SG Berlin, Urteil vom 14.10.2008 - S 121 AS 31743/07
Fundstelle
openJur 2012, 9428
  • Rkr:

1) Als Bedarf eines Auszubildenden im Sinne des § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 sind allein die tatsächlichen (angemessenen) Kosten für Unterkunft und Heizung zugrunde zu legen (Abweichung von LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Juni 2008 - L 28 B 819/08 AS ER mwN); denn wenn sich sich der Zuschuss nach § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 nicht nur nach dem Bedarf im Sinne des § 22 Abs 1 S 1, sondern auch nach dem Bedarf zu dessen Deckung die Regelleistung im Sinne des § 20 Abs 1 SGB 2 bestimmt ist, bemessen würde, könnten Auszubildende über § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 einen deutlich höheren "Regelbedarf" als ihn das BAföG vorsieht erhalten.2) Art 3 Abs GG gebietet nicht, § 22 Abs 7 S 1 SGB2 verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der in ihm geregelte Zuschuss nicht nur nach dem Bedarf des Auszubildenden an Leistungen für Unterkunft und Heizung, sondern auch nach dem Bedarf, den zu decken die Regelleistung im Sinne des § 20 Abs 1 SGB 2 bestimmt ist, zu bemessen ist, denn zwischen derjenigen Personengruppe die § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 erfasst und derjenigen, die § 7 Abs 6 SGB 2 unterfällt, bestehen Unterschiede von solcher Art und Gewicht, dass eine Ungleichbehandlung nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten ist: Im Gegensatz zur Personengruppe des § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 beziehen die Angehörigen der Gruppe im Sinne von § 7 Abs 6 SGB 2 entweder keine Leistungen nach dem BAföG/SGB 3 oder nur solche, die nicht geeignet sind, ihren "Regelbedarf" zu decken.3) Zur Berücksichtigung von Kindergeld als Einnahme in Geld oder Geldeswert im Sinne von § 22 Abs 7 S 1 SGB 2.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten für die Zeit vom 1. September 2007 bis zum 31. Dezember 2007 einen höheren Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II.

Der am 12. August 1984 geborene, erwerbsfähige Kläger, der Kindergeld in Höhe von 154 € monatlich bezieht, bewohnt seit dem 1. Dezember 2006 die in der R.r Str. …, … B., gelegene, etwa 24,45 m2große Ein-Zimmer-Wohnung, für die er eine Grundmiete in Höhe von 228,93 € monatlich, Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 30,45 € monatlich, Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 13,80 € monatlich sowie einen Vorschuss auf die Kabelgebühren in Höhe von 9,87 € monatlich (zusammen 283,05 € monatlich) schuldet. In der Zeit vom 2. März 2007 bis zum 23. September 2007 bezog er vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheid vom 14. Mai 2007). In der Zeit vom 1. September 2007 bis zum 23. September 2007 betrug die Höhe dieser Leistung 381, 43 € (23/30 x [345 € Regelleistung + 276,52 € Leistungen für Unterkunft und Heizung] abzüglich 23/30 x 154 € Kindergeld).

Am 24. September 2007 nahm der Kläger an einer Ausbildungsstätte iSd § 2 Abs. 1 S. 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAfÖG) eine Ausbildung zum Mediengestalter auf, die bis zum 24. September 2010 währen wird und für die er Ausbildungskosten in Höhe von 289 € monatlich aufzuwenden hat. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin bewilligte ihm für den Besuch dieser Ausbildungsstätte Ausbildungsförderung nach dem BAföG in Höhe von 255 € monatlich für die Zeit vom 1. September 2007 bis zum 31. August 2008 (Bescheid vom 20. September 2007.). Berechnet hatte das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin diese Ausbildungsförderung, indem es auf den Bedarf des Klägers iSd §§ 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 BAföG (412 € monatlich) Einkommen der Mutter des Klägers in Höhe von 156,88 € monatlich angerechnet hatte.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger einen Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II in Höhe von 13,05 € monatlich für die Zeit vom 1. September 2007 bis zum 31. Dezember 2007. Berechnet hatte der Beklagte diesen Zuschuss, indem er von den tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung über 283,05 € Ausbildungsförderung in Höhe von 116 € sowie das vom Kläger bezogene Kindergeld in Höhe von 154 € in Abzug gebracht hatte. Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies er mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 als unbegründet zurück.

