Brandenburgisches OLG, Urteil vom 07.07.2010 - 7 U 206/08
Fundstelle
openJur 2012, 13417
  • Rkr:
Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird auf die Berufung der Beklagten das am 3. Dezember 2008 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die von der Beklagten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der O… GmbH P…, Aktenzeichen: 35 IN 1288/03, am 19. April 2004 in Höhe von 232.000,00 € angemeldete Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist am 30.03.2004 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der O… GmbH (demnächst: Schuldnerin) bestellt worden.

Die Schuldnerin hatte mit dem D… e.V. (nachfolgend: D…) am 15.05./13.06.2001 eine Kooperationsvereinbarung geschlossen (Anlage K 2 - Bl. 12 – 22 d.A.). Nach dem Inhalt der Vereinbarung verfolgten die Vertragspartner das gemeinsame Ziel, in Arbeitsteilung einen Filmscanner zur Digitalisierung von 35 mm - Kinofilmen zu entwickeln, der von der Schuldnerin in Serie produziert und vermarktet werden sollte, wobei die Schuldnerin als Ausgleich an das D… Lizenzgebühren zu zahlen hatte. Sodann schlossen mit Zustimmung des D… die Schuldnerin mit der Beklagten am 29.11./ 09.2002 einen Vertrag, der vorsah, dass die Beklagte alle Rechte und Pflichten der Schuldnerin aus der Kooperationsvereinbarung gegen Zahlung eines Betrages von insgesamt 400.000,00 € zuzüglich Umsatzsteuer, zahlbar in vier Raten, übernehmen sollte.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Begleichung der beiden letzten Raten, während die Beklagte widerklagend die Feststellung ihrer Forderung auf Rückzahlung der beiden ersten Raten zur Insolvenztabelle begehrt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 232.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 116.000,00 € seit dem 29.08.2003 und aus weiteren 116.000,00 € seit dem 09.12.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen und im Wege der Widerklage,

die von ihr im Insolvenzverfahren über das Vermögen der O… GmbH P…, Aktenzeichen: 35 IN 1288/03, am 19.04.2004 angemeldete Forderung in Höhe von 232.000,00 € zur Insolvenztabelle festzustellen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme Klage und Widerklage abgewiesen.

Das Urteil des Landgerichts ist dem Kläger am 11.12.2008 und der Beklagten am 08.12.2008 zugestellt worden. Beide Parteien haben Berufung eingelegt, mit denen sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen. Der Kläger hat sein am18.12.2008 eingelegtes Rechtsmittel nach entsprechender Fristverlängerung am 06.03.2009 begründet. Die Beklagte hat ihre Berufung am 18.12.2008 eingelegt und nach entsprechender Fristverlängerung am 09.03.2009 begründet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihrem Widerklageantrag zu erkennen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen. Der Senat hat im Termin vom 03.03.2010 den Sachverständigen Dr.-Ing. C… angehört. Hierzu wird auf die Sitzungsniederschrift vom 03.03.2010 verwiesen.

II.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Berufung der Beklagten hat dagegen Erfolg.

1.

Die Klage, mit der der Kläger Zahlung der beiden letzten Kaufpreisraten in Höhe von insgesamt 232.0000,00 € verlangt, ist unbegründet.

a)

Die vom Landgericht offen gelassene Frage, ob der Kläger im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch sachbefugt ist, könnte für die Entscheidung des Senats ebenfalls dahinstehen, ist allerdings im Ergebnis doch zu bejahen.

Die Beklagte hat die Sachbefugnis des Klägers hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 43.147,22 € unter Hinweis darauf geleugnet, dass die Schuldnerin eine Forderung in Höhe von 43.147,22 € an die Firma T… GmbH mit Vereinbarung vom 11.03.2003 (Anlage B 11 im Anlagenband) abgetreten habe (Seite 15 des Schriftsatzes vom 15.04.2005 - Bl. 118 d.A.).

