LSG der Länder Berlin und Brandenburg, Beschluss vom 16.01.2009 - L 5 B 2097/08 AS ER
Fundstelle
openJur 2012, 9988
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss desSozialgerichts Berlin vom 16. September 2008 wirdzurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahrennicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten stritten ursprünglich über die Verpflichtung des Antragsgegners, eine Zusicherung zur Übernahme der Aufwendungen für eine neu anzumietende Wohnung (W in B) zu erteilen.

Die seit dem 01. Januar 2005 im Leistungsbezug bei dem Antragsgegner stehenden Antragsteller leben derzeit in einer 78,61 m² großen, im 2. OG gelegenen 3 Raum-Wohnung, für die insgesamt monatlich 731,35 € (Bruttowarmmiete) zu zahlen sind. Die Antragstellerin zu 1.) ist die Mutter der Antragsteller zu 2.) – 4.); ihr wurde durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales – Versorgungsamt – mit Bescheid vom 05. August 2008 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 zuerkannt.

Aufgrund gesundheitlicher Beschwerden ist die Antragstellerin zu 1.) auf einen sog. Rollator angewiesen und hat erhebliche Probleme beim Treppensteigen. Wegen dieser gesundheitlichen Beschwerden hatte sie bereits in der Vergangenheit anderen, barrierefreien Wohnraum gesucht und um Zusicherung zuletzt für die Aufwendungen einer im 5. OG gelegenen, 79,38 m² großen Wohnung in der W in B mit einer monatlichen Bruttowarmmiete in Höhe von 680,12 € gebeten. Dies lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 14.04.2008 ab.

In einem deswegen zwischen den Beteiligten geführten – inzwischen erledigten - einstweiligen Rechtsschutzverfahren erkannte der Antragsgegner zwischenzeitlich, nachdem die Antragsteller das dortigen Verfahren wegen anderweitiger Vermietung der Wohnung in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, die Feststellung der Erforderlichkeit eines Umzugs (Hilfsantrag zu 2.)) an.

Als dieselbe Wohnung erneut zur Vermietung angeboten wurde, suchte die Antragstellerin zu 1.) nochmals um eine Zusicherung zur Übernahme der Kosten dieser Wohnung im Rahmen des noch laufenden Widerspruchverfahrens nach. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück, weil die Kosten dieser Wohnung unangemessen seien und daher die Zusicherung nicht erteilt werden könne.

Am 08. September 2008 haben die Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht, und beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Abgabe einer Zusicherung für die Tragung der Aufwendungen der Wohnung in der W in B zu verpflichten.

Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 16. September 2008 zurückgewiesen, weil die Aufwendungen für die neue Wohnung unangemessen hoch seien und daher eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Zusicherung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht bestehe.

Hiergegen richtet sich die am 22.Oktober 2008 erhobene Beschwerde der Antragsteller. Sie tragen vor, dass die Wohnung in der Zwischenzeit wieder anderweitig vermietet worden sei. Die gleichwohl weiter bestehende Unklarheit hinsichtlich der Höhe der als angemessen anzusehenden Kosten der Unterkunft und Heizung begründe auch zukünftig die Gefahr, dass der Antragsgegner Anträge auf Zusicherung zu konkreten Wohnungsangeboten ablehne. Dadurch würde sich die derzeit ungesunde Wohnsituation auf unbestimmte Zeit hinauszögern und weitere Rechtsstreitigkeiten und einstweilige Rechtsschutzverfahren nach sich ziehen. Zur Vermeidung weiterer Verfahren sei eine sog. Elementenfeststellungsklage zulässig, mit der festgestellt würde, wie hoch die angemessenen Kosten einer neuen Unterkunft sein dürften.

Die Antragsteller beantragen:

Der Beschluss vom 16.09.2008 des Sozialgerichts Berlin mit dem Aktenzeichen S 107 AS 27302/08 ER wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Antragsteller und Beschwerdeführer einen Anspruch auf den Erlass einer Zusicherung für eine der Behinderung der Antragstellerin und Beschwerdeführerin zu1.) entsprechenden Unterkunft nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AV-Wohnen, hilfsweise für eine Unterkunft mit einer maximalen Bruttowarmmiete inklusive der Kosten für Warmwasser in Höhe von 747,28 €, gegenüber der Antrags- und Beschwerdegegnerin haben.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16.09.2008 zurückzuweisen.

Die Beschwerde sei bereits unzulässig. Wegen der erfolgten anderweitigen Vermietung könnten die Antragsteller mit der begehrten Feststellung auch nichts erreichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie wegen des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners (Kd.-Nr.: ), die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Das ursprüngliche Rechtsschutzbegehren der Antragsteller, die Antragsgegnerin zur Zusicherung der Übernahme der Kosten für die Wohnung in der W in B zu verpflichten, hat sich durch die anderweitige Vermietung der Wohnung erledigt. Die Prüfung, ob ein Anspruch auf eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) besteht, kann immer nur für eine konkrete Wohnung erfolgen. Ansonsten besteht – mangels Konkretisierung des Antrages auf Zusicherung der Übernahme der Kosten für eine bestimmte Wohnung - kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Verpflichtung zur Erteilung einer Zusicherung. Denn deren Erteilung setzt neben der Erforderlichkeit des Umzuges gerade voraus, dass die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Dies aber kann nur beurteilt werden, wenn die neue Unterkunft konkret bezeichnet ist.

