Hessisches LSG, Urteil vom 14.03.1973 - L 5 V 429/72
Fundstelle
openJur 2012, 17214
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil desSozialgerichts Frankfurt/Main vom 4. März 1972 aufgehoben und dieKlage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Der 1897 geborene Kläger, der Teilnehmer des ersten Weltkrieges war, erhielt durch Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 20. November 1952 wegen

„1) Verlust des linken Unterschenkels in der Mitte mit Durchblutungsstörung im Stumpf,2) Teilversteifung und deformierende Gelenkveränderungen im Kniegelenk nach Oberschenkelschußbruch”

als Schädigungsfolgen Rente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v.H., ohne daß nur Frage der Berufsbetroffenheit Stellung genommen wurde.

Der den Kläger nachuntersuchende Facharzt für Chirurgie Dr. H. bewertete die MdE im März 1953 nach wie vor mit 70 v.H., wobei er 60 v.H. medizinisch für gerechtfertigt hielt und 10 v.H. für berufliches Betroffensein ansetzte. Im am 12. Oktober 1956 ergangenen Bescheid teilte das Versorgungsamt Frankfurt/Main dem Kläger mit, eine wesentliche Änderung der Schädigungsfolgen sei ausweislich des Untersuchungsergebnisses nicht eingetreten. Es bleibe bei einer MdE von 70 v.H. Die Schädigungsfolgen würden jetzt aber mit

„1) Verlust des li. Unterschenkels in der Mitte mit Durchblutungsstörungen im Bereich des Stumpfes und hochgradiger Muskelabmagerung am li. Oberschenkel und Stumpf,2) Bewegungseinschränkung des li. Kniegelenkes mit chronisch deformierenden Veränderungen nach Oberschenkelschußbruch”

bezeichnet.

Im Juli 1963 beantragte der Kläger, der ab Oktober 1962 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres bezieht. Bedingungsfolgen vereiteltes Berufsziel sei selbständiger Meister im Bäckerhandwerk gewesen.

Mit bindend gewordenem Bescheid vom 13. Mai 1966 gruppierte das Versorgungsamt ihm als Bäckervollgesellen ein. Die Berechnung des Schadensausgleichs nahm es ab 1. Januar 1964 auf der Grundlage des entsprechenden Durchschnittseinkommens vor, wobei es einen durch Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG von 60 auf 70 v.H. erzielten Mehrbetrag der Grundrente abzog.

Wegen Erhöhung des Altersruhegeldes, Inkrafttretens des 3. Neuordnungsgesetzes (NOG) und wegen anderer Gesetzesänderungen ergingen die gleichfalls unangefochten gebliebenen Neufeststellungsbescheide vom 4. Juli, 5. Juli und 13. Oktober 1967 sowie vom 8. Februar 1968, 13. März 1969 und 10. Februar 1970, die sämtlich diese Berechnung übernahmen.

Am 22. Oktober 1970 beantragte der Kläger den Erlaß eines Zugunstenbescheides, da über sein besonderes berufliches Betroffensein bisher bescheidmäßig noch nicht entschieden worden sei. Die einschlägige ärztliche Feststellung des Chirurgen Dr. H. von März 1953 habe in dem Bescheid vom 12. Oktober 1956 keine Berücksichtigung gefunden. Hiernach sei es falsch, daß der Ersatzbescheid über den Berufsschadensausgleich und die folgenden Neufeststellungsbescheide den Berufsschadensausgleichsbetrag in Anwendung des § 30 Abs. 2 und 3 BVG kürzten.

Nach ärztlicher und verwaltungsmäßiger Überprüfung kam das Versorgungsamt dem Begehren des Klägers nach. Im Zugunstenbescheid vom 26. Mai 1971 teilte es ihm mit, nach dem BSG-Urteil vom 14. Oktober 1970 sei die Anrechnung des Mehrbetrages nach § 30 Abs. 3 BVG nicht richtig. Die Bescheide vom 13. Oktober 1967, 8. Februar 1968, 13. März 1969, 10. Februar 1970 und 8. Januar 1971 würden deshalb geändert, indem Rückwirkung zum 1. Oktober 1966 beigelegt werde. Für die Zeit vorher wurde an der Bindung des Bescheides vom 13. Oktober 1967 ausdrücklich festgehalten.

Das Widerspruchsverfahren, welches der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG zur Frage der Verjährung von Ansprüchen bei der Erteilung von Zugunstenbescheiden anstrengte, die eine weitere Rückdatierung, in seinem Falle bis zum 1. Januar 1966, rechtfertige, blieb erfolglos. Durch Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1971 wurde der angefochtene Bescheid mit der Begründung bestätigt, dieses Vorbringen betreffe die Rechtsprechung des BSG zu § 40 Abs. 2 VfG (KOV), die hier nicht gegenständlich sei.

