentümerstellung als solche maßgebend. Allerdings hat der erkennende Senat entschieden, daß der Eigentümer eines im Rahmen der Zwangsversteigerung beschlagnahmten Grundstücks eine Baulast nur mit Zustimmung des Gläubigers, der die Beschlagnahme erwirkt hat, begründen kann (Hess. VGH, Urteil vom 19.06.1981 -- IV OE 70/80 -, Baurecht 1982, 257 f.). Dies beruht auf der Überlegung, daß die Beschlagnahme gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 148 Abs. 1 ZVG ein rechtliches Veräußerungsverbot zugunsten des Gläubigers bewirkt. Der Zweck der Beschlagnahme besteht darin, wegen des Rechtes der Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstück (§ 10 ZVG) dieses der Möglichkeit nachteiliger Einwirkungen durch den Schuldner zu entziehen. Eine Baulast als öffentlich-rechtliche Baubeschränkung kann diese Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung durch den Gläubiger erheblich mindern. Ob die dingliche Sicherung eines Eigentumsübertragungsanspruches aus einem Kaufvertrag durch Eintragung einer Vormerkung ins Grundbuch in ihren Auswirkungen auf die Verfügungsbefugnis des Eigentümers grundsätzlich dem Veräußerungsverbot gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 148 Abs. 1 ZVG mit der dahinterstehenden Interessenlage gleichgesetzt werden kann, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, da die Baulast aus den nachstehenden Gründen unwirksam ist.

Der Inhalt der vorliegenden Baulasterklärung ist nämlich zu unbestimmt, um eine wirksame Baulast entstehen zu lassen.

Die Baulast entsteht durch einseitige öffentlich-rechtliche Erklärung (vgl. Rasch/Schaetzel, HBO, § 109, Erl. zu Abs. 1; Gädtke/Temme, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 6. Aufl. 1979, § 99 (S. 656, 2. Abs.); Grosse-Suchsdorf, Schmalz, Wiechert, Niedersächsische Bauordnung, 3. Aufl., § 92 Rdnr. 16 : "Die Übernahmeerklärung des Grundstückseigentümers stellt eine sogenannte öffentlich-rechtliche Willenserklärung dar, die entsprechend § 130 Abs. 3 BGB mit Zugang bei der Behörde wirksam wird"); Sauter/Krohn/Kiess/Imig/Holch, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, § 108 Rdnr. 2).

Der Inhalt der Erklärung muß wenigstens bestimmbar, d.h. im Wege der Auslegung zu ermitteln sein (vgl. Palandt, BGB, 47. Aufl., § 133 Anm. 3). Die von Herrn ... W unter dem Datum des 29.10.1982 abgegebene Baulasterklärung ist aber weder bestimmt noch bestimmbar.

So enthält der Wortlaut der Erklärung selbst keinerlei Aussage über die Fläche (insbesondere die Breite), welche zugunsten des Flurstücks .../3 auf das Flurstück .../4 übernommen werden soll. Dies wäre jedoch ohne weiteres möglich gewesen.

Die Bedeutung des Bestimmtheitsgebotes beruht auf den Auswirkungen der Baulasterklärung als öffentlich-rechtliche Baubeschränkung, welche unbedingte Klarheit über den Umfang der Beschränkung erfordert. In dem Bereich der Bestimmung der jeweils einzuhaltenden Grenzabstände im Sinne der §§ 7 und 8 HBO kommt nämlich dem Verlauf der Begrenzungslinien des belasteten Grundstücksteils die Funktion der Grundstücksgrenze in ihrer Auswirkung auf die Bebaubarkeit der benachbarten Grundstücke zu. Die zum Inhalt einer Baulast erlassenen Behördenrichtlinien weisen ausdrücklich auf die Bedeutung der Bestimmtheit der Baulasterklärung hin. So bestimmt Ziffer 2.6 des Erlasses des Hessischen Ministers des Innern betreffend §§ 109 und 110 HBO vom 23.03.1977 (Staatsanzeiger S. 941; geändert durch Erlasse vom 18.10.1977 - Staatsanzeiger S. 2 - und vom 30.06.1980 - Staatsanzeiger S. 1271 -): "Die Verpflichtungserklärung muß den Inhalt der übernommenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung eindeutig wiedergeben".

