Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 08.12.2011 - 12 W 38/11
Fundstelle
openJur 2012, 16444
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 1. August 2011, Az.: 3 O 424/10, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsteller beantragt Prozesskostenhilfe in Bezug auf eine von ihm beabsichtigte Klage, mit der gegenüber der Antragsgegnerin Schadenersatz und Schmerzensgeld verlangt werden soll und insoweit beruft sich der Antragsteller auf Pflichtverletzungen der Antragsgegnerin im Rahmen der Strafverteidigung in einem gegen ihn gerichteten Verfahren wegen Mordes vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin. Der Antragsteller wirft der Antragsgegnerin insbesondere vor, nicht auf eine vollständige Auswertung von DNA-Spuren, die sich an dem Müllsack befunden haben, in dem das Opfer eingewickelt wurde, gedrängt zu haben, keinen Widerspruch gegen die zeugenschaftliche Vernehmung der Ermittlungsrichterin erhoben zu haben, es unterlassen zu haben, die Zeugin H… in der Hauptverhandlung dazu zu befragen, ob sie der Verwertung der Inhalte ihrer Aussage vor der Polizei zustimmt, pflichtwidrig den Zeugen S… nicht dazu befragt zu haben, welche Art von Messer sich in dem vom Antragsteller mitgenommenen Messerblock befunden hätten und schließlich die Beantragung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens unterlassen zu haben. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird Bezug genommen auf Ziffer I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts.

Das Landgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und hat gemeint, die vom Antragsteller dargestellten Pflichtverletzungen lägen nicht vor bzw. sei eine etwaige Pflichtverletzung nicht kausal für die Entscheidung im Strafverfahren geworden. Eine Veranlassung, auf eine weitergehende Auswertung der Spuren am Müllsack zu drängen, habe nicht bestanden. Es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass eine bereits bekannte Person Verursacher der Spur 43.29 gewesen sei. Insbesondere habe nichts auf den Zeugen S… L… hingedeutet. Eine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit dem eingeholten Schlüsselgutachten liege ebenso wenig vor wie eine solche in Bezug auf den nicht erfolgten Widerspruch der Vernehmung der Ermittlungsrichterin. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Widerspruch dazu geführt hätte, dass die Aussage der Ermittlungsrichterin nicht verwertbar gewesen wäre. Im Rahmen der nach tatrichterlichem Ermessen vorzunehmenden Prüfung, ob das Beweismittel verwertbar ist, sei davon auszugehen, dass hier keine Bedenken hinsichtlich des Ausschlusses des Antragstellers von der Vernehmung der Zeugin H… bestanden hätten. Es sei zu befürchten gewesen, dass die Zeugin H… als Ehefrau des Antragstellers unter dem Eindruck der Anwesenheit ihres Ehemannes entweder zu keiner Aussage bereit gewesen wäre oder ihr Aussageverhalten in Bezug auf die den Antragsteller belastenden Umstände mit besonderer Vorsicht gestaltet hätte. Auch eine Pflichtverletzung dahin, dass die Antragsgegnerin die Zeugin H… in der Hauptverhandlung nicht dazu befragt habe, ob sie einer Verwertung der Inhalte ihrer polizeilichen Vernehmung zustimme, sei nicht gegeben. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Zeugin H… eine derartige Zustimmung erteilt hätte. In Bezug auf den Messerblock habe ohnehin eine für den Antragsteller günstige Situation dahin bestanden, dass keine Aussage dazu habe getroffen werden können, ob ein Messer aus dem Messerblock überhaupt seiner Art nach als Tatwerkzeug in Betracht habe kommen können. Es sei deshalb nicht darauf angekommen, welche Beschaffenheit die Messer im verschwundenen Messerblock hatten.

