VG Cottbus, Beschluss vom 13.03.2008 - 3 L 59/08
Fundstelle
openJur 2012, 8315
  • Rkr:

1. Zur längerfristigen Observation aus präventiven Gründen nach dem brandenburgischen Polizeigesetz.2. Eine objektbezogene Beobachtung ist von einer personenbezogenen Observation nicht allein danach abzugrenzen, ob die Beobachtung nur an einem bestimmten Ort erfolgt. Maßgeblich ist die Zielrichtung der polizeilichen Maßnahme.3. Zur Einbindung von Maßnahmen der Identitätsfeststellung von Kontaktpersonen durch Befragung und Pass- oder Ausweiskontrolle in eine offen durchgeführte personenbezogene Observation.4. Zu den (formellen) Anordnungsvoraussetzungen einer längerfristigen Observation. Eine längerfristige Observation ist rechtswidrig, wenn sie nicht vom Behördenleiter bzw., geht sie über einen Zeitraum von einem Monat hinaus, nicht vom Amtsgericht angeordnet worden ist. In einem solchen Fall besteht ein Anspruch auf vorläufige Unterbindung der polizeilichen Maßnahme.

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum Ergehen einer Entscheidung des Amtsgerichts über die Anordnung von Maßnahmen zur längerfristigen Beobachtung des Antragstellers verpflichtet, es zu unterlassen vor dem Tattoo-Studio "F." in der ...straße .., A-Stadt, Personen- und Ausweiskontrollen gegenüber sämtlichen Kunden unmittelbar vor der Geschäftstür durchzuführen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu ¼ und der Antragsgegner zu ¾.

2. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), mit welchem der Antragsteller begehrt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu unterlassen vor dem Tattoo-Studio "F." in der ...straße .., A-Stadt, Polizeikontrollen in der Art durchzuführen, dass Einsatzkräfte der Polizei unmittelbar vor der Geschäftstür sämtliche Kunden einer Personen- und Ausweiskontrolle unterziehen,

hat nach Maßgabe des Tenors Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Form der Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dazu hat der Antragsteller die besondere Dringlichkeit der Anordnung (Anordnungsgrund) und das Bestehen des zu sichernden Anspruches (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen; § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung. Dem Wesen und dem Zweck einer einstweiligen Anordnung entspricht es dabei, dass mit ihr grundsätzlich nur Regelungen mit vorläufigem Charakter getroffen werden können. Regelungen, die dem Antragsteller bereits in vollem Umfang das gewähren, was er an sich nur in einem Verfahren der Hauptsache erreichen kann, widersprechen grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes und sind deshalb regelmäßig ausgeschlossen. Etwas anderes gilt im Hinblick auf das in Art 19. Abs. 4 Grundgesetz (GG) verankerte Gebot des effektiven Rechtsschutzes nur dann, wenn bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung auch ein Erfolg in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre und zudem eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in Hauptsache besteht.

Hiervon ausgehend hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen im Umfang des Tenors die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Maßnahmen des Antragsgegners vor dem Geschäftsobjekt des Antragstellers erweisen sich nach den glaubhaft gemachten Tatsachen als rechtswidrig. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme ist entgegen der Beschränkung des Vortrags des Antragsgegners in dessen Antragserwiderung auf jene Vorschrift nicht (allein) § 12 des Brandenburgischen Polizeigesetzes (BbgPolG). Mit dieser Vorschrift wird geregelt, ob und unter welchen Voraussetzungen, die Polizei die Identität einer Person feststellen kann (§ 12 Abs. 1 BbgPolG) und welche Maßnahmen zum Zwecke der Identitätsfeststellung getroffen werden können. Mit den von den Polizeibeamten durchgeführten Identitätsfeststellungen, die sich nach dem Vorbringen beider Beteiligten in erster Linie gegen Besucher und/oder Kunden des Geschäfts des Antragstellers richten, wird indes lediglich dieser Teilbereich der polizeilichen Maßnahme erfasst, dessen Rechtmäßigkeit vorliegend keiner näheren Betrachtung bedarf.

6Die polizeilichen Maßnahmen richten sich nämlich nach den objektiven Umständen und dem sich daraus ergebenden Gesamtgepräge auch und vor allem gegen den Antragsteller. Die Maßnahmen der Polizei sind