Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 26.01.2010 - 13 W 67/09
Fundstelle
openJur 2012, 12264
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 23.9.2009 wird der Beschluss der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 4.9.2009 aufgehoben und die Beschwerde der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts Frankfurt/Oder in dem am 16.1.2009 verkündeten Urteil zurückgewiesen, so dass es bei einem Gebührenstreitwert in Höhe von 90.000,00 € verbleibt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg; die des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist begründet.

Das Landgericht hat in dem am 16.1.2009 verkündeten Urteil den Streitwert auf 90.000,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die am Folgetag bei Gericht eingegangene Beschwerde der Klägerin vom 23.6.2009, mit der sie zunächst in entsprechender Anwendung des § 41 Abs. 2 GKG eine Herabsetzung des Streitwertes auf 6.300,00 € und hilfsweise eine Reduzierung auf 45.000,00 € begehrt. Mit Beschluss vom 4.9.2009 hat das Landgericht ihrer Beschwerde teilweise abgeholfen und den Streitwert auf 45.000,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die im eigenen Namen eingelegte Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 23.9.2009. Er trägt vor, richtigerweise sei der Streitwert auf 90.000,00 € beziffert worden. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 30.09.2009 erklärt, die Gebühren seinen nach einem Streitwert von 45.000,00 € zu berechnen.

Die Klägerin hat Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage beantragt, mit der sie zunächst von dem Beklagten eine Räumung und Herausgabe des von ihm genutzten Eigenheims nebst Garage/Carport auf dem ihr gehörigen Grundstück …straße 69, in W…, nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien begehrte. Hierzu hat sie ihm vorprozessual mit Schreiben vom 25.10.2007 mit der Begründung aufgefordert, die nichteheliche Lebensgemeinschaft sei beendet und er habe für die Dauer seiner weiteren Nutzung das dort im Einzelnen berechnete monatliche Nutzungsentgelt zu zahlen.

Die Streitwertreduzierung des Landgerichtes im teilweisen Abhilfebeschluss vom 4.9.2009 hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zutreffend ist das Landgericht allerdings zunächst davon ausgegangen, dass sich vorliegend der Gebührenstreitwert nach § 6 ZPO bestimmt. Nach dieser Vorschrift wird der Wert bestimmt durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz ankommt. Bei Klagen auf Herausgabe von Sachen ist auf den Endzweck des Prozesses Rücksicht zu nehmen, insbesondere auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis und den vom Kläger verfolgten Zweck, so dass der wirkliche wirtschaftliche Streit der Parteien maßgebend ist. Für Herausgabeansprüche aus Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnissen gilt die Sondervorschrift des § 41 GKG. Sie erfasst den Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses wegen einer beweglichen oder unbeweglichen Sache (Abs. 1) und den Streit um die Frage, ob der Beklagte wegen der Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses das Grundstück, Gebäude oder den Gebäudeteil räumen muss (Abs. 2). Nur nach § 6 ZPO ist allerdings zu bewerten, wenn dem Herausgabeanspruch lediglich ein Eigentümer - Besitzer - Verhältnis zugrunde liegt, die Klage also nur auf § 985 BGB oder eine andere, nichtmiet- oder nichtpachtrechtliche Vorschrift gestützt wird. Maßgebend ist dann der Verkehrswert des Herausgabeobjektes. Die privilegierte Streitwertvorschrift des § 41 GKG ist generell nicht anwendbar (vgl. Schneider Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn. 2752 m. w. N.).

