FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.04.2008 - 14 V 14016/08
Fundstelle
openJur 2012, 8520
  • Rkr:
Tatbestand

I. Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Schenkungsteuerbescheides. Die Beteiligten streiten darum, ob die gegen den Antragsteller festgesetzte Schenkungsteuer nach § 29 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz - ErbStG - erloschen oder aber hilfsweise zumindest der Höhe nach zu reduzieren ist.

Der Antragsteller, Jahrgang 1981, ist Kraftfahrzeugmechaniker. Mit notariellem Vertrag vom 27. Juni 2006 verkaufte sein Vater ihm das 1.961 qm große bebaute Geschäftsgrundstück …Straße … in … zu einem Preis von 150.000 Euro. Auf dem Grundstück sind die Reifen A GmbH und die A Tuning GmbH ansässig. Gesellschafter sind jeweils Mitglieder der Familie A.

Nach Eingang der notariellen Veräußerungsanzeige beim Antragsgegner forderte dieser ihn mit Schreiben vom 23. August 2006 auf, für den Vorgang eine Schenkungsteuererklärung abzugeben, da Anhaltspunkte für eine gemischte Schenkung im Raum stünden.

In der Folgezeit bemühten die Vertragsparteien sich, den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Dies gelang wegen Problemen mit der finanzierenden Bank jedoch nicht sogleich.

Am 26. März 2007 wurde der Antragsteller als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Am 10. Mai 2007 hoben die Vertragsparteien den Kaufvertrag auf und vereinbarten die Rückauflassung. Gleichzeitig veräußerte der Vater dem Antragsteller nunmehr 49% des Grundstückes für 150.000 Euro zu Miteigentum. Die restlichen 51% veräußerte er an seine Ehefrau, die Mutter des Antragstellers, zu Miteigentum.

Da der Antragsteller trotz Aufforderung für den Vertrag vom 27. Juni 2006 keine Schenkungsteuererklärung einreichte, setzte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller mit Schätzungsbescheid vom 10. August 2007 Schenkungsteuer in Höhe von 60.930 Euro fest. Der Bescheid berücksichtigte einen geschätzten Grundstückswert in Höhe von 762.000 Euro.

Hiergegen wehrte sich der Antragsteller mit fristgemäß erhobenem Einspruch vom 12. September 2007.

Er verwies auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages und reichte eine Schenkungsteuererklärung für die zweite Veräußerung des 49%igen Anteils vom 10. Mai 2007 ein. Gleichzeitig beantragte er die Aussetzung der Vollziehung. Nach seinen Berechnungen ergebe sich nunmehr keine Schenkungsteuer mehr.

Der Antragsgegner vertrat demgegenüber die Auffassung, dass der Vertrag vom 10. Mai 2007 die Schenkungsteuerpflicht der ersten Übertragung nicht berühre. Mit Bescheid 11. Oktober 2007 lehnte er die Aussetzung der Vollziehung ab.

Daher hat der Antragsteller sich unter dem 18. Januar 2008 an das Finanzgericht gewandt.

Er trägt vor, sein Vater sei durch das Schreiben des Antragsgegners vom 23. August 2006 stutzig geworden. Er legt hierzu eine Versicherung an Eides Statt seines Vaters vor, auf die der Senat Bezug nimmt. Erst der Hinweis des Antragsgegners auf eine möglicherweise vorliegende gemischte Schenkung hätte den Schenker veranlasst, Erkundigungen über den Grundstückswert einzuholen. Sachverständige hätten ihn dann belehrt, dass der Grundstückswert bei etwa 400.000 Euro liege, denn der Bodenrichtwert betrage 220 Euro/qm. Auch die Mutter des Antragsgegners habe sich über den niedrigen Grundstückskaufpreis beklagt. Dies alles sei Anlass für die Rückabwicklung gewesen.

Er, der Antragsteller, habe sich der Rückabwicklung aus Rechtsgründen fügen müssen. Der erste Kaufvertrag sei ein „wucherähnliches Geschäft“ im Sinne des § 138 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - gewesen und daher nichtig. Auch § 1365 BGB sei einschlägig, denn das Grundstück mache nahezu das gesamte Vermögen seines Vaters aus. Das Grundstück habe er wegen § 812 BGB herausgeben müssen. Im Hinblick auf § 29 ErbStG entfalle damit rückwirkend die Schenkungsteuerpflicht.

Den vom Finanzamt angesetzten Grundstückswert bestreitet er unter Hinweis auf den Bodenrichtwert von 220 Euro/qm.

Der Antragsteller beantragt,die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheids vom 10. August 2007 in voller Höhe bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einspruch vom 12. September 2007 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen; hilfsweise die Beschwerde zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt,den Antrag abzuweisen.

Er meint, ein sittenwidriges Rechtsgeschäft liege nicht vor. Es fehle an einer verwerflichen Gesinnung des Antragstellers. Es sei nicht glaubhaft, dass der Vater des Antragstellers sich vor einem solch bedeutsamen Geschäft keine Gedanken über den Verkehrswert gemacht haben wolle. Erst im August 2001 habe er die Eintragung einer Grundschuld in Höhe von 180.000 Euro bewilligt. Vater und Sohn hätten das Geschäft definitiv im Bewusstsein des höheren Verkehrswertes abgeschlossen. Es sei dem Vater daher nie um die Erzielung eines adäquaten Kaufpreises gegangen. Alles deute auf eine Vermögensübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge hin.

§ 1365 BGB sei schon deshalb nicht einschlägig, weil das Grundstück nicht nahezu das gesamte Vermögen des Vaters ausgemacht habe. Er sei noch Miteigentümer des Wohnhauses der Familie A sowie der Reifen A GmbH gewesen.

Nach allem greife § 29 ErbStG nicht.

Bei der Entscheidungsfindung hat dem Senat die den Antragsteller betreffende Schenkungsteuerakte vorgelegen.

Während des Verfahrens hat das Finanzamt … eine Bedarfsbewertung durchgeführt und den Grundbesitzwert für Zwecke der Schenkungsteuer mit Bescheid vom 16. April 2008 auf 762.000 Euro festgestellt.

Gründe

II. Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder wenn dessen Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - z.B. Beschluss vom 08.03.2006 V B 156/05, BFH/NV 2006, 1527).

Im Streitfall bestehen nach dieser im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes gebotenen und auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids.

Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:

Vorliegen einer Schenkung

Der Vertrag vom 27. Juni 2006 ist als (gemischte) Schenkung zu besteuern, denn der Verkehrswert des Grundstücks überstieg - unstreitig - den vereinbarten Kaufpreis deutlich. Damit gilt das Geschäft gemäß § 7 Absatz 1 Nr. 1 ErbStG als Schenkung unter Lebenden. Dies ist jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Der Tatbestand des § 7 Absatz 1 ErbStG wird nicht nur durch eine reine, sondern auch durch eine so genannte gemischte freigebige Zuwendung verwirklicht. Eine gemischte freigebige Zuwendung liegt hier vor, denn einer höherwertigeren Leistung (Grundstück) stand eine Leistung von geringerem Wert (Kaufpreis) gegenüber und die höherwertigere Zuwendung enthielt neben Elementen der Freigebigkeit auch Elemente eines Austauschvertrages, ohne dass sich die höherwertige Leistung in zwei selbstständige Leistungen aufteilen ließ (vgl. BFH, Urteil vom 14. Juli 1982 II R 125/79, BStBl II 1982, 714; BFH, Urteil vom 29. Oktober 1997 II R 60/94, BStBl II 1997, 832).

Der Antragsteller war in objektiver Hinsicht durch die Grundstücksübertragung auf Kosten seines Vaters bereichert. Letzter hat nach Auffassung des Senats zusätzlich auch in dem Bewusstsein gehandelt, die Zuwendung nur teilentgeltlich vorzunehmen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 29. Oktober 1997 II R 60/94, BStBl II 1997, 832). Entgegen der Auffassung des Antragstellers hegt der Senat keinen Zweifel, dass der Vater des Antragstellers hier im Bewusstsein handelte, das Hausgrundstück teilweise ohne eine wertausgleichende Gegenleistung und damit teilentgeltlich zu übertragen.

Nach der zutreffenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 01.07.1992 II R 70/88, BStBl II 1992, 921) ist bei einem auffallenden Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (im Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts) davon auszugehen, dass die Zuwendung im Umfang der Bereicherung unentgeltlich war, d.h. dass dem Zuwendenden der Wertunterschied bekannt und bewusst war (s. Troll, ErbStG § 7 Rz. 289 m.w.N.). Diese Vermutung wird durch den Vortrag des Antragstellers nicht ansatzweise erschüttert. Dass der Vater als erfahrener Kaufmann dem vorgetragenen Irrtum über den Verkehrswert des Grundstückes erlegen sein soll, erscheint aus Sicht des Senats unglaubwürdig. Er hat auch in seiner Versicherung an Eides Statt in keiner Weise plausibel dargestellt, wieso er auf die Idee gekommen sein will, dass der Verkehrswert des Grundstückes bei etwa 76 Euro/qm liege. Die Darstellung, er habe erst nach dem Verkauf Erkundigungen zum Grundstückswert eingezogen, ist realitätsfremd. Der Senat ist überzeugt, dass dem Veräußerer bei Abschluss des ersten Vertrages bewusst war, dass er seinem Sohn das Grundstück weit unter Wert überlässt.

