VG Berlin, Beschluss vom 23.06.2009 - 12 A 507.07
Fundstelle
openJur 2012, 11001
  • Rkr:
Gründe

1. Ein Folgefehler liegt vor, wenn ein unrichtiger Ansatz in sich folgerichtig weitergeführt wird, sei es, dass bei einer Rechenaufgabe ein falsches Ergebnis bei der Lösung weiterer Rechenaufgaben eingesetzt und als Folge auch die weiteren Aufgaben unrichtig gelöst werden, sei es, dass bei einer unrichtigen Weichenstellung in einer sonstigen Arbeit danach ein folgerichtiger Lösungsweg beschritten wird (VG Sigmaringen, Urteil vom 30. Oktober 2003 – 8 K 556/01 –, Juris RdNr. 45).

2. Nach dem Folgefehlerprinzip soll eine Leistung - trotz deren Unrichtigkeit - honoriert werden, wenn sie in sich logisch und richtig ist und ihre Unzutreffendheit ausschließlich darauf beruht, dass der Prüfling eine falsche Weichenstellung vorgenommen hat, also gleichsam ‚auf ein falsche Gleis' geraten ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Prüfling Punkte für Leistungen erhält, die er gar nicht erbracht hat. Erbringt der Prüfling keine mit der eigentlich geforderten Lösung vergleichbaren anderen Leistungen aufgrund eine falschen "Weichenstellung", können auch keine Ersatzwertungen aufgrund des Folgefehlerprinzips eingefordert werden (FG Hamburg, Urteil vom 28. Januar 2004 – V 138/03 –, Juris RdNr. 217).

3. Wie der Prüfer Folgefehler gewichtet, fällt in seinen Bewertungsspielraum, (VGH München, Urteil vom 11. Februar 1998 – 7 B 96.2163 –, Juris RdNr. 36).

Dazu BVerwG, Beschluss vom 14. November 1986 – 2 CB 37/86 –, Juris RdNr. 5:

„Es ist eindeutig, daß die in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte, die gerichtliche Überprüfung von Prüferbewertungen begrenzende fachlich-wissenschaftliche Beurteilungsermächtigung der Prüfer (vgl. hierzu u.a. BVerwGE 38, 105 [110 f.]; Urteil vom 22. Oktober 1981 - BVerwG 2 C 35.79 – [Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 155 = RiA 1982, 79]) auch die Frage umfaßt, wie sog. Folgefehler (d.h. in sich folgerichtige Weiterführungen eines unrichtigen Ansatzes) zu beurteilen sind (Beschluß vom 30. April 1984 - BVerwG 2 B 199.82 -).“

4. Mithin sind Folgefehler nicht per se nicht zu beachten. Vielmehr sind diese aufgrund falscher Weichenstellung erbrachten Prüfungsleistungen Teil der Bewertungsgrundlage. Auch ist vom Prüfling für die Annahme eines Folgefehlers und dessen Berücksichtigung bei der Bewertung nicht zu verlangen, dass er bereits in seiner Prüfungsleistung auf seinen eigenen Fehler hinweist. Wie die durch einen Folgefehler bemakelte Lösung zu bewerten ist, unterliegt dann hingegen voll dem Beurteilungsspielraum der Prüfer.

Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass neben der Folgefehlerbewertung die übrigen Bewertungsrügen keine Aussicht auf Erfolg haben dürften. Insbesondere dürfte die Festlegung des Bewertungsmaßstabes Teil des den Prüfern zustehenden und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraumes darstellen; eine willkürliche Festlegung des Bewertungsmaßstabes dürfte vorliegend jedenfalls nicht dargetan sein.

Daher wird gemäß § 106 Satz 2 VwGO folgender Vergleich vorgeschlagen:

1. Die Beklagte verpflichtet sich, den Prüfungsbescheid betreffend die Klausur „Technische Mechanik 1“ im WS 2006/07 bei P. vom 13. Juli 2007, Geschäftszeichen II-738923, aufzuheben.

2. Die Beklagte verpflichtet sich weiter, die P. als Prüfer zur Bewertung der Klausur „Technische Mechanik 1“ im WS 2006/07 zu bestellen; diese Prüfer werden sodann die Klausur des Klägers neu bewerten. Für die Bewertung sind die von den ursprünglichen Prüfern vergebenen Wertungspunkte sowie deren Bewertungsergebnisse zu entfernen; ferner sollen die Anmerkungen der ursprünglichen Prüfer so weit wie möglich entfernt werden

3. Sollte die Bewertung durch die P. ein Ergebnis von „ausreichend“ oder besser ergeben, verpflichtet sich die Beklagte, den Exmatrikulationsbescheid zum Geschäftszeichen II A / 738923 vom 6. September 2007 aufzuheben.

4. Die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleiches tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Mit der Annahme dieses Vergleichsvorschlages durch die Beteiligten ist das gerichtliche Verfahren erledigt.