LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.07.2011 - 26 Sa 1269/10
Fundstelle
openJur 2012, 15599
  • Rkr:

1. Die Schule ist nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Gesetz über die Schulen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Schulgesetz - BbgSchulG) zum Schutz der seelischen und körperlichen Unversehrtheit, der geistigen Freiheit und der Entfaltungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler verpflichtet. Die körperliche Züchtigung sowie andere entwürdigende Maßnahmen sind nach § 63 Abs. 1 Satz 3 BbgSchulG verboten.

2. Angesichts des besonders sensiblen Bereichs der sexuellen Selbstbestimmung müssen Lehrer nicht nur von jeglicher Übergrifflichkeit absehen, was selbstverständlich ist, sondern auch durch ein ihrem Auftrag angepasstes Verhalten den Eindruck einer solchen und insbesondere einer sexuellen Motivation verhindern. Jeglicher Anschein sexuell motivierten Verhaltens gegenüber den einem Lehrer anvertrauten Kindern muss zwangsläufig Ängste bei den betroffenen Eltern und den Kindern hervorrufen, die strikt zu vermeiden sind. Dazu ist insbesondere die Intimsphäre der Kinder uneingeschränkt zu wahren.

3. Die Anforderungen an ein Glaubhaftigkeitsgutachten, die der BGH insbesondere in seiner Entscheidung vom 30. Juli 1999 (1 StR 618/98 - NJW 1999, 2746) zusammengefasst hat, finden auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren uneingeschränkt Anwendung.

4. Einer psychologischen Sachverständigen ist es erlaubt, tatsächliche Angaben zu sammeln, soweit sie diese als Material für ihr Gutachten für erforderlich hält. Sie darf insoweit ua. Urkunden einsehen und Personen befragen (Stein-Jonas/Leipold vor § 402 Rn. 18). Der Grundsatz der Unmittelbarkeit steht solchen Ermittlungen der Sachverständigen nicht entgegen, weil es sich nicht um eine gerichtliche Beweisaufnahme und auch nicht um einen Ersatz dafür handelt.

5. Werden einem Lehrer fortgesetzte kontinuierliche Pflichtverstöße vorgeworfen, ist ein solcher Vortrag einlassungsfähig. Die in das Unterrichtsgeschehen eingebetteten Pflichtverletzungen müssen nicht in zeitlicher Hinsicht weiter konkretisiert werden, was gerade bei Sexualdelikten deliktstypisch im Nachhinein nicht mehr möglich ist. Das gilt insbesondere, wenn ein Glaubhaftigkeitsgutachten zu dem Ergebnis geführt hat, dass die betroffenen Kinder den geschilderten Sachverhalt tatsächlich erlebt haben und gar nicht die Fähigkeit besitzen einen dem einschlägigen Muster entsprechenden Vortrag zu erfinden sowie fortzuschreiben.

6. Ein Grundsatz der "materiellen" Unmittelbarkeit (wonach nur diejenigen Beweismittel zulässig sind, die ihrem Inhalt nach der erheblichen Tatsache am nächsten stehen) ist weder dem Arbeitsgerichtsgesetz noch der Zivilprozessordnung zu entnehmen. Es steht den Parteien frei, auch bei vorhandenen unmittelbaren Beweismitteln sich auf die Benennung mittelbarer Beweismittel zu beschränken. Das können insbesondere Urkunden und Sachverständigengutachten sein, auch wenn Zeugen zur Verfügung stehen. Auf diesem Wege kann Opferschutzgesichtspunkten Rechnung getragen werden. Der Prozessgegner hat allerdings jederzeit die Möglichkeit, die Vernehmung der Zeugen durch entsprechende Beweisantritte zu erzwingen.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 18. März 2010 – 7 Ca 2074/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit außerordentlicher und ordentlicher Tat- und Verdachtskündigungen.

Der 1948 geborene Kläger begann 1968 seinen Vorbereitungsdienst bei dem Rat des Kreises in G.. Seitdem war er als Lehrer tätig, zuletzt bei dem beklagten Land. Bis 2006 unterrichtete er höhere Klassen an einer Schule in P.. Nach Auflösung dieser Schule im Jahr 2006 setzte ihn das beklagte Land an einer Grundschule ein. Dort war er zunächst als Klassenlehrer einer vierten Klasse und darüber hinaus auch in anderen Klassen tätig. Der Kläger war zunächst bei Eltern und Kindern wegen seiner lockeren Art und seiner Späße recht beliebt. In der vierten oder fünften Klasse kam es dann zu einem Vorfall, den die Kinder durchweg als schockierend empfanden. Der Kläger fasste einen Schüler an beiden Armen, hob ihn hoch und schüttelte ihn heftig. Die Eltern des Schülers wandten sich an die Schule. Es kam zu einer Aussprache, in deren Rahmen sich das Kind bei dem Kläger entschuldigte. Der Kläger entschuldigte sich auf Veranlassung der Schulleitung seinerseits bei den Eltern und dem Schüler. Der Schulverwaltung wurden die Einzelheiten erst anlässlich einer Vernehmung des Schülers R. am 16. September 2009 im vollen Umfang bekannt. Nicht besonders glücklich waren die Kinder auch darüber, dass der Kläger es ablehnte, mit ihnen Klassenfahrten zu unternehmen. In der Berufungsverhandlung begründete er das damit, dass er in der Nachwendezeit dazu nicht mehr bereit gewesen sei, weil er aufgrund der geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse damit habe rechnen müssen, dass ihm sexuelle Belästigung vorgeworfen werde. Es kam zu Gesprächen mit den Eltern.

