BVerfG, Beschluss vom 07.06.2011 - 1 BvR 194/11
Fundstelle
openJur 2012, 26061
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die überlange Dauer des Verfahrens vor dem Hessischen Finanzgericht - 13 K 820/05 - den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes) verletzt.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

2. Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer ein Drittel seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer rügt die überlange Dauer des Verfahrens seiner Wiederbestellung zum Steuerberater.

1. a) Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) darf die Wiederbestellung eines ehemaligen Steuerberaters nicht vor Ablauf von acht Jahren erfolgen, wenn er zuvor auf seine Bestellung nach Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens verzichtet hatte, es sei denn, dass eine Ausschließung aus dem Beruf nicht zu erwarten war. Ist die Bestellung nach rechtskräftiger Ausschließung aus dem Beruf erloschen, so kann die Wiederbestellung nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 StBerG unter anderem dann erfolgen, wenn seit der rechtskräftigen Ausschließung acht Jahre verstrichen sind.

b) Der 1943 geborene Beschwerdeführer wurde 1970 als Steuerbevollmächtigter, 1977 als Steuerberater und 1987 als vereidigter Buchprüfer und als Wirtschaftsprüfer bestellt; seit 2005 ist er darüber hinaus als Rechtsanwalt zugelassen. Nachdem gegen ihn aufgrund von zwei berufsrechtlichen Anschuldigungsschriften ein Hauptverfahren wegen Verstoßes gegen seine Berufspflichten als Steuerberater eröffnet worden war, verzichtete er im Jahr 2000 auf seine Bestellung als Steuerberater. Das Landgericht F. stellte daraufhin das berufsgerichtliche Verfahren durch Urteil vom 15. August 2000 gemäß § 125 Abs. 3 Nr. 1 StBerG ein.

Nachdem der Beschwerdeführer zwischenzeitlich das Rechtsreferendariat abgeschlossen hatte, beantragte er mit Schreiben vom 20. Juli 2004 bei der zuständigen Steuerberaterkammer, wieder zum Steuerberater bestellt zu werden. Anschließend gestaltete sich das Verfahren wie folgt:

Die Steuerberaterkammer übersandte ihm am 26. Juli 2004 ein Antragsformular. Dieses füllte der Beschwerdeführer am 18. August 2004 aus. Es ging der Kammer am 19. August 2004 zu. Am 27. August 2004 überwies der Beschwerdeführer die erforderliche Bearbeitungsgebühr; der entsprechende Kontoauszug ging der Steuerberaterkammer am 30. August 2004 zu. Das erforderliche polizeiliche Führungszeugnis ist am 11. August 2004, der Nachweis über die Berufshaftpflichtversicherung am 25. August 2004 bei der Kammer eingegangen.

Auf die Sachstandsanfrage des Beschwerdeführers vom 31. August 2004, die am 1. September 2004 bei der Steuerberaterkammer eingegangen ist, teilte ihm die Kammer an diesem Tag mit, dass der Kammervorstand in seiner Sitzung vom 17. September 2004 entscheiden werde, ob seinem Antrag auf Wiederbestellung entsprochen werden könne. Es bestehe Anlass zu prüfen, ob seinerzeit eine Ausschließung aus dem Beruf in Betracht gekommen wäre. Insofern sei auf das Urteil des Landgerichts F. vom 15. August 2000 zu verweisen.

Am 14. September 2004 ging der Antrag des Beschwerdeführers bei der Steuerberaterkammer ein, ihm vor einer Entscheidung des Kammervorstands rechtliches Gehör zu gewähren. Außerdem beantragte er Einsicht in die Vorstandsvorlage für die Sitzung vom 17. September 2004 zu nehmen, hilfsweise in die bei der Steuerberaterkammer über ihn geführten Akten. Am 15. September 2004 schrieb die Kammer dem Beschwerdeführer, dass der Kammervorstand in seiner Sitzung vom 17. September 2004 über seinen Antrag entscheiden werde und ihm, falls der Vorstand zu der Auffassung gelangen sollte, eine Wiederbestellung komme nicht in Betracht, vor der abschließenden Entscheidung zunächst rechtliches Gehör gewährt werde. Außerdem wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass er nach vorheriger Terminsabsprache Einsicht in die über ihn geführten Akten auf der Geschäftsstelle nehmen könne. Mit Telefax vom 15. September 2004 und Schreiben vom 16. September 2004 forderte der Beschwerdeführer die Kammer abermals auf, ihm Einblick in die Vorstandsvorlage zu geben. Dem Schreiben vom 16. September 2004 waren außerdem 30 Seiten seiner Stellungnahme aus einem früheren Verfahren vor dem Landgericht B. beigefügt. Dieses Schreiben ging der Kammer am späten Vormittag des 17. September 2004 - dem Tag der Vorstandssitzung - per Fax zu.

Da der Kammervorstand sich aus Zeitgründen an diesem Tag nicht mehr mit diesem umfangreichen Schriftsatz auseinander setzen konnte und überdies noch eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich hielt, erging am 17. September 2004 noch keine Entscheidung. Dies wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. September 2004 mitgeteilt. Ihm wurde die Möglichkeit gegeben, sich bis zum 29. Oktober 2004 ergänzend zu äußern. Innerhalb dieser Frist übersandte der Beschwerdeführer der Steuerberaterkammer neben anderen Anlagen auch die von der Kammer angeforderte 80-seitige Stellungnahme aus dem früheren Verfahren vor dem Landgericht B. Am 5. Oktober 2004 forderte die Steuerberaterkammer beim Landgericht B. die Kopie eines richterlichen Vermerks an, wonach eine Vielzahl der Tatvorwürfe verjährt und weitere Vorwürfe nicht hinreichend substantiiert seien. Diese Kopie ging am 1. November 2004 ein.

Mit Schreiben vom 9. November 2004 bestätigte die Steuerberaterkammer dem Beschwerdeführer den Eingang seines letzten Schreibens und kündigte an, dass sich ihr Vorstand in seiner nächsten Sitzung am 15. Dezember 2004 voraussichtlich abschließend mit seinem Antrag auf Wiederbestellung als Steuerberater befassen werde. Zuvor werde sich das für Berufsrecht zuständige Vorstandsreferat mit der Angelegenheit befassen. Dies geschah am 6. Dezember 2004.

Am 18. November 2004 forderte der Beschwerdeführer zwecks Vermeidung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung von der Steuerberaterkammer die Bestätigung, dass der Kammervorstand sich in seiner Sitzung am 15. Dezember 2004 - falls er beabsichtige, ihn nicht wieder als Steuerberater zu bestellen - nicht abschließend mit dem Antrag befassen, sondern ihm zuvor rechtliches Gehör gewähren werde. Diese Bestätigung gab die Steuerberaterkammer nicht ab. Auf telefonische Anfrage teilte ihr Hauptgeschäftsführer dem Beschwerdeführer am 25. November 2004 mit, dass die Kammer ihm bereits mit Schreiben vom 15. September 2004 zugesagt habe, ihm im Falle einer ablehnenden Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren, und deshalb keine Notwendigkeit bestünde, ihn nochmals zu bescheiden.

Der Beschwerdeführer versuchte daraufhin, nachdem er zunächst das Verwaltungsgericht F. angerufen hatte, am 1. Dezember 2004 bei dem Finanzgericht eine einstweilige Anordnung gegen die Kammer zu erwirken. Nachdem er am 7. Dezember 2004 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und die Steuerberaterkammer sich am 10. Dezember 2004 der Erledigungserklärung angeschlossen hatte, beschloss das Finanzgericht am 13. Dezember 2004, dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Kammer ihm zu keinem Zeitpunkt Anlass zu der Annahme gegeben habe, sie werde ihm kein rechtliches Gehör gewähren.

Am 8. Dezember 2004 ging bei der Steuerberaterkammer ein Schreiben des Beschwerdeführers ein, in dem er ihr eine Verletzung des Amtsgeheimnisses vorwarf, da sie der Rechtsanwaltskammer Unterlagen aus früheren Verfahren gegen den Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt habe. Dazu nahm die Kammer am 10. Dezember 2004 Stellung. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2004 ließ der Beschwerdeführer der Kammer weitere rechtliche Ausführungen im Hinblick auf seinen Wiederbestellungsantrag zukommen. Außerdem beantragte er mit Schreiben vom 14. Dezember 2004, die Rechtsauffassung in Bezug auf die Weitergabe von Unterlagen zu überprüfen. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 machte er einen Amtshaftungsanspruch gegen die Steuerberaterkammer geltend.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2004 teilte die Steuerberaterkammer dem Beschwerdeführer mit, dass sich ihr Vorstand in seiner Sitzung am 15. Dezember 2004 mit seinem Antrag befasst habe und hierzu die Auffassung vertrete, dass seine Wiederbestellung als Steuerberater nicht vor Ablauf von acht Jahren erfolgen könne. Vor einer abschließenden Befassung des Kammervorstands werde ihm Gelegenheit gegeben, sich bis spätestens zum 26. Januar 2005 zu äußern. Hiervon machte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26. Dezember 2004 Gebrauch.

