Brandenburgisches OLG, Urteil vom 30.04.2008 - 3 U 117/07
Fundstelle
openJur 2012, 8378
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Verfügungsklägers und unter Zurückweisung seiner weitergehenden Berufung wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24.08.2007 – 3 O 229/07 – abgeändert.

Die Verfügungsbeklagte zu 2) hat es bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die mit Klage vom 26.07.2007 beim Landgericht Cottbus geltend gemachten Besitzschutzansprüche gegenüber den Unterpächtern des Verfügungsklägers, den Herren D. J. und H. O., zu unterlassen, den Zutritt zu den Sanitärgebäuden auf dem von ihr betriebenen Campingplatz „W.“ zu behindern. Gegenüber dem Unterpächter D. J. hat sie jede Räumungsaufforderung betreffend dessen Parzelle auf oben genannten Campingplatz zu unterlassen und ihn zu denjenigen Bedingungen mit Strom zu versorgen, zu denen er Strom beziehen können würde, wenn die Stromversorgung mit der Gemeinde fortbestanden hätte.

Von den Gerichtskosten sowie von seinen außergerichtlichen Kosten und von denen der Verfügungsbeklagten zu 2) haben der Kläger 7/8 und die Verfügungsbeklagte zu 2) 1/8 zu tragen. Ihre weiteren außergerichtlichen Kosten hat die Verfügungsbeklagte zu 2) selbst zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfügungsbeklagten zu 1) hat der Verfügungskläger zu tragen.

Gründe

I.

Der berufungsführende Verfügungskläger verlangt im Wege der einstweiligen Verfügung von den Verfügungsbeklagten die Unterlassung der Ausübung von Rechten und Pflichten aus einem zwischen den Verfügungsbeklagten abgeschlossenen Pachtverhältnis, soweit eine derartige Ausübung die Nutzung von Teilflächen durch Unterpächter des Verfügungsklägers beeinträchtigten.

Die Rechtsvorgängerin der Gemeinde M. pachtete vom Rechtsvorgänger des Verfügungsbeklagten zu 1) gem. Pachtvertrag vom 06.05.1991 (97 GA) eine Fläche (damalige Bezeichnung: Flurstück 145, heutige Bezeichnung: Flurstück 318), die sie unter Verwendung weiterer, eigener Grundstücke für den Betrieb eines Campingplatzes nutzte. Die insoweit ihr gehörenden Flächen verpachtete sie mit Pachtvertrag vom 16.03.1995 (K 1, 91 GA) an eine aus dem Verfügungskläger und einem weiteren Gesellschafter bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Hinsichtlich des Flurstücks 145 vereinbarten die Parteien des Pachtvertrages aus dem Jahre 1995 in dessen § 4: „Die Pächter treten mit Wirkung vom 01.04.1995 in das bestehende Pachtverhältnis zwischen der Gemeinde und dem Rechtsvorgänger des Verfügungsbeklagten zu 1 ein." Der Verfügungskläger erwarb den Gesellschafteranteil seines Mitgesellschafters und ließ in der Folgezeit einzelne Parzellen an Campingnutzer verpachten.

Durch gerichtlichen Vergleich im Termin am 13.06.2006 vor dem Amtsgericht Lübben - 20 C 112/06 - (K 7, 114 GA) verlängerten die Gemeinde M. und der Verfügungsbeklagte zu 1) das Pachtverhältnis über das Flurstück mit der ehemaligen Bezeichnung 145 und der jetzigen Bezeichnung 318 bis zum 31.03.2007. Ab 01.04.2007 verpachtete der Verfügungsbeklagte zu 1) der Verfügungsbeklagten zu 2) das oben genannte Grundstück und wies sie am 29.03.2007 in Gegenwart der Vertreter der Gemeinde M. in den Besitz ein.

Die Verfügungsbeklagte zu 2) bot am 06.04.2007 dem Unterpächter des Verfügungsklägers, Herrn D. J., den Abschluss eines Mietvertrages für einen Dauercampingplatz gemäß Mietvertragsentwurf gleichen Datums an (vgl. K 12, 122 GA) und forderte ihn mit Schreiben vom 07.04.2007 zur Räumung bis zum 15.05.2007 auf (K 13, 124 GA). Sie verfasste unter dem 14.04.2007 ein unadressiertes Schreiben, in dem sie auf ihre Betreiberstellung ab 01.04.2007 hinwies sowie darauf, dass ab dem 16.04.2007 nicht mehr die Gemeinde, sondern sie, die Betreiberin, die Stromversorgung übernehme und sie nur an solche Camper vornehmen könne, die mit ihr einen Mietvertrag abgeschlossen hätten (K 8, 116 GA).

Der Verfügungskläger hat die Ansicht vertreten, es handele sich um eine unzulässige Doppelverpachtung und hierzu behauptet, der Rechtsvorgänger des Verfügungsbeklagten zu 1) habe dem Eintritt der GbR in das Pachtverhältnis zwischen ihm und der Gemeinde mündlich zugestimmt. Durch ihr Verhalten und Vorgehen störten die Verfügungsbeklagten seinen Besitz und den seiner Unterpächter, deren Ansprüche er insoweit in gewillkürter Prozessstandschaft geltend mache.

Die Verfügungsbeklagten sind dem entgegengetreten.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen. Eine Verpächterstellung des Verfügungsklägers lasse sich nicht feststellen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Verfügungskläger sein erstinstanzliches Unterlassungsbegehren weiter. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe seine Verpächterstellung zu Unrecht verneint.

Der Verfügungskläger beantragt nach Rücknahme seines Antrages auf Stromversorgung seines Unterpächters O.,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 24. August 2007 es den Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Zwangsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu untersagen, im Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vom Verfügungskläger beim Landgericht Cottbus mit Datum vom 26.07.2007 eingereichte Klage auf Feststellung, dass der Verfügungskläger zum Besitz und zur Nutzung des Flurstückes 318 der Flur 2 in der Gemarkung H. berechtigt ist, sowie über die weiteren mit der vorstehend bezeichneten Klage gestellten Anträge im Verhältnis zum Verfügungskläger und dessen Unterpächtern jegliche Rechte und Pflichten aus einem zwischen den Verfügungsbeklagten geschlossenen Pachtvertrag über das genannte Flurstück, der ab 01.04.2007 der Verfügungsbeklagten zu 2) das Recht zum Besitz des Flurstücks 318 verschafft haben soll, auszuüben bzw. ausüben zu lassen, die die Nutzung von Teilflächen des Flurstückes 318 der Flur 2 von H. durch Unterpächter des Verfügungsklägers beeinträchtigen. Der Verfügungsbeklagten zu 2) es insbesondere für den vorstehend bezeichneten Zeitraum zu untersagen, von den Unterpächtern des Verfügungsklägers Zahlungen für die Nutzung von Teilflächen des Flurstücks 318 zu verlangen sowie den Bezug von Strom und Wasser durch die Unterpächter des Verfügungsklägers von der Entrichtung eines Entgelts an sie abhängig zu machen.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Berufungsrechtszug sowie auf sein Terminsprotokoll vom 23.04.2008.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat nur im ausgeurteilten Umfang Erfolg.

1. Der Antrag auf Unterlassung von Besitzstörungen von Unterpächtern ist nur insoweit zulässig, als diese identifizierbar benannt sind (§ 253 Abs. 2 ZPO), da er ansonsten nicht vollstreckbar ist.

In diesem Umfang ist die beantragte einstweilige Verfügung zum Besitzschutz des Verfügungsklägers entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten zulässig. Es kommt, insoweit ist das Vorbringen des Verfügungsklägers dahin auszulegen (§§ 131, 157 BGB entsprechend), die Geltendmachung einer eigenen Besitzstörung als mittelbarer Besitzer aus § 839 Satz 1 BGB in Betracht. Bei Besitzstörungen decken sich die Ansprüche des mittelbaren Besitzers mit denen des unmittelbaren (Palandt/Bassenge, BGB, 67 Aufl., § 869 Rn. 3).

Soweit der Verfügungskläger Besitzstörungsansprüche seiner Unterpächter in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen versucht, wäre dies unzulässig. Die gewillkürte Prozessstandschaft erfordert regelmäßig, wie das Landgericht übersehen hat, die Abtretbarkeit des geltend zu machenden Rechts (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., vor § 50, Rn. 46 m.w.N.). Der Besitzstörungsanspruch aus § 862 BGB ist indessen nicht abtretbar  (Palandt/Bassenge, BGB, 67. Aufl., § 862 Rn. 1 m.w.N.).

2.a) Im austenorierten Umfang hat der Verfügungskläger einen Unterlassungsanspruch gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 2) aus den §§ 869 Satz 1, 862 Abs. 1 BGB.

Der Verfügungskläger ist mittelbarer Besitzer (§ 868 BGB), nämlich Verpächter gegenüber seinen Unterpächtern, die unstreitig unmittelbare Besitzer sind und ebenso unstreitig dem Verfügungskläger den Besitz mitteln. Die Unterpachtverhältnisse mit D. J. und mit H. O. sind insoweit hinreichend substanziiert und die Verfügungsbeklagte zu 2) ist dem diesbezüglichen Vorbringen des Verfügungsklägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht mehr erheblich entgegengetreten. Dies gilt auch für den Unterpächter J., der seinen Besitzwillen an seiner Parzelle durch das Belassen der von ihm dort eingebrachten Gegenstände weiterhin dokumentiert und ausübt.

Die Verfügungsbeklagte zu 2) stört den unmittelbaren Besitz des Unterpächters J. durch verbotene Eigenmacht, indem sie die Energieversorgung einstellt (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 67. Aufl., § 862 Rn. 4 m.w.N.), oder indem sie dies droht (Palandt/Bassenge, a.a.O., § 861, Rn. 4 m.w.N.). Eine Störung im Sinne des § 862 BGB ist gegeben bei einer Beeinträchtigung der Gebrauchsmöglichkeit. Die Camper hatten bisher die Möglichkeit, zur Nutzung ihrer Grundstücke Strom von der Gemeinde zu kaufen. Diese Möglichkeit hat die Verfügungsbeklagte zu 2) eigenmächtig, d.h. ohne Willen der Camper beseitigt. Sie hat die Besitzstörung zu unterlassen, also den Campern die Möglichkeit einzuräumen, zur Nutzung ihrer Grundstücke Strom zu den Bedingungen zu kaufen, wie sie es bei Fortbestand der bisherigen Stromversorgung hätten tun können. Entsprechendes gilt für den Zugang zu den Sanitärgebäuden.

b) Eines besonderen Verfügungsgrunds bedarf es zum Schutz gegen verbotene Eigenmacht regelmäßig nicht (vergleiche Palandt/Bassenge, BGB, 67. Auflage, § 861, Rn. 16 m.w.N.).

c) Einen Anspruch auf Abschluss eines Pachtvertrages kann die Verfügungsbeklagte zu 2) entgegen ihrer Ansicht in ihrem Schreiben vom 14.04.2007 (K 8, 116 GA) dem Störungsbeseitigungsverlangen des Verfügungsklägers nicht entgegenhalten (§ 863 BGB). Ein derartiger Anspruch, über den im Verfahren der einstweiligen Verfügung im Übrigen nicht zu befinden ist, erlaubt keine eigenmächtigen Besitzstörungen.

Die Pächterstellung des Verfügungsklägers gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 1) ist für dessen possessorischen Besitzschutz aus den §§ 869 Satz 1, 862, 858 BGB entgegen der Ansicht des Landgerichts unerheblich. Dessen Argumentation, den Erlass einer Verfügung könne der Verfügungskläger nur dann erfolgreich durchsetzen, wenn ihm ein Anspruch auf Besitzeinräumung entsprechend dem behaupteten wirksamen Pachtvertrag zustehe, lässt sich mit geltendem Besitzschutzrecht nicht vereinbaren und liegt insoweit neben der Sache. Desgleichen die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung. Auch einem gekündigten Pächter steht, nicht anders als einem gekündigten Mieter, im Falle verbliebenen Besitzes dessen possessorischer Schutz zu (vgl. Senat, Beschluss vom 10.07.2006 – 3 W 29/06, juris Tz. 9 = MDR 2007, 162).