Ziffer 2.6 der vorbezeichneten Richtlinien bestimmt weiter, daß für den Fall, daß der Inhalt der Erklärung durch den Text allein nicht eindeutig beschrieben werden könne, der Verpflichtungserklärung eine vom Katasteramt beglaubigte Abzeichnung der Flurkarte beizufügen ist, in der die von der Baulast betroffene Fläche durch eine fachkundige Stelle oder Person dargestellt ist.

Eine Skizze - im Maßstab 1:1.000 erstellt - ist dem Text der hier interessierenden Baulasterklärung beigefügt. Jedoch läßt sich auch mit Hilfe dieser Skizze der objektive Inhalt der Baulasterklärung nicht ermitteln. So kann bereits der gewählte Maßstab 1:1.000 für die exakte Größenangabe kleiner Teilflächen leicht zu Ungenauigkeiten führen. Hinzu kommt vorliegend, daß in der einen Skizze, welche der notariell beglaubigten Erklärung beigefügt ist, ein relativ breit zeichnender Stift verwendet ist, und die Linie auf der nördlichen Seite des Grenzverlaufs leichte Schwankungen aufweist; der Abstand vom Linienverlauf zur Grenze liegt teilweise unter, teilweise über 4 m. Auf einer weiteren Skizze, die ebenfalls in den Akten der Bauaufsichtsbehörde enthalten ist, beträgt der Abstand zwischen der östlichen Grenze des Flurstücks .../3 bis zum Verlauf der Begrenzungslinie in der Skizze einheitlich ca. 4 m. Maßangaben, die zur Eindeutigkeit führen könnten, fehlen.

Mangels Bestimmtheit auch der Skizze, welche nach dem Wortlaut der Baulasterklärung deren Inhalt und Reichweite festlegen sollte, hat die Baulasterklärung keinen bestimmbaren Inhalt und ist daher unwirksam (vgl. Sauter/Krohn/Kiess/Imig/Holch, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, § 108 Anm. 2).

Auch die Eintragung ins Baulastenverzeichnis konnte der Baulasterklärung des Rechtsvorgängers der Kläger nicht zu rechtlicher Wirksamkeit verhelfen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich insoweit um einen (feststellenden) Verwaltungsakt handelt. Während in der Literatur überwiegend die Auffassung vertreten wird, die Eintragung ins Baulastenverzeichnis (vgl. § 110 HBO) habe keine konstitutive, sondern deklaratorische Bedeutung, wird, soweit ersichtlich, die Frage, ob die Eintragung einen (deklaratorischen oder beurkundenden) Verwaltungsakt darstellt, nicht einheitlich beantwortet. Ausdrücklich sprechen sich Grosse-Suchsdorf/Schmaltz/Wiechert (a.a.O., § 92 Rdnr. 35) für die Annahme eines beurkundenden Verwaltungsaktes aus. Sauter/Krohn/Kiess/Imig/Holch (a.a.O., § 108 Anm. 8) vertreten dagegen die Auffassung, die Eintragung stelle mangels unmittelbarer Rechtswirkungen keinen Verwaltungsakt dar. Demgegenüber halten sie die Eintragungsverfügung der Bauaufsichtsbehörde für einen (beurkundenden) Verwaltungsakt (a.a.O., § 109 Anm. 2). Rasch/Schaetzel (a.a.O.) und Gädtke/Temme (a.a.O.) äußern sich zu dieser Frage nicht.