Auf telefonische Anfrage nach den Vorstandsmitgliedern übersandte die Steuerberaterkammer dem Beschwerdeführer am 6. Januar 2005 Kopien der Amtlichen Mitteilungsblätter. Am 7. Januar 2005 bestätigte sie ihm den Eingang seines Schriftsatzes vom 26. Dezember 2004 und teilte ihm mit, dass sich der Vorstand in seiner Sitzung am 3. Februar 2005 mit der Angelegenheit befassen werde; die Kammer werde von sich aus auf die Angelegenheit zurückkommen. Am 28. Januar 2005 fand auf Wunsch des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers eine Unterredung mit dem Vizepräsidenten der Steuerberaterkammer über den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederbestellung zum Steuerberater statt. Am 2. Februar 2005 stellte der Beschwerdeführer gegen die Mitglieder des Kammervorstands einen Befangenheitsantrag, worin er dem Vorstand mit umfassender zwölfseitiger Begründung willkürliches Verhalten vorwarf. Der Verfahrensbevollmächtigte erhielt am gleichen Tag Akteneinsicht. Die von ihm gewünschten 257 Kopien wurden ihm mit Kostenrechnung vom 8. Februar 2005 übersandt. Der Kammervorstand beschloss in seiner Sitzung vom 3. Februar 2005, den Befangenheitsantrag als unbegründet zurückzuweisen. Hierüber wurde der Beschwerdeführer durch Bescheid vom 16. Februar 2005 unterrichtet. Tags zuvor war eine aus sechs Seiten bestehende Gegenvorstellung - so die Bezeichnung des Beschwerdeführers - eingegangen, in der er nochmals zu dem Urteil des Landgerichts F. vom 15. August 2000 Stellung nahm.

Im Anschluss daran befasste sich der Kammervorstand erneut mit dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederbestellung zum Steuerberater und beschloss, unter Berücksichtigung seiner Stellungnahme vom 26. Dezember 2004, seinen Antrag abzulehnen. Hierüber wurde der Beschwerdeführer durch Bescheid des Präsidenten der Steuerberaterkammer vom 18. Februar 2005 informiert. Das Landgericht habe in seinem Einstellungsurteil vom 15. August 2000 ausdrücklich in Betracht gezogen, ihn im Hinblick auf Gewicht und Vielzahl der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und im Hinblick auf seine innere Einstellung, die seine beruflichen Fehlleistungen begleitet habe, aus dem Beruf des Steuerberaters auszuschließen. Zur Überzeugung des Landgerichts habe er sich in seinem Denken und Handeln vom Berufsbild des Steuerberaters entfernt und sei nicht mehr zu einer sachlich prüfenden Distanz sich selbst gegenüber sowie zu dem angemessenen Maß an Rücksicht auf berechtigte Erwartungen seines beruflichen Umfelds im Hinblick auf Fairness und Respekt bereit. Sein Verhalten nach seinem Verzicht auf die Bestellung als Steuerberater, insbesondere die Beleidigungen, die er im Wiederbestellungsverfahren gegen verschiedene Amtsträger geäußert habe, begründe die Besorgnis, dass er auch künftig seinen Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen werde.

c) Gegen die Ablehnung seiner Wiederbestellung zum Steuerberater hat der Beschwerdeführer im März 2005 Klage (39 Seiten Klagebegründung nebst Anlagen, die weitere Tatsachen- und Rechtsausführungen enthalten) vor dem Finanzgericht erhoben und außerdem den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige Bestellung zum Steuerberater beantragt.