In der Klasse, die ihm als Klassenlehrer übertragen war, fasste er Mädchen, die aus verschiedenen Gründen neben ihm standen, um die Hüfte und zog sie dabei an sich heran. Das stellte der Kläger in der Berufungsverhandlung unstreitig. Streitig ist unter den Parteien, wie die Mädchen sich dabei verhalten haben und ob der Kläger ihnen bei dieser Gelegenheit auch an den Po gefasst hat. Ein Mädchen mit dem Nachnamen F. nannte er – jedenfalls gelegentlich – „Ficki“. Streitig ist unter den Parteien noch, ob dies regelmäßig geschah. Bei verschiedenen Gelegenheiten rief er die Kinder nach einer sog. Klassenliste auf. Dabei – so der Kläger in der mündlichen Verhandlung – kürzte er die Nachnamen mit den ersten drei Buchstaben ab, den Namen F. z.B. mit „Fic“, den Namen K. mit „Klo“. Wenn die Kinder vor der Klasse Aufgaben richtig gelöst hatten, erhielten sie von dem Kläger meist einen Klaps auf den Po.

Der Kläger zog sich jedenfalls einmal vor Kindern dieser Klasse um. Er stand dabei frontal in Unterhose vor mehreren Mädchen und Jungen. Ein Mädchen, J. Z., lief bei dieser Gelegenheiten weinend aus der Klasse. Ob der Kläger zuvor noch gesagt hatte: „Na J., das gefällt Dir, was?“ oder etwas Sinngemäßes, ist unter den Parteien streitig. Eine Schülerin schilderte später im Rahmen der Befragung durch die Schulverwaltung, dass der Kläger anwesende Mädchen in diesem Zusammenhang auch aufgefordert habe, sich mit ihm im Klassenraum umzuziehen. Sie hätten das aber abgelehnt. Der Schulleiter, der das Umziehen des Klägers vor den Kindern mitbekommen hatte, rügte ihn dafür. Der Schulleiter erklärte später im Rahmen der Untersuchung, er habe den Kläger zweimal dabei beobachtet, wie er sich vor Kindern umgezogen habe.

Der Kläger unterrichtete auch in einer dritten Klasse. Auch in dieser Klasse umfasste er jedenfalls ein Mädchen und zog es an sich heran, wenn es neben ihm stand. Streitig ist, ob er dem Kind dabei auch auf Bauch und Schamhügel gefasst hat.

Wegen der Zustände in der Klasse des Klägers kam es wiederholt zu Beschwerden durch Eltern. Nachdem der Kläger bereits längere Zeit gefehlt hatte, fiel er krankheitsbedingt ab November 2008 vollständig aus. Inzwischen waren die Schüler, deren Klassenlehrer er war, in der sechsten Klasse. Im Februar 2009 wurde der Lehrerin G. die Klassenleitung übertragen. Sie war bereits zuvor als Differenzierungslehrerin in der Klasse tätig gewesen. Sie fand nach einem von ihr am 9. Juli 2009 erstellten Vermerk nach Übernahme der Klasse sich sehr zurücknehmende Mädchen auf der einen und laute, sich gegenseitig verbal und körperlich verletzende Jungen auf der anderen Seite vor. Zur Aufarbeitung besprach sie mit den Kindern Sitzplanänderungen, intensivierte die Elternarbeit, führte ein Anti-Aggressionstraining unter Anleitung des S. e.V. T. mit psychologischer Begleitung durch sowie Exkursionen und weitere Maßnahmen.

Einige Tage vor einer zweitägigen Exkursion auf einen Bauernhof, nämlich am 23. Juni 2009, teilte die Leiterin einer Kunst-AG (Frau M.) Frau G. mit, dass ihr Mädchen von körperlichen Übergriffen durch den Kläger berichtet hätten. Im Rahmen der Exkursion saßen am 1. Juli 2009 (dem Abfahrtstag) nach dem Essen einige Kinder, überwiegend Mädchen, noch beieinander. Sie unterhielten sich über den Kläger. Das bekam Frau G. mit. Sie fragte die Kinder, wie sie zu dem Kläger stünden. Da schilderten die Mädchen ausführlich angebliche körperliche Berührungen durch den Kläger und veranschaulichten diese auch. Frau G. informierte zunächst die die Exkursion begleitende Elternsprecherin, Frau R., und den Elternsprecher, Herrn R.. Die Kinder wiederholten diesen gegenüber die Äußerungen und Darstellungen.

Am 7. Juli 2009 berichtete Frau G. dann im Rahmen einer Lehrerkonferenz über die Äußerungen der Schülerinnen zu dem Verhalten des Klägers. Am 9. Juli 2010 fertigte sie dazu einen Vermerk. Insoweit wird Bezug genommen auf die Anlage 5 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 11. November 2009.