Die Grundstücksschenkung vom 27. Juni 2006 unterliegt damit als ausgeführte Schenkung unter Lebenden gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG der Schenkungsteuer. Der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 Abgabenordnung - AO -). Vorliegend ist die Grundstücksschenkung im Juni 2006 auch ausgeführt worden (vgl. BFH, Urteil vom 26. September 1990 II R 150/88, BStBl II 1991, 320), denn eine Grundstücksschenkung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist ausgeführt, wenn - wie im vorliegenden Fall im Notarvertrag vom 27. Juni 2006 - die Auflassung (§ 925 BGB) beurkundet worden ist und der Schenker die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat (§ 19 Grundbuchordnung).

Rückabwicklung unbeachtlich

Die Rückabwicklung des Schenkungsvertrages im Mai 2007 entzieht der Schenkungsteuerfestsetzung entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers nach summarischer Einschätzung des Senates nicht nachträglich die Grundlage. Die Voraussetzungen für ein Erlöschen der Schenkungsteuer nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegen nicht vor, denn ein Rückforderungsrecht des Schenkers ist nicht ersichtlich.

Aus § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ergibt sich, dass der Gesetzgeber an die Rückabwicklung bzw. Rückgabe von Schenkungen bzw. Geschenken gedacht hat, diese Vorgänge aber nur unter den dort normierten Voraussetzungen schenkungsteuerrechtlich berücksichtigen wollte. Im Schenkungsteuerrecht gilt der Grundsatz, dass Umstände, die nach dem Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung den Wegfall der Bereicherung zur Folge haben, auf die für die Schenkung angefallene Schenkungsteuer keinen Einfluss haben. Die Schenkungsteuerpflicht einer ausgeführten Schenkung kann daher grundsätzlich nicht dadurch beseitigt werden, dass die Schenkung aus freien Stücken rückgängig gemacht wird.

Der Senat geht nach Aktenlage jedoch davon aus, dass der Antragsteller die Schenkung aus freien Stücken rückgängig gemacht hat.

Vertraglich haben die Vertragsparteien kein Rückforderungsrecht vereinbart.

Ein Rückforderungsrecht des Schenkers aus § 528 BGB ist vorliegend nicht ersichtlich, denn die Norm setzt voraus, dass ein entsprechender Notbedarf des Schenkers eingetreten ist.

Auch ein Widerrufsrecht des Schenkers aus § 530 BGB ist vorliegend mangels einer als grober Undank zu wertenden schweren Verfehlung des Antragstellers nicht gegeben.

Der Veräußerer hatte gegen den Antragsteller nach Einschätzung des Senats ferner keinen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstückes aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 1 BGB i. V. m. § 398 BGB, denn der Antragsteller war durch die Grundstücksübertragung nicht ohne Rechtsgrund bereichert im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Rechtsgrund für die Übertragung war der Vertrag vom 27. Juni 2006. Dieser Vertrag ist wirksam zustande gekommen.

§ 1365 BGB steht dem angesichts weiterer bedeutender Vermögenswerte des Schenkers nach summarischer Prüfung nicht entgegen. Der Antragsteller hat dem Einwand des Antragsgegners, er besäße noch ein Haus und werthaltige GmbH-Anteile, jedenfalls nicht widersprochen, sodass der Senat nicht annimmt, das Grundstück habe das ganze Vermögen des Schenkers ausgemacht.