Am 5. Dezember 2007 hat der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 Klage erhoben mit dem Antrag, „den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 24. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2007 einen Zuschuss zu seinen angemessenen ungedeckten Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 219,05 € beginnend ab dem Monat September 2007 zu bewilligen“.

Mit Bescheid vom 24. Januar 2008 hat der Beklagte seinen Bescheid vom 24. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 abgeändert, indem er dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 einen Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II in Höhe von 65,05 € monatlich bewilligt hat. Für die Zeit vom 24. September 2007 bis zum 30. September 2007 hat er seinen Bescheid vom 24. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 nicht abgeändert, und zwar mit der Begründung, dass der Kläger für die Zeit vom 1. September 2007 bis zum 30. September 2007 BAföG in Höhe von 255 € sowie für die Zeit vom 1. September 2007 bis zum 23. September 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 381,34 € bezogen habe.

Der Kläger meint, dass der Beklagte den Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II zu Unrecht unter Berücksichtigung des von ihm bezogenen Kindergeldes berechnet habe.

Er beantragt unter Klagerücknahme im Übrigen,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 24. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 und des Änderungsbescheids vom 24. Januar 2008 zu verurteilen, ihm einen weiteren Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II in Höhe von 206 € für die Zeit vom 1. September 2007 bis zum 30. September 2007 sowie in Höhe von 154 € monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags verweist er auf die Argumentation aus seinem Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger wird durch den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 und des Änderungsbescheids vom 24. Januar 2008 – der nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist – nicht beschwert iSd § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil er einen höheren Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II als denjenigen, den ihm der Beklagte mittels des angegriffenen Bescheids bewilligt hat, nicht beanspruchen kann.

Nach § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II erhalten Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch oder Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten und deren Bedarf sich nach § 65 Abs. 1, § 66 Abs. 3, § 101 Abs. 3, § 105 Abs. 1 Nr. 1, 4, § 106 Abs. 1 Nr. 2 des Dritten Buches oder nach § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3, § 13 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst, abweichend von § 7 Abs. 5 SGB II einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

a. Als Bedarf des Klägers iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II sind allein dessen tatsächliche Kosten für Unterkunft und Heizung (283,05 € monatlich) – die angemessen sind (vgl. dazu, welche Kosten im Land Berlin als angemessen iSd § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II für einen Ein-Personen-Haushalt anzusehen sind: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.04.2008, L 29 B 2215/ 07 AS ER.) – zugrunde zu legen (vgl. Berlit, in: Münder, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rn. 130 f.). Die in Literatur (vgl. Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 123.) und Rechtsprechung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.06.2008, L 28 B 819/08 AS ER, m. w. N.) vertretene Auffassung, dass der Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II auch unter Berücksichtigung des Bedarfs, zu dessen Deckung die Regelleistung iSd § 20 Abs. 1 SGB II bestimmt ist, zu ermitteln sei, ist abzulehnen. Dieser Auffassung widerstreitet nicht nur der Wortlaut des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II – wonach der Zuschuss „zu“ den Kosten für „Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1)“ gewährt wird –, sondern auch die Gesetzessystematik. Denn § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II regelt eine Ausnahme zu § 7 Abs. 5 SGB II (vgl. die Worte „abweichend von § 7 Abs. 5“ in § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II). Nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Da die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 3 Abs. 3, 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II bedarfsabhängig sind, bedeutet der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 SGB II – wonach eine vom SGB II abweichende Festlegung der Bedarfe ausgeschlossen ist –, dass Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, Bedarfe, die zu decken die Leistungen nach dem SGB II bestimmt sind, nicht geltend machen können (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 4.). Daraus folgt, dass eine Bestimmung wie § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II, die hiervon eine Ausnahme macht, indem sie bestimmt, dass Auszubildende abweichend von § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II einen bestimmten Bedarf geltend machen können, dahin zu verstehen ist, dass die in ihr geregelte Leistung nur unter Berücksichtigung des in ihr ausdrücklich genannten Bedarfs zu ermitteln ist.