Zwar handelt es sich entgegen dem Vortrag des Klägers (Seite 11 des Schriftsatzes vom 20.05.2005 – Bl. 138 d.A.) nicht lediglich um eine Sicherungsabtretung. Die Abtretung ist nämlich - ohne Einschränkungen - („unwiderruflich“) vorgenommen worden. Der Kläger hat aber unter Beweisantritt (Zeugnis Dr. R… und Zeugnis L... A…) vorgetragen, die Zessionarin habe die Forderung rückabgetreten (Bl. 138 d.A.). Da die Beklagte die Tatsache der Rückabtretung als solche nicht bestritten hat (Seite 13 des Schriftsatzes vom 29.07.2005 - Bl. 168 d.A.), ist dies nicht weiter aufklärungsbedürftig, ganz abgesehen davon, dass es für die Entscheidung des Senats darauf nicht ankommt.

b)

Der auf Zahlung der beiden letzten Kaufpreisraten gerichtete Klageanspruch in Höhe von insgesamt 232.000,00 € ist gemäß § 433 Abs. 2 BGB dem Grunde und der Höhe nach entstanden. Der Anspruch ergibt sich aus dem Vertrag, den die Schuldnerin und die Beklagte unter dem 29.011./09.12.2002 geschlossen haben.

2.

Die Beklagte kann dem Klageanspruch Einwendungen entgegensetzen, mit der Folge, dass die Klägerin Zahlung der beiden restlichen Kaufpreisraten nicht mehr verlangen kann.

a)

Das Landgericht hat angenommen, die Beklagte sei wegen Sachmängeln zur Minderung des Kaufpreises – zumindest in der geltend gemachten Höhe – befugt (§§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 441 Abs. 1 Satz 1, 323 Abs. 1, 453 Abs. 1 2. Alt. BGB). Insoweit hat das Landgericht den zwischen der Schuldnerin und der Beklagten geschlossenen Vertrag vom 29.11./09.12.2002 nicht als reinen Rechtskauf, sondern als Kauf von sonstigen Gegenständen im Sinne des § 453 Abs. 1 BGB rechtlich eingeordnet.

Der Senat folgt dem Landgericht in dieser Beurteilung nicht.

Die Schuldnerin hat mit dem Vertrag vom 29.11./09.12.2002 (Bl. 23 – 26 d.A.), wie es in Ziffer 1.1. (Bl. 23 d.A.) heißt, der Beklagten alle Rechte und Pflichten aus der Kooperationsvereinbarung vom 15.05./13.06.2001 (Bl. 12 – 22 d.A.) übertragen. Deshalb ist für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses der Schuldnerin und der Beklagten maßgeblich, wie die Kooperationsvereinbarung rechtlich zu qualifizieren ist.

Die Schuldnerin und das D… haben sich mit der Kooperationsvereinbarung zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der Form einer Innengesellschaft zusammengeschlossen. In der Präambel (Bl. 13 d.A.) ist der Gesellschaftszweck beschrieben. Danach verfolgten die Vertragschließenden, gemeinsam und in Arbeitsteilung einen vermarktbaren Filmscanner zur Digitalisierung von 35 mm-Kinofilmen zu entwickeln, den anschließend die Schuldnerin in Serie fertigen und vertreiben sollte. Das D… sollte am gemeinsamen Arbeitserfolg in der Weise teilhaben, dass die Schuldnerin hierfür Lizenzgebühren zahlen sollte (§ 5 Abs. 2 der Kooperationsvereinbarung – Bl. 16 d.A.).

In dem Vertrag vom 29.11./09.12.2002 ist in Ziffer 1.2. ist vereinbart, dass die Schuldnerin der Beklagten „ausschließlich, zeitlich und räumlich unbefristet sämtliche Nutzung- und Verwertungsrechte an allen schöpferischen Leistungen aus der Entwicklung des Hochleistungsscanners“, „die Inhaberschaft an der Markenanmeldung für die Wort-Bild-Marke Filmreader und die Mitinhaberschaft an der Patentanmeldung für den Hochleistungsscanner“ überträgt (Bl. 24 d.A.). Folglich ist der mit Zustimmung des D… zwischen der Schuldnerin und der Beklagten geschlossene Vertrag darauf gerichtet, dass die Schuldnerin ihren GbR-Anteil mit den gesamten daraus erwachsenen Rechtspositionen, nämlich den Urheberrechten sowie den Rechten aus den Marken- und Patentanmeldungen einschließlich des sonstigen schriftlichen Know-how, der Beklagten überträgt.

Der Sache nach bedeutet dies, dass die Schuldnerin ihre gesamte Rechtsstellung als Gesellschafterin der Beklagten übertragen hat. Dem entspricht es, dass die Vertragschließenden im Vertrag vom 29.11./09.12.2002 zu Ziffer 11.1 vereinbart haben, die Schuldnerin übertrage der Beklagten alle Rechte und Pflichten aus der Kooperationsvereinbarung vom 15.05./13.06.2001.