Der Antragsteller hat gegen den am 03.08.2011 abgesandten Beschluss mit einem am 16.08.2011 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Er meint, gerade in einem Indizienprozess sei es die Pflicht eines Verteidigers, jede auch noch so unbedeutend erscheinende Tatsache, die zur Entlastung des Angeklagten geeignet ist, in der konkreten Verteidigung ins Feld zu führen und mit den vom Gesetz gegebenen prozessualen Mitteln in der Hauptverhandlung zu thematisieren. Gehe das Gericht noch nicht ausgewerteten Spuren entgegen der sich aus § 244 Abs. 1 StPO ergebenden Amtsaufklärungspflicht nicht nach, müsse der Verteidiger durch das Stellen entsprechender Anträge darauf hinwirken. Vorliegend hätten die Spuren an den Müllsäcken bereits nach den Feststellungen des ersten DNA-Gutachtens auswertbares zelluläres Material enthalten und seien damit einer Untersuchung zugänglich gewesen. Im Zeitpunkt der Hauptverhandlung habe, was aktenkundig gewesen sei, die Mordkommission die Gerichtsbiologie des Landeskriminalamts beauftragt, die festgestellten DNA-Spuren mit anderen Personen entnommenem DNA-Material zu vergleichen und diese Untersuchung sei im Zeitpunkt der Durchführung der Hauptverhandlung noch nicht abgeschlossen gewesen. Die Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus den Untersuchungen entlastendes Material zugunsten des Antragstellers ergeben würde, gering gewesen sei, rechtfertige es in einem Prozess, in dem dem Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe drohe, nicht, die noch ungeklärten Fragen „unter den Tisch fallen zu lassen“. Insgesamt liege hier ein klassischer Anwaltsfehler im Rahmen eines Indizienprozesses vor.

Hinsichtlich der Verwertung der Aussage der Ehefrau gehe das Landgericht zu Unrecht davon aus, dass der seinerzeitige Schuldspruch nicht auf den Angaben der Ehefrau beruht habe und überdies hätten auch keine konkreten Anhaltspunkte vor dem Hintergrund des § 168 c Abs. 3 S. 1, 2 StPO, die den Ausschluss gerechtfertigt hätten, vorgelegen. In Bezug auf die unterlassene Befragung der Ehefrau zur Zustimmung der Verwertung ihrer Angaben gegenüber der Polizei verkenne das Landgericht, dass das Aussageverhalten der Ehefrau für ihn, den Antragsteller, unmittelbar entlastend gewesen wäre, da sie nicht als mögliche Täterin hätte ausgeschlossen werden können. Dass die Frage, wie sich die Ehefrau bei entsprechender Belehrung entschieden hätte, heute nicht mehr beantwortet werden könne, könne nicht dem Antragsteller angelastet werden, so dass sich insoweit eine Beweislastumkehr ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 01.09.2011 nicht abgeholfen und hat die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Zwar kann sich auch gegenüber einem Pflichtverteidiger ein vertraglicher Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB ergeben, denn unabhängig davon, dass der Pflichtverteidiger in einem öffentlich-rechtlichen Pflichtverhältnis zum Staat steht, besteht aufgrund seiner Bestellung ein gesetzliches Schuldverhältnis und auch gesetzliche Schuldverhältnisse fallen in den Anwendungsbereich des § 280 Abs. 1 BGB (vgl. Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 3. Aufl., § 3, Rn. 26; Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 280 Rn. 9; vgl. zum Ganzen auch Schlecht, Die zivilrechtliche Haftung des Strafverteidigers, S. 15 ff). Zu einem Schaden führende Pflichtverletzungen der Beklagten liegen jedoch nicht vor.

1.