Würde sich der Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II nicht nur nach dem Bedarf iSd § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, sondern auch nach dem Bedarf, zu dessen Deckung die Regelleistung iSd § 20 Abs. 1 SGB II bestimmt ist, bemessen, könnten überdies Auszubildende über § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II einen deutlich höheren „Regelbedarf“ (verstanden als Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne die Kosten für Unterkunft und Heizung) – nämlich 351 € (§ 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1 SGB II iVm der Bekanntmachung vom 26.06.2008, BGBl. I S. 1102) – als ihn das BAföG vorsieht (im Falle des Klägers 296 €, nämlich 348 € gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BAföG abzüglich des in dieser Leistung enthaltenen Anteils für Unterkunft und Heizung in Höhe von 52 €, vgl. § 12 Abs. 3 BAföG), und würden zudem die Regelung der §§ 11 Abs. 2 S. 1, 24 BAföG und die Regelung des § 71 Abs. 1 und 2 SGB III ausgehebelt, wonach auf den Bedarf iSd §§ 11 Abs. 1, 12 und 13 BAföG und den Bedarf iSd § 65, 66 SGB III das Einkommen der Eltern des Auszubildenden unabhängig davon, ob diese mit dem Auszubildenden in einer Bedarfsgemeinschaft leben, anzurechnen ist. Denn nach § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II ist das Einkommen der Eltern nur dann anzurechnen, wenn der Auszubilden mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebt.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet ebenfalls nicht, § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der in ihm geregelte Zuschuss nicht nur nach dem Bedarf des Auszubildenden an Leistungen für Unterkunft und Heizung, sondern auch nach dem Bedarf, den zu decken die Regelleistung iSd § 20 Abs. 1 SGB II bestimmt ist, zu bemessen ist (so aber, wenngleich ohne Verweis auf Art. 3 Abs. 1 GG: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom  03.06. 2008, L 28 B 819/ 08 AS ER.). Denn zwischen derjenigen Personengruppe, die § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II erfasst, und derjenigen, die § 7 Abs. 6 SGB II unterfällt, bestehen Unterschiede von solcher Art und Gewicht, dass eine Ungleichbehandlung nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten ist. Während nämlich die Angehörigen der Personengruppe, die § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II erfasst, Leistungen nach dem BAföG oder SGB III beziehen, die ihren „Regelbedarf“ im oben erwähnten Sinne decken (vgl. § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II: „[…] Auszubildende, die […]erhalten[…].“), beziehen die Angehörigen der Personengruppe, die § 7 Abs. 6 SGB II unterfällt, entweder keine Leistungen nach dem BAföG/SGB III oder nur solche, die nicht geeignet sind, ihren „Regelbedarf“ im oben genannten Sinne zu decken.

b. „Ungedeckt“ iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II waren die tatsächlichen, angemessenen Kosten des Klägers für Unterkunft und Heizung (283,05 €) in der Zeit vom 24. September 2007 bis zum 30. September 2007 lediglich in Höhe von 10,05 € (gleichwohl hat ihm der Beklagte für diese Zeit einen Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II sogar in Höhe von 13,05 € bewilligt) und in der Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 nur in Höhe von 43,05 € monatlich (gleichwohl hat ihm der Beklagte für diese Zeit einen Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II sogar in Höhe von 65,05 € bewilligt).