Das Schreiben lag dem (kündigungsberechtigten) Leiter des Schulamts des beklagten Landes am 16. Juli 2009 vor, dem Tag des Beginns der bis zum 29. August 2009 dauernden Sommerferien. Der zuständige Mitarbeiter des Schulamtes nahm am Freitag, dem 17. Juli 2009, Kontakt mit dem Schulleiter der Grundschule und Frau G. auf. Am Montag, dem 20. Juli 2009, folgte ein Gespräch mit dem Elternsprecher, der diejenigen Mädchen benannte, die die angeblichen „Vorfälle sexueller Belästigung“ sehr detailliert geschildert hätten. Am selben Tag hörte er Frau G. im Schulamt persönlich an. Im Rahmen dieses Gesprächs berichtete Frau G. auch, dass sie beobachtet habe, wie der Kläger mit zwei Fingern der Schülerin N. H. vom Bauch über die Brust bis zum Hals hoch und wieder zurück gestrichen habe. Dabei habe er seine Finger zwischen den Brüsten der Schülerin entlang geführt. Frau G. schilderte auch die Äußerungen der Mädchen bei dem Ausflug, ua. dass der Kläger die Mädchen danach während des Unterrichts an Po und Hüfte umfasst und an sich herangezogen habe. Die Kinder hätten außerdem dargestellt, dass er den Schülerinnen seitlich um den Körper gefasst und dabei die Brust an der Seite berührt bzw. weggedrückt habe. Bei dem Versuch wegzurücken, habe der Kläger sie wieder an sich herangezogen.

An den folgenden Tagen wurde versucht, Gesprächstermine mit den Mädchen und ihren Eltern zu vereinbaren. Am 22. Juli 2009 erhielt der Kläger im staatlichen Schulamt vor dem Hintergrund der Angaben der Zeugin G. Gelegenheit zur Stellungnahme. Er äußerte sich nicht, bat vielmehr um schriftliche Kenntnisgabe der Vorwürfe, was noch mit Schreiben vom selben Tag erfolgte. Insoweit wird Bezug genommen auf die Anlage B3 zum Schriftsatz des Klägers vom 11. November 2009. Am 23. Juli 2009 erfolgte zunächst die Anhörung von L. E. (damals 11 Jahre alt). Hinsichtlich des Inhalts der Aussage der Schülerin wird Bezug genommen auf das Protokoll der Vernehmung, Anlage B 4 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 11. November 2009 (Bl. 68 dA.). Die etwa drei Jahre jüngere Schwester von L. E., L.-M. E., besuchte damals die dritte Klasse derselben Grundschule. Sie hatte ebenfalls Unterricht bei dem Kläger. Nachdem L.-M. den Eltern anlässlich der Befragung ihrer Schwester mitgeteilt hatte, dass der Kläger ihr auf den Schamhügel gefasst habe und die Eltern dies der Schulverwaltung mitgeteilt hatten, wurde auch L.-M. E. am 23. Juli 2009 angehört. Hinsichtlich des Inhalts der Aussage der Schülerin wird Bezug genommen auf das Protokoll der Vernehmung, Anlage B 4 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 11. November 2009 (Bl. 69 dA.). Die Anhörungen erfolgten durch Herrn L., Mitarbeiter des Schulamtes. Anwesend waren darüber hinaus ua. die Schulpsychologin, Frau Dr. B., sowie der Vater der beiden Mädchen. Herr L. hatte mit der Schulpsychologin zuvor Art und Inhalt der Fragestellung besprochen.

Am 24. Juli 2009 teilte die Mutter einer weiteren Schülerin (C. H.) dem Sachbearbeiter L. telefonisch mit, dass der Kläger C. an den Po gefasst und getätschelt und gestreichelt habe. Eine unmittelbare Befragung lehnte sie später wegen einer zu hohen Belastung ihrer Tochter durch eine solche Vernehmung ab. Das weitere Vorgehen stellte sich angesichts der Sommerferien und der Zurückhaltung einiger Eltern als sehr schwierig dar. Mehrere Eltern waren nicht bereit, einer Vernehmung ihrer Töchter zuzustimmen, das oft erst nach mehrfacher Rückfrage. So lehnte auch die Mutter der Schülerin J. Z. eine Vernehmung ihrer Tochter ab, da diese aufgrund des Verhaltens des Klägers ihr gegenüber immer noch sehr stark betroffen sei. Die Mutter teilte ihre Befürchtung mit, dass J. noch mehr unter den Vorfällen und Übergriffen leiden werde. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Schriftsatz des beklagten Landes vom 11. November 2009, dort ab Seite 2 und den Schriftsatz vom 6. Januar 2010, ebenfalls Seite 2.

Auf das Schreiben an den Kläger vom 22. Juli 2009 beantragte dieser zunächst Akteneinsicht, welche ihm am 6. August 2009 gewährt wurde. Der Kläger nahm mit Schreiben vom 13. August 2009 Stellung. Darin bestritt er jegliche sexuellen Übergriffe und sexuell motivierte Handlungen.

Nachdem dann absehbar war, dass zeitnah keine weiteren Anhörungen erfolgen könnten, wurde in der Schulverwaltung entschieden, dem Kläger zu kündigen. Die Personalratsvorlage vom 19. August 2009 zu einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Tatkündigung und zu einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung ging diesem am 20. August 2009 zu. Hinsichtlich des Inhalts wird auf die Anlage B7 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 11. November 2009 Bezug genommen. Der Personalrat behandelte die Angelegenheit in seiner Sitzung am 3. September 2009 und gab im Ergebnis keine Stellungnahme ab. Mit Schreiben vom 4. September 2009, welches dem Kläger am 5. September 2009 zuging, kündigte das beklagte Land dem Kläger fristlos durch eine Tatkündigung und mit einem weiteren Schreiben vom selben Tage ebenfalls fristlos im Wege einer Verdachtskündigung. Am 10. September 2009 gingen dem Kläger darüber hinaus die ordentliche Tatkündigung und die (hilfsweise) ordentliche Verdachtskündigung vom 9. September 2009 zum 31. März 2010 zu.

Ungeachtet dessen setzte das beklagte Land seine Ermittlungen fort. Weitere Anhörungen (Schülerin E. N., Schüler R. sowie Elternsprecher Ch. R.) erfolgten am 16. September 2009 unter Beteiligung der Schulpsychologin S. F.. Wegen des Inhalts der Aussagen wird Bezug genommen auf die Anlagen B 9 (Bl. 92 dA.) und B 10 (Bl. 95 dA.) zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 11. November 2009.

Der Kläger erhielt am 21. September 2009 vor dem Hintergrund der Anhörungsprotokolle vom 16. September 2009 nochmals Akteneinsicht und mit Schreiben vom selben Tag durch das beklagte Land Gelegenheit, zu den weiteren Gesichtspunkten, auf die die Kündigung gestützt werden sollte, Stellung zu nehmen. Der Kläger reagierte mit Schreiben vom 24. September 2009. Dienstpflichtverletzungen seien – so der Kläger in seiner Stellungnahme – den Vorwürfen nicht zu entnehmen.

Der Personalrat wurde zu den Ergebnissen der Befragungen vom 16. September 2009, welche danach zur Begründung der außerordentlichen Tatkündigungen nachgeschoben werden sollten, mit einem diesem am 23. September 2009 zugegangenen Schreiben angehört. Der Personalrat gab wiederum keine Stellungnahme ab.

Am 23. September 2009 wurden außerdem die Schülerinnen A. F. (damals 12 Jahre alt) und N. A. (damals 11 Jahre alt) befragt. Die Anhörung erfolgte durch Herrn L. ua. unter Beteiligung der Schulpsychologin Frau F.. Hinsichtlich des Inhalts der Aussagen wird Bezug genommen auf die Anlagen B 25 (Bl. 141) und B 26 Bl. 143 dA.) des Schriftsatzes des beklagten Landes vom 11. November 2009.

Die einbezogenen Schulpsychologinnen hatten keinen Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen der Kinder im Rahmen der Befragung durch die Schulverwaltung.

Über die Heranziehung entlastender Zeugen dachte der zuständige Mitarbeiter des Schulamtes nicht nach, nachdem die Aussagen der Mädchen vorlagen und aus seiner Sicht kein Anlass zu Zweifeln bestand. Andere Lehrer hatten zuvor vergleichbare Vorfälle nicht geschildert. Der Schulleiter M. teilte mit, dass „von Seiten der Schülerinnen und Schüler der ehemaligen Klasse 3 keine diesbezüglichen Äußerungen gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern gemacht wurden“.

Das beklagte Land hörte den Personalrat ua. auch im Hinblick auf die nun vorliegende Stellungnahme des Klägers vom 24. September 2009 mit Schreiben vom 30. September 2009 erneut an, welches dem Personalrat am 1. Oktober 2009 zugegangen ist. Zu den Vorlagen vom 23. und vom 30. September 2009 verhandelte der Personalrat am 1. Oktober 2009. Eine Stellungnahme gab er nicht ab.

Mit Schreiben vom 13. und 19. Oktober 2009 teilte das beklagte Land dem Kläger mit, dass die im Anhörungsschreiben genannten Vorwürfe zum Gegenstand sämtlicher Kündigungen (gesonderte Schreiben) gemacht würden.

In das Verfahren eingeführt wurden die nach Ausspruch der Kündigung ermittelten Gesichtspunkte durch das beklagte Land mit einem beim Arbeitsgericht am 11. November 2009 eingegangenen Schriftsatz. Die Aussagen der A. F. und N. A. wurden als Indizien und zum Beweis für die übrigen Vorwürfe herangezogen.