3. Im Übrigen bleibt die Berufung erfolglos.

a) Wasserversorgung

Der Behauptung des Verfügungsklägers, sie habe Teile der Wasserversorgungsanlagen abmontieren lassen, ist die Verfügungsbeklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat entgegengetreten. Der für sein Vorbringen darlegungs- und beweisbelastete Verfügungskläger ist insoweit beweisfällig geblieben. Seine eidesstattliche Versicherung vom 21.05.2007 ist hierzu unergiebig. Das Schreiben des Unterpächters O. vom 07.05.2005 an den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers (AS 10, 120 GA) stellt kein Mittel der Glaubhaftmachung dar, § 294 ZPO. Weiteren Beweis hat der Verfügungskläger auch im Termin vor dem Senat nicht angetreten.

b) Einen Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte zu 2) wegen Störung seines unmittelbaren Besitzes durch deren verbotene Eigenmacht aus § 861 Abs. 1 BGB hat der Verfügungskläger nicht. Die Verfügungsbeklagte zu 2) ist Nachfolgerin im Besitz, und es lässt sich nicht feststellen, dass sie dessen Fehlerhaftigkeit bei Erwerb kannte (§ 858 Abs. 2 Satz 2 BGB). Ihren unmittelbaren Besitz hat sie durch die Besitzeinweisung am 29.03.2007 vom Verfügungsbeklagten zu 1) im Anschluss an dessen Besitzrückerlangung durch die Gemeinde erhalten. Dies hat bereits das Landgericht Cottbus in seinem Urteil vom 11.06.2007 - 3 O 147/07 (AS 15, 115 GA) zutreffend ausgeführt. Dass die Verfügungsbeklagte zu 2) von einer angeblichen Zustimmung des Rechtsvorgängers des Verfügungsbeklagten zu 1) zur Vertragsübernahme, die überdies nur mündlich erteilt worden sein sollte, positive Kenntnis gehabt hätte, ist auch im jetzigen Verfügungsverfahren nicht nachvollziehbar dargetan.

c) Ansprüche gegen den Verfügungsbeklagten zu 1)

Seinen Anspruch gegen den Verfügungsbeklagten zu 1) auf Gebrauchsüberlassung und Fruchtziehung aus § 581 Abs. 1 Satz 1 BGB aus dem behaupteten Pachtvertrag kann der Verfügungskläger nicht im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen. Der Verfügungsbeklagte zu 1) ist zur Erfüllung außerstande, nachdem er die Pachtsache rechtswirksam anderweitig verpachtet und der neuen Pächterin übergeben hat, die ihrerseits weder herausgabe- noch unterlassungsbereit ist (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 67. Aufl., § 861 Rn. 16 am Ende m.w.N.).

Der Auffassung des Verfügungsklägers in dessen Schriftsatz vom 20.08.2007, er könne einen Verfügungsanspruch daraus herleiten, dass dem Verfügungsbeklagten zu 1) die Möglichkeit einer Irrtumsanfechtung offen stehe, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der vorläufige Rechtsschutz würde insoweit eine etwaige Hauptsache vorweg nehmen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100, 269 Abs. 3 ZPO entsprechend.

Der Gebührenstreitwert für das Verfahren wird auf bis zu 5.000,00 € festgesetzt. Der Senat orientiert sich an dem Interesse des Klägers an der Störungsbeseitigung und bewertet dies zunächst unter Berücksichtigung des § 41 Abs. 1 Satz 1 GKG in Höhe der bisher zu entrichtenden Jahrespacht (9.000,00 DM/Jahr, vgl. AS 2 a, 97 GA) (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort: Besitzstörungsklage). Von einer Bruchteilsbewertung sieht der Senat im Hinblick auf den kritisch liegenden Fall vorliegend ab (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort: einstweilige Verfügung m.w.N.).

Der Auffassung des Verfügungsbeklagtenvertreters in dessen Schriftsatz vom 24.08.2007 zum Vorhandensein mehrerer selbstständig zu bewertender Streitgegenstände vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Vorhandensein mehrerer Streitgegenstände findet in der Antragstellung des Verfügungsklägers keinen Niederschlag.

Dieser leitet, wie eine sachgerechte Auslegung (§§ 133, 157 BGB entsprechend) seines Antragsbegehrens ergibt, den Verfügungsanspruch ersichtlich aus der Beeinträchtigung seines mittelbaren Besitzes aufgrund des Pachtvertrages mit dem Verfügungsbeklagten zu 1) her.