aa. Denn von den tatsächlichen Kosten des Klägers für Unterkunft und Heizung war die Ausbildungsförderung, die der Kläger bezieht, in Höhe des Anteils, der in dieser Förderung für Unterkunft und Heizung vorgesehen war, in Abzug zu bringen (vgl. Berlit, in: Münder, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rn. 130.). Der über diesen Anteil hinausgehende Anteil der Arbeitsförderung musste hingegen außer Ansatz blieben. Denn Zweck des § 22 Abs. 7 S. 1 SGBII ist es, Auszubildenden die Möglichkeit zu geben, als Bedarf an Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht nur die pauschalierten Unterkunftsbedarfe iSd §§ 12 und 13 BAföG, §§ 65, 66 SGB III, sondern die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, soweit sie angemessen sind, geltend zu machen (vgl. BT-Drucks. 16/1410 S. 24.). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn auf den Bedarf iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II auch derjenige Anteil der Leistungen nach dem BAföG/ SGB III anzurechnen wären, der nicht auf Unterkunft und Heizung entfällt. Denn andernfalls könnte selbst derjenige Auszubildende, der außer den Leistungen nach dem BAföG/SGB III keine Einnahmen und auch kein Vermögen verzeichnet und der auf einen Zuverdienst neben seiner Ausbildung nicht verwiesen werden kann, seine tatsächlichen, angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nicht als Bedarf iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II geltend machen.

In der Ausbildungsförderung, die der Kläger in der Zeit von September 2007 bis einschließlich Dezember 2007 bezogen hat, waren 116 € für Unterkunft und Heizung enthalten. Denn die Förderung des Klägers wurde bemessen an § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BAföG iVm § 12 Abs. 3 BAfÖG. Aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 3 BAföG ergibt sich, dass im Bedarf iSd § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BAföG ein Anteil für Unterkunft und Heizung in Höhe von 52 € enthalten ist. Denn § 12 Abs. 3 BAföG formuliert, dass sich der Bedarf nach § 12 Abs. 2 BAföG „um“ und nicht „auf“ 64 € erhöht, soweit Mietkosten für Unterkunft und Heizung nachweislich einen Betrag von 52 € übersteigen. Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 12 BAföG ergibt sich, dass im Bedarf iSd § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BAföG ein Anteil für Unterkunft und Heizung in Höhe von 52 € enthalten ist. Denn in der Begründung des Gesetzgebers zu den §§ 12 Abs. 3, 13 Abs. 3 BAföG heißt es, dass durch diese Regelungen auswärtig untergebrachten Studenten künftig Mietkosten, die „überden pauschal berücksichtigten Wohnbedarfhinausanfallen“ auf Nachweis einheitlich in voller Höhe bis zu einem Betrag von 90 DM erstattet würden (BT-Drucks. 14/4731 S. 21.).

bb. Auf den Bedarf des Klägers iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II war ferner das Kindergeld, das dieser bezieht, abzüglich der Pauschale iSd § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB II iVm § 13 Nr. 1 SGB II iVm § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in der bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Fassung (30 €) anzurechnen. Die Auffassung des Klägers, dass das Kindergeld bei der Bemessung des Zuschusses iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II hätte unberücksichtigt bleiben müssen, findet im Gesetz keine Stütze (str., wie hier: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.02.2008, L 7 AS 403/08 ER-B; SG Berlin, Beschluss vom 04.05.2007, S 102 AS 9326/07 ER; Berlit, in: Münder, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rn. 130 f.; a. A. Hessisches LSG, Beschlüsse vom 02.08.2007, L 9 AS 215/07 ER, und vom 24. 04. 2008, L 7 AS 10/08 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.02.2008, L 14 B 133/ 08 AS ER; SG Berlin, Urteil vom 03.09.2008, S 103 AS 3480/07; SG Berlin, Beschluss vom 17.03.2008, S 123 AS 6416/08 ER, jeweils m. w. N.).