Der Kläger hat sexuelle Übergriffe oder sexuell motivierte Berührungen bestritten. Er habe die Kinder nicht umarmt oder ihnen auf den Bauch gefasst. Dass er die Mädchen seitlich umarmt hat, ist in der Berufungsinstanz nun aber unstreitig. Insbesondere habe er gegenüber den Schülerinnen L. und L.-M. E. sowie M. H. keine der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen begangen. Auch im Übrigen hat er bestritten, die körperliche und sexuelle Integrität der ihm anvertrauten Kinder verletzt zu haben. Kinder und Eltern hätten sich gerade nicht an die Schule gewandt. Die Vorwürfe basierten auf Angaben der Frau G., die die Angaben einzelner Kinder in unzulässiger Art verallgemeinert und darüber hinaus als sexualisiert bzw. sexuell motiviert bezeichnet habe. Sexualisierte Phantasien seien nicht durch die Schüler, sondern durch die Lehrerin G. eingebracht worden. Es sei offensichtlich mit hoher Intensität hinter seinem Rücken der Versuch unternommen worden, die Kinder zu entsprechenden Aussagen zu nötigen, die der sexualisierten Sichtweise der Zeugin G. entsprächen. Die Aussagen der Kinder und deren Zustandekommen seien fragwürdig. Die Kinder seien seitens der Mitarbeiter des beklagten Landes bearbeitet und bekniet worden. Zur Begründung nimmt er Bezug auf einen Vermerk des Bearbeiters des Schulamtes vom 14. August 2009, wonach dieser Frau Z. das Prozedere einer Befragung erläutert und diese „ordentlich bekniet“ habe, sie möchte nochmal mit ihrer Tochter wegen der Aussage sprechen. Die Aussagen der Kinder seien nicht frei von Suggestion und Induktion entstanden. Die Umstände der Befragung sprächen gegen die Glaubwürdigkeit der erhobenen Vorwürfe. So fehle es schon an einer ordnungsgemäßen Belehrung. Da die Jungen der Klasse entsprechende Beobachtungen nicht gemacht hätten, müssten die Mädchen entweder in ihrer Wahrnehmung gestört sein oder Angaben gemacht haben, die ihnen durch Eltern oder Dritte eingeredet worden seien. Hierzu hat er die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens beantragt. Die Behauptungen seien weder zeitlich noch räumlich noch sachlich einzuordnen. Die pauschalen Behauptungen des beklagten Landes könne er nur ebenso pauschal zurückweisen. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Aufklärung. Angaben der übrigen Schüler fehlten. Absurd sei es, dass er die Handlungen vor der Klasse vorgenommen haben solle. Gegenbeweislich hat er daher zwölf Jungen der Klasse benannt, in der er damals Klassenlehrer war. In der Zeit seiner Tätigkeit an der P. Schule habe er seine Lehrtätigkeit zur großen Zufriedenheit der Schulleitung, Schüler und Eltern ausgeübt. Das wird durch das beklagte Land nicht bestritten. Auch seien seine Arbeitsmethoden nicht Gegenstand ernsthafter dienstlicher oder arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen gewesen. Tatsächlich sei das beklagte Land nur dem Druck der Eltern nachgekommen, die bereits angedroht gehabt hätten, dass sie alle Register ziehen würden, wenn der Kläger im neuen Schuljahr weiter an der Schule unterrichten sollte. Hinsichtlich der außerordentlichen Kündigungen hat er die Nichtwahrung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB gerügt. Herr R. (Schulrat) habe nämlich durch das Schreiben der Frau G. vom 9. Juli 2009 von den angeblichen Vorwürfen Kenntnis erlangt, welches diesem bereits am 16. Juli 2009 vorgelegen habe, was insoweit nicht streitig ist. In der Klageschrift hat er auch die Personalratsanhörung bestritten.

Der Kläger hat beantragt,

1.festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 4. September 2009, zugegangen am 5. September 2009, sowie die ordentliche Kündigung vom 9. September 2009, zugegangen am 10. September 2009, zum 31. März 2009 nicht aufgelöst worden ist,2.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den Beendigungszeitpunkt hinaus fortbesteht,3.die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu den im Arbeitsvertrag in der Fassung vom 26. Februar 2008 geregelten Arbeitsbedingungen als Lehrer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Dazu hat es sich die Aussagen der Zeugin G. zu eigen gemacht sowie die der angehörten Mädchen.

Der Kläger habe Schülerinnen gegen deren Willen an der Hüfte an sich herangezogen und während des Unterrichtsgeschehens festgehalten, M. H. mit zwei Fingern vom Bauch zwischen den Brüsten bis zum Hals und wieder zurück gestrichen, verbunden mit den Worten: „Was hast Du für ein schönes T-Shirt an?“, obwohl das T-Shirt keine Besonderheiten aufgewiesen habe. Zur Begründung hat das beklagte Land Bezug genommen auf die Protokolle der Vernehmungen der durch das Schulamt vorgerichtlich vernommenen fünf Mädchen sowie des Schülers F. R.. Das geschilderte Verhalten erfülle Straftatbestände. Der Kläger habe dadurch seiner Verpflichtung zum Schutz der ihm anvertrauten Kinder in Bezug auf deren körperliche, sexuelle und seelische Unversehrtheit aktiv zuwider gehandelt. Er habe der Schülerin L.-M. E. auf den Schamhügel gefasst, Po und Rücken mehrerer Mädchen gestreichelt, seine Hand während einer Schulfeier im Schuljahr 2007/2008 über einen Zeitraum von 20 Sekunden auf den Oberschenkel der Schülerin J. Z. gelegt, obwohl die Schülerin versucht habe sich abzuwenden und wegzudrehen, „wovon er auch mehrfach bei anderen Mädchen Gebrauch gemacht habe“ (Schriftsatz des beklagten Landes vom 11. November 2009, dort Seite 13), der Kläger habe seinen Kopf auf den Schultern einzelner Mädchen abgelegt, sich von hinten über die Kinder gebeugt und sie dabei berührt und herunter gedrückt, M. S. mit einem Buch auf den Kopf geschlagen, F. R. misshandelt und einzelne Kinder durch anzügliche Abkürzungen ihrer Namen fortgesetzt beleidigt. Außerdem habe er J. Z. mit offensichtlich sexuell motivierten Anspielungen geängstigt, während er sich vor ihr und anderen Kindern umgezogen habe, und zwar mit den Worten: „Na J., das gefällt dir, was?“ oder inhaltsgleich wie durch alle vernommenen Kinder bestätigt. Der Schulleiter habe selbst zweimal beobachtet, dass der Kläger sich vor der Klasse umgezogen habe, was zu einer Rüge durch den Schulleiter geführt habe, wobei das Letztere insoweit nicht streitig ist. Der Schulleiter habe erklärt, er könne einen sexuellen Hintergrund nicht ausschließen. Dass der Schulleiter diese Erklärung abgegeben hat, ist durch den Kläger ebenfalls nicht bestritten worden.

Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Aussagen der Mädchen nicht der Wahrheit entsprächen, zumal die Kinder auch entlastende Gesichtspunkte vorgetragen hätten. Dies hätten auch die einbezogenen Schulpsychologinnen bestätigt. Die Aussagen seien auch frei von Induktion und Suggestion zustande gekommen. Gerade auch vor diesem Hintergrund seien die Schulpsychologinnen herangezogen worden. Die Kinder seien auch darauf hingewiesen worden, dass sie die Wahrheit sagen und deutlich machen sollten, was sie selbst erlebt, nur gehört oder gesehen hätten. Insoweit sind die Heranziehung der Schulpsychologinnen sowie die vorbereitenden Hinweise nicht streitig. Vor dem Hintergrund der mit der Tathandlung einhergehenden Belastung bzw. Traumatisierung sei es nicht unnormal, wenn zwischen Tathandlung und Offenbarung durch die Opfer längere Zeiträume lägen.

Einer Abmahnung habe es im Hinblick auf Häufigkeit, Art und Schwere der geschilderten Tathandlungen nicht bedurft. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei durch die Ermittlungen bis zum 18. August 2009 und danach durch das am 19. August 2009 eingeleitete Verfahren zur Personalratsanhörung für die Zeit bis zum 3. September 2009 gehemmt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen und Zeugen G., B., L. und F.. Die Zeugin G. hat ua. bekundet, dass sie gesehen habe, wie der Kläger anlässlich eines Gesprächs in der Pause an der Tafel der Schülerin M. (damals sechste Klasse) mit seiner Hand über das T-Shirt gestrichen bzw. gestriffen habe, zu dicht und zu lange. Dabei habe er gesagt, was sie für ein schönes T-Shirt trage, obwohl diese Bemerkung durch das T-Shirt nicht gerechtfertigt gewesen sei. Außerdem hat sie die Umstände bekundet, unter denen sie erstmals Kenntnis von den angeblichen Übergriffen erlangte. Die Zeugin B. hat bekundet, dass die Kinder zunächst von sich aus erzählt hätten und ihnen dann offene Fragen gestellt worden seien, die zuvor gemeinsam überlegt gewesen seien. Die Schilderungen der Kinder halte sie für zutreffend. Der Zeuge L. hat ua. bekundet, dass mit den Schulpsychologinnen vorab die Vorgehensweise abgesprochen gewesen sei, ua. dass keine Suggestivfragen gestellt werden dürften. Er habe die Kinder zunächst erzählen lassen. Der Direktor M. habe ihm von zwei Vorfällen berichtet, bei denen er den Kläger dabei beobachtet habe, wie er sich vor der Klasse umgezogen habe. Die Zeugin F. hat bekundet, dass die Kinder die Vorfälle sehr glaubhaft geschildert hätten. Die Aussagen seien relativ übereinstimmend gewesen, sehr genau und präzise und ausgesprochen bildhaft. An der Körpersprache, Gestik und Mimik sei erkennbar gewesen, dass sie auch im Nachhinein großes Unbehagen und Empörung empfunden hätten. Anhand ihrer Berufserfahrung könne sie recht gut einschätzen, ob Kinder die Wahrheit sagten. Die Kinder hätten selbstbewusst von sich aus erzählt. Die Kinder hätten die Situationen so geschildert, dass es klar gewesen sei, dass sie sich vor der ganzen Klasse ereignet hätten. Wegen des weiteren Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar und vom 18. März 2010.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger dringend verdächtig sei, Schülerinnen sexuell missbraucht bzw. belästigt zu haben und gegenüber einem Schüler körperlich übergriffig geworden zu sein. Auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt worden, da sich das beklagte Land unmittelbar nach der Feststellung, dass eine zeitnahe Befragung der Schülerinnen und Schüler nicht mehr in Betracht kam, zur Kündigung entschlossen habe. Der Kündigungsentschluss habe nicht vor dem 17. August 2009 gefasst werden können. Sodann sei das personalvertretungsrechtliche Verfahren unverzüglich eingeleitet und nach Ablauf der maßgeblichen Fristen das Arbeitsverhältnis gekündigt worden. Die Anhörungsfrist sei nicht mitzurechnen gewesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 25. Mai 2010 zugestellte Urteil am 14. Juni 2010 Berufung eingelegt und diese mit dem bei dem Landesarbeitsgericht am 14. Juli 2010 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Das Arbeitsgericht habe vorhandene Beweise ungenügend gewürdigt und weitere angebotene Beweismittel unbeachtet gelassen. Die Aussage der Zeugin G. sei in sich widersprüchlich. Sie habe sich auch korrigieren müssen. Die