Den sodann eingereichten und mit fünf Seiten begründeten Befangenheitsantrag gegen den Senatsvorsitzenden hat das Finanzgericht am 7. Juni 2005 zurückgewiesen, nachdem es zuvor eine dienstliche Stellungnahme eingeholt hatte und eine aus acht Seiten bestehende Stellungnahme des Beschwerdeführers eingegangen war. Gegen die Zurückweisung seines Ablehnungsgesuchs hat der Beschwerdeführer eine mit 11 Seiten begründete Anhörungsrüge erhoben. Diese hat das Finanzgericht durch Beschluss vom 7. September 2005 zurückgewiesen. Das Bemühen des Finanzgerichts, das Verfahren mit Blick auf ein gegen den Beschwerdeführer anhängiges berufsrechtliches Verfahren zum Ruhen zu bringen, scheiterte daran, dass er damit nicht einverstanden war. Die außerordentliche Beschwerde gegen die Zurückweisung seiner Anhörungsrüge hat der Bundesfinanzhof durch Beschluss vom 22. Februar 2006 als unzulässig verworfen.

Im Frühjahr 2007 versuchte das Finanzgericht, unter anderem Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht beizuziehen; dem ist der Beschwerdeführer im Mai 2007 entgegengetreten. Auf eine Anfrage der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers teilte das Finanzgericht durch den Berichterstatter unter dem 26. Oktober 2007 mit, wegen der von der Staatsanwaltschaft abgelehnten Aktenvorlage sei ?hier noch keine abschließende Entscheidung getroffen?, Termin zur mündlichen Verhandlung sei für Februar 2008 vorgesehen. Zur angekündigten Terminierung kam es indessen nicht; auch andere Maßnahmen des Finanzgerichts sind aus den beigezogenen Verfahrensakten nicht zu ersehen. Erst im September 2009 hat das Finanzgericht schließlich Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 9. November 2009 bestimmt. Hierauf teilte die Steuerberaterkammer mit, dass sie erwäge, den Beschwerdeführer wieder als Steuerberater zu bestellen, da die achtjährige Sperrfrist (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG) nunmehr abgelaufen sei. Mit Blick auf diese Mitteilung hat das Finanzgericht den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. November 2009 gegen den Willen des Beschwerdeführers aufgehoben und neuen Termin auf den 1. Dezember 2009 bestimmt. Durch Urteil vom 1. Dezember 2009 hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Entscheidung der Steuerberaterkammer sei nicht zu beanstanden, weil die Voraussetzungen für eine Wiederbestellung gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG nicht vorgelegen hätten. Der Gesetzgeber sehe bei einem Verzicht auf die Bestellung als Steuerberater im Zusammenhang mit einem berufsgerichtlichen Verfahren besonderen Anlass zur Prüfung, ob die Wiederbestellung eines Bewerbers wegen der Besorgnis zu versagen sei, dieser werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen. Die Steuerberaterkammer habe ihr diesbezügliches Ermessen pflichtgemäß ausgeübt; Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Das Finanzgericht hat die Revision nicht zugelassen und außerdem einen Tatbestandsberichtigungsantrag des Beschwerdeführers durch Beschluss des Finanzgerichts vom 22. Februar 2010 zurückgewiesen.

Im April 2010 hat der Beschwerdeführer Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese auf 25 Seiten begründet. Am 3. August 2010 hat der Bundesfinanzhof die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts zur Klärung der Frage zugelassen, ob bei der Entscheidung über die Wiederbestellung eines Steuerberaters gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung oder auf die gegenwärtige Lage abzustellen sei. Mit Schriftsatz vom 20. September 2010 hat der Beschwerdeführer seine Revision begründet.

2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 12 Abs. 1 GG. Die Steuerberaterkammer und die Fachgerichte hätten bei ihrer Arbeitsweise nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Vorschriften über die Zulassung als Steuerberater die Freiheit der Berufswahl beschränkten und eine zögerliche behördliche oder gerichtliche Bearbeitung des Wiederzulassungsantrags einen besonders schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufswahl darstelle. Das Vorgehen der Hoheitsträger führe zu einem faktischen Berufsverbot, das in seiner Härte tief in seine berufliche und familiäre Existenz eingreife. Die Steuerberaterkammer hätte ihre Prüfung innerhalb weniger Tage abschließen und die diesbezügliche Entscheidung innerhalb eines Monats treffen können und müssen. In Anbetracht der Dringlichkeit der Sache hätte zudem das Finanzgericht innerhalb von drei Monaten ein Urteil erlassen können und müssen. Um das Verfahren zu beschleunigen, hätte es auch die Revision gegen sein Urteil zulassen müssen. Auch das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof verlaufe - insbesondere in Anbetracht der Dauer des behördlichen und des finanzgerichtlichen Verfahrens - zu zögerlich. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es bis zur Bescheidung seiner Nichtzulassungsbeschwerde etwa fünf Monate gedauert habe. Ein Monat habe ausgereicht, um zu erkennen, dass die Revision zuzulassen sei; es gehe nur um die Beantwortung einer einfachen Rechtsfrage und um die Verfahrensfehler. Das zögerliche Vorgehen der Fachgerichte und insbesondere die Nichtbeantwortung aller seiner Anfragen begründeten den Verdacht, dass er willkürlich zum Objekt des Verfahrens herabgewürdigt worden sei. Die gerügten Grundrechtsverletzungen hätten wegen ihrer Intensität und ihrer erheblichen finanziellen Folgen sowie wegen seines Alters besonderes Gewicht.

