AG Neuruppin, Urteil vom 15.01.2009 - 42 C 273/08
Fundstelle
openJur 2012, 10133
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 240,86€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über demBasiszinssatz seit dem 03. November 2007 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 undder Beklagte 2/3 zu tragen.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Zulassungsberufung wird zugelassen.

5. Der Kostenstreitwert wird auf 660,07 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist Vermieter, der Beklagte war Mieter eines in W., Straße, gelegenen Hauses für eine monatliche Nettokaltmiete von 450,00 € zuzüglich 31,72 € Betriebskostenvorschuss. Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis fristgemäß zum 31. Januar 2008, zog aber bereits zu Ende Oktober 2007 aus. Die Klägerin sicherte dem Beklagten zu, dass er in der Kündigungsfrist keinen Mietzins mehr zahlen müsse, wenn ein Nachmieter gefunden sei. Die Zeugin B. schloss mit der Klägerin einen Vertrag über die Anmietung des Hauses für die Zeit ab 01. Dezember 2007. Die Klägerin übergab ihr den Besitz am Haus bereits im Laufe des Monats November 2007. Der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin behauptet, sie habe den Schlüssel zum Haus erst Mitte November 2007 von dem Beklagten erhalten und der Zeugin B. erst am 15. oder 16. November 2007 das Haus übergeben. Sie ist der Ansicht, der Beklagte schulde die Miete noch für den gesamten Monat November 2007.

Die Klägerin beantragt,

1.) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 481,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2007 zu zahlen;

2.) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin als Verzugsfolge einen Betrag in Höhe von 42,25 € gemäß § 286 ff. BGB nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Der Beklagte behauptet, er habe der Klägerin die Hausschlüssel bereits am 02. November 2007 übergeben. Bereits am Folgetag habe die Zeugin B. die Wohnung in Besitz genommen. Er müsse für den Monat November 2007 daher keine Miete mehr zahlen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Den dem Beklagten nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Dezember 2007 hat das Gericht bei seiner Entscheidung nicht mehr verwertet (§ 296 a ZPO).

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen N., K., W. und B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 17. Oktober 2008 sowie 10. Dezember 2008 verwiesen. Das Gericht hatte den Beklagten zuvor durch Anerkenntnis-Teilurteil vom 02. Oktober 2008 zur Zahlung von 178,35 € verurteilt.

Gründe

Der Beklagte hat der Klägerin noch die Miete bis Mitte November 2007 zu zahlen. Grundsätzlich schuldet der Beklagte die Miete bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (§ 535 Abs. 2 BGB). Unstreitig sicherte die Klägerin dem Beklagten zu, dass er in der Kündigungsfrist keinen Mietzins mehr zahlen müsse, wenn ein Nachmieter gefunden sei. Die Zeugin B. schloss mit der Klägerin einen Vertrag über die Anmietung des Hauses für die Zeit ab 01. Dezember 2007. Folgerichtig macht die Klägerin ab diesem Zeitpunkt keine Miete mehr gegen den Beklagten geltend.

Streitig ist die Behandlung des Monats November 2007. Für die von ihnen behauptete Übernahme des Hauses durch die Nachmieterin bereits Anfang November 2007 trägt der Beklagte die Beweislast. Damit ist er gescheitert. Die vom Gericht gehörten Zeugen N. und K. haben die von dem Beklagten bereits in seinem Widerspruch gegen den Mahnbescheid gegebene Darstellung bestätigt, wonach die Zeugin B. bereits am 03. November 2007 in das Haus eingezogen sei. Die ebenfalls gehörten Zeugen W. und B. haben demgegenüber angegeben, die Hausschlüssel über die Lebensgefährtin des Beklagten erst am 15. oder 16. November 2007 bekommen zu haben. Die Angaben der einzelnen Zeugen erschienen, jeweils für sich genommen, glaubhaft. Die Zeugin B., ebenfalls wegen der ihr obliegenden Wahrheitspflicht eindringlich belehrt, musste sich bei einer unrichtigen Aussage deren Überführung gewahr sein. Die Übergabe des Hauses soll am 15. November 2007 unter Mitwirkung des Vaters der Lebensgefährtin des Beklagten erfolgt sein.

Ein gewisser Widerspruch ergibt sich zwar aus den Angaben der Zeugin W. und B.. Hatte der Zeuge W. geschildert, er habe den Hausschlüssel dringend bei dem Beklagten eingefordert, weil die Zeugin B. sich die Wohnung habe anschauen wollen, so berichtete die Zeugin B. ihrerseits, dass sie die Wohnung bereits zwei Mal vorher besichtigt habe, und dass sich die Beklagte ihrerseits Mitte November 2007 bei der Zeugin telefonisch gemeldet habe, weil sie jetzt den Schlüssel zum Haus bekommen hätte. Für den 02. November enthält der Terminkalender der Zeugin B. einen Eintrag „anrufen wegen dem Haus„, für den 15. November nicht. Diesen (scheinbaren) Widerspruch sieht das Gericht aber nicht als ausreichend an, den von dem Beklagten zu führenden Beweis für eine bereits am 03. November 2007 erfolgte Übergabe als erbracht anzusehen. Aufgrund welcher konkreten Umstände der Gasversorger EMB die Berechnung des Gasverbrauchs vom 03. bis 22. November 2007 zu Lasten des Beklagten wieder storniert hat, ist dem Gericht nicht erkennbar.