Zeugin habe offensichtlich ihre eigenen sexuellen Phantasien beschrieben. Die Beweisaufnahme habe auch nicht ergeben, dass eine körperliche Misshandlung eines Schülers stattgefunden habe. Einen Klaps mit dem Mathematikheft habe der Kläger eingeräumt. Das beklagte Land habe die Vorwürfe nicht für den Kläger prüfbar gemacht. Der Sachverhalt sei nicht ausreichend aufgeklärt worden. Das beklagte Land hätte auch entlastende Zeugen befragen müssen. Vor Ausspruch der Kündigung hätten alle in Betracht kommenden Lehrer, Schüler und Eltern befragt werden müssen. Die Befragung der Kinder durch den Mitarbeiter der Schulverwaltung sei unter Missachtung der erforderlichen wissenschaftlichen Herangehensweise erfolgt. In seinem Schriftsatz vom 28. September 2010 bestreitet er nochmals, Kinder an sich herangezogen und gegen deren Willen oder trotz ihres Widerstandes festgehalten zu haben. Er habe niemals eine Schülerin an die Brust, den Po oder den Scharmhaarbereich gefasst. Insoweit ist im Berufungsverfahren zuletzt allerdings unstreitig, dass er die Mädchen – als sie vorn neben ihm standen – seitlich umarmt und Kinder nach dem Lösen von Aufgaben mit einem Klaps auf den Po wieder auf ihren Platz verabschiedet hat. Der Kläger behauptet, die Elternabende hätten seit November 2008 den Inhalt gehabt, ihn als Lehrer loszuwerden. Er meint, dies sei ohne eine Einflussnahme auf die Kinder nicht möglich gewesen. Die Eltern hätten ein Komplott gegen ihn gebildet. Das belegten insbesondere die Absprachen zwischen Eltern und Kindern und die Aussagen der Kinder. Das belege auch die Aussage einer Mutter, die zu ihm gesagt habe: „Da kommt etwas auf sie zu, sie tun mir jetzt schon leid.“ Während der Hospitationen der Zeugin G. von September 2008 bis Dezember 2008 habe es keine Kündigungsgründe erfüllende Handlungen durch ihn gegeben. Ihm werde in der Kündigung aber vorgeworfen, solche Handlungen immer vorgenommen zu haben. Dazu müsse die Zeugin G. befragt werden. Er vertritt nun zudem die Ansicht, dass aufgrund der Tatsache, dass die Mädchen nicht im Rahmen der Verhandlung vernommen worden seien, das Prinzip der Mündlichkeit verletzt sei.

Der Kläger bemängelt das durch die Kammer eingeholte Sachverständigengutachten. So komme es zu dem Ergebnis der Glaubwürdigkeit der Schülerin N., obwohl diese einen Sachverhalt bekundet habe, den der Betroffene (M. S. – Schlagen mit dem Buch auf den Kopf) im Rahmen der Beweisaufnahme selbst nicht bestätigt habe. Es sei nicht berücksichtigt, dass die Mädchen nahezu gleich lautende Aussagen gemacht hätten, was für eine Absprache spreche. Die Sachverständige habe ihren Auftrag offenbar so verstanden, Gesichtspunkte und Tatsachen zu ermitteln, die einen Schluss auf die sexuelle Motivation zuließen. Anders ließen sich ihre – angeblich – suggestiven Fragen nicht erklären. Bezüglich des Gutachtens A. bemängelt er ihre Feststellung, dass das Mädchen ohne längeres Überlegen geantwortet habe, obwohl sie tatsächlich nach dem Protokoll manche Antworten erst nach längerem Schweigen abgegeben habe. Im Übrigen sprächen gerade die durch die Sachverständige herangezogenen Definitionen gegen das Ergebnis ihres Gutachtens. Im Gutachten zu der Aussage der L.-M. E. habe die Sachverständige nicht berücksichtigt, dass die Zeugin offenbar hinter der Schilderung ihrer Schwester nicht habe zurückstehen wollen. Angesichts des „Abrutschens“ in die Wir-Form sei nicht auszuschließen, dass die Schülerin unbewusst für ihre Schwester habe Partei ergreifen wollen. Eine sexuelle Motivation habe sie ohne ein Gespräch mit ihm nicht feststellen können. Auch habe die Sachverständige nicht dokumentiert, wie lange ihre Exploration bzw. die durchgeführten Tests gedauert haben, wie lange das Tonband abgeschaltet gewesen sei und was in dieser Zeit mit den Kindern geschehen sei. Er kritisiert weiter, dass den Gutachten die Zeichnungen zum „Rosenzweig PF-Test“ nicht beigelegen hätten. Daher ließen sich Zweifel an der wissenschaftlichen Exaktheit der Ausführung der Befragung nicht ausräumen. Am Schluss der Berufungsverhandlung hat er beantragt, der Sachverständigen aufzugeben, die den Untersuchungsergebnissen zugrunde liegenden ausgefüllten Formulare zur Akte zu reichen, damit diese im Rahmen eines evtl. weiteren Verlauf des Verfahrens zur Verfügung stünden.

Die sich aus dem Gutachten zur Schülerin A. ergebende Erklärung, wonach die Kinder ihren Stuhl mit nach vorne hätten bringen sollen, sei falsch. Insoweit benennt der Kläger sämtliche bereits vernommenen zwölf Jungen sowie N. A.. Durch eine Vernehmung der Zeugin G. sei außerdem herauszufinden, was Inhalt ihres im Gutachten F. durch die Schülerin erwähnten Rundschreibens gewesen sei, um festzustellen, ob hierüber eine Beeinflussung von Eltern und Schülern stattgefunden habe. Für die Existenz eines Rundschreibens benennt er die Schülerin F.. Auch die Sachverständige habe ein Schreiben an die Eltern geschickt, zu deren Inhalt sie zu befragen sei. Außerdem müsse dem Hinweis der Mutter der Schüler H. durch deren Vernehmung nachgegangen werden, wonach einige Eltern das Verfahren angezettelt hätten, indem das Gericht Frau H. befrage, wann, durch wen und wie dies erfolgt sei. Dazu habe es Elternzusammenkünfte gegeben, bei denen entsprechende Absprachen vorgenommen worden seien. Wegen der weiteren Beweiswürdigung durch den Kläger wird auf dessen Schriftsatz vom 19. Mai 2011 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts P. abzuändern und

1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigungen vom 4. September 2009 noch durch die Kündigungen vom 9. September 2009 aufgelöst worden ist,2.das beklagte Land zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu den im Arbeitsvertrag in der Fassung vom 26. Februar 2008 geregelten Arbeitsbedingungen als Lehrer bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Es wiederholt im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere könne entgegen der Ansicht des Klägers von Opfern sexueller Belästigungen nicht verlangt werden, sich noch an die jeweiligen Zeitpunkte der sich wiederholenden bedrängenden unerwünschten Situationen konkret zu erinnern. Entscheidend sei die detaillierte Situationsbeschreibung. Im Übrigen macht sich das beklagte Land zur Begründung der Kündigungen den gesamten Inhalt des Gutachtens der Sachverständigen zu eigen. Die Kündigung könne nach der Beweisaufnahme jetzt auch auf den dringenden Verdacht gestützt werden, dass nicht nur ein vertragswidriges, sondern auch ein strafbares Verhalten in Form des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit § 176 Abs. 1 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern), § 223 StGB (Körperverletzung) und § 185 StGB (Beleidigung) erfolgt sei. Ausdrücklich bezieht es sich auch auf die Würdigung der Sachverständigen auf S. 12 der weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 4. April 2011, wonach die von den Zeuginnen angegebenen Berührungen Handlungen darstellen, die sowohl nach der Definition der WHO für familiären Missbrauch als auch nach dem von Sexualmedizinern der Charité aufgestellten Merksatz und nach der juristischen Terminologie sexuell übergriffige Handlungen bzw. die Verletzung der Intimsphäre der Kinder darstellten. Zu eigen macht sich das beklagte Land besonders außerdem das Resümee der Sachverständigen auf S. 14 der gutachterlichen Stellungnahme vom 4. April 2011, wonach die sich aus den Aussagen der zitierten Zeuginnen ergebenden Gesichtspunkte insgesamt den Schluss zulassen, dass dem von den fünf Zeuginnen dargestellten grenzüberschreitenden Verhalten seitens des Klägers eine sexuelle Motivation zugrunde lag. Wegen der Einzelheiten der Beweiswürdigung durch das beklagte Land wird Bezug genommen auf dessen Schriftsatz vom 10. Mai 2011.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung des Sachverständigengutachtens zur Glaubhaftigkeit der außergerichtlich abgegebenen Erklärungen der fünf Schülerinnen und durch Vernehmung von zwölf Jungen aus der Klasse, der der Kläger zuletzt als Klassenlehrer zugewiesen worden war. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 17. bis 24. Januar 2011 (Bl. 474 bis 848 dA.) sowie auf das Sachverständigengutachten (Bl. 929 bis 1283 dA.) einschließlich der dort aufgeführten Aussagen der vernommenen Schülerinnen und das Protokoll der Sitzung vom 28. Juni 2011.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird außerdem Bezug genommen auf deren Schriftsätze vom 13. Juli, 30. August, 28. September, 17. und 25. November, 16. und 30. Dezember 2010 sowie vom 10. und 19. Mai und vom 9. Juni 2011. Außerdem wird insoweit Bezug genommen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2010, vom 17. bis 24. Januar sowie vom 21. Juli 2011.