Soweit der Antragsteller der Antragsgegnerin vorwirft, nicht auf eine vollständige Auswertung der DNA-Spuren an den Müllsäcken gedrängt zu haben, folgt daraus eine Pflichtverletzung nicht. Gem. § 244 Abs. 2 StPO hat zunächst einmal das Gericht im Gegensatz zu Verfahren mit Beibringungsgrundsatz zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind, wobei das Gericht seine Entscheidungen unabhängig vom Verhalten des Anwalts trifft. Gleichwohl folgt daraus nicht, dass der Anwalt die Entscheidung des Gerichts nicht durch Stellung von Anträgen beeinflussen kann, sondern im Gegenteil stellt es eine der wesentlichen Aufgaben eines Verteidigers dar, von sich aus dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken. Dass ein solcher Fall hier gegeben ist, ist jedoch nicht erkennbar. Übersieht z. B. das Gericht - für den Anwalt erkennbar -, dass es an dem erforderlichen Strafantrag fehlt oder Verfolgungsverjährung eingetreten ist oder ein sich zugunsten des Angeklagten auswirkender Strafzumessungsgrund vom Gericht nicht erwogen wird, so ergeben sich Hinweispflichten des Anwalts. Hier aber ist nicht die Annahme gerechtfertigt, dass für die Antragsgegnerin erkennbar das Gericht nicht bedacht hatte, dass sich auf den Müllsäcken noch Spuren befanden, die weder vom Antragsteller noch vom Opfer und von seiner Ehefrau stammten. Der Antragsteller räumt selbst ein, dass die Wahrscheinlichkeit, ihn entlastende Erkenntnisse bei weiterer Auswertung des DNA-Materials zu gewinnen, äußerst gering war. Die Begutachtung vom 21.02.2006 hatte ergeben, dass u. a. auch an der hier maßgeblichen Spur 43.29 zelluläres Material erfasst wurde, überwiegend vom Geschädigten. Als Mitverursacher einiger Spuren kamen zwei weitere Personen in Betracht, die allerdings hinsichtlich ihrer Bezeichnung nicht mit dem Zeugen L… übereinstimmten. Überdies wurde festgestellt, dass teilweise die Qualität der Spuren so schlecht sei, dass zu den Verursachern der zellulären Beimengung keine Aussagen möglich seien. Richtig ist, dass nach der 6. Ergänzung zum Untersuchungsantrag vom 20.02.2006 noch ermittelt werden sollte, ob die noch offenen biologischen Spuren durch die im Einzelnen aufgelisteten tatortberechtigten Personen verursacht worden seien. Dass sich aus dieser allgemeinen Bezeichnung noch Erkenntnisse gewinnen lassen könnten gerade in Bezug auf die Spur 43.29 war ohne weiteres nicht erkennbar. Wie sich aus dem Nachtrag zum Behördengutachten aus Oktober 2006 ergibt, wurde erst am 27.09.2006 der Untersuchungsantrag zur weiteren Auswertung der Spur 43.29 übersandt und anlässlich dieser konkreten Untersuchungsgrundlage konnte festgestellt werden, dass sich an der Spur wahrscheinlich zelluläres Material von zwei Personen befindet, u. a. von dem Zeugen L…. Die Möglichkeit dahingehender Feststellungen zeichnete sich im Zeitpunkt der Durchführung der Hauptverhandlung im April 2006 nicht ab. Nach der bis zur Hauptverhandlung vorliegenden Begutachtung schien nicht zuletzt auch wegen der schlechten Qualität der Spuren eine weitere Zuordnung kaum möglich. Der Senat verkennt nicht, dass der Antragsteller hier des Mordes verdächtigt wurde und ihm demzufolge eine lebenslange Freiheitsstrafe drohte, so dass ein Verteidiger grundsätzlich darauf hinwirken sollte, dass Spuren, die den Mandanten entlasten können, untersucht werden. Hier aber bestand kein begründeter Anlass zu der Annahme, dass sich gerade an dem Müllsack, in dem das Opfer eingewickelt wurde, noch durch weitere Begutachtung Spuren einer Person ermitteln lassen könnten, die ebenfalls in einer zu beachtenden Beziehung zum Opfer und dessen Umfeld standen.

Gerade weil mit einem solchen Ergebnis nicht ernsthaft zu rechnen war, ist auch nicht ersichtlich, dass das Landgericht Neuruppin seinerzeit einem etwaigen „Drängen“ der Antragsgegnerin in Bezug auf eine vollständige Auswertung der DNA-Spuren nachgegangen wäre, zumal ohnehin unklar bleibt, in welcher Form ein solches „Drängen“ hier hätte erfolgen sollen. Ein Beweisantrag gem. § 244 Abs. 3 StPO im eigentlichen Sinne kam nicht in Betracht, da dieser angesichts der bestehenden Unklarheiten nicht in eine konkrete Beweisfrage hätte münden können. Denkbar wäre allenfalls ein Beweisermittlungsantrag, der der Vorbereitung von Beweisanträgen dient, die der Antragsteller noch nicht stellen kann, weil er die Beweistatsachen nicht kennt oder das Beweismittel nicht bestimmt bezeichnen kann (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 244 Rn. 25). Denkbar wären insoweit auch eine Beweisanregung oder ein Beweiserbieten gewesen, die aber nicht der strengen Bewertung von Beweisanträgen unterliegen, die also nicht entsprechend § 244 Abs. 6 StPO im Falle ihrer Ablehnung eines begründeten Gerichtsbeschlusses bedürfen.