5Bei der vorliegend begehrten Räumung und Herausgabe wegen der Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien ist die Vorschrift des § 41 GKG nicht entsprechend anwendbar, weil der Anspruch auf § 985 BGB gestützt gewesen ist, kein Miet-, Pacht- oder ähnliches rechtliches Nutzungsverhältnisses zwischen den Parteien bestand, sondern die Nutzung auf rein tatsächlicher Grundlage erfolgte und dem Beklagten ein Besitzrecht im Sinne des § 986 BGB nicht zustand. Aus der von den Parteien geführten nichtehelichen Lebensgemeinschaft lässt sich ein solches Besitzrecht nicht herleiten. Ebenso wie die Ehe zeichnet sich die nichteheliche Lebensgemeinschaft zwar durch innere Bindungen aus, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen. Diesen inneren Bindungen entspricht bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft aber keine wechselseitige rechtliche Verpflichtung der Partner, wie sie Ehegatten in § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgegeben ist. So kann ein Ehegatte aus der wechselseitigen Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft zwar gegen seinen Ehegatten ein Recht auf Einräumung und zum Behalt von Mitbesitz an der ehelichen Wohnung herleiten, das sich sogar im Trennungsfall nach Maßgabe des § 1361 b BGB durchsetzt. Ein vergleichbares gesetzliches Recht steht dem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gegen seinen Partner jedoch nicht zu. Die Mitbenutzung der gemeinsamen, aber im Alleineigentum eines Partners stehenden Wohnung beruht hier auf dessen tatsächlicher Gestattung; die Befugnis zu dieser Mitbenutzung endet folglich, wenn die tatsächliche Gestattung nicht mehr besteht, etwa weil der Eigentümer der Wohnung die Herausgabe des Mitbesitzes verlangt. Das ist hier der Fall gewesen. Ein Besitzrecht des Beklagten ergibt sich auch nicht aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Leihvertrag. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Parteien einen solchen Leihvertrag geschlossen haben. Die Parteien haben, wie dargelegt, eine nichteheliche Lebensgemeinschaft geführt. Bei einer solchen Gemeinschaft stehen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die persönlichen Beziehungen derart im Vordergrund, dass sie auch das die Gemeinschaft betreffende vermögensmäßige Handeln der Partner bestimmen und daher nicht nur in persönlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht keine Rechtsgemeinschaft besteht. Wenn die Partner nicht etwas Besonderes unter sich geregelt haben, werden dementsprechend persönliche und wirtschaftliche Leistungen nicht aufgrund von wechselseitig abgeschlossenen Verträgen erbracht. Beiträge zur Lebensgemeinschaft werden geleistet, sofern Bedürfnisse entstehen, und wenn nicht von beiden, so von dem erbracht, der dazu in der Lage ist. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - ein Partner das in seinem Eigentum stehende Hausanwesen dem anderen Partner zur Mitnutzung überlässt. Die Einräumung der Mitnutzung ist in solchem Fall nur eine von vielfältigen Leistungen im Rahmen des wechselseitigen Gebens und Nehmens; sie dient - wie die anderen Beiträge auch - dem gemeinsamen Interesse der Partner und erfolgt im Zweifel auf tatsächlicher, nicht auf vertraglicher Grundlage. Das schließt freilich nicht aus, dass gleichwohl ein Vertrag über die Mitbenutzung des Hausanwesens durch den Beklagten geschlossen werden konnte. So kann auch zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Ausgleichsanspruch nach den Vorschriften über die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft bestehen, wenn die Parteien einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten einen entsprechenden Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Auch der Abschluss eines Leihvertrags über den von ihnen gemeinsam genutzten Wohnraum ist danach zwischen den Partnern einer solchen Lebensgemeinschaft zwar grundsätzlich möglich. Zu seiner Annahme bedarf es jedoch besonderer tatsächlicher Anhaltspunkte, die erkennbar werden lassen, dass die Partner gerade die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung aus dem wechselseitigen tatsächlichen Leistungsgefüge ausnehmen und einer besonderen und für beide Partner rechtlich bindenden Regelung zuführen wollten. Ein solcher Vertragsschluss liegt deshalb nicht schon konkludent in dem Umstand, dass zwei Partner sich zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenschließen und der eine Partner künftig das Hausanwesen des anderen mitbewohnt. Regeln sie ihre Beziehung nicht erkennbar besonders, handelt es sich bei der gemeinsamen Nutzung um einen rein tatsächlichen Vorgang, der keine rechtliche Bindung begründet. So liegen die Dinge auch hier. Eine auf die gemeinsame Nutzung des Hauses der Klägerin gerichtete vertragliche Regelung der Parteien ist nicht ersichtlich. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ist schon ihrer Definition nach auf Dauer angelegt; diese Dauerhaftigkeit lässt deshalb - für sich genommen - noch keine Rückschlüsse auf einen Rechtsbindungswillen hinsichtlich der von den Partnern im gemeinsamen Interesse zu erbringenden Leistungen zu (vgl. BGH FamRZ 2008, 1404 ff. m. w. N.).

6Maßgebend ist daher der Verkehrswert des Herausgabeobjektes (§§ 3 und 6 ZPO). Handelt es sich um ein Wohnhaus oder ein anderes Gebäude, dann entspricht der Streitwert dem Verkehrswert des bebauten Grundstücks (vgl. Schneider Streitwertkommentar a. a. O., Rn. 2752 m. w. N.). Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hat die Herausgabe des Eigenheims nebst Garage/Carport begehrt. Den Wert des Eigenheims ohne Bodenwert hat sie in der Beschwerdeschrift mit 45.000,00 € angegeben (75 qm Wohnfläche x 600,00 € pro qm, Bl. 137 d. A.). Hinzu kommt jedoch zunächst der Wert der 1994 errichteten Garage bzw. des Carports und außerdem mindestens der Wert des anteiligen Baulandes, das auf die gesamte herausverlangte Bebauung und deren Nutzung entfällt, so dass ein Verkehrswert von 90.000,00 € durchaus angemessen ist (§ 3 ZPO).

7Demgegenüber kommt es nicht entscheidend auf den Wert des vom Beklagten geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts an. Denn nach herrschender Meinung ist eine Gegenleistung, namentlich wenn sie als Zurückbehaltungsrecht dem Anspruch auf Herausgabe entgegengesetzt wird, für die Gebührenstreitwertbestimmung unbeachtlich. Außer Betracht bleiben nach der herrschenden Meinung Gegenleistungen, selbst wenn nur sie streitig sind. Eine Gegenleistung mag zwar maßgebend sein, wenn nur ihretwegen ein Rechtsmittel eingelegt wird. Dies ist allerdings vorliegend nicht der Fall gewesen (vgl. Zöller-Herget ZPO, 27. Aufl., § 3, Rn. 16 Stichwort „Gegenleistung“ und § 6 Rn. 2, m.w.N.).

Nach alledem war auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten der teilweise landgerichtliche Abhilfebeschluss aufzuheben und die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.