Dem Vorbringen der Klägerin als auch jenem der Zeugin B. ist zu entnehmen, dass die Zeugin jedenfalls zur Monatsmitte die Schlüssel zum Haus erhalten hat. Solange aber der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritte außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet (§ 537 Abs. 2 BGB). Hier hatte die Klägerin der Nachmieterin Becker Mitte November 2007 das Haus zum eigenen Gebrauch überlassen, eine weitere Gebrauchsgewährung an den Beklagten war nicht mehr möglich. Insoweit schuldet der Beklagte ab diesem Zeitpunkt auch keine Miete mehr. Die Rechtspraxis hat bereits vor längerer Zeit problematisiert, ob diese gesetzliche Regelung auch in Sachverhaltsgestaltungen, wie der vorliegenden, anzuwenden ist, wenn ein Mieter vorfristig auszieht und der Vermieter die Mietsache einem Nachmieter zeitweise unentgeltlich oder zu einem geringeren Mietzins überlässt (BGH NJW 1993, 1645). Trotz Erkennens und Diskussion dieser Problemlage (Eckert EWiR 1993, 557; aber auch Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl. Rz.511 f) hat der Deutsche Bundestag im Rahmen der großen Mietrechtsreform 2001 die Anregung des Bundesrates, diese Gesetzesbestimmung im Hinblick auf die erwähnte die Problemlage zu ändern, nicht aufgegriffen, sondern die gesetzliche Regelung nur sprachlich, nicht aber inhaltlich geändert (Bundestags-Drucksache 14/4553 S. 42, 83, 98). Es verbleibt also weiterhin bei der gesetzlichen Regelung: „Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet„.

Dem vormaligen Mieter soll noch obergerichtlicher Rechtsprechung ein Berufen auf diese gesetzliche Vorschrift in Ausnahmefällen verwehrt sein, bei Verstoß gegen Treu und Glauben, bei grober Vertragsverletzung und/oder bei unzulässiger Rechtsausübung (BGH NZM 2008, 206). Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die erwähnten Ausnahmen auf Ausnahmesituationen beschränkt bleiben müssen, dass im Normalfall die klare gesetzliche Anordnung maßgeblich ist. Dies insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Deutsche Bundestag eine Änderung des Gesetzes ausdrücklich abgelehnt hat.

Der hier vom erkennenden Gericht zu beurteilende Sachverhalt ist ein im Leben oftmals vergleichbar vorkommender Normalfall. Ein grober Vertragsbruch ist dem Beklagten nicht anzulasten: Der Beklagte war bereit, die Miete auch nach seinem Auszug bis zum Zeitpunkt der Übernahme durch den Nachmieter zu bezahlen. Eine Benutzungspflicht besteht für den Beklagten während der Kündigungsfrist nicht. Die Klägerin hat der Zeugin B. das Haus bereits vor Beginn deren formellen Mietverhältnisses überlassen, um ihr Renovierungsarbeiten im Haus zu ermöglichen. Die Klägerin hatte angegeben, dass die Wohnung in dem von dem Beklagten überlassenen Zustand nicht vermietbar gewesen wäre. Diese von der Zeugin B. nicht zu bezahlende Zeit kommt also der Zeugin und der Klägerin zugute (Gelegenheit zur Herstellung eines vermietbaren Zustandes - vgl. Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht. 9.Aufl. § 537 Rz.18). Insoweit fordern die Grundsätze von Treu und Glauben nicht, dass abweichend von der Gesetzeslage, der Beklagte auch insoweit Miete zahlen müsste.

Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der geforderten 42,25 € vorgerichtlicher Kosten ist nicht schlüssig dargetan. Die Anspruchsbegründung enthält keinerlei nachvollziehbaren Sachvortrag zu einer vorgerichtlichen Tätigkeit der klägerischen Prozessbevollmächtigten. Das im späteren Schriftsatz vorgetragene anwaltliche vorgerichtliche Schreiben vom 09. November 2007 befasst sich nicht nur mit den in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Wasserkosten und der November-Miete sondern auch noch mit der Fassadengestaltung des Hauses, die nicht zum Gegenstand dieses Rechtsstreits gemacht worden ist. In dieser Gesamtheit bleibt unklar, wie sich nach Grund und Höhe sich der geltend gemachte Anspruch von 42,25 € ergeben soll.

Die Berufung ist wegen der bewussten Abweichung des Gerichts von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zuzulassen (BVerfG NJW 2004,2584).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen den §§ 92 Abs. 1; 708 Nr. 11; 713; 511 Abs. 4 ZPO; 63 Abs. 2 GKG.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte