SG Neuruppin, Urteil vom 06.10.2010 - S 25 KR 73/06
Fundstelle
openJur 2012, 13826
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für den Zeitraum ab dem 01. Juli 1995.

Die am 25. Juni 1960 geborene Klägerin hat den Beruf der Sozialversicherungsfachangestellten erlernt und ist seit dem 23. Juni 1995 – eine notarielle Vereinbarung des ehelichen Güterstandes der Gütergemeinschaft liegt nicht vor – mit dem Beigeladenen zu 1) verheiratet, der seit dem Jahre 1985 eine Firma zur Aufstellung von Automaten betreibt; seit dem 23. Juli 1985 ist er mit seiner Firma im Handelsregister eingetragen (vgl. beglaubigte Fotokopie des Handelsregisterauszuges vom 12. August 1996). Bei der Beklagten besteht für den Beigeladenen zu 1) seit dem 01. Juli 1985 ein Arbeitgeberbeitragskonto. Das Einzelunternehmen des Beigeladenen zu 1) firmiert ausweislich des Firmenstempels unter der Bezeichnung „…“. Die Klägerin wurde durch den Beigeladenen zu 1) zum 01. März 1986 als Bürohilfskraft zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung angemeldet. In dem Betrieb des Beigeladenen zu 1) war die Klägerin seit dem 01. März 1986 zunächst als Bürohilfskraft beschäftigt. Seit dem 01. November 1992 ist sie in dem Betrieb als Prokuristin auf der Grundlage „eines Arbeitsvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer“ tätig. Zumindest im Zeitraum von Juni 2006 bis Mai 2007 erhielt sie von dem Beigeladenen zu 1) einen Arbeitgeberzuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung (vgl. die zu den Prozessakten gereichten Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge für den Zeitraum von Juni 2006 bis Mai 2007). Der zwischen der Firma des Beigeladenen zu 1) als „Arbeitgeber“ und der Klägerin als „Arbeitnehmerin“ geschlossene „Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer“ vom 10. November 1992 (als Nachtrag zu einem Arbeitsvertrag vom 06. Februar 1986, den die Klägerin trotz Aufforderung des Gerichts nicht vorgelegt hat) enthält u. a. folgende Regelungen:

„[…] § 2 – Tätigkeit, Lohn, Kündigung Arbeitnehmer wird als Prokuristin zum Dienstantritt am Änderung ab 1.11.1992 eingestellt. Dieser Arbeitsvertrag ist befristet bis zum ……. ./. ……. […] Der Monatslohn beträgt brutto DM 5.250,-. […] Die Arbeitszeit wird durch den jeweils gültigen Tarifvertrag geregelt und beträgt z. Z. 40 Stunden wöchentlich. […] § 6 – Urlaub Der Urlaub richtet sich nach dem Bundesurlaubsgesetz bzw. nach den anzuwendenden tariflichen Bestimmungen………. 25 Arbeitstage“Bereits zuvor – nämlich mit Bescheid vom 19. Juni 1998 – stellte die Beklagte – nach ihren Angaben „im Rahmen der Verjährungsvorschriften“ – fest, dass die Klägerin seit dem 01. Dezember 1993 durchgehend der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie ab dem 01. Januar 1995 der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung unterliege; dieser Bescheid ist nach der Rücknahme des hiergegen erhobenen Widerspruchs bestandskräftig geworden.

Die Klägerin selbst gewährte der Firma des Beigeladenen zu 1) mit Darlehensvertrag vom 01. Juni 2001 ein mit 8 % jährlich verzinsliches Darlehen in Höhe eines Gesamtbetrages von 20.000,00 DM. Die Klägerin verfügt seit dem 26. Juni 2001 über eine im Handelsregister eingetragene Einzelprokura nebst der Befugnis, Grundstücke zu veräußern und zu belasten.

Unter dem 08. August 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ihres Beschäftigungsverhältnisses unter Beifügung des o. g. Arbeitsvertrages sowie eines Feststellungsbogens, der unter dem 18. Juli 2005 die Unterschriften der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) unter der folgenden Erklärung enthält:

„Wir versichern, die vorstehenden Fragen wahrheitsgemäß und den Tatsachen entsprechend beantwortet zu haben.“

Ausweislich ihrer Angaben im o. g. Feststellungsbogen ist die Klägerin an durchschnittlich 60 Stunden in der Woche im Betrieb und zu Hause als Prokuristin tätig und kann sich ihre Arbeitszeit nach Belieben einteilen. Für ihre Tätigkeit erhält sie ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt in Höhe eines Betrages von 3.274,00 € brutto, das auf ein privates Bank-/Girokonto überwiesen wird, für das sie allein verfügungsberechtigt ist. Das Arbeitsentgelt entspreche dem tariflichen bzw. ortsüblichen Gehalt. Von dem Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet und es werde als Betriebsausgabe gebucht. Es würden sonstige Bezüge in Form eines Weihnachtsgeldes in Höhe von 600,00 € gewährt. Es bestehe ein Urlaubsanspruch und es sei eine Kündigungsfrist vereinbart. Darüber hinaus werde bei Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsentgelt für sechs Wochen fortgezahlt. Die mitarbeitende Angehörige sei in dem Betrieb eingegliedert, sie übe diese Tätigkeit tatsächlich aus. Ohne die Mitarbeit des Angehörigen müsse eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. Die mitarbeitende Angehörige sei an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit nicht gebunden und das Weisungsrecht werde auch tatsächlich nicht ausgeübt. Die mitarbeitende Angehörige könne ihre Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Sie wirke bei der Führung des Betriebes – z. B. aufgrund besonderer Fachkenntnisse – mit. Die Mitarbeit sei – aufgrund familienhafter Rücksichtnahme – durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Die mitarbeitende Angehörige habe dem Betriebsinhaber ein Darlehen in Höhe eines Betrages von 20.000,00 DM gewährt. Darüber hinaus gehöre der Betrieb nicht zum gemeinschaftlichen Eigentum der Ehegattin, vielmehr gehöre der Betrieb zum Alleineigentum des Ehegatten, bei dem die Beschäftigung ausgeübt werde.

Nach mit Schreiben vom 27. September 2005 erfolgter Anhörung stellte die Beklagte mit an sie gerichtetem Bescheid vom 18. Oktober 2005 fest, dass die Klägerin ab dem 01. Dezember 2000 der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege und in der Kranken- und Pflegeversicherung Versicherungsfreiheit bestehe, weil die Klägerin mit ihrem Entgelt die für das Kalenderjahr 2000 geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten habe. Ab dem 01. Januar 2001 bestehe auch Kranken- und Pflegeversicherungspflicht, weil die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten werde. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, Grundlage der Versicherungspflicht sei das Beschäftigungsverhältnis. Das Beschäftigungsverhältnis sei das auf den tatsächlichen Verhältnissen beruhende zweiseitige Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in welchem der Arbeitnehmer sich gegenüber dem Arbeitgeber in persönlicher Abhängigkeit befinde. Der Arbeitgeber übe seinerseits die Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers aus. Die persönliche Abhängigkeit drücke sich also in der Verpflichtung des Beschäftigten aus, im Rahmen des Direktionsrechts den Weisungen des Arbeitgebers zu folgen. Diese Weisungen bezögen sich hauptsächlich auf den Arbeitsort, die Arbeitszeit und die Art und Weise der Arbeit. Der zu meldende Geschäftsinhaber sei zum damaligen Zeitpunkt durchgehend von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen. Die Klägerin habe Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabe gebucht. Sie erhalte für ihre Tätigkeit ein entsprechendes Gehalt, das auch regelmäßig gezahlt werde. Das Arbeitsentgelt werde auf ein privates Bankkonto überwiesen, für das die Klägerin verfügungsberechtigt sei. Die Kündigungsfristen und Urlaubsansprüche seien festgesetzt. Es sei weiterhin ein Weihnachtsgeld vereinbart. Es liege daher ein abhängiges versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. Dieser Bescheid ist dem Beigeladenen zu 1) mit gesondertem Schreiben, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, ebenfalls übersandt worden; Widerspruch erhob er hiergegen nicht.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2005 und 14. November 2005 erhob die Klägerin Widerspruch und führte zur Begründung aus, sie widerspreche der Entscheidung bezüglich ihres sozialversicherungsrechtlichen Status rückwirkend ab dem 01. Juli 1995. Die getroffene Entscheidung würde in keiner Weise die tatsächlich vorliegenden Verhältnisse in dem Unternehmen berücksichtigen. Hinsichtlich der betrieblichen Belange, der Art und Weise der Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf Zeit und Ort sei sie zu keinem Zeitpunkt weisungsgebunden gewesen. Ihr Tätigkeitsbereich umfasse die gesamte kaufmännische Abwicklung, die Organisation und die Finanzbuchhaltung. Hierfür trage sie allein die Verantwortung. Ihr Ehemann zeichne sich als Feinmechaniker aus und sei für die Organisation des technischen Teils zuständig. Bezüglich der Eintaktung ihres Urlaubes unterliege sie keinerlei Weisungen. Die Urlaubsplanung werde auf die betrieblichen Erfordernisse abgestimmt. Sie sei seit 1992 als Prokuristin im Handelsregister eingetragen und besitze demzufolge sämtliche Vollmachten. Sie habe dem Unternehmen im Jahre 2001 Darlehen gewährt und trage gemeinsam mit ihrem Ehemann das Unternehmensrisiko.

Mit Schreiben vom 30. November 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, den Antrag auf Statusfeststellung für die Zeit ab dem 01. Juli 1995 – nach der Eheschließung mit dem Beigeladenen zu 1) – als Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 19. Juni 1998 zu werten. Die Prüfung dieses Bescheides habe jedoch ergeben, dass dieser Bescheid nicht rechtswidrig ergangen sei, weil – gemessen an den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen – im gesamten Zeitraum ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu dem Beigeladenen zu 1) vorgelegen habe bzw. vorliege. Für die Klägerin habe daher vom 01. Juli 1995 bis zum 31. Dezember 1998 und ab dem 01. Januar 2001 Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung und vom 01. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2000 Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung bestanden. In der Zeit vom 01. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2000 habe Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung vorgelegen, da das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten habe. Die Beklagte teilte ferner mit, dass dieser Bescheid gemäß § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens werde.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2006 als unbegründet zurück. Sie führte aus, Arbeitnehmer unterlägen grundsätzlich dann der Sozialversicherungspflicht, wenn sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien. Unter Beschäftigung sei die nichtselbständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis zu verstehen. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter Mithilfe hänge von allen Umständen des Einzelfalles ab, maßgebend sei das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsanschauung. Das Bundessozialgericht habe in seiner Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass die Ernsthaftigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses nach den tatsächlichen Umständen eindeutig nachgewiesen sein müsse und jeweils im Einzelfall zu prüfen sei, ob eindeutige Grundlagen für die Annahme eines echten Beschäftigungsverhältnisses gegeben seien. Bei einer Beschäftigung von Familienangehörigen könne ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis regelmäßig dann angenommen werden, wenn der Angehörige auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen sei, wie ein Arbeitnehmer in dem Betrieb eingegliedert und damit dem Weisungsrecht des Betriebsinhabers unterworfen sei und für seine Mitarbeit ein angemessenes Arbeitsentgelt erhalte. Die Klägerin sei von dem Beigeladenen zu 1) zum 01. März 1986 als Bürohilfskraft bei der Beklagten angemeldet worden. Der Beigeladene zu 1), der in den zurückliegenden 20 Jahren diverse fremde Arbeitnehmer versicherungspflichtig beschäftigt habe, habe im Zusammenhang mit der Anmeldung zur Sozialversicherung die Sozialversicherungspflicht seiner Arbeitnehmer zu prüfen (§ 28 a SGB IV). An der versicherungsrechtlichen Beurteilung des Beigeladenen zu 1), der die Tätigkeit der Klägerin als versicherungspflichtig angesehen habe, lasse sich mit Blick auf die gemeinsamen Angaben im Feststellungsbogen vom 18. Juli 2005 nicht zweifeln. Der eheliche Güterstand habe unmittelbar keinen Einfluss auf die versicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit beim Ehegatten. Nur wenn der Betrieb aufgrund der güterrechtlichen Regelungen und Vereinbarungen zum gemeinschaftlichen Eigentum bzw. Gesamtgut der Ehegatten gehöre, könne dies Auswirkungen auf die Beurteilung der Versicherungspflicht haben, das sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) hätten in dem Feststellungsbogen vom 18. Juli 2005 bestätigt, dass die Klägerin an Stelle einer anderen Arbeitskraft benötigt werde. Die Notwendigkeit der Einstellung einer anderen Arbeitskraft deute auf ein Beschäftigungsverhältnis hin. Würde hier keine Arbeitskraft benötigt werden, bestünden Zweifel, dass tatsächlich Bedarf an der Arbeitskraft der Klägerin bestehe. Die Klägerin sei seit dem 01. Dezember 1992 als Prokuristin angestellt. Sie solle keinen Weisungen unterliegen und ihre Tätigkeit frei bestimmen und gestalten können. Letztlich sei die Klägerin ab dem 01. März 1986 ausschließlich für den Betrieb des Beigeladenen zu 1) tätig. Ein eigenes Gewerbe habe die Klägerin nicht ausgeübt. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis könne allerdings nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen auch angenommen werden, wenn der Angehörige dem Weisungsrecht – wenn auch in abgeschwächter Form – unterliege. Die Weisungsgebundenheit der Klägerin ergebe sich aus dem vorgeschriebenen Aufgabengebiet (Personal-Lohnbuchhaltung, Finanzbuchhaltung, Zahlungsverkehr, sämtlicher Schriftwechsel). Die gesamten Umstände würden hier u. a. auch deshalb auf eine abhängige Beschäftigung der Klägerin hinweisen, weil der Beigeladene zu 1) von dem Arbeitsentgelt Lohnsteuer abführe und das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe buche. Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung auch den Darlehensvertrag vom 01. Juni 2001 nicht unbeachtet gelassen. Hieraus lasse sich jedoch keine Mitunternehmerschaft ableiten, da keine weiteren Aspekte für eine Mitunternehmerschaft sprächen. Die Klägerin erhalte ein festes Gehalt und trage kein Unternehmerrisiko. Nach der Gesamtbetrachtung aller Umstände sei von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

Hiergegen haben die Klägerin und der Beigeladene zu 1) mit Schriftsatz vom 03. April 2006 bei dem Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2007 hat der Beigeladene zu 1) seine Klage zurückgenommen. Zur Begründung ihrer Klage verweist die Klägerin auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren.

Sie beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2006 aufzuheben

und

festzustellen, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Firma A. Automatenaufstellungen, ...straße  in ... Berlin ab dem 01. Juli 1995 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angegriffenen Entscheidungen.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 30. Mai 2007 den Firmeninhaber der Firma A. Automatenaufstellungen – Beigeladener zu 1) – sowie mit Beschluss vom 27. November 2008 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 05. Januar 2009 die Deutsche Rentenversicherung Bund – Beigeladene zu 2) –, die Pflegekasse der Beklagten – Beigeladene zu 3) und die Bundesagentur für Arbeit – Beigeladene zu 4) – zum Verfahren beigeladen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Das Gericht hat ferner im Rahmen eines Termins zur mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2007 die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) angehört. Wegen des Ergebnisses dieser Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30. Mai 2007 ergänzend Bezug genommen.

Das Gericht hat schließlich – nach erfolgtem Wechsel in der Kammerzuständigkeit und im Kammervorsitz – in einem weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung am 06. Oktober 2010 die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) erneut angehört und darüber hinaus Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen G., der bei dem Beigeladenen zu 1) als Arbeitnehmer beschäftigt ist. Wegen des Ergebnisses der erneuten Anhörung und der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 06. Oktober 2010.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Beteiligten gewechselte Korrespondenz, die Prozessakte sowie die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten zum Aktenzeichen 128 112 995 Bezug genommen. Diese Unterlagen lagen in der mündlichen Verhandlung vor und waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand von Beratung und Entscheidungsfindung.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2005 in der Fassung des gemäß § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewordenen Änderungsbescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2006, mit dem die Beklagte über die Versicherungspflicht der Klägerin zur Kranken-, Sozialen Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ab dem 01. Juli 1995 entschieden hat.

2. Die gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte in den angegriffenen verwaltungsbehördlichen Entscheidungen festgestellt, dass die Klägerin im Unternehmen des Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt ist und sie damit der Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherungspflicht unterliegt, soweit sie nicht aufgrund der (teilweisen) Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze schon von Gesetzes wegen nicht der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Kranken- und der Sozialen Pflegeversicherung unterliegt, was die Beklagte ebenfalls zutreffend festgestellt hat; die Klägerin ist durch die angegriffenen Entscheidungen der Beklagten dementsprechend auch nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).

3. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2006 ist rechtmäßig. Dementsprechend besteht ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte – entgegen gesetzte – Feststellung ihrer Sozialversicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung nicht.

a) Die Beklagte ist bei der Entscheidung über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in dem von der Klägerin eingeleiteten Verfahren gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin, wie dies auch der geübten Beitragspraxis des Beigeladenen zu 1) seit deren Eintritt in die Firma entspricht, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu diesem steht und der Versicherungspflicht unterliegt. Für eine solche Entscheidung war die Beklagte gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV als Einzugsstelle zuständig. Einzugsstelle ist jeweils die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung eines abhängig Beschäftigten durchgeführt wird (vgl. § 28i SGB IV). Gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 Hs. 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Sozialen Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid (Halbsatz 2). Das Gesetz trägt mit dieser umfassenden Zuständigkeitszuweisung an die Einzugsstelle dem Umstand Rechnung, dass in den genannten Versicherungszweigen die Versicherungspflicht mit der Anknüpfung an die abhängige Beschäftigung weithin gleichen Grundsätzen folgt und die Beiträge für alle Versicherungszweige einheitlich berechnet und als Gesamtsozialversicherungsbeitrag abgeführt werden. Diese Zuständigkeit gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV ist nicht auf Entscheidungen zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe gegenüber dem Arbeitgeber als dem Schuldner der Beiträge beschränkt. Sie besteht vielmehr auch, wenn entsprechende Fragen, wie vorliegend, vom Beschäftigten aufgeworfen werden und entschieden werden müssen (Bundessozialgericht, Urteil vom 23. September 2003, - B 12 RA 3/02 R, zitiert nach juris).

30b) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen, wie die Beklagte zutreffend dargestellt hat, in der Kranken-, Sozialen Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V); § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI); § 1 S. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) sowie § 25 Abs. 1 S. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III)). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung als Grundlage für die Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung ist dabei die Vorschrift des § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S. 1). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996, - 1 BvR 21/96 sowie aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Abgrenzung zwischen abhängiger und selbständiger Tätigkeit: Urteil vom 11. März 2009, B 12 KR 21/07 R; Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R und Urteil vom 04. Juli 2007, B 11a AL 5/06, jeweils zitiert nach juris). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Familienangehörigen im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl. hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2002, - B 7 AL 34/02 R sowie Urteil vom 10. Mai 2007, - B 7a AL 8/06 R, jeweils zitiert nach juris).

c) Der Bewertung und Gewichtung der einzelnen Merkmale durch die Beklagte schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage ausdrücklich an. Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Der Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen zu 1) liegt für den hier zu beurteilenden Zeitraum ein schriftlicher Arbeitsvertrag (Vertrag vom 10. November 1992) zugrunde, an den bei der Beurteilung der Versicherungspflicht zunächst anzuknüpfen ist. Die Regelungen des Arbeitsvertrages sprechen eindeutig für eine abhängige Beschäftigung: Der Klägerin steht danach ein festes monatliches Entgelt für eine fest umrissene Tätigkeit zu, sie hat einen für Arbeitnehmer üblichen Urlaubsanspruch, erhält nach den übereinstimmenden Angaben im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen vom 18. Juli 2005 Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall. Gekündigt worden ist der Vertrag bis heute nicht, weder schriftlich noch mündlich. Entsprechend der arbeitsvertraglichen Verpflichtung ist auch die äußere Abwicklung (bis heute) erfolgt, das heißt der Beigeladene zu 1) hat u. a. die Personalausgaben für die Klägerin als Betriebsausgabe verbucht, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge für diese entrichtet und das Gehalt für die Klägerin ist auf ein gesondertes Konto gezahlt worden, für das die Klägerin verfügungsberechtigt ist. Darüber hinaus gewährt ihr der Beigeladene zu 1) ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe eines Betrages von 600,00 €. Darüber hinaus beteiligt sich der Beigeladene zu 1) ausweislich der zu den Prozessakten gereichten Unterlagen einen monatlichen Arbeitgeberzuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung, wobei die Kammer davon ausgeht, dass dies im Wesentlichen in denjenigen Zeiträumen der Fall gewesen ist, in denen die Klägerin die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten hat und damit – allein aus diesem Grunde – gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6, 7 SGB V und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI nicht mehr der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Kranken- und der Sozialen Pflegeversicherung unterlag.

Die Tätigkeitsinhalte, die sich zwar nicht dem schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag entnehmen lassen (in dem lediglich von einer Tätigkeit als Prokuristin die Rede ist), die die Klägerin und der Beigeladene jedoch im Rahmen der Termine zur mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2007 und nach dem Wechsel in der Kammerzuständigkeit und im Kammervorsitz am 06. Oktober 2010 anschaulich beschrieben haben, lassen ebenfalls nicht den Schluss auf eine selbständige Tätigkeit der Klägerin zu. Die Tätigkeiten enthalten das Spektrum von einfachen bis gehobeneren kaufmännischen Tätigkeiten, die sämtlich auch abhängigen Beschäftigungsbildern mit typischer Eingliederung in den Betrieb zuzuordnen wären; bei einer kleinen Firma mit nur wenigen Mitarbeitern, maximal einer weiteren Kraft im Büro, erscheint es auch nicht verwunderlich, dass die Klägerin alle anfallenden kaufmännischen Tätigkeiten, soweit sie nicht an den Steuerberater übertragen worden sind, ausübt.

Dass der Urlaub nur unter Rücksicht auf die betrieblichen Belange genommen worden sein mag, stellt kein Argument für eine selbständige Tätigkeit dar, da auch Arbeitnehmer eine Pflicht zur Rücksichtnahme trifft (§ 7 Abs. 1 des Bundesurlaubsgesetzes). Eine nicht vollständige Inanspruchnahme von Urlaub kommt durchaus auch bei Arbeitnehmern vor, so dass dieser Gesichtspunkt für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin ebenfalls unergiebig ist.

Der Klägerin ist auch weiter bis zum heutigen Tage keine formale Rechtsposition einer Betriebsinhaberin bzw. -mitinhaberin innerhalb des Betriebes eingeräumt worden; dass sie aufgrund der Einräumung einer Prokura und der Einräumung der Befugnis, Grundstücke zu veräußern und zu belasten (vgl. § 48 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB)) und § 49 Abs. 1 und Abs. 2 HGB sowie § 54 Abs. 2 HGB) und deren Eintragung in das Handelsregister mit umfassenden Vollmachten ausgestattet ist (vgl. 53 Abs. 1 S. 1 HGB), ist für sich gesehen nicht aussagekräftig bezüglich der hier zu entscheidenden Frage, ob Versicherungspflicht besteht. Vielmehr ist die Einräumung einer Prokura und die Einräumung der Befugnis Grundstücke zu veräußern und zu belasten auch und gerade für leitende Angestellte im kaufmännischen Bereich typisch und lässt noch nicht den Rückschluss auf eine selbständige Tätigkeit der Klägerin zu, zumal die Prokura ohnehin gemäß § 52 Abs. 1 HGB jederzeit widerruflich ist und die Rechtsmacht hierzu ausschließlich bei dem Beigeladenen zu 1) liegt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aus Sicht der Kammer letztlich, dass der Beigeladene zu 1) seiner Frau in keiner Weise weitergehende rechtliche Befugnisse eingeräumt hat, sei es durch z. B. Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer anderen Personengesellschaft. Dies wäre ihm aber als eingetragener Kaufmann rechtlich ohne weiteres möglich gewesen. Im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit hätten die Klägerin und der Beigeladene zu 1) daher ohne Weiteres eine andere Betriebsform als eine Einzelfirma wählen können. Dies haben sie jedoch bis zum heutigen Tage gerade nicht getan, sondern an der gewählten Form - abhängige Beschäftigung der Klägerin in der Einzelfirma des Beigeladenen zu 1) - festgehalten. Dementsprechend hat der Beigeladene zu 1) auf die entsprechende Frage des Gerichts auch keinen Zweifel daran gelassen, dass er der alleinige Betriebsinhaber sei und selbst davon ausgehe, dass die Klägerin zwar selbständig arbeite, jedoch abhängig beschäftigt sei. Jedenfalls hat ausschließlich der Beigeladene zu 1) die Rechtsmacht, an den rechtlichen Verhältnissen der Firma Änderungen vorzunehmen oder die Klägerin von ihren Aufgaben wieder zu entbinden. Damit ist die Klägerin in ihrer Betätigung bei dem Beigeladenen zu 1) in jeglicher Hinsicht rechtlich von diesem abhängig.

Dass die Klägerin in ihrem Aufgabenbereich, der kaufmännischen Leitung des Betriebes, sicherlich keiner ständigen Aufsicht und Kontrolle, zu der sich der Beigeladene zu 1) in kaufmännischen Angelegenheiten auch gar nicht in der Lage sieht, unterliegt, sondern – wie bei Diensten höherer Art üblich – weitgehend weisungsfrei ist, spricht ebenfalls nicht für eine selbständige Tätigkeit. Das Weisungsrecht kann, vornehmlich bei sog. Diensten höherer Art, sogar stark eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Januar 2006, - B 12 KR 12/05 R m. w. N., zitiert nach juris), ohne dass dies gegen eine abhängige Tätigkeit spräche. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen, wie der eigenständigen Einstellung von Personal (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Dezember 2001, - B 12 KR 10/01 R, zitiert nach juris), die die Klägerin zuletzt nicht einmal mehr selbst behauptet hat. In diesem Zusammenhang hebt die Kammer ausdrücklich hervor, dass - wie bei der Klägerin in Folge ihrer Ausbildung als Sozialversicherungsfachangestellte und ihrer jahrelang erworbenen kaufmännischen Kenntnisse - der eigentlich Weisungsbefugte häufig aufgrund seiner fachlichen Unterlegenheit überhaupt nicht dazu in der Lage ist, Weisungen zu erteilen. Hinzu kommt bei Familienunternehmen im Übrigen eine besondere familienhafte Rücksichtnahme, die ebenfalls die Erteilung von Weisungen einschränkt. Ein eingeschränktes oder im Einzelfall überhaupt nicht ausgeübtes Weisungsrecht ändert nach Auffassung der Kammer aber nichts daran, dass eine rechtliche Weisungsunterworfenheit der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen zu 1) vorliegt, die aus dessen Stellung als Betriebsinhaber herrührt. Zu beachten ist insoweit auch, dass die Nichtausübung eines Weisungsrechts solange unbeachtlich ist, wie diese Rechtsposition nicht wirksam abgedungen worden ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. Januar 2006, - B 12 KR 30/04 R, zitiert nach juris); letztlich bleibt der Beigeladene zu 1) rechtlich verantwortlich. Dagegen hat eine Eingliederung der Klägerin in den Betrieb durchgehend vorgelegen, und zwar nicht nur räumlich durch einen eigenen Arbeitsplatz in den Betriebsräumen, sondern auch funktionell bis hin zu einer für Arbeitnehmer bzgl. Lage und Verteilung sowie Umfang üblichen Arbeitszeit, wobei sich die Klägerin, wie aber bei leitenden Angestellten ebenfalls nicht unüblich, gewisse Freiheiten, nehmen durfte; Im Übrigen verfügte die Klägerin auch nicht etwa über eine eigene Betriebsstätte, was Indiz für die Qualifizierung einer selbständigen Tätigkeit wäre (vgl. hierzu: Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Mai 2008, - B 12 KR 13/07 R, zitiert nach juris).

Tatsächlich betreute die Klägerin in dem hier zu beurteilenden Zeitraum den kaufmännischen Bereich. Auch wenn sie insoweit möglicherweise als leitende Angestellte mit Personalbefugnissen und besonderen Fachkenntnissen tätig war, konnte sie die wesentlichen Entscheidungen für das Unternehmen wie z. B. Erweiterung der Geschäftsbereiche, Verkauf, Beteiligung an anderen Unternehmen, Umzug des Unternehmens usw. weder allein bestimmen noch entscheidend mitbestimmen. Unternehmensinhaber war vielmehr allein der Beigeladene zu 1), wie sich auch aus sämtlichen aktenkundigen Geschäftspapieren und nicht zuletzt auch – nach einer Recherche des Gerichts – aus dem eigenen Internetauftritt unter der Webadresse „http://www.alleritz-automaten.de“. Dass die Klägerin aufgrund ihrer familiären Bindung zum Unternehmensinhaber einen größeren Einfluss auf das Unternehmen gehabt haben mag als ein familienfremder Arbeitnehmer, liegt – zumindest bei intakten familiären Verhältnissen – in der Natur derartiger Beschäftigungsverhältnisse, erlaubt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf eine selbständige Tätigkeit. Hinzu kommt als maßgeblicher Umstand, dass nach den übereinstimmenden Ausführungen der Klägerin, des Beigeladenen zu 1) und des gehörten Zeugen G. nur der Beigeladene zu 1) die Entscheidungen darüber trifft, welche größeren Investitionen – etwa die Entscheidung darüber, welche neuen Automaten oder welche neuen Kraftfahrzeuge anzuschaffen sind – zu erfolgen haben. Daher ist die Kammer auch davon überzeugt, dass nur der Beigeladene zu 1) die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen in den Händen hält und die Klägerin erst nach der Entscheidung des Beigeladenen zu 1) über das „Ob“ einer Investition in die weiteren Prozesse eingebunden ist. Dass die Klägerin im weiteren Verlauf des „Wie“ nach ihren Angaben auch maßgeblichen Einfluss auf die Vertragsverhandlungen nehmen kann, hält die Kammer für das geradezu typische Erscheinungsbild einer leitenden Angestellten mit weitreichenden Befugnissen; eine selbständige Tätigkeit vermag die Kammer daraus indes nicht schlusszufolgern. Entscheidend ist und bleibt, dass der Beigeladene zu 1) die besonders risikobehafteten Entscheidungen selbst trifft und das damit verbundene unternehmerische Risiko allein trägt. Im Übrigen mag es sein – worauf der Zeuge G. glaubhaft hingewiesen hat –, dass die Klägerin für die Mitarbeiter des Unternehmens des Beigeladenen zu 1) die Ansprechpartnerin in allen nichttechnischen Belangen ist. Dies erscheint der Kammer im Hinblick auf ihren kaufmännischen Arbeitsbereich auch durchaus plausibel zu sein, lässt sie jedoch nicht als selbständig Tätige erscheinen, da auch derartige Umstände für leitende Angestellte im kaufmännischen Bereich mit Personalverantwortung typisch sind.

Soweit auch damit argumentiert wird, dass die Klägerin – entgegen der Regelung im Arbeitsvertrag – keine regelmäßige Arbeitszeit zu verrichten hatte und an keine festen Arbeitszeiten gebunden war und auch weisungsunabhängig tätig wurde, handelt es dabei um Gegebenheiten, die auch für abhängig Beschäftigte in leitender Position typisch sind. Dies macht im Ergebnis auch deutlich, dass etwaige vorübergehende, nur wenige Wochen umfassende Abwesenheiten den Vergütungsanspruch nicht berühren sollen. Nach der vertraglichen Gestaltung kann die Klägerin daher auch in Krankheits- und Urlaubszeiten diese Vergütung beanspruchen. Sie läuft damit nicht Gefahr, ihre Arbeitsleistung ohne Gegenleistung erbringen zu müssen. Dies wird sogar noch plastischer, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung am 06. Oktober 2010 seit etwa drei Jahren – von Ausnahmen abgesehen – nur noch bis mittags arbeitet, ohne dass sich an der Höhe des Gehaltes – zumindest zu ihren Ungunsten – etwas verändert hätte.

38Die Klägerin selbst trägt – im Gegensatz zu dem Beigeladenen zu 1) – auch kein unternehmerisches Risiko. Nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen (vgl. etwa Urteil vom 28. Mai 2008, - B 12 KR 13/07 R, zitiert nach juris m. w. N.) ist maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, insbesondere aber auch, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel ungewiss ist. Dies ist bei der Klägerin in keiner Weise jemals der Fall gewesen. Unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Beigeladenen zu 1) erhält sie seit ihrem Eintritt in die Firma ein festes Gehalt als Gegenleistung für den Einsatz ihrer Arbeitskraft. Soweit die Klägerin ihr Unternehmerrisiko einzig und allein darin erblickt, dass sie im Falle einer Insolvenz der Firma des Beigeladenen zu 1) mit ihrem Privatvermögen haften müsse, überzeugt dies die Kammer schon deshalb nicht, weil die Klägerin das finanzielle Risiko gerade nicht als Mitinhaberin übernommen hat. Dass sie im Falle der Insolvenz der Firma (möglicherweise) dem Beigeladenen finanziell zur Seite stehen würde, führt die Kammer allein auf die eherechtlichen Bindungen zurück, ein maßgebliches Unternehmerrisiko trägt die Klägerin damit jedoch nicht.

Schließlich stellt zwar die Gewährung des Darlehens in Höhe eines Betrages von 20.000,00 DM auch nach Auffassung der Kammer ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit der Klägerin dar, da ein solches Engagement arbeitnehmeruntypisch ist. Andererseits erhielt und erhält die Klägerin ein festes - von der monatlichen Ertragslage des Beigeladenen zu 1) unabhängiges - monatliches Gehalt. Die Annahme einer selbständigen Tätigkeit ist indes erst dann gerechtfertigt, wenn ein echtes Unternehmerrisiko getragen wird, wovon unter anderem jedoch erst dann ausgegangen werden kann, wenn trotz fehlender Einnahmen Betriebsausgaben zu tragen sind (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. November 2005, - L 13 R 112/05, zitiert nach juris), was hier zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen ist. In der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung kann die Höhe des finanziellen Engagements die gegen eine selbständige Tätigkeit der Klägerin sprechenden Umstände nicht überlagern. Die Tatsache, dass sie weder tatsächlich noch rechtlich zur Bestimmung der Geschicke des Beigeladenen zu 1) in der Lage war und ist, wiegt zu schwer.

Die Kammer vermag auch nicht die Auffassung einer vollständigen Unabhängigkeit der steuerrechtlichen von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der klägerischen Tätigkeit zu teilen. Richtig ist zwar, dass zwischen diesen Rechtsgebieten keine Bindungswirkung besteht, also der Einzugsstelle jeglicher Beurteilungsspielraum und jegliche Entscheidungskompetenz bei Vorlage eines Steuerbescheides genommen wäre, doch besteht eine starke Indizwirkung im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Dies hat der Gesetzgeber etwa in § 28p SGB IV berücksichtigt, wonach bei Betriebsprüfungen auf die Lohnsteuerprüfungen zurückgegriffen werden kann (§ 10 Abs. 2 der Beitragsverfahrensordnung). Auch findet sich ein entsprechender der Bezug in § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung, als Nachfolgevorschrift der früheren Arbeitsentgeltverordnung. Die Kammer kann und will nicht darüber hinweggehen, dass die Klägerin bei Abgabe ihrer Steuererklärung – gegebenenfalls über ihren Steuerberater – stets ihre Arbeitnehmereigenschaft vorgetragen hat. Im Übrigen ist die steuerrechtliche Behandlung auch nicht nur eine bloße Formalie. Wenn gegenüber dem Finanzamt über Jahrzehnte hinweg nach besten Wissen und Gewissen erklärt wird, als Arbeitnehmer sein Geld zu verdienen und auch entsprechende Vergünstigungen steuerlicher Art in Anspruch genommen werden, ist dies ein gewichtiges Indiz, das für die Qualifizierung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht. Dies gilt auch für die Betriebsprüfungen. Dass die in der Vergangenheit mehrfach durchgeführten Betriebsprüfungen keinerlei Beanstandungen dieser Praxis ergeben haben, ist rechtlich nicht ausschlaggebend, ergänzt aber das Bild einer zutreffend als abhängige Beschäftigung eingestuften Tätigkeit der Klägerin. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin und der Beigeladene zu 1) bei der Frage, ob die Klägerin ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausübt, in einem Rechtsirrtum befanden, bestehen nicht, denn in dem Betrieb des Beigeladenen zu 1) sind und waren fortlaufend Arbeitnehmer beschäftigt, für die eine Meldung zur Sozialversicherung zu erfolgen hatte, für die die Klägerin – die im Übrigen den Beruf der Sozialversicherungsfachangestellten erlernt hat und damit ohnehin über sozialversicherungsrechtliche Kenntnisse verfügt – die Verantwortung trug. Die Frage der Sozialversicherungspflicht und die diese begründenden Tatsachen waren daher sowohl der Klägerin als auch dem Beigeladenen zu 1) vertraut, so dass – entgegen der Auffassung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) – nichts dafür spricht, die Meldung der Klägerin habe auf einer fehlerhaften rechtlichen Einschätzung der Beziehungen der Eheleute beruht.

d) Bei der Klägerin handelt es sich schließlich auch nicht lediglich um eine so genannte mithelfende Familienangehörige. Dies sind Personen, die nicht auf der Grundlage eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses, sondern aufgrund familiärer bzw. unterhaltsrechtlicher Verpflichtung tätig werden und deshalb nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen (vgl. hierzu im Einzelnen: Seewald in Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV, Rn. 101ff. mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Dagegen widmete die Klägerin ihre gesamte Arbeitskraft für das Unternehmen des Beigeladenen zu 1) und sie bestritt ihren gesamten Lebensunterhalt aus dem hierfür gezahlten Entgelt. Das erzielte monatliche Bruttoentgelt in Höhe eines Betrages, der seit mehreren Jahren stetig die Jahresarbeitsverdienstgrenze überschreitet, übersteigt die bei einer familiären Mitarbeit typische Gegenleistung (Kost und Logis nebst Taschengeld) bei weitem. Gegen eine familiäre Mithilfe und für ein reguläres Beschäftigungsverhältnis spricht schließlich auch das Verhalten der Klägerin und des Beigeladenen zu 1), die das gezahlte Entgelt – wie bereits erwähnt – durchaus als Arbeitsentgelt angesehen und dementsprechend Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt haben.

e) Es sprechen schließlich auch keine rechtlich vernünftigen Gründe dafür, nunmehr rückwirkend in das jahrelang mit Billigung aller Beteiligten bestehende Versicherungsverhältnis einzugreifen. Schwerwiegende Fehler, Ungereimtheiten oder Erschleichung eines Versicherungsschutzes sind auszuschließen. Gerade, weil eine solche in die Vergangenheit zielende Umwandlung eines jahrelang aus dem Blickwinkel verschiedenster Beteiligter zutreffenden Rechtszustandes zu solchen Unklarheiten und Unsicherheiten wie hier führt, hat das Bundessozialgericht den einleuchtenden Rechtssatz formuliert, dass die Versicherungsverhältnisse grundsätzlich nicht nachträglich geändert werden sollen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 08. Dezember 1999, - B 12 KR 12/99 R, zitiert nach juris). Der Gedanke von der Kontinuität eines Versicherungslebens, wonach Änderungen darin erst für die Zukunft gelten sollen, ist ein beachtlicher Grundsatz und Grundlage einer soliden Zukunftssicherung.

4. Wenn die Klägerin nach alledem mit ihrem Begehren auf Feststellung der Versicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung nicht durchzudringen vermochte, war die Klage auch hinsichtlich des Anfechtungsbegehrens abzuweisen. Denn die Klägerin war in dem zur Beurteilung gestellten Zeitraum ab dem 01. Juli 1995 mehr als nur geringfügig abhängig beschäftigt und unterlag daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XI sowie § 25 SGB III der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der Sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Darüber hinaus hat die Beklagte im Hinblick auf die Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze auch zutreffend diejenigen Zeiträume ausgeschieden, in denen die Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Kranken- und Sozialen Pflegeversicherung unterlag. Insoweit verweist die Kammer gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die Ausführungen im angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2006, folgt dieser und macht sie sich zu Eigen.

Soweit ein Zeitraum im Streit stand, über den die Beklagte bereits mit Bescheid vom 19. Juni 1998 bindend entschieden hatte, hat die Beklagte nach alledem im Übrigen zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen der insoweit einschlägigen Rechtsgrundlage des § 44 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) mangels Rechtswidrigkeit nicht vorliegen. Soweit die Beklagte darüber hinaus eine Feststellung auch für den sich anschließenden Zeitraum und für die Zukunft getroffen hat, ist auch diese aus den dargestellten Gründen nicht zu beanstanden.

Schließlich hat die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden nach deren Auslegung und ihrem Gesamtzusammenhang nicht nur über die Versicherungspflicht dem Grunde nach entschieden, sondern eine umfassende Entscheidung herbeigeführt, so dass es sich nicht lediglich um eine rechtswidrige Elementenfeststellung handelt (vgl. zu diesem Aspekt eingehend: Bundessozialgericht, Urteil vom 11. März 2009, - B 12 R 11/07 R, zitiert nach juris). Die Problematik der unzulässigen Elementenfeststellung stellt sich im Übrigen nach Auffassung der Kammer schon deshalb nicht, weil für die Klägerin in der Vergangenheit – entsprechend ihrem Bruttoarbeitsentgelt – tatsächlich Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt bzw. – zwischenzeitlich – angefordert worden sind (vgl. hierzu auch: Sozialgericht Neuruppin, Urteil vom 15. September 2010, - S 25 KR 186/06, zitiert nach juris).

5. Angesichts des Verfahrensausgangs besteht kein Anlass, der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§ 193 SGG). Auch hält es die Kammer nicht für geboten, der unterlegenen Klägerin eventuelle Kosten des Beigeladenen zu 1) aufzuerlegen.