Der Vertrag ist ferner nicht - wie vom Antragsteller behauptet - gemäß § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Zwar ist nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten davon auszugehen, dass der vereinbarte Kaufpreis für das Grundstück unter der Hälfte des objektiven Wertes lag. Damit lag ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor (Palandt-Heinrichs, 66. Auflage, § 138 Rn. 67). § 138 Abs. 2 BGB setzt jedoch weiter voraus, dass das Rechtsgeschäft unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des benachteiligten Geschäftspartners geschlossen wurde. Der Antragsteller wird nicht ernsthaft an seiner Behauptung festhalten wollen, seinen Vater so behandelt zu haben. Das Geschäft beruhte nicht auf Ausnutzung einer Unerfahrenheit, eines Mangels an Urteilsvermögen, einer Zwangslage oder Willensschwäche. Es handelte sich - wie oben dargelegt - um eine gemischte Schenkung, die ja gerade voraussetzt, dass Leistung und Gegenleistung erhebliche Wertdifferenzen aufweisen.

Auch den Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB hat der Antragsgegner zu Recht verneint. § 138 Abs. 1 BGB erfasst auch ein wucherähnliches Geschäft, in dem Leistung und Gegenleistung in einem besonders groben Missverhältnis zueinander stehen, ohne dass es unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des benachteiligten Geschäftspartners geschlossen wurde (vgl. Palandt-Heinrichs, 66. Auflage, § 138 Rn. 34). Jedoch müssen hierfür weitere sittenwidrige Umstände wie etwa eine verwerfliche Gesinnung hinzutreten.

Zwar gilt - insoweit ist dem Antragsgegner zuzustimmen - die tatsächliche Vermutung, dass derjenige, der eine besonders grob überhöhte Gegenleistung verlangt, in verwerflicher Absicht handelt (Palandt-Heinrichs, 66. Auflage, § 138 Rn. 34a). Das kann aber aus oben dargelegten Gründen nicht bei gemischten Schenkungen gelten, weil sich der Schenker hier eben nicht nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einlässt, sondern weil er eben schenken will. Abgesehen davon gilt die Vermutung in der Regel dann nicht, wenn der Benachteiligte Kaufmann ist, weil dann die Vermutung entgegensteht, dass der Begünstigte nicht unter Ausnutzung der persönlichen oder geschäftlichen Unerfahrenheit des Benachteiligten gehandelt hat (vgl. Palandt-Heinrichs 66. Auflage, § 138 Rn. 34b).

Der Vertrag vom 27. Juni 2006 war auch nicht nach den bis zum 31. Dezember 2001 anerkannten und seit dem 1. Januar 2002 in § 313 BGB gesetzlich geregelten Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage rückabzuwickeln. Nach diesem Grundsatz hat ein Vertragspartner gegen den anderen einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages, wenn die sich bei Abschluss des Vertrages von beiden Seiten übereinstimmend zu Grunde gelegten Verhältnisse außerhalb des Vertrages schwerwiegend verändern, das Geschäft in Kenntnis des Fehlens dieser außervertraglichen Grundlagen nicht abgeschlossen worden wäre, das Risiko des Fortfalls der Geschäftsgrundlage nicht von einer Partei getragen werden muss und der anderen Partei die Anpassung nicht unzumutbar ist. Dies kann gemäß § 313 Abs. 3 BGB im äußersten Fall ein Rücktrittsrecht des benachteiligten Teils begründen, wenn die Anpassung durch die Rechtsordnung verboten, undurchführbar oder sinnlos ist (vgl. Palandt-Grüneberg, 66. Auflage, § 313 Rn. 42).

Ein Rückforderungsrecht des Schenkers ist hier schon deshalb nicht ersichtlich, weil er durch die Schenkungsteuerfestsetzung gegenüber dem Antragsteller nicht benachteiligt wurde.

Abgesehen davon mag zwar die im Raume stehende Schenkungsteuer Anlass für die Vertragsaufhebung gewesen sein. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Beteiligten sich bei Abschluss des ersten Vertrages überhaupt Gedanken über den Anfall von Schenkungsteuer gemacht haben. Sich überhaupt keine Gedanken über schenkungsteuerliche Folgen gemacht zu haben, erhebt den Umstand, dass Schenkungsteuer nicht anfallen wird, jedoch nicht zur Geschäftsgrundlage im oben genannten Sinne.

Der BFH hat zwar in einer sehr frühen Entscheidung (BFH, Urteil vom 03. August 1960 II 263/57, DB 1961, 226) die Auffassung vertreten, dass in Fällen, in denen alle Beteiligten davon ausgehen, dass bestimmte Vorgänge keine Schenkungsteuer auslösen, ein auch schenkungsteuerlich beachtlicher Rücktritt vom Vertrag wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage möglich ist. Auch in den Entscheidungen vom 29. Juli 1964 II 106/62, BB 1979, 1208, vom 19. Oktober 1977 II R 89/71, BStBl II 1978, 217 und vom 27. Oktober 1972 II B 7/72, BStBl II 1973, 14 erkannte der BFH einen Wegfall der Geschäftsgrundlage in Konstellationen als grundsätzlich möglich an, in denen von den Vertragsparteien nicht erwartete schenkungsteuerliche Folgen eingetreten waren. Auch die erstinstanzliche Rechtsprechung hält es für möglich, das nicht erwartete schenkungsteuerliche Folgen unter bestimmten Voraussetzungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Vertrages führen (FG Berlin, Urteil vom 10. Januar 1989 V 191/87, EFG 1989, 415; FG München, Beschluss vom 02. Oktober 1998 4 V 1889/98, DStRE 1999, 234; Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. März 2001 4 K 2805/99, DStRE 2001, 765).

Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Vertragsparteien den Umstand, dass keine Schenkungsteuer anfällt, bei Abschluss des Vertrages als für den Vertragsabschluss übereinstimmend vorausgesetzt haben. Eine beachtliche Geschäftsgrundlage sind nach § 313 BGB wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind. Die Parteien müssen also nach eigener Prüfung oder fachlicher Auskunft davon ausgegangen sein, dass keine Schenkungsteuer anfällt. Sie müssen diesem Gesichtspunkt eindeutig erkennbar maßgebende Bedeutung zugemessen haben (Schumann, UVR 1993, 17, 18). Die Feststellungslast hierfür trifft den Steuerpflichtigen. Nicht durch eigene Sachkunde oder fachliche Informationen abgesicherte Vermutungen sind keine wesentlichen Vorstellungen in diesem Sinne (Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. März 2001 4 K 2805/99, DStRE 2001, 765).

Der Höhe nach ist die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Schenkungsteuer ebenfalls nicht ernstlich zweifelhaft.

Schenkungsteuerrechtlich ist der freigebige Teil der gemischten Schenkung zu erfassen. Das Ausmaß der Bereicherung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) bestimmt sich nach dem Verhältnis des Verkehrswerts der Bereicherung des Beschenkten zum Verkehrswert der Leistung des Schenkers. Die Gegenleistung ist entsprechend ihrem Anteil am Verkehrswert der Leistung des Zuwendenden von deren Steuerwert abzuziehen (BFH, Urteil vom 24. November 2005, II R 11/04, BFH/NV 2006, 744).

Als Verkehrswert der Leistung des Schenkers und der Gegenleistung des Beschenkten ist jeweils der gemeine Wert i.S. des § 9 Bewertungsgesetz - BewG -, d.h. der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Preis, anzusetzen. Bei seiner Feststellung sind (mit Ausnahme ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse) alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussen können (§ 9 Abs. 2 BewG).

Der vom Antragsgegner berücksichtigte Verkehrswert von 762.000 Euro für das 1.961 qm große Grundstück scheint angesichts des Bodenrichtwertes für diese Region von 220 Euro/qm in 2006 nicht überhöht. Der Bodenrichtwert berücksichtigt nur den reinen Bodenwert. Ausweislich des Notarvertrages war das Grundstück jedoch bebaut. Der Wert des Gebäudes beeinflusst den Grundstückswert ebenfalls. Da der Antragsteller in keiner Weise dargelegt hat, weshalb der Gebäudewert bei Null liegen sollte, hält der Senat die Schätzung des Antragsgegners für zutreffend. Im Übrigen hat das Finanzamt …den Grundbesitzwert für Zwecke der Schenkungsteuer mit Bescheid vom 16. April 2008 auf 762.000 Euro festgestellt. Dies ist nach § 138 Abs. 5 BewG in der für das Streitjahr geltenden Fassung ein für die Festsetzung der Schenkungsteuer bindender Grundlagenbescheid (§ 182 Abs. 1 AO). Der Kläger ist mit seinen Einwendungen gegen den Bedarfswert auf ein Verfahren gegen den Feststellungsbescheid beschränkt. Etwaige Änderungen dort würden - unabhängig von der Bestandskraft - nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu einer Änderung der Schenkungsteuer führen.

Eine durch die sofortige Vollziehung hervorgerufene unbillige Härte für den Antragsteller ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe für die Zulassung der Beschwerde liegen nicht vor (§§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO). Die Sache bedarf weder einer grundsätzlichen Klärung noch weicht der Senat von bestehender Rechtsprechung ab.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß §§ 52, 63 Gerichtskostengesetz - GKG - bestimmt (ca. 10% der streitigen Steuer).

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