3. In ihrer Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde hat die Steuerberaterkammer die Auffassung vertreten, ihr sei eine überlange Dauer des Verfahrens nicht vorzuwerfen. Jedenfalls habe sie den Antrag auf Wiederbestellung entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht innerhalb weniger Tage prüfen und über ihn auch nicht innerhalb eines Monats entscheiden können.

Das Bundesministerium der Justiz und das Land Hessen haben von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen vor.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b in Verbindung mit § 93b Satz 1 BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr gemäß § 93c BVerfGG statt, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die überlange Dauer des Verfahrens vor dem Finanzgericht wendet. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig und offensichtlich begründet. Ihre Annahme ist insoweit zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers (Art. 19 Abs. 4 GG) angezeigt. Im Übrigen, soweit es um die Verfahrensdauer vor der Steuerberaterkammer und vor dem Bundesfinanzhof geht, nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Dauer des Verfahrens vor dem Finanzgericht wendet, nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an. Sie ist insoweit zulässig und offensichtlich begründet. Ihre Annahme ist gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers auf einen effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) erforderlich. Das Finanzgericht hat durch seine Verfahrensgestaltung gegen das Verbot einer überlangen Verfahrensdauer verstoßen und verletzt dadurch den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG).

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet für den Bereich des öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 88, 118 <123>) - ebenso wie die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie in zivilrechtlichen Streitigkeiten - nicht nur das formelle Recht, die Gerichte gegen jede behauptete Verletzung subjektiver Rechte durch ein Verhalten der öffentlichen Gewalt anzurufen, sondern garantiert auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Wirksam ist nur ein zeitgerechter Rechtsschutz. Im Interesse der Rechtssicherheit sind strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit zu klären (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>; 88, 118 <124>; 93, 1 <13>). Dem Grundgesetz lassen sich allerdings keine allgemein gültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 -, NJW 2008, S. 503; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 -, juris, Rn. 11). Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Natur des Verfahrens und die Bedeutung der Sache für die Parteien, die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere Verfahrensverzögerungen durch sie, sowie die gerichtlich nicht zu beeinflussende Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 -, a.a.O.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>). Dagegen kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 -, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2003 - 1 BvR 901/03 -, NVwZ 2004, S. 334 <335>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -, juris, Rn. 14).

Ferner haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 -, a.a.O.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 -1 BvR 352/00 -, a.a.O.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -, a.a.O.).

b) Hieran gemessen hat das Finanzgericht gegen das Verbot einer überlangen Verfahrensdauer verstoßen. Die Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens von nahezu fünf Jahren ist unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr vertretbar. Insbesondere ist nicht hinnehmbar, dass das Finanzgericht - und das ist entscheidend - das Verfahren über nahezu zwei Jahre hinweg in keiner Weise gefördert hat.

Die anfänglichen Verzögerungen des finanzgerichtlichen Verfahrens insbesondere bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs über die außerordentliche Beschwerde mögen auch durch das Prozessverhalten des Beschwerdeführers - durch seinen Befangenheitsantrag sowie die Einlegung der Anhörungsrüge und der außerordentlichen Beschwerde - bedingt sein. Im weiteren Verlauf des Verfahrens ist das Finanzgericht jedoch nahezu zwei Jahre völlig untätig geblieben, ohne dass hierfür Gründe ersichtlich sind.