Bereits aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II ergibt sich, dass der Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II unter Berücksichtung aller Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht  durch § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB II, § 1 Alg II-V oder den Zweck des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II (siehe oben) von einer Anrechnung ausgenommen sind, zu ermitteln ist. Denn § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II spricht lediglich von den „ungedeckten“ angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung und beschränkt damit die Mittel, die zur Deckung des Bedarfs iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II einzusetzen sind, nicht. Auch aus der im Nebensatz des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II verwandten Formulierung „deren Bedarf sich nach den […] bemisst“ folgt nicht, dass der Bedarf iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II nach den Bestimmungen des BAföG oder des SGB III zu ermitteln wäre (a. A. Hessisches LSG, Beschlüsse vom 02.08.2007, L 9 AS 215/07 ER, und vom 24.04. 2008, L 7 AS 10/08 B ER; LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 07.02.2008, L 14 B 133/ 08 AS ER; SG Berlin, Urteil vom 03.09.2008, S 103 AS 3480/07; SG Berlin, Beschluss vom 17.03.2008, S 123 AS 6416/08 ER.). Denn wäre dies der Fall, ergäbe § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II keinen Sinn, da der Bedarf, der nach den von § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II in Bezug genommenen Vorschriften des BAföG und SGB III für Unterkunft und Heizung im Höchstfall geltend gemacht werden kann, respektive die zur Deckung dieses Bedarfs geleistete Berufsausbildungsbeihilfe/Ausbildungsförderung – dies ist in Literatur und Rechtssprechung unstreitig – auf den Bedarf iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II anzurechnen ist. Der Nebensatz des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II hat folglich einzig den Zweck, den Personenkreis zu bezeichnen, der berechtigt ist, den Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II zu beanspruchen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.06.2008, L 28 B 819/08 AS ER.).

Auch nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S.1 SGB II unter Berücksichtung aller Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht durch § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB II, § 1 Alg II-V oder den Zweck des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II (siehe oben) von einer Anrechnung ausgenommen sind, zu ermitteln. So heißt es in der Begründung des Gesetzgebers zu § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II wörtlich (vgl. BT-Drucks. 16/1410 S. 24.): „Der Zuschuss setzt voraus, dass dem Auszubildenden selbst überhaupt Kosten für Unterkunft und Heizung entstehen und dass diese nach Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen ungedeckt sind. […] Für Auszubildende, die […], sowie für Auszubildende, die zur Kostendeckung auf einen Zuverdienst im Rahmen der Ausbildungsförderung verwiesen werden können, verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage, nach der in besonderen Härtefällen eine Darlehensgewährung möglich ist.“

Sinn und Zweck des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II widerstreiten ebenfalls nicht der Annahme, dass der Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S.1 SGB II unter Berücksichtung aller Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht durch § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB II, § 1 Alg II-V oder den Zweck des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II (siehe oben) von einer Anrechnung ausgenommen sind, zu ermitteln ist. Denn Sinn und Zweck des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II ist es, in Fällen, in denen die tatsächlichen, angemessen Kosten für Unterkunft und Heizung weder durch die Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem BAföG respektive der Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III, noch durch sonstige Einnahmen und/oder Vermögen gedeckt werden können, und in denen der Auszubildende nicht „zur Kostendeckung auf einen Zuverdienst im Rahmen der Ausbildungsförderung verwiesen werden“ kann, Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht als Darlehen gemäß § 7 Abs. 5 S. 2 SGB II, sondern als Zuschuss zu gewähren, um eine „unbelastete Fortführung der Ausbildung“ zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 16/1410 S. 24.).