Dieser Situation haben die Antragsteller Rechnung tragen wollen, indem sie jetzt die Feststellung begehren, dass die Antragsteller einen Anspruch auf den Erlass einer Zusicherung für eine der Behinderung der Antragstellerin zu 1) entsprechende Unterkunft nach Nr. 4 Abs. 1 Satz 1 AV-Wohnen, hilfsweise für eine Unterkunft mit einer maximalen Bruttowarmmiete inklusive der Kosten für Warmwasser in Höhe von 747,28 € haben. Darin liegt nur eine Beschränkung ihres Begehrens nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG, mithin keine Antragsänderung im Rechtssinne. Denn es handelt sich um eine Einschränkung des ursprünglichen Klageantrags in der Hauptsache ohne Änderung des Klagegrundes, die gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als Klageänderung gilt.

Dies macht die geänderte Antragsfassung allerdings noch nicht ohne weiteres zulässig. Unabhängig vom Ziel des Antrags müssen die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen grundsätzlich vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch in der nunmehr geänderten Fassung als Feststellungsantrag bereits unzulässig.

Dem von den Antragstellern formulierten Antrag entspräche in der Hauptsache eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Mit ihr kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass das Begehren nicht mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgt werden kann (Subsidiarität der Feststellungsklage, ständige Rechtsprechung: BSG, Urteil vom 27. Januar 1977 – 12/8 REh 1/75 - BSGE 43, 150; Urteil vom 16. März 1978 – 11 RK 9/77 - BSGE 46,81; Urteil vom 09. Oktober 1984 – 12 RK 18/83BSGE 57, 184; Urteil vom 22. Mai 1985 – 12 RK 30/84 - BSGE 58, 153; Urteil vom 05. Oktober 2006 – B 10 LW 4/05 RNZS 2007,504; Urteil vom 29.01.2008 – B 7/7a AL 6/06 R – SozR 4-4100 § 128 Nr. 8). Bereits daran fehlt es hier, denn die begehrte Feststellung allein bringt die Antragstellerin ihrem eigentlichen Ziel, ihre Wohnsituation zu verändern, nicht wesentlich näher. Ihr Begehren ist auf die Erteilung einer Zusicherung im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II gerichtet. Daraus, dass die richtige Klageart dementsprechend die Verpflichtungsklage wäre, folgt die Unzulässigkeit einer Feststellungsklage. Für den Feststellungsantrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gilt nichts anderes, zumal auch nicht erkennbar ist, dass es für die Feststellung eines Anspruchs einen Anordnungsgrund geben könnte.

Im Übrigen ist die Zusicherung (anders als die Zusicherung, die nach § 22 Abs. 2 a SGB II eingeholt werden muss) keine Voraussetzung für einen Anspruch auf die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung. Sie hat lediglich den Zweck, über die Angemessenheit der Unterkunftskosten vor deren Entstehung eine Entscheidung herbeizuführen und so für den Hilfebedürftigen das Entstehen einer erneuten Notlage infolge der nur teilweisen Übernahme von Kosten zu vermeiden (vgl. Kalhorn in Hauck/Noftz § 22 SGB II Rn. 43; Lang in Eicher/Spellbrink SGB II § 22 Rn. 65ff; Berlit in LPK-SGB II 2. Auflage 2007 § 22 Rn. 71). Eine weitergehende Bedeutung kommt ihr damit nicht zu (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.11.2007 – L 28 B 1101/07 AS PKH -). Sie hat nur Bedeutung z. B. für die Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten, auf die die Antragsteller jedoch ausdrücklich verzichtet haben (vgl. Antragsschriftsatz an das Sozialgericht Berlin vom 08.09.2008, Seite 5).

Der nunmehr geänderte Antrag läuft damit im Ergebnis auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens zur Höhe der maximal als angemessen anzusehenden Kosten der Unterkunft und Heizung der Antragsteller hinaus; hierzu sind die Gerichte allerdings nicht berufen. Zudem verkennen die Antragsteller, dass die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht abstrakt, sondern einzelfallbezogen zu beurteilen ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 RBSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = SGb 2007, 543).

Soweit der Senat in dem von den Antragstellern zitierten Beschluss vom 15. Dezember 2006 (L 5 B 1147/06 AS ER) Ausführungen zur ausnahmsweisen Zulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage gemacht hatte, hat er diese in ihrer Allgemeinheit nicht aufrechterhalten (Beschluss vom 25.06.2008 – L 5 B 1156/08 AS ER -). Im Übrigen lägen die Voraussetzungen hier ohnehin nicht vor. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem der damaligen Entscheidung zugrunde liegenden dadurch, dass hier zwischen den Beteiligten die Frage der Erforderlichkeit eines Umzuges unstreitig ist. Schließlich hat der Antragsgegner im einstweiligen Rechtschutzverfahren vor der 103. Kammer des Sozialgerichts Berlin (S 103 17155/08 ER) die Erforderlichkeit eines Umzugs in eine behindertengerechte Wohnung anerkannt.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183,193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Beschwerdeverfahrens.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

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