Mit Urteil vom 24. März 1972 hat das Sozialgericht Frankfurt/Main den angefochtenen Bescheid in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides abgeändert und den Beklagten verurteilt, den Berufsschadensausgleich des Klägers schon für die Zeit vom 1. Januar 1966 an in der ab 1. Oktober 1966 geschobenen Weise neu zu berechnen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Beklagte habe das ihm eingeräumte Ermessen nicht richtig gebraucht, soweit es sich auf die zeitliche Rückwirkung des erlassenen Zugunstenbescheides beziehe. Die Vorschrift des § 201 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei – auch nach der Rechtsprechung des BSG – im Rahmen des § 40 Abs. 1 VfG (KOV) ebenfalls zu beachten. Überdies hätten die Beteiligten übereinstimmend vorgetragen, im Lande Baden-Württemberg werde Zugunstenbescheiden allgemein Rückwirkung ab Beginn des Jahres beigelegt, in den der Antragsmonat falle. Von da ab würden vier Jahre zurückgerechnet. Deshalb liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vor, wenn in Hessen andere verfahren werde.

Gegen dieses Urteil, das dem Beklagten am 7. April 1972 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 2. Mai 1972 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Zur Begründung rügt er das Vorliegen wesentlicher Verfahrensmängel. Einen solchen Mangel sieht er darin, daß das Sozialgericht ihm verurteilt habe, die mit Zugunstenbescheid gewährten Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1966 neu zu berechnen. Damit habe es unzulässigerweise sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Versorgungsbehörde gesetzt. Ein weiterer wesentlicher Verfahrensmangel liege in der Zurückweisung des Rechtsstreites an die Verwaltung für diesen Zeitraum. In der Sache sei dem Urteil nicht zu folgen. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG könne solange nicht vorliegen, wie nicht eindeutig feststehe, welche Berechnungsmethode richtig sei. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung habe diese Frage noch nicht eindeutig geklärt. Die Verfahrensweise des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg widerspreche der Verwaltungsvorschrift (VV) Nr. 8 zu § 40 VfG (KOV). Nach dem Erlaß des hessischen Fachministers vom 16. Februar 1973 habe der Bundesarbeitsminister keine im Sinne des klägerischen Begehrens günstige Entscheidung getroffen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 24. März 1972 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der Sache hält er das angefochtene Urteil für zutreffend, insbesondere in Ansehung des ihm geschobenen Unrechts. Gegen die Rügen wesentlicher Verfahrensmängel wende er sich nicht.

Die Akten des Versorgungsamtes Frankfurt/M. mit der Grdl. Nr. … haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird Bezug genommen.

Gründe

Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist an sich im übrigen nicht zulässig. Denn im Streit steht der Anspruch des Klägers auf Erhöhung des ihm auf der Grundlage des Durchschnittseinkommens eines Vollgesellen im Bäckerhandwerk gewährten Berufsschadensausgleichs für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1966, so daß die Vorschrift des § 148 Ziff. 2 SGG eingreift. Der Zeitraum, für den – höhere – Versorgung im Sinne des § 9 Ziff. 3 BVG begehrt wird, ist bereits abgelaufen.

Unbeschadet dessen ist Zulässigkeit jedoch nach § 130 Ziff. 2 SGG gegeben. Denn der Beklagte hat einen wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt, der tatsächlich vorliegt. Sein Vorbringen, das Sozialgericht hätte aus seiner Sicht lediglich den angefochtenen Bescheid abändern und ihn zum Erlaß eines neuen – ergänzenden – Verwaltungsaktes verurteilen dürfen, greift durch. Indem der Vorderrichter, obwohl er richtig erkannt hat, daß die Frage der Rückdatierung eines Zugunstenbescheides einen dem Ermessen des Beklagten unterfallenden Handlungsspielraum angeht, zur Leistung von einem bestimmten Zeitpunkt an verurteilt hat, hat er unzulässigerweise sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Versorgungsbehörde gesetzt (vgl. BSGE 2 S. 142 ff. und 277 ff., BSGE 4 S. 140 ff.). Ist hiernach rechtlich überhaupt nur möglich, eine streitige Kannleistung zuzuerkennen, wenn bei richtiger Anwendung des Ermessens nur eine Entscheidung in Betracht kommt, jede andere mithin einen Ermessensfehler im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG enthält, weshalb für die Anwendung des Ermessens in einem anderen Sinne gar kein Raum bleibt, so darf das in einem Falle wie dem vorliegenden darüber hinaus nicht durch Abänderung des streitigen Bescheides mit gleichzeitiger Verurteilung zur Zahlung geschoben. Vielmehr hätte hier eine Verurteilung zur Erteilung eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts erfolgen müssen (vgl. BSGE 7 S. 47 ff.).

Der erkennende Senat schließt sich der vom BSG dort geäußerten Rechtsauffassung an, wonach § 131 Abs. 2 SGG dann – entsprechend – anzuwenden ist, wenn sich eine Aufhebungs- und Verpflichtungsklage nicht gegen einen „abgelehnten”, sondern gegen einen ablehnenden Verwaltungsakt richtet. Dabei geht er nach Prüfung des erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers davon aus, daß dieser tatsächlich auch eine Verpflichtungsklage erhoben hat. Das war aus seiner Sicht sinnvoll. Zu einer klaren Formulierung des Antrages hat der Vorderrichter entgegen der Vorschrift des § 112 Abs. 2 SGG jedoch nicht angehalten. Wenn er in das Sitzungsprotokoll vom 24. März 1972 nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung hineingenommen hat, es werde der Antrag aus dem Schriftsatz vom 29. November 1971 (Bl. 7 GA) wiederholt, wobei die bezeichnete Stelle nur eine allgemein gehaltene Formulierung des Begehrens enthält, dann hätte hierzu begründeter Anlaß bestanden, zumal laut Sitzungsniederschrift eine – weitere – mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.

Hiernach liegt ein Verstoß gegen § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG in doppelter Hinsicht vor. Da es sich bei dieser Vorschrift um eine solche handelt, die das Verfahren, nämlich die Zulässigkeit der gerichtlichen Nachprüfung von Ermessensentscheidungen, betrifft, beinhaltet ihre Verletzung einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 150 Ziff. 2 SGG (vgl. Urteil des 8. Senats des BSG vom 20.8.1963 in KOV 1964 S. 56).

Bei dieser Sach- und Rechtslage mußte der erkennende Senat auf die weitere Verfahrensrüge des Beklagten in Bezug auf eine geschobene unzulässige Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Verwaltung nicht mehr eingehen, die in Ansehung des in diesem Zusammenhang zitierten Urteils des BSG vom 22. April 1959 (BSGE 2 S. 94) wegen des anders gearteten Sachverhalts nicht stichhaltig erscheint. Denn die Verletzung des § 34 Abs. 2 SGG hat die Zulässigkeit der Berufung bereits zur Folge.

In der Sache hatte sie Erfolg.

Streitgegenstand ist lediglich die Frage, ob der Beklagte, der sich von der Unrichtigkeit seiner Berechnung des Berufsschadensausgleichs des Klägers in Besonderheit im Hinblick auf die Vorschrift des § 30 Abs. 5 BVG überzeugt und deshalb den Bescheid vom 26. Mai 1971 erlassen hatte, darin insoweit eine – weitere – Abänderung des die Neufeststellungsbescheide vom 4. und 5. Juli 1967 ersetzenden Neufeststellungsbescheide vom 13. Oktober 1967 vornehmen muß, als dieser die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1966 betrifft. Da die Entscheidung über die zeitliche Rückwirkung eines Zugunstenbescheides nach einhelliger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. hierzu die erstmals vom Kläger im Widerspruchsschreiben zitierte Entscheidung des BSG vom 23.5.69 – Az.: 10 RV 846/67 – und die dort angegebenen weiteren Urteile, insbesondere das des 9. Senats vom 21.3.69 in KOV 1970, S. 61 ff.) in das Ermessen der Versorgungsverwaltung fällt, besteht hierauf kein Rechtsanspruch. Der Beklagte war vielmehr befugt, sein Ermessen auszuüben. Als ein solches wird das rechtlich begründete Vermögen angesehen, bei Ausübung hoheitlicher Befugnisse zwischen Verwaltungsweisen wählen zu können. Das Wahlrecht findet seine Grenze dort, wo das gewählte Handeln zur Willkür wird oder gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstößt (BSGE 26, S. 153).

Wenn der Senat vorliegend von diesen Grundsätzen ausgeht, dann war zunächst festzustellen, daß der Beklagte sich an die VV Nr. 8 zu § 40 VfG (KOV) gehalten hat, wozu er verpflichtet war. Daß nach deren letztem Satz eine Rückwirkung in der Regel nicht über einen Zeitraum von 4 Jahren hingehen soll, beinhaltet zwar die Möglichkeit einer noch weiteren Datierung in die Vergangenheit. Um sie vorzunehmen, müssen nach Meinung des Senats jedoch besondere Gesichtspunkte Veranlassung geben, die hier weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Grundsätzlich verlangt § 40 Abs. 1 VfG (KOV) von seinem Wesen her nämlich keine volle Restitution mit der Maßgabe der Herstellung des ohne Erlaß des bindend gewordenen rechtswidrigen Verwaltungsaktes vorhanden gewesenen Zustandes (vgl. z.B. BSG vom 21.3.69 a.a.O.). Das wird von der Rechtsprechung des BSG noch nicht einmal für die Vorschrift des § 40 Abs. 2 VfG (KOV) gefordert (vgl. hierzu beispielhaft die Urteile des BSG v. 21.3.67 und 22.6.67 in BVBl. 1967 S. 134 ff.). Eine Grenze auch bezüglich dieser Vorschrift bilden zumindest die Verjährungsvorschriften der §§ 197, 201 BGB, die vorliegend allerdings deshalb nicht gegenständlich sind, weil sich der streitige Anspruch innerhalb eines Zeitraums bewegt, welcher von der Verjährung noch nicht betroffen ist.

Soweit der Kläger diese Bestimmungen des BSG dennoch in dem Kreis seiner Erörterungen einbezogen und daraus den Schluß gezogen hat, die Verjährungsbegrenzung enthalte gleichzeitig die „Ermessensverpflichtung” des Beklagten, mit der Rückwirkung bis zum 1. Januar 1966 zurückzugehen, kann ihm nicht gefolgt werden. Das einmal schon deshalb nicht, weil die vom BSG mehrfach geäußerten Gedankengänge über einen Zugunstenbescheid nach § 40 Abs. 2 VfG (KOV) und dessen Rückdatierung hier nicht gegenständlich sind. Denn der Zugunstenbescheid vom 26. Mai 1973 basiert nicht auf dieser Vorschrift da das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung zur Frage des § 30 Abs. 5 BVG nicht nachträglich eine andere Rechtsauffassung vertritt, als sie früheren Entscheidungen zugrunde gelegen hat. Das Urteil des BSG vom 14. Oktober 1970 (10 RVG 17/69) weicht weder von anderen früheren Entscheidungen ab noch stellt es eine frühere Rechtsprechung um. Zum anderen kann der Kläger aus den Verjährungsvorschriften des BSG keine günstigen Schlüsse ziehen, da die nicht gegen die geltende Rechtsordnung verstoßende und dem Beklagten bindende VV Nr. 8 zu § 40 VfG (KOV) erkennbar auf den Antragsmonat abstellt. Diesem Zeitpunkt kommt eine in die Ermessensprüfung einzubeziehende wesentliche Bedeutung zu. Sie wäre ausgeschaltet, wenn ohne seine Berücksichtigung auf den Beginn des Antragsjahres zurückzugehen wäre und dann schematisch vier Jahre zurückgerechnet würden. Hinzu käme eine zumindest der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden nicht förderliche Ungleichheit der Behandlung einzelner Fälle im Rahmen des § 40 Abs. 1 VfG (KOV). Zutreffend hat der Beklagte nämlich darauf hingewiesen, daß sich eine Schere von fast einem Jahr öffnen würde, wenn das Antragsjahr Ausgangspunkt wäre. Ein solches Ergebnis würde dem an das Ermessen zu stellenden Grunderfordernissen von vornherein nicht gerecht.

Hiernach vermag das Gericht in der Handlungsweise des Beklagten keinen Ermessensfehler im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG zu erblicken. Er hat einen der nach § 40 Abs. 1 VfG (KOV) und dem dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften möglichen Weg beschritten und dem Belangen des Klägers damit nicht über Gebühr entgegenwirkt. Das umso weniger, als der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle gemäß Art. 3 GG im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts nicht als entscheidungserheblich in die Waagschale zu werfen ist. Denn nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 1966 im DÖV 1966 S. 366 ist diese Vorschrift nur dann angesprochen, wenn sich eine Verwaltungspraxis im Sinne einer Selbstbindung der Verwaltung gebildet hat und eine Abweichung davon in einem konkreten Fall nicht auf sachgemäßen Erwägungen beruht (siehe dazu auch Urteil des BSG vom 21.3.1967 im BVBl. 1967, S. 134, 153). Damit, daß das Landesversorgungsamt B. eine der Auffassung des Klägers entsprechende Verfahrensweise praktiziert, hat sich aber noch keine dahingehende allgemeine Selbstbindung ergeben, abgesehen davon, daß die schematische Rückdatierung, wie oben ausgeführt, eben gerade zu ungleicherer Behandlung führen kann als die vom Beklagten vorgenommene. Eine verwaltungsmäßige Regelung durch den Bundesarbeitsminister liegt noch nicht vor.

Nach alledem war, wie geschehen, zu entscheiden, wobei der Senat von höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht abgewichen ist. Deshalb bestand keine Verpflichtung zur Zulassung der Revision gemäß § 162 Abs. 1 Ziff. 1 SGG. Denn die vom Kläger zitierten Urteile des BSG, in denen die Verjährung als Grenze der Rückwirkung betrachtet worden ist, betreffen entweder Fälle des § 40 Abs. 2 oder solche des § 40 Abs. 1 VfG (KOV), in denen andere als vorliegend über die Begründetheit der erhobenen – Einrede der Verjährung zu befinden war.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

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