Selbst bei Annahme eines Verwaltungsakts wäre dieser im vorliegenden Falle aber mangels wirksamer Baulasterklärung nichtig, da er offensichtlich keinen bestimmten oder bestimmbaren Inhalt hat und es damit an einem Substrat für die Eintragung fehlt.

Da mithin nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. HBO öffentlich-rechtlich gesichert ist, daß ein Streifen von 3 m Breite auf dem Flurstück von .../4 nicht überbaut und auf die Bauwiche und Abstandsflächen, welche für das Flurstück .../4 selbst erforderlich sind, nicht angerechnet wird, ist die der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung vom 27.04.1983 rechtswidrig, denn das Vorhaben ist unter Verstoß gegen den nach § 7 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 HBO erforderlichen Bauwich von 3 m genehmigt worden.

Der Vorschrift des § 7 HBO kommt auch nachbarschützende Funktion zu (Beschluß des Senats vom 01.06.1978 - IV TG 39/78 - Hess. VGRspr. 1978, S. 67; ständige Rechtsprechung).

Auch eine tatsächliche Beeinträchtigung ist gegeben. Diese ist bei Verstoß gegen § 7 HBO nach ständiger Rechtsprechung des Senats wegen der durch das nahe Heranrücken eines Bauwerks an die Grundstücksgrenze im Widerspruch zu dem durch offene Bauweise geprägten Charakter des Baugebiets eintretenden optischen und unter Umständen auch psychisch belastenden Einengung generell zu vermuten (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 07.11.1986 - 4 OE 57/83 -). Umstände, die ausnahmsweise einen anderen Schluß rechtfertigten, sind nicht erkennbar. Das gilt auch im Hinblick darauf, daß das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1 teilweise in den zum Grundstück der Kläger ansteigenden Hang hineingebaut ist. Das Gebäude wird nämlich ab der Grundstücksgrenze auf seiten des Flurstücks .../4 erheblich aus dem Geländeabschnitt herausragen.

Die Kläger können jedoch das aus dem Verstoß gegen § 7 HBO grundsätzlich ableitbare nachbarliche Abwehrrecht gegenüber der Beigeladenen zu 1 nicht erfolgreich geltend machen. Als Rechtsnachfolger des Herrn ... W treten sie in die Rechtsposition ein, die ihnen dieser übertragen konnte und mithin vermittelte. Dieser hatte jedoch durch die Stellung seines Antrags auf positive Bescheidung seiner Bauvoranfrage, aufgrund dessen der Bauvorbescheid vom 01.06.1982 ergangen ist, konkludent so weit auf etwaige Abwehransprüche aus dem Nachbarrecht verzichtet, als die in der Bauvoranfrage enthaltene Fragestellung (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 1 HBO) Auswirkungen auf die Bebaubarkeit des damals noch in seinem Eigentum stehenden Flurstücks .../4 hatte.

Für die Stellung einer Bauvoranfrage kann nämlich nichts anderes gelten wie zu dem vom Senat bereits entschiedenen Sachverhalt, in welchem der Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke für das eine Grundstück eine Baugenehmigung beantragt, obwohl sie sich auf das andere Grundstück nachteilig auswirken kann; er nimmt dann zwangsläufig den Nachteil in Kauf (Hess. VGH, Beschluß vom 01.09.1981 - IV TG 60/81 -). Der Bauvorbescheid als vorweggenommener Teil aus dem feststellenden Regelungsinhalt einer Baugenehmigung hat die Funktion, einen bestimmten - meist sensiblen - Ausschnitt aus dem Baugenehmigungsverfahren mit bindender Wirkung für alle Beteiligten vorab zu regeln, so daß auch der Eingang des entsprechenden Antrags bei der Bauaufsichtsbehörde in seiner Auswirkung auf etwaige Nachbarrechte nicht anders zu beurteilen ist als der Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung. Dazu hat der Senat in seinem Urteil vom 10.03.1977 - IV OE 100/72 - (insoweit nicht abgedruckt in BRS 32 Nr. 111) folgendes ausgeführt:

"Denn wenn der Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke für das eine Grundstück eine Baugenehmigung beantragt, obwohl sie sich für das andere Grundstück nachteilig auswirken kann, so nimmt er damit den Nachteil in Kauf. Ein solcher Bauantrag vom Eigentümer zweier Nachbargrundstücke kann bezüglich der Nachbarrechte keine geringere Wirkung haben, als wenn der Bauherr der Baugenehmigungsbehörde die Einverständniserklärung eines Dritten, dem ein Nachbargrundstück gehört, beibrächte. Die Beigeladene konnte folglich der Klägerin nicht mehr Rechte verschaffen, als sie selbst besaß. Sie selbst hätte aber die streitige Baugenehmigung nicht in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin des Hausgrundstücks... mit Erfolg anfechten können".

Der Antrag auf Erteilung des Bauvorbescheids enthält in der zeichnerischen Darstellung des Grundrisses des Gebäudes auf dem Flurstück .../3 die Eintragung, daß der Abstand zum Haus auf dem Flurstück .../4 an der schmalsten Stelle 5 m beträgt. Dasselbe ergibt sich aus der Bauvorlage mit Einzeichnung des Grundstücksgefälles. Für den Umfang des Verzichts des Herrn W auf etwaige nachbarliche Abwehrrechte hinsichtlich seiner Eigentümerstellung betreffend das Flurstück .../4 ist ferner zu berücksichtigen, daß die Bodenverkehrsgenehmigung bereits vorlag, mithin sowohl er als auch die Bauaufsichtsbehörde wußten, daß die in der Bauvoranfrage eingezeichnete Lage des Gebäudes auf dem Grundstück .../3 Grenzbebauung in nördlicher und östlicher Richtung bedingte. Der objektive Erklärungswert der Bauvoranfrage - so wie er vom Empfängerhorizont aufgrund der vorliegenden Bodenverkehrsgenehmigung verstanden werden mußte - beinhaltete mithin "unausgesprochen, aber schlüssig" (vgl. Urteil des Senats vom 01.09.1981 - IV TG 60/81 -) auch die Erklärung, auf Abwehrrechte gegen ein Vorhaben auf dem Flurstück .../3, das sich im Rahmen der Bauvoranfrage hielte - zu verzichten.

In diese Position sind die Kläger als Rechtsnachfolger des Herrn W eingetreten. Subjektive öffentliche Rechte können sie in bezug auf die Verletzung des § 7 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 HBO daher nicht geltend machen.

Folglich kann dahinstehen, ob die Geltendmachung von Abwehrrechten gegen die Grenzbebauung auch gegen Treu und Glauben verstößt und mithin eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, weil die Kläger sich nach dem Inhalt der Verkaufsverhandlungen, wie er in § 9 Abs. 2 der jeweiligen Kaufverträge seinen Niederschlag gefunden hat, gegenüber dem Eigentümer des Flurstücks .../3 - damals noch Herr W - bzw. dessen Beauftragten (Makler, Notar) mit der Grenzbebauung einverstanden erklärt hatten (grundsätzlich bejahend auch für den Fall, daß kein Verzicht erklärt oder keine Vereinbarung erzielt wurde, Hess. VGH, Urteil vom 21.11. 1980 - IV OE 3/77 -).

Den Klägern steht jedoch ein nachbarliches Abwehrrecht gegen die Baugenehmigung vom 27.04.1983 zu, weil das genehmigte Vorhaben die Standsicherheit ihres Wohnhauses gefährdet. Dies stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 3 Abs. 1 HBO dar, die zu unzumutbaren Nachteilen im Sinne dieser Vorschrift für die Kläger führt.

Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 HBO durch die streitgegenständliche Baugenehmigung folgt aus dem Umstand, daß - entgegen dem vom Beklagten ausweislich des Beiblattes "Auflagen" zur Baugenehmigung vom 27.04.1983 verfolgten Ziel die Baugenehmigung weder eine abschließende Feststellung und Regelung hinsichtlich der Statik des Bauvorhabens der Beigeladenen zu 1 enthält, noch die von allen Beteiligten für erforderlich gehaltenen Maßnahmen zur Sicherung des Hanges sowie des Gebäudes der Kläger Bestandteil der Baugenehmigung geworden sind.

Vielmehr hat der Beklagte insoweit widersprüchliche Regelungen getroffen, die zu einem so schweren Fehler der Baugenehmigung führen, daß diese nichtig ist (vgl. zur Aufhebung nichtiger Baugenehmigungen das Urteil des Senats vom 31.05.1985, Az.: IV OE 55/82).

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 HBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn das Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Vor ihrer Zustellung darf mit der Bauausführung nicht begonnen werden (§ 96 Abs. 7 HBO). Sie enthält damit einen feststellenden und einen verfügenden Teil, mit dem die Schranke des Bauverbots aufgehoben wird.

Der Bauschein vom 27.04.1983 trifft hingegen die Feststellung, daß das genehmigte Vorhaben statisch sicher ist und ohne nachteilige Auswirkungen auf seine Umgebung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 HBO errichtet werden kann, nicht.

Einerseits liegt nämlich der Baugenehmigung eine geprüfte statische Berechnung zugrunde; dementsprechend bestimmt Ziffer 1006 des Beiblattes "Auflagen" zur Baugenehmigung: "Für die Ausführungen der Konstruktion ist die geprüfte statische Berechnung maßgebend. Die Auflagen des Prüfberichts sind auch Auflagen dieser Baugenehmigung. Der Umfang der erteilten Baugenehmigung richtet sich allein nach den mit Prüfstempel der Bauaufsicht genehmigten Bauzeichnungen". Andererseits bestimmt der letzte Absatz des Auflagenteils des Beiblattes zur Baugenehmigung (ohne Bezifferung) folgendes: Das Gutachten zur Gründungsbeurteilung ist Teil der Baugenehmigung. Die Forderungen im Gutachten sind zu beachten und die statischen Berechnungen vor Beginn der Bauarbeiten entsprechend abzuändern".

Diese beiden Auflagen sind dergestalt in sich widersprüchlich, daß die Beachtung der zweiten (Gutachten zur Gründungsbeurteilung) zur Nichtanwendbarkeit der ersten führt.

Die Auswertung der unter Tz. 4 des Gutachtens niedergelegten Sicherungsmaßnahmen zur schadensfreien Erhaltung des Wohnhauses der Kläger (vgl. Tz. 4) führt nämlich zu dem Ergebnis, daß jedenfalls die Forderung "die Gebäudelasten über eine konstruktiv bewehrte Stahlbetonplatte von 0,40 m Mindesttiefe abzutragen, wobei im teilseitigen Bereich sowie an den beiden Giebelwänden eine konstruktiv zu bewehrende Randschürze bei ausreichender Einbindung in die festgelagerten Felszersatzschichten anzuordnen ist" (Tz. 4.1), in modifizierender Weise auf die bereits vor Erstellung des Gründungsgutachtens geprüfte statische Berechnung (vgl. den Aktenvermerk vom 12.11.1982 in der beigezogenen Bauakte) einwirkt. Die endgültige Gründungstiefe des Vorhabens wird sich nämlich nunmehr - in Abhängigkeit von der Dicke der Stahlbetonplatte - verändern. Da die Stahlbetonplatte dem Zweck dienen soll, die Gebäudelasten abzutragen, wird die - ohne Einbeziehung der Stahlbetonplatte - erstellte und geprüfte Statik auch im übrigen beeinflußt. Dies wird in Tz. 4.1, 3. Abs. des Gutachtens auch ausgeführt, und der oben zitierte Auflagenteil (statische Berechnung vor Beginn der Bauarbeiten entsprechend abzuändern) trägt dem Rechnung.