Selbst wenn man der Auffassung ist, die Antragsgegnerin hätte eine der vorgenannten Möglichkeiten zur Anwendung gelangen lassen müssen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Landgericht dem nachgekommen wäre. Es erscheint ohne weiteres möglich, dass das Landgericht die Indiztatsache, dass sich an dem Müllsack noch Spuren von Personen befinden, die nicht dem Antragsteller zuzuordnen sind, für bedeutungslos erachtet hätte, weil diese Tatsache auf die Entscheidung deshalb keinen Einfluss hatte, weil sich daraus keine zwingenden Schlüsse in Bezug auf die Täterschaft einer anderen Person ergeben können und das Gericht diesen möglichen Schluss auch nicht hat ziehen wollen. Die Urteilsbegründung des Landgerichts Neuruppin ergibt hinreichend deutlich, dass das Gericht aufgrund der zahlreichen gegen den Antragsteller sprechenden Indizien von dessen Täterschaft überzeugt war. So hatte der Antragsteller ein starkes Motiv, weil die Trennung von seiner Ehefrau drohte und er an der Ehe wegen der Kinder festhalten wollte. Kurz vor der Tat hatte der Antragsteller dem Opfer auf einem Oktoberfest die Nase gebrochen. Nach den Angaben der Ehefrau fehlte der Schlüssel der Opferwohnung an ihrem Schlüsselbund, so dass der Antragsteller die Möglichkeit hatte, ungehindert in die Wohnung des Opfers einzudringen. Am Tag nach der Tat hatte der Antragsteller sich eine Sackkarre beim Schwager ausgeliehen und die verwendeten Mülltüten gab es im Hause H…. Kurz zuvor war eine Aussprache mit dem Opfer gescheitert und der Antragsteller hatte auch kein Alibi. Schließlich hat er einen Messerblock aus der heimischen Küche verschwinden lassen mit der Begründung, er wolle verhindern, dass sich seine Ehefrau etwas antue, obwohl in der Küche noch zahlreiche andere Messer verblieben waren. Hierauf hat das Landgericht Neuruppin seine Entscheidung im Wesentlichen gestützt, ohne dass auch nur ansatzweise erkennbar wird, dass sich für das Landgericht an dieser Einschätzung etwas geändert hätte, wenn sich erwiesenermaßen an dem Müllsack eine Spur befunden hätte, die einer bestimmten Person zugeordnet werden konnte. Vor diesem Hintergrund hätte das Gericht die Beweistatsache auch als wahr unterstellen können und auch für diesen Fall wäre eine Beweiserhebung überflüssig gewesen und der Antrag zurückzuweisen gewesen. Eine dahingehende Verfahrensweise stellt sich auch in der Nachbetrachtung aus heutiger Sicht nicht als fehlerhaft dar, so dass auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass eine dahingehende Verfahrensweise des Landgerichts im Revisionsverfahren keinen Bestand gehabt hätte. Kann also bereits nicht festgestellt werden, dass das Landgericht einem etwaigen „Drängen“ der Antragsgegnerin tatsächlich nachgekommen wäre bzw. hätte nachkommen müssen, kann folgerichtig auch nicht die Erkenntnis gewonnen werden, dass der Antragsteller durch das Landgericht Neuruppin freigesprochen worden wäre, wenn das Landgericht die Erkenntnisse aus dem Gutachten aus Oktober 2006 berücksichtigt hätte, so dass selbst für den Fall, dass man vom Vorliegen einer Pflichtverletzung ausgeht, eine Kausalität zwischen dieser Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden nicht feststeht. Die Beweislast hierfür trifft den Antragsteller, und zwar unter Berücksichtigung des erleichterten Beweismaßes des § 287 ZPO (vgl. Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 1940; OLG München, Beschl. v. 30.12.2005, Az.: 15 W 2574/05, noch weitergehend Zwiehoff, StV 1999, 555, 561, wonach es keine Beweislast gibt, weil eine Beweisführung zur Kausalität gänzlich ausgeschlossen ist). Soweit das OLG Nürnberg (StV 1992, 481 f) bei der Frage der im Ermessen des Gerichts stehenden richterlichen Strafzumessung eine Beweisumkehr angenommen hat, weil sich der Mandant in einer ungewöhnlich schwierigen Beweislage befinde, ist dem - jedenfalls für den vorliegenden Fall - nicht zu folgen. Im vorliegenden Fall geht es um die Beantwortung der Frage, ob es bei pflichtgemäßen Verhalten nicht zu einer Verurteilung, sondern zu einem Freispruch gekommen wäre. Die insoweit zu treffende Entscheidung beruht auf freier richterlicher Beweiswürdigung. Für die Überzeugungsbildung genügt es, dass für den Tatrichter ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit besteht, dem gegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr laut werden können (Meyer-Goßner, § 261 Rn. 2; BGH NStZ 1988, 19; 1988, 236, 237). Es kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass das Landgericht Neuruppin unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus dem Gutachten von Oktober 2006 zu einem anderen Beweisergebnis gekommen wäre und es kann weiter nicht davon ausgegangen werden, dass das Landgericht seinerzeit eine andere Entscheidung aufgrund der neuen Erkenntnisse hätte richtigerweise treffen müssen. Der Beweiswürdigung im Urteil des Landgerichts Neuruppin ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass das Landgericht von der Täterschaft des Antragstellers überzeugt war und aus der Tatsache, dass das Landgericht auch von sich aus keinen Aufklärungsbedarf mehr gesehen hat in Bezug auf die noch nicht vollständig erfolgte Auswertung aller Spuren, ist zu entnehmen, dass es auch unter Berücksichtigung der im Oktober 2006 gewonnenen Erkenntnisse nicht zu einer anderen Überzeugungsbildung gelangt wäre. Der BGH hat im Revisionsverfahren etwaige Einwände der Revision gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung als offensichtlich unbegründet erachtet. Soweit er weiter ausgeführt hat, dass die sich aus dem Gutachten des Landeskriminalamts Brandenburg ergebenden neuen Erkenntnisse im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden können, folgt daraus nicht, dass im Falle einer solchen Berücksichtigung das Beweisergebnis anders hätte bewertet werden müssen. So haben in der Folge zunächst das Landgericht Cottbus und das Brandenburgische Oberlandesgericht auch unter Berücksichtigung der gewonnenen neuen Erkenntnisse keinen Anlass gesehen, dem Antrag des Antragstellers auf Wiederaufnahme des abgeschlossenen Strafverfahrens stattzugeben. Das starke Mordmotiv des Antragstellers und sein eigenes Nachtatverhalten belasteten ihn neben einigen weiteren Gesichtspunkten schwer, während das Landgericht Cottbus eine denkbare Täterschaft des Zeugen L… nur als theoretisch bestehende Möglichkeit erachtet hat. Diese Sicht der Dinge kann nicht als falsch bewertet werden. Auch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat in seiner Entscheidung vom 19.11.2009 das Beweisergebnis nicht als unzutreffend bewertet, sondern es hat es für nicht sachgerecht erachtet, dass das Landgericht dem Antragsteller nicht durch das Instrumentarium der Hauptverhandlung es ermöglicht hat, mittels eines Verteidigungskonzepts auf den Prozess der Wahrheitsfindung einzuwirken. Dass sich das Landgericht Cottbus im Wiederaufnahmeverfahren schließlich nicht mehr frei von vernünftigen Zweifeln davon hat überzeugen können, dass der Antragsteller der Täter war, beruht auf dessen eigenständiger Beweiswürdigung, die nicht allein darauf beruht, dass sich am Müllsack eine Spur befand, die dem Zeugen L… zuzuordnen war, sondern auch darauf, dass das Landgericht auch andere Gesichtspunkte, die gegen eine Täterschaft des Antragstellers sprachen, stärker bewertet hat, so dass es nach Würdigung aller Umstände die dargestellten Zweifel an der Täterschaft des Antragstellers nicht hat überwinden können. Die vom Landgericht Cottbus dargestellten Zweifel hatte demgegenüber das Landgericht Neuruppin vier Jahre zuvor nicht und es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es allein bei Kenntnis der vollständigen Spurenauswertung seinerzeit zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre bzw. hätte kommen müssen. Die Möglichkeit eines Freispruchs stellt sich nicht als wahrscheinlicher dar als eine Verurteilung des Antragstellers.

Fehlt es nach alledem bereits an einer Pflichtverletzung der Antragsgegnerin und überdies auch an der Kausalität einer - unterstellten - Pflichtverletzung zum eingetretenen Schaden, kommt es auf die Frage der Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nicht mehr an. Gleichwohl ist ergänzend festzustellen, dass etwaige Ansprüche des Antragstellers verjährt sein dürften. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) endete zum 31.12.2009, demgegenüber ging der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erst am 05.11.2010 beim Landgericht ein. Der Beginn der Verjährungsfrist richtet sich nach § 199 Abs. 1 BGB und die für den Verjährungsbeginn u. a. erforderliche Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hat der Mandant, wenn er von der Pflichtverletzung, dem Schaden und der Person des Schadensersatzpflichtigen so viel weiß, dass er darauf eine Erfolg versprechende Klage - mindestens als Feststellungsklage - stützten könnte (BGH NJW 2001, 885 m.w.N.). Es ist weder die Kenntnis von Einzelheiten erforderlich noch eine zutreffende rechtliche Würdigung. Das Ergebnis der vollständigen Auswertung der DNA-Spuren lag im Oktober 2006 vor. Noch im Jahre 2006 hat der Antragsteller Maßnahmen zur Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens eingeleitet. Er kannte mithin im Jahre 2006 das Ergebnis der DNA-Begutachtung und er wusste auch, dass die Antragsgegnerin nicht darauf hingewirkt hatte, dass vor Abschluss des Verfahrens zunächst noch die Auswertung sämtlicher Spuren erfolgen bzw. abgewartet werden soll. Aus Sicht des Antragstellers stellt sich dies als gravierende Pflichtverletzung dar und er bringt zum Ausdruck, dass sich eine Auswertung der Spuren geradezu aufgedrängt habe und das Unterlassen der Auswertung fassungslos mache. Diese Erkenntnisse lagen aber auch bereits im Jahre 2006 vor und überdies wusste der Antragsteller, dass er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt war, der Schaden also ebenfalls bereits eingetreten war. Weitere Tatsachen, von denen der Antragsteller erst im Laufe der Jahre Kenntnis erhalten hat und die seinen Anspruch stützen würden, haben sich nicht ergeben. Neu ist lediglich die Tatsache, dass der schon im Jahre 2006 eingetretene Schaden dadurch zeitlich begrenzt wurde, dass er nach Durchführung des Wiederaufnahmeverfahrens letztendlich freigesprochen und aus der Haft entlassen wurde. Die Tatsache, dass aber wegen des noch schwebenden Wiederaufnahmeverfahrens der Schaden nicht abschließend beziffert werden konnte, stellt keinen Hinderungsgrund in Bezug auf die Erhebung einer Schadensersatzklage dar. So wie der Antragsteller die Dinge darstellt, war die Sach- und Rechtslage in Bezug auf das Vorliegen einer Pflichtverletzung, eines Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen eindeutig und hing nicht entscheidend von der Beantwortung der Frage ab, welchen Ausgang das Wiederaufnahmeverfahren letztlich nehmen würde. Selbst wenn im Verlaufe des Schadensersatzprozesses es für sachdienlich erachtet worden wäre, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, hätte es dahingehende prozessuale Möglichkeiten durch Anwendung der §§ 148, 149 ZPO gegeben. Demgegenüber hinderte der noch nicht feststehende Ausgang des Wiederaufnahmeverfahrens nicht von vornherein die Erhebung einer Klage zumindest als Feststellungsklage. Aufgrund des bereits im Jahre 2006 entstandenen (Teil-) Schadens hat die Verjährung auch für die weiteren adäquat verursachten Nachteile, mit deren Eintritt bei verständiger Würdigung gerechnet werden musste, begonnen (vgl. Vollkommer/Greger/Heinemann, § 24 Rn. 3). Aufgrund der ausgesprochenen Verurteilung zu lebenslanger Haft stand fest, dass sich der schon eingetretene Schaden auch in der Folgezeit weiter fortsetzen würde.

2.

Soweit der Antragsteller der Antragsgegnerin vorwirft, keinen Widerspruch gegen die zeugenschaftliche Vernehmung der Ermittlungsrichterin erhoben zu haben und ein solcher geboten gewesen wäre, weil bei der Aussage der Ehefrau vor der Ermittlungsrichterin der Antragsteller gem. § 168 c StPO - unberechtigt - ausgeschlossen worden sei, folgt auch daraus kein Schadensersatzanspruch. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein solcher Widerspruch erfolgreich gewesen wäre. Das Landgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Ausschluss des Antragstellers bei der Vernehmung seiner Ehefrau nicht zu beanstanden ist. Soweit der Antragsteller meint, allein die bloße Befürchtung reiche nicht aus, sondern es müssten konkrete Anhaltspunkte gegeben sein, ist zunächst einmal darauf hinzuweisen, dass bereits der Gesetzeswortlaut des § 168 c Abs. 3 S. 2 StPO den Ausschluss billigt, wenn zu „befürchten“ ist, dass ein Zeuge in Gegenwart des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen werde. Es mag sein, dass für eine solche Befürchtung konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen. Diese waren hier aber aus den vom Landgericht angeführten Gründen gegeben. Unabhängig davon bestehen auch insoweit Zweifel, dass selbst bei Vorliegen einer Pflichtverletzung der Nachweis der Kausalität zwischen einer solchen Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden zu führen ist. Dass die von der Ermittlungsrichterin wiedergegebene Aussage der Ehefrau die Urteilsfindung maßgeblich beeinflusst hat, steht nicht fest. Schließlich greift auch insoweit der Einwand der Verjährung, denn die maßgeblichen Tatsachen zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches standen bereits im Jahre 2006 - erkennbar - fest.

3.