Wenn, wie im Streitfall, dem Erwerber nur Anteile bis zur Hälfte des Kapitals veräußert werden und der Erwerber nicht eine die Gesellschaft beherrschende Stellung erlangt, handelt es sich nach den Grundsätzen der Entscheidung, BGH NJW 1980, 2408, 2409 um einen Rechtskauf (§ 453 BGB), auf den die §§ 459 ff. BGB auch nicht entsprechend anzuwenden sind.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann die Beklagte dem Kläger folglich Einwendungen unter dem Gesichtspunkt der Sachmängelhaftung (§§ 459 ff. BGB) nicht entgegensetzen.

b)

Die Beklagte kann die Zahlung der restlichen Kaufpreisraten gleichwohl verweigern. Sie kann dem Kläger dessen Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) entgegenhalten und verlangen (§ 249 BGB) so gestellt zu werden, wie sie ohne das schädigende Verhalten des Schuldners gestanden hätte (BGH NJW 1981, 1673). Das bedeutet, dass die Beklagte so zu stellen ist, als habe sie den Vertrag vom 29.11./09.12.2002 nicht geschlossen. Deshalb schuldet sie den verlangten Restkaufpreis nicht.

Bislang hat der BGH in ständiger Rechtsprechung (zuletzt: NJW 2001, 2875, 2876 m.w.N.) angenommen, dass im Anwendungsbereich der Rechtsmängelhaftung, bei der es sich nicht um eine abschließende Sonderregel handele, Ansprüche aus culpa in con-trahendo durch den - sonst geltenden - Vorrang des Gewährleistungsrechts nicht ausgeschlossen seien.

Durch das am 01.01.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts ist das Kaufrecht umgestaltet und dem neu konzipierten Leistungsstörungsrecht angepasst worden. Für den Streitfall ist nicht mehr das alte Recht, sondern das neue Recht maßgeblich, weil der Vertrag am 29.11./09.12.2002 geschlossen wurde (Art. 229 EGBGB § 5 Satz 1).

Im Schrifttum (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 311 BGB, Rdnr. 17; Erman/ Kindl, BGB, 11. Aufl., § 311 BGB, Rdnr. 46; Mertens, AcP 2003, 818, 830) wird nunmehr – teilweise – die Auffassung vertreten, im Anwendungsbereich des reformierten Kaufrechts gelte der grundsätzliche Vorrang der Gewährleistungsvorschriften (§§ 434 bis 441 BGB) in gleicher Weise für Sach- und Rechtsmängel, mit der Folge, dass ein pflichtwidriges Verhalten des Verkäufers, insbesondere unrichtige Angaben zur Beschaffenheit des Kaufgegenstandes keine Ansprüche aus culpa in contrahendo begründeten. Teilweise wird an der bisherigen Auffassung festgehalten (siehe hierzu: Münch- Komm/Emmerich, BGB, 5. Aufl., § 311 BGB, Rdnr. 140 ff.; Häublein, NJW 2003, 388, 391 ff.).

In der Rechtsprechung hat bisher das OLG Jena (OLG-NL 2006, 217, 218) für das neue Recht den Ausschluss der Ansprüche aus culpa in contrahendo befürwortet, allerdings ohne darauf entscheidungserheblich abzustellen. Der BGH brauchte sich in der Entscheidung NJW-RR 2008, 564, 565 zu dieser Frage nicht festzulegen.

Der erkennende Senat vertritt die Auffassung, dass die Reform des Kaufrechts an der bisherigen Rechtslage insoweit nichts geändert hat, als im Anwendungsbereich der Rechtsmängelhaftung die Anwendung der culpa in contrahendo wie bisher als nicht ausgeschlossen ist.

Zwar bestimmt § 453 Abs. 1 BGB, dass beim Rechtskauf die §§ 433 ff. BGB heranzuziehen sind, diese finden jedoch nur entsprechende Anwendung. Die Neufassung des § 440 BGB verweist nach wie vor auf die Vorschriften der Leistungsstörung. Jedoch ist nach dem neuen Recht die Haftung des Verkäufers für Sach- und Rechtsmängel noch nicht ganz der allgemeinen Verschuldenshaftung angepasst; es bleiben nach wie vor wesentliche Unterschiede, namentlich bei der Verjährungsfrage und beim grundsätzlichen Vorrangs der Nacherfüllungsrechte des Käufers; außerdem kann der Käufer sein volles negatives Interesse nur wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten beanspruchen (MünchKomm/Emmerich, § 311 BGB, Rdnr. 143).

c)

Die Voraussetzungen einer Haftung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo sind im Streitfall erfüllt.

aa)

Im Rahmen der Vertragsverhandlungen zwischen der Schuldnerin und der Beklagten ist ein vorvertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen, das der Schuldnerin die Einhaltung von Rücksichtspflichten auferlegte.

bb)

Die Schuldnerin war der Beklagten gegenüber verpflichtet, über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln konnten.

Gegen diese Verpflichtung hat die Schuldnerin verstoßen.

Der Vertragszweck ergibt sich aus dem Inhalt des Vertrages vom 29.11./09.12.2002. Danach hat die Schuldnerin ihre gesamte Rechtsstellung als Gesellschafterin der Beklagten übertragen. Das bedeutet, dass die Beklagte in den Stand versetzt werden sollte, nunmehr an Stelle der Schuldnerin zusammen mit dem D… den Filmscanner so weiter zu entwickeln, dass sie, die Beklagte, den Scanner in Serie fertigen und vertreiben konnte.

Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang auf Seite 5 f. des Urteils ausgeführt, inwieweit die Vertragsparteien im Vorfeld wie auch im Vertrag selbst den geschuldeten Entwicklungsstand gesehen und entsprechend vereinbart haben, und zwar dahingehend, dass der Scanner bereits – funktionsfähig – entwickelt war, allerdings noch nicht den Stand der Serienreife erreicht hatte; namentlich sollte der Scanner bereits mit den in der Anlage C zu dem Vertrag (Bl. 233, 234 d.A.) beschriebenen Eigenschaften entwickelt sein (Ziffer 1.2. des Vertrages – Bl. 23 d.A.). Die Ausführungen des Landgerichts haben auch für die Frage der Aufklärungspflicht im Vorfeld der Vertragsverhandlungen zu gelten. Der Senat folgt diesen zutreffenden Ausführungen des Landgerichts.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Scanner in technischer Hinsicht sich – von Anfang an – nicht realisieren lässt. Dies hat der Sachverständige Dr.-Ing. C… in seinem schriftlichen Gutachten vom 22.08.2007 (Bl. 282 – 333 d. A.) und bei seiner Anhörung vor dem Senat im Termin vom 03.03.2010 (Bl. 607, 608 d. A.) dargelegt und erläutert.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten besteht der konzeptionelle Fehler der Erfindung der Schuldnerin darin, dass die – nach roten, grünen und blauen Farbbalken (Farblayer) örtlich und zeitlich getrennte – Abtastung bei gealtertem Filmmaterials nicht konstant entsprechend der vorgegebenen Pixelgröße (0,007 mm) durchgeführt werden kann, weil gealtertes Filmmaterial in Länge und Breite einen nicht konstanten Schrumpfungsgrad aufweist und durch Beschädigungen an der Perforation wie auch an den Filmflanken zu weiteren gravierenden Toleranzabweichungen führt (Bl. 288, 289, 290, 292, 293 d.A.).

Der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat im Termin vom 03.03.2010 die in seinem Gutachten beschriebene technische Unzulänglichkeit des von der Schuldnerin entwickelten Scanners erläutert und dazu abschließend ausgeführt, dass in technischer Hinsicht eine erfolgversprechende Weiterentwicklung nicht gegeben ist; die Sache hat im Ergebnis nicht funktioniert und sie hat auch vorher nicht funktioniert (Bl. 607, 608 d.A.).

Die technischen Einzelheiten, die - nach den Ausführungen des Sachverständigen - zu dem Ergebnis führen, dass der Scanner sich von Anfang an nicht zu einem serientauglichen Gerät entwickeln lässt, sind als Tatsachen zu qualifizieren, über welche die Schuldnerin die Beklagte aufzuklären hatte. Denn diese Tatsachen waren geeignet, den Vertragszweck zu vereiteln.

Die Schuldnerin hat die Beklagte über die technischen Einzelheiten, die der Serienreife entgegen standen, nicht aufgeklärt. Insoweit hat die Schuldnerin ihre Aufklärungspflicht verletzt.

cc)

Die Schuldnerin war im Vorfeld der Aufnahme von Vertragsverhandlungen außerdem verpflichtet, keine unrichtigen Informationen zu erteilen (Palandt/Grüneberg, § 311 BGB, Rdnr. 40).