Mithin wurde die Baugenehmigung erteilt, ohne daß zu diesem Zeitpunkt feststand, welche Gründungstiefe das Bauwerk haben wird und wie die Standsicherheit im einzelnen gewährleistet wird.

Die Feststellung, daß das Vorhaben mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften übereinstimmt, konnte daher von der Bauaufsichtsbehörde (noch) nicht getroffen werden, so daß der verfügende Teil (Aufhebung der präventiven Schranke des Bauverbots) zu Unrecht erging. Durch die Aufhebung dieser Schranke tritt mithin eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 HBO ein. Für einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 HBO genügt das Vorliegen einer abstrakten (potentiellen) Gefahr, wenn - wie vorliegend - nach allgemeiner Lebenserfahrung mit der Möglichkeit der Realisierung der Gefahr zu rechnen ist (vgl. Mang-Simon, Bayerische Bauordnung, Art. 3, Rdnr. 21).

Eine Gefährdung des Eigentums der Kläger durch die Erteilung der mit den dargestellten schwerwiegenden Mängeln behafteten Baugenehmigung folgt auch unmittelbar aus dem fehlenden Nachweis der Standsicherheit des Nachbargebäudes im Zusammenhang damit, daß die ihren Schutz bezweckende "Auflage", das Gutachten zur Gründungsbeurteilung sei Teil der Baugenehmigung, nicht wirksam geworden ist. Dies folgt insbesondere daraus, daß diese "Auflage" wegen ihrer Widersprüchlichkeit zu "Auflage" 1006 ihrerseits nicht wirksam geworden ist, andererseits aus der Unbestimmtheit und damit mangelnden Vollziehbarkeit ihres Inhalts. Aus der Bauakte des Beklagten (Az.: ...), insbesondere dem bereits erwähnten Aktenvermerk vom 12.11.1982 ("Auf jeden Fall wird vor Einleitung der Bauarbeiten ein Bodengutachten erstellt") und der Verfügung des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 13.12.1982 (Az.: ...) - S. 3 - ("Sicherzustellen wäre, daß das Vorhaben in bezug auf die dort anzutreffende extreme Gefällage den Anforderungen in § 3 HBO entspräche; vor Erteilung einer Baugenehmigung in einem solchen Fall den Eingang eines Bodengutachtens abzuwarten und von dessen Inhalt gegebenenfalls seine Entscheidung abhängig zu machen, hielte ich im Regelfall für tunlich"), geht hervor, daß alle Beteiligten die Einholung des Bodengutachtens und dessen Beachtlichkeit für das Baugenehmigungsverfahren für notwendig hielten. Auch das von den Klägern vorgelegte - im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens erstellte - Gutachten des Grundbauinstituts Prof. Dr.Ing. ... S vom 12.11.1986 kommt unter anderem zu dem Ergebnis, daß eine Sicherung der Hangoberfläche erforderlich ist und die Erkenntnisse des Bodengutachtens T/N zutreffend sind.

Die angefochtene Baugenehmigung verstößt damit gegen das Gesetz. Das Fehlen einer gültigen geprüften statischen Berechnung, aufgrund derer mit der Bauausführung unmittelbar nach Zustellung gemäß § 96 Abs. 7 HBO begonnen werden kann, macht sie nichtig. Denn sie leidet an einem besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 Hess.VwVfG, der sich aus dem Bauschein selbst ergibt und damit auch offenkundig ist (vgl. die Entscheidungen des Senats vom 01.02.1982 - 4 TH 80/81 - und 31.05.1985 - IV OE 55/82 -).