Schließlich widerstreitet auch die Gesetzessystematik nicht der Annahme, dass der Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S.1 SGB II unter Berücksichtung aller Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht durch § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB II, § 1 Alg II-V oder den Zweck des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II (siehe oben) von einer Anrechnung ausgenommen sind, zu ermitteln ist. Gemäß § 19 S. 2 SGB II gilt zwar der Zuschuss nach § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II nicht als Arbeitslosengeld II. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass im Rahmen des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II die „Anwendung der allgemeinen Vorschriften zu Umfang und Höhe des Bedarfs und zur Einkommensanrechnung beim Arbeitslosengeld II ausgeschlossen sind“ (so aber: Hessisches LSG, Beschluss vom 02.07.2007, L 9 AS 215/07 ER; SG Berlin, Urteil vom 03.09. 2008, S 103 AS 34028/07; wie hier: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.06.2008, L 28 B 819/08 AS ER.). Denn § 19 S. 2 SGB II bestimmt lediglich die Qualifikation der sich aus § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II ergebendenLeistung(„Zuschuss“). Zur Frage, wie derBedarfiSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II, anhand dessen sich der Zuschuss iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II bemisst, zu ermitteln und qualifizieren ist, äußert er sich hingegen nicht.

Aus den Vorschriften des BAföG oder SGB III kann ebenfalls nicht hergeleitet werden, dass im Rahmen des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II die Anrechnung von Kindergeld zu unterbleiben hat. Zwar mindert Kindergeld nicht den Bedarf iSd §§ 11 bis 13 BAföG sowie iSd §§ 65 und 66 SGB III (vgl. Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl. 2005, § 21 Rn. 31.). Die Vorschrift des § 21 BAföG  findet jedoch im Rahmen des § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II keine Anwendung, weil § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II nicht auf sie verweist und sich der Bedarf iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II nicht nach den Vorschriften des BAföG oder SGB III bemisst (siehe oben), sondern nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (vgl. den Klammerzusatz in § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II). Eine Anrechnung des Kindergeldes im Rahmen der Ermittlung des Bedarfs iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II hat auch nicht deshalb zu unterbleiben, um zu verhindern, dass das Regelungssystem des BAföG in Frage gestellt wird (so aber: Hessisches LSG, Beschlüsse vom 02.08.2007, L 9 AS 215/07 ER, und vom 24.04.2008, L 7 AS 10/08 B ER; LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 07.02.2008, L 14 B 133/08 AS ER; SG Berlin, Urteil vom 03.09.2008, S 103 AS 3480/ 07.) Denn Kindergeld mindert den Bedarf, den ein Auszubildender nach den §§ 12 Abs. 3, 13 Abs. 3 BAföG an Unterkunft und Heizung geltend machen kann, allein deshalb nicht (vgl. hierzu: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.02.2008, L 14 B 133/08 AS ER.), weil dieser auf höchsten 197 € (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BAföG) beschränkt ist. Hingegen ist der Bedarf, den ein Auszubildender nach § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II iVm § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II an Leistungen für Unterkunft und Heizung geltend machen kann, um ein Vielfaches höher (in Berlin sind dies nach Ziffer 4 der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II vom 7. Juni 2005, zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 bis zu 360 €).

c. Von den Einnahmen des Klägers, die auf dessen Bedarf iSd § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II anzurechnen waren, waren die Ausbildungskosten, die Kläger in der Zeit von September 2007 bis einschließlich Dezember 2007 aufzuwenden hatte, nicht nach § 11 Abs. 2 S. 1 SGB II abzusetzen. Denn keiner der Tatbestände des § 11 Abs. 2 S. 1 SGB II war erfüllt. Insbesondere handelt es sich bei den vom Kläger verauslagten Ausbildungskosten nicht um „mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben“ iSd § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 SGB II (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 04.05.2007, S 102 AS 9326/07 ER.). Denn zwischen diesen Kosten und den Leistungen (Ausbildungsförderung und Kindergeld), die der Kläger in der Zeit von September 2007 bis einschließlich Dezember 2007 bezogen hat, besteht kein innerer Zusammenhang dergestalt, dass die Kosten Voraussetzung der Leistungen waren.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Berufung bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € nicht übersteigt (der Kläger begehrt insgesamt die Zahlung von 668 €). Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und das Gericht mit seinem Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts abweicht.