Auch hiergegen hat die Schuldnerin verstoßen. Denn noch vor Abschluss des Vertrages hat der damalige Geschäftsführer der Schuldnerin, Dr. R…, auf der Messe in A…dam im September 2002 im Rahmen der Vorstellung des Entwicklungsmusters zum Ausdruck gebracht, die Entwicklung des Scanners sei – abgesehen von der Problematik des Antriebs – so weit fortgeschritten, dass er die geforderten Parameter aufweise. Dass der Geschäftsführer Dr. R… seinerzeit bei der Präsentation des Musters sich in der zuvor beschriebenen Weise erklärte, hat er bei seiner Vernehmung im Termin vom 19.10.2005 vor dem Landgericht bestätigt (Bl. 203 d.A.).

dd)

Die Schuldnerin hat ihre vorvertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt. Im Rahmen der culpa in contrahendo wird das Verschulden vermutet (§ 280 Abs. 1 BGB). Der Verschuldensmaßstab ist in § 276 BGB geregelt, so dass entgegen der Ausführungen des Klägers nicht auf die konkrete Fahrlässigkeit im Sinne der §§ 277, 708 BGB abzustellen ist (Seite 7 des Schriftsatzes vom 14.04.2010 - Bl. 651 d.A.).

Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr.-Ing. C… war das Projekt in technischer Hinsicht - von Anfang an - nicht zu realisieren.

Die Erkenntnismöglichkeiten des Sachverständigen hatte die Schuldnerin gleichfalls. Sie hätte erkennen können, dass namentlich bei älterem Filmmaterial, das beim Scannen eingesetzt werden sollte, die technischen Voraussetzungen eines Abgleichs nicht gegeben waren, wie das Landgericht unter Verweis auf die Feststellungen des Sachverständigen auf Seite 6 unten und Seite 7 des Urteils ausgeführt hat.

Der Kläger hat sich für die Schuldnerin nicht entlastet.

Es genügt nicht, dass der Kläger darauf verweist, die Beklagte selbst sei sach- und branchenkundig gewesen (Seite 2 des Schriftsatzes vom 14.04.2010 – Bl. 646 d.A.). Schon gar nicht kann der Kläger geltend machen, das D… habe keine Kenntnis von der Nichtrealisierbarkeit gehabt (Bl. 647 d.A.).

Rechtlich verfehlt ist der Ansatz des Klägers, eine Haftung aus culpa in contrahendo setze voraus, dass der aufklärungspflichtige Vertragspartner positive Kenntnis von dem aufklärungspflichtigen Umstand habe (Bl. 647 d.A.). Die von dem Kläger in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung BGH ZIP 2001, 918 verhält sich nicht darüber, dass eine Haftung aus culpa in contrahendo für dem Verkäufer bekannte Tatsachen bestehe.

Schließlich greift der Einwand des Klägers nicht durch, ein Verschulden der Schuldnerin scheitere daran, dass die Beklagte im Rahmen ihrer eigenen Prüfung (due diligence) die geforderten Parameter, auf die Dr. R… anlässlich der Präsentation im September 2002 auf der Messe in A… verwiesen hat, selbst festgestellt habe (Bl. 649 d.A.). Ganz abgesehen davon, dass sich das von dem Kläger herangezogene Schreiben der Beklagten vom 22.10.2002 (Anlage B 4 im Anlagenband) keineswegs über das Ergebnis einer Prüfung verhält, entlastet dies die Schuldnerin nicht. Denn diese war selbst aufklärungspflichtig bzw. verpflichtet, keine unrichtigen Auskünfte zu erteilen.

3.

Die Widerklage ist begründet.

Die Beklagte hat hinsichtlich ihrer in Erfüllung des Vertrages vom 29.1./09.12.2002 geleisteten ersten Kaufpreisrate einen Anspruch auf Feststellung einer Forderung in Höhe von 232.000,00 € zur Insolvenztabelle (§ 179 Abs. 1 InsO). Die Beklagte ist nämlich wegen des Eingreifens der Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss so zu stellen, wie sie ohne das schädigende Verhalten der Schuldnerin gestanden hätte (§ 249 BGB). Die Beklagte hätte dann die erste Rate nicht zu zahlen brauchen. Der Beklagten steht folglich ein entsprechender bereicherungsrechtlicher Anspruch (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB) zu.

III.

Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), und zwar wegen der Frage, ob auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts im Anwendungsbereich der Rechtsmängelhaftung Ansprüche aus culpa in contrahendo erhoben werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert im Berufungsrechtszug: 255.200,00 € (Davon entfallen auf die Berufung des Klägers 232.000,00 € und auf die Berufung der Beklagten 23.200,00 €).