Die vollständige - und offenbar grundlose - Untätigkeit des Finanzgerichts im Zeitraum von Oktober 2007 bis September 2009 verletzt das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Obwohl das Verfahren bei der Beantwortung der Anfrage Ende Oktober 2007 schon zweieinhalb Jahre anhängig war, hat sich das Finanzgericht nicht darum bemüht, es beschleunigt zu bearbeiten, sondern hat im Gegenteil dessen weitere Bearbeitung zunächst gänzlich eingestellt. Erst mit der Terminierung im September 2009 hat das Finanzgericht dem Verfahren wieder Fortgang gegeben. Das dargestellte Versäumnis wiegt umso schwerer, weil es dem Beschwerdeführer um eine Wiederzulassung als Steuerberater und damit um die Möglichkeit ging, seinen Beruf als Steuerberater für die ihm verbleibende - aufgrund seines Alters ohnehin überschaubare - Lebensarbeitszeit auszuüben.

2. Im Übrigen nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

a) Der tatsächliche Ablauf des Verfahrens vor der Steuerberaterkammer gibt keinen Anhaltspunkt für eine unzureichende Förderung des Verfahrens. Der Beschwerdeführer - der den Ablauf des Verfahrens nur selektiv und unvollständig schildert - hat die Dauer und den Ablauf des Verfahrens durch seine Verfahrensführung selbst zu verantworten. Seine zahlreichen umfassenden Stellungnahmen und Anfragen standen einem früheren Abschluss des Verfahrens entgegen. Im Übrigen stellt der Beschwerdeführer mit Blick auf eine realistische Bearbeitungsdauer völlig überzogene Anforderungen, wenn er meint, das Verfahren habe in einem Monat erledigt werden können und erledigt werden müssen.

Angesichts dieser tatsächlichen Umstände kann offen bleiben, ob und inwieweit das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz überhaupt ?Vorwirkungen? auf Verwaltungsverfahren, die dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgelagert sind, entfaltet, so dass auch diese in angemessener Zeit erledigt werden müssen (zu den Vorwirkungen vgl. BVerfGE 22, 49 <81 f.>; 61, 82 <110>; 69, 1 <49>; 118, 168 <207>).

b) Nach Abwägung aller Umstände ist die bisherige Dauer des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof in verfassungsrechtlicher Hinsicht ebenfalls nicht zu beanstanden. Dem Bundesfinanzhof muss, auch wenn er sich angesichts der bisherigen Verfahrensdauer nachhaltig um eine Beschleunigung zu bemühen hat, genügend Zeit zur Verfügung stehen, um die gesamte Angelegenheit sorgfältig und umfassend sowie in Erfüllung seiner besonderen Aufgaben als Revisionsgericht zu prüfen. Der damit vorgegebene zeitliche Rahmen ist bislang nicht überschritten.

Zunächst hat der Bundesfinanzhof zügig in weniger als vier Monaten zugunsten des Beschwerdeführers über die Nichtzulassungsbeschwerde entschieden. Soweit der Beschwerdeführer auch hier eine schnellere Entscheidung fordert, entfernt er sich erneut von realistischen Vorstellungen über die benötigten Bearbeitungszeiten.

Auch die seit Begründung der Revision durch den Beschwerdeführer vergangene Zeit ist derzeit von Verfassungs wegen noch nicht zu beanstanden. Ausweislich des Beschlusses über die Zulassung der Revision will der Bundesfinanzhof mit der Bestimmung des für die Voraussetzungen der Wiederbestellung maßgeblichen Zeitpunkts eine umstrittene Frage von grundsätzlicher Bedeutung klären. Dies verlangt eine besonders intensive Vorbereitung der Entscheidung und insbesondere eine eingehende Sichtung und Bewertung der vorliegenden Rechtsprechung und des Meinungsstandes in Literatur und Wissenschaft. Die hierfür erforderliche Zeit muss dem Revisionsgericht angesichts seiner speziellen Verantwortung für die Wahrung der Einheitlichkeit und für die Fortentwicklung der Rechtsprechung verbleiben. Zwar darf demgegenüber - zumal wegen der seitherigen Verfahrensdauer - das Interesse des Beschwerdeführers an einer umgehenden Entscheidung nicht völlig zurücktreten, auch unter Berücksichtigung dieses Umstands gibt aber die Dauer des Revisionsverfahrens gemessen an verfassungsrechtlichen Maßstäben aktuell noch keinen Anlass zu Beanstandungen. Allerdings sind keine Umstände ersichtlich, die den Bundesfinanzhof nunmehr an einer Entscheidung über die Revision in nächster Zeit hindern könnten.

3. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG und berücksichtigt den nur teilweisen Erfolg der Verfassungsbeschwerde.

4. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.