Die Nichtigkeit der Baugenehmigung führt auch zu deren Aufhebung auf Anfechtung durch die Kläger hin. Hierfür ist nicht Voraussetzung, daß § 3 Abs. 1 HBO, gegen den verstoßen wurde, nachbarschützend und ein etwa durch diese Vorschrift gewährtes Nachbarrecht verletzt ist. Die Rechtsverletzung ergibt sich aus § 83 HBO. Die Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung schafft die Voraussetzungen für die Ausnutzung der Genehmigung durch Bauarbeiten, die die Standsicherheit des Hauses der Kläger gefährden. Die Kläger werden somit in ihrem Eigentum beeinträchtigt, und zwar in einer Hinsicht, die objektivrechtlich Gegenstand der Fürsorge des öffentlichen Baurechts, also nicht oder jedenfalls nicht allein die Regelung des Privatrechts überlassen ist. Allerdings hat die Baugenehmigung diese Rechtsbeeinträchtigung nicht zum Ziel, schreibt sie also nicht rechtlich fest und greift darum auch nicht unmittelbar ins Eigentum ein. Sie hat aber eine tatsächlich nachteilige Wirkung, weil sie der beigeladenen Bauherrin gefährdende Baumaßnahmen ermöglicht, ohne Schutzvorkehrungen zu Gunsten der Kläger zu treffen. Dies steht im Widerspruch zur Pflicht der Bauaufsichtsbehörde gemäß § 83 Abs. 1 HBO, bei baulichen Anlagen für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu sorgen und nach pflichtgemäßem Ermessen notwendige Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder einzelne Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 HBO abzuwehren, die u.a. durch bauliche Anlagen oder Baumaßnahmen hervorgerufen werden. Diese Pflicht obliegt der Bauaufsichtsbehörde zwar grundsätzlich nur gegenüber der Allgemeinheit und gegenüber dem Einzelnen als Teil der Allgemeinheit. Es ist aber wie für das Polizeirecht und das übrige Ordnungsrecht so auch für das Bauordnungsrecht anerkannt, daß im Falle der Gefährdung wichtiger Rechtsgüter, zu denen das Eigentum gehört, das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde sich so weit reduzieren kann, daß der Betroffene einen unbedingten Anspruch auf Einschreiten zu seinen Gunsten hat (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 28.11.1975, IV OE 75/74, verkürzt in BRS 29 Nr. 31 zu § 59 HBO a.F.). Könnte der Betroffene ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde zu seinen Gunsten gegen eine ungenehmigte Maßnahme oder gegen einen gefährlichen Zustand, an dessen Zustandekommen die Behörde nicht beteiligt war, verlangen, so hat er erst recht einen Anspruch darauf, daß die Behörde die Genehmigung für ein ihn oder sein Eigentum gefährdendes Vorhaben nicht erteilt, sondern versagt (Hess. VGH, Urteil vom 21.10.1969, IV OE 71/69, zu Hess. VGRspr. 1970, S. 17). Dies gilt zumal unter Berücksichtigung dessen, daß die Bauaufsichtsbehörde nur bei der Abwehr fremdverursachter Gefahren, nicht aber bei der Verpflichtung, für die Einhaltung des öffentlichen Baurechts im Baugenehmigungsverfahren zu sorgen, überhaupt ein Ermessen hat. Eine dies mißachtende Genehmigung verletzt den betroffenen Dritten in seinem Recht, in diesem Falle die Kläger. Ob der Betroffene außer der Anfechtungsmöglichkeit auch einen Anspruch gegen die Bauaufsichtsbehörde auf Aufhebung der Baugenehmigung, also Widerruf im Sinne des § 101 HBO, hat (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 06.05.197ß0, IV OE 14/69 u. v. 14.04.19823, IV OE 10/78), braucht nicht weiter erörtert zu werden, da die Kläger den Weg der Anfechtung beschritten haben.

Da die Klage mithin wegen der durch die fehlerhafte Baugenehmigung eintretenden Gefährdung der Standsicherheit des Gebäudes der Kläger erfolgreich ist, kann dahinstehen, ob der Klage auch wegen Überschreitung der im Bebauungsplan festgesetzten Sockelhöhe um 1 m Erfolg beschieden wäre.