Ebenso wenig ergibt sich eine Pflichtverletzung in Bezug auf die unterlassene Befragung der Zeugin H… dahin, ob sie einer Verwertung ihrer Angaben gegenüber der Polizei zustimmt, nachdem sie in der Hauptverhandlung von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Strafverteidigung hinsichtlich der Verteidigungsstrategie ein gewisser Beurteilungsspielraum zu belassen ist und ein Strafverteidiger für strategische Fehleinschätzungen, so sie denn überhaupt vorliegen sollten, nicht ohne weiteres haftbar gemacht werden kann. Aus einem ungünstigen Ausgang des Strafprozesses kann deshalb nicht ohne weiteres auf einen Pflichtenverstoß des Anwalts rückgeschlossen werden. Dass die nicht erfragte Zustimmung der Ehefrau zur Verwertung ihrer Angaben nicht mehr im zuzugestehenden Beurteilungsspielraum lag, sondern pflichtwidrig war, kann bisher nicht festgestellt werden. Darüber hinaus ist völlig ungewiss, ob die Zeugin H… auf entsprechende Nachfrage hin einer Verwertung ausdrücklich zugestimmt hätte und ebenso offen ist, ob sich daraus tatsächlich ein anderer Ausgang des Strafverfahrens ergeben hätte. Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, insoweit kämen ihm Beweiserleichterungen in Form einer Beweislastumkehr zulasten der Beklagten zugute, ist dem nicht zu folgen. Das Vorbringen des Antragstellers beruht ausschließlich auf Spekulationen, hinsichtlich derer nicht ersichtlich ist, weshalb insoweit die bestehenden Unklarheiten zulasten der Beklagten gehen sollen und ihr nun die Beweislast dafür obliegen soll, dass sich die unterlassene Befragung der Zeugin H… auf den Verlauf des Strafverfahrens nicht ausgewirkt hat. Zur Frage der Verjährung kann wiederum auf die vorangegangenen Ausführungen Bezug genommen werden.

4.

Soweit der Antragsteller der Antragsgegnerin vorwirft, den Zeugen S… nicht dazu befragt zu haben, welche Art von Messer sich in dem vom Antragsteller mitgenommenen Messerblock befunden habe, folgt auch daraus keine zu dem eingetretenen Schaden führende Pflichtverletzung. Unabhängig davon, dass offen ist, wie sich der Zeuge auf eine entsprechende Frage hin geäußert hätte und welche Erkenntnisse daraus hätten gewonnen werden können, hat das Landgericht darauf abgestellt, dass zugunsten des Antragstellers schon damals ohnehin nicht sicher beurteilt werden konnte, ob die Messer aus dem Messerblock ihrer Art nach als Tatwerkzeug in Betracht kamen. Soweit der Zeuge S… vor dem Landgericht Cottbus vier Jahre nach seiner ersten Vernehmung angegeben hat, in dem Messerblock hätten sich Steakmesser mit Wellenschliff befunden, ist bereits unklar, ob er entsprechende Angaben auch auf Nachfrage in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Neuruppin gemacht hätte. Unabhängig davon ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten nicht zwingend, dass ein Messer mit Wellenschliff als Tatwerkzeug völlig ausscheidet. Vor diesem Hintergrund war die Beantwortung der Frage nicht von maßgeblicher Bedeutung und im Übrigen war auch nicht klar, ob sich die vom Antragsteller für erforderlich gehaltene Nachfrage nicht möglicherweise auch zuungunsten des Antragstellers hätte auswirken können, je nach dem, welche Antwort der Zeuge insoweit gegeben hätte. Die Fragestellung fällt deshalb ebenfalls in den Bereich der Verteidigungsstrategie, hinsichtlich derer der Antragsgegnerin ein Beurteilungsspielraum zusteht. Schließlich lagen auch insoweit die jetzt vorgetragenen Erkenntnisse bereits im Jahre 2006 vor, so dass sich die Antragsgegnerin hier ebenfalls mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen kann.

5.

Die Relevanz der Ausführungen in der Beschwerdebegründung zum Unterlassen der Beantragung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens erschließt sich nicht. Aufgrund des ersten Revisionsverfahrens wurde ein solches Gutachten eingeholt, ohne dass sich dies auf das Strafmaß ausgewirkt hätte. Die lebenslange Freiheitsstrafe wurde vielmehr erneut ausgesprochen und die hiergegen gerichtete Revision blieb ohne Erfolg.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Inanspruchnahme des Antragstellers für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens bereits aus Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG ergibt, das erstinstanzliche Verfahren gerichtsgebührenfrei ist und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden, §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1, 2 ZPO bestehen nicht. Es handelt sich um eine Entscheidung, die unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles ergeht und die deshalb nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und die auch im Übrigen zu grundsätzlichen Rechtsfragen nicht von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht.