OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.01.2012 - OVG 9 N 96.09
Fundstelle
openJur 2012, 16553
  • Rkr:
Tenor

Soweit der Kläger die Klage mit Einwilligung des Beklagten zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. September 2009 im Übrigen wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 76,50 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, für das der Zweckverband die mobile Abwasserentsorgung wahrnimmt. Im März 2001 beantragte der Kläger beim Beklagten, Regenwasser für seinen Haushalt nutzen zu dürfen; dem stimmte der Beklagte unter dem 21. März 2001 mit der Erklärung zu, die durch einen eigenen Zähler erfassten Mengen würden zur Berechnung der Abwassermengen herangezogen. Mit Bescheid vom 21. November 2005 zog der Beklagte den Kläger zu einer Schmutzwassergebühr auf der Grundlage der gemessenen Regenwassermenge für das klägerische Grundstück für den Gesamtzeitraum 2001 bis 2004 in Höhe von 765,01 Euro heran. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger am 7. August 2006 beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben. Mit Änderungsbescheid vom 8. Oktober 2007 setzte der Beklagte für die Jahre 2001 bis 2004 jeweilige Gebührenbeträge fest, die sich insgesamt auf 765,00 Euro beliefen. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 25. September 2009 der Klage zu einem Zehntel stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Beklagten am 5. Oktober 2009 zugestellt worden. Er hat am 29. Oktober 2009 die Zulassung der Berufung beantragt, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und hat am 4. Dezember 2009 seinen Antrag begründet.

II.

1. Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit der Kläger mit als erteilt geltender Einwilligung (§ 92 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 VwGO) des Beklagten hinsichtlich des für die Jahre 2003 und 2004 noch streitig gewesenen Gebührenteilbetrags (= 38,33 Euro) die Klage zurückgenommen hat.

2. Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung im Übrigen hat keinen Erfolg.

Die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, sind nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Berufung ist nach § 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt. Danach ist hinsichtlich des streitig gebliebenen Teils - nämlich eines Teilbetrages von 10 v.H. der für die Jahre 2001 und 2002 festgesetzten Gebühren (d.h.: 16,67 Euro + 21,50 Euro = 38,17 Euro) - die Berufung hier nicht zuzulassen.

a) Aus den Darlegungen des Beklagten ergibt sich nicht, dass die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen wäre (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht ist im Hinblick auf § 6 KAG und § 15 Abs. 1 der Satzung über die mobile Entsorgung der Grundstücke in die öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen des Wasser- und Abwasserzweckverbandes (WAZ) Seelow vom 1. Februar 2006 (SME) zur Auffassung gelangt, dass der Beklagte vom Kläger um 10 % überhöhte Gebühren erhoben habe, weil nach dieser Norm lediglich 90 % der dem Grundstück zugeführten Wassermenge in Ansatz zu bringen gewesen seien. Dies trifft für die streitig gebliebenen Jahre 2001 und 2002 zu.

§ 15 Abs. 1 SME bestimmt:

„Gebührenmaßstab für die Inanspruchnahme der dezentralen öffentlichen Schmutzwasseranlage ist der Trink- bzw. Brauchwasserverbrauch auf dem Grundstück. Zur Berechnung der Schmutzwassermengen werden 90 % des aus öffentlichen, nichtöffentlichen oder Hauswasserversorgungsanlagen zugeführten und durch geeichten Wasserzähler ermittelten Wassers in Ansatz gebracht. Berechnungseinheit ist der m³ zugeführter Wassermenge.“

Im Jahr 2001 hat der Kläger nach den Angaben des Beklagten in der Begründungsschrift zum Berufungszulassungsantrag 55,2 m³ aus der öffentlichen Trinkwasserversorgungsanlage bezogen, sowie gemäß den - nach Erfassung durch Wasserzähler über vier Jahre hinsichtlich der Aufteilung auf verschiedene Jahre geschätzten - Angaben des Beklagten im Änderungsbescheid vom 8. Oktober 2007 weitere 24,6 m³ Regenwasser zur häuslichen Nutzung. Für das Jahr 2002 belief sich der dementsprechend angegebene Wasserbezug auf rund 56,1 m³ Trinkwasser und 31,8 m³ Regenwasser.

Hinsichtlich der bezogenen Trinkwassermengen hat der Beklagte § 15 Abs. 1 Satz 2 SME unstreitig zur Anwendung gebracht und lediglich 90 % der Bezugsmenge der Veranlagung zu betreffenden Schmutzwassergebühren zugrunde gelegt. Soweit der Beklagte der Beanstandung des Verwaltungsgerichts, die zur zugelassenen häuslichen Nutzung erfassten Regenwassermengen hätten ebenfalls nur mit entsprechendem Abschlag veranlagt werden dürfen, entgegenhält, § 15 Abs. 1 Satz 2 SME gelte insoweit nicht, führt dies nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils.

Der Beklagte ist der Meinung, das häuslich genutzte und veranlagte Regenwasser stelle kein Trink- bzw. Brauchwasser im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 SME dar. Dem ist nicht zu folgen. Brauchwasser definiert sich nicht durch seine Herkunft, sondern ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass es geringere Qualitätsanforderungen als Trinkwasser erfüllt und zu dementsprechend eingeschränkten Zwecken genutzt wird bzw. genutzt werden darf. Dass der Satzung ein anderer Brauchwasserbegriff zugrunde liegt, ist nicht ersichtlich. Das vom Kläger genutzte Regenwasser erfüllt diese Voraussetzungen. Das gilt unstreitig hinsichtlich der Wassereigenschaften. Ebenso gilt dies für die (zugelassene) Nutzung, insbesondere angesichts dessen, dass der Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag vom 18. März 2001 (für die Speisung der Spülkästen, der Waschmaschine und zur Beregnung des Gartenlandes) ausdrücklich unter dem 21. März 2001 die Zustimmung zur Nutzung des Regenwassers erteilt hat. Die Normgemäßheit der klägerischen Regenwassernutzung wird zudem dadurch unterstrichen, dass dem genehmigten Antrag des Klägers auch eine Anlagenzeichnung („Strangschema“) zugrundelag, die ohne weiteres eine in § 15 Abs. 1 Satz 2 SME bezeichnete Hauswasserversorgungsanlage darstellt, durch die Wasser von außen dem Haus gezielt zugeführt wird. Außerdem entspricht genau der Verfahrensweise gemäß § 15 Abs. 1 SME, dass - wie es in der Zustimmungserklärung vom 21. März 2001 heißt - „zur Berechnung der Abwassermenge“ ein gesonderter Wasserzähler einzurichten war, der durch den Wasserverband abgenommen worden ist und jährlich abgelesen werden sollte. Dafür, dass unter den gegebenen Umständen und vor dem Hintergrund der Praxis des Satzungsgebers bzw. des Beklagten für die Anlage zur häuslichen Regenwassernutzung des Klägers nach § 15 Abs. 1 SME anderes gelten sollte als für andere Hausversorgungsanlagen (etwa ein mehr oder weniger auch durch Regenwasser gefüllter Brunnen), legt der Beklagte in seinem Zulassungsantrag nichts dar.

Auch der vom Beklagten angeführte Umstand, dass die Beseitigung von Niederschlagswasser - als solchem - nicht zum Aufgabengebiet des Verbandes gehört, steht der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entgegen. Denn jedenfalls durch die Zustimmung zur Nutzung des Regenwassers zur häuslichen Verwendung und durch die entsprechende Nutzung wird dieses - wie ausgeführt - zu Brauchwasser, das dem Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 SWS unterfällt.

Wenn der Beklagte im weiteren hin und wieder den „rechtlichen Gehalt des § 15 SME“ und die „Intention des Satzungsgebers“ darauf verkürzt, §15 Abs. 1 SME beziehe sich „auf das dem Grundstück zugeführte und vom Grundstückseigentümer entnommene Trinkwasser“ (vgl. S. 3 des Begründungsschriftsatzes) widerspricht er sowohl seiner vorherigen Argumentation als auch - vor allem - dem Satzungswortlaut, der gerade auch Brauchwasser in die pauschalierende Betrachtung einbezieht.

Soweit der Beklagte einwendet, ein Abschlag bei dem vom Kläger zulässigerweise verwendeten Regenwasser könne nicht in Betracht kommen, weil bei einer Verwendung in Toilettenspülkästen und in der Waschmaschine keine Verluste eintreten könnten, vernachlässigt er, dass § 15 Abs. 1 Satz 2 SME mit seinem prozentualen Abschlag für die Summe aller aus verschiedenen Wasserversorgungsanlagen bezogenen Wassermengen eine Pauschalierung regelt, die gerade eine konkrete Betrachtung einzelner Bezugsmengen und Verwendungsarten vermeidet.

Soweit sich der Beklagte auf eine „Satzungstradition“ des Verbandes beruft, wonach der pauschale Abzug einem hohen Anteil gärtnerischer und landwirtschaftlicher Wassernutzung Rechnung tragen solle, steht dies nicht im Widerspruch zur hier zulässigen Regenwassernutzung und der Pauschalbehandlung der gesamten Wassermengen, zumal allein die Ersetzung von bestimmten (im Einzelfall wenig verlustträchtigen) Trinkwassermengen durch entsprechende Brauchwassermengen nichts an der Gesamtbilanz, an den Gesamtverlusten aller Wassermengen ändert, deren pauschaler Berücksichtigung § 15 Abs. 1 SME dient.

Nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils führt auch, wenn der Beklagte meint, das zulässigerweise häuslich genutzte Regenwasser sei Fremdwasser im Sinne des § 15 Abs. 3 SME und kein Brauchwasser. Fremdwasser beurteilt sich danach, ob die Einleitung oder der Eintrag bestimmter Wassermengen in die Schmutzwasseranlage gemäß der Zweckbestimmung bzw. - wie in der Zustimmungserklärung vom 21. März 2001 geregelt - den Nutzungsbedingungen der Anlage erfolgt. Demgemäß geht § 15 Abs. 3 SME von der „gemessenen Wassermenge“ - als nicht fremdem Wasser - aus und stellt dieser die - tatsächlich - zu entsorgende Schmutzwassermenge gegenüber. Die gemessene Wassermenge ist nach der Normsystematik identisch mit dem Ergebnis der Messungen nach § 15 Abs. 1 (und Abs. 2) SME, so dass gerade auch die aus Hauswasserversorgungsanlagen zugeführten und durch geeichten Wasserzähler ermittelten Wassermengen umfasst sind.

§ 15 Abs. 3 SME hat zur Folge, dass die - tatsächlich - zu entsorgende Schmutzwassermenge dann Grundlage der Gebührenberechnung wird, wenn sie die gemessene Wassermenge - wegen eines zusätzlichen, nicht beim Bezug gemessenen Wassereintrags (Fremdwassereintrag) - übersteigt. Bei dem späteren Wassereintrag, der aus der häuslichen Regenwassernutzung stammt, handelt es sich hier aber gerade um beim Bezug gemessenen (bzw. aufgrund einer langfristigen Messung gemäß § 15 Abs. 5 SME geschätzten) normalen und keinen „fremden“ unvorhergesehenen bzw. unzulässigen Schmutzwassereintrag.

Für die Jahre 2001 und 2002 hat der Beklagte keinen Anwendungsfall des § 15 Abs. 3 SME dargetan, der die Aufrechterhaltung der Gebührenveranlagung über die Kappungsgrenze von 90 % hinaus nach dieser Bestimmung rechtfertigen würde. Die zu entsorgenden Schmutzwassermengen übersteigen in diesen Jahren jeweils nicht die gemessenen Wasserbezugsmengen. Auf die vom Beklagten im Begründungsschriftsatz teilweise für vier Jahre addierten Mengenzahlen als solche kommt es nicht an, da nach den Leistungszeiträumen - wie sie im Übrigen auch der Beklagte seit dem Änderungsbescheid vom 8. Oktober 2007 zugrunde gelegt hat - hier eine jahresbezogene Betrachtung maßgeblich ist. Für das Jahr 2001 stehen gemäß der hier voranstehenden Auslegung des § 15 Abs. 3 SME aufgrund der Angaben des Beklagten gemessene Wassermengen von 79,8 m³ (= 55,2 m³ + 24,6 m³) Abfuhren nach Einleitscheinen von nur 70,0 m³ gegenüber. Für das Jahr 2002 wurde ein Bezug von 87,9 m³ (= 56,1 m³ + 31,8 m³) gemessen; abgefahren wurden lediglich 77,0 m³.

b) Die Zulassung der Berufung kommt auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in Betracht.

Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist und deren Klärung der Weiterentwicklung des Rechts förderlich ist. Der Beklagte hat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass die von ihm insoweit ins Feld geführte Frage einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist, wie der Fremd- und der Brauchwasserbegriff vor dem Hintergrund der Entsorgungssatzung des Verbandes zu verstehen sind, namentlich ob aufgrund der Erfassung des Niederschlagswassers mit einem gesonderten Zähler und der Genehmigung des Beklagten zur Verwendung auf dem Grundstück das Niederschlagswasser als Brauchwasser im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 SME anzusehen ist, das aus einer nichtöffentlichen Hauswasserversorgungsanlage dem Grundstück zugeführt wird. So ist der Antragsschrift bereits nicht zu entnehmen, in welchen Verbänden tatsächlich eine entsprechende Formulierung in einer Entsorgungssatzung ebenfalls verwendet worden sein soll. Unabhängig davon dürfte selbst aus einer gleichen Formulierung allein noch kein Allgemeininteresse an der Klärung der thematisierten Frage abzuleiten sein, da sich aus den jeweiligen Satzungen entsprechend der möglichen Vielfalt ihrer weiteren Regelungen unterschiedliche Anhaltspunkte für eine Auslegung einer entsprechenden Textpassage ergeben können. Soweit der Zulassungsantrag die Frage „der Definition und Behandlung von Aufliefermengen der öffentlichen Anlage, die außerhalb des übernommenen Aufgabengebietes der Schmutzwasserentsorgung, wie etwa Regenwasser, liegen“ anspricht, ist eine solche allgemeine Frage hier schon nicht entscheidungserheblich, sondern ist ein wesentlicher Teil der Antwort unter den konkreten Umständen des Falles dem jeweiligen Satzungsrecht zu entnehmen. Soweit der Beklagte der Rechtssache für das Land Brandenburg „globale“ Auswirkungen beimisst, legt er dafür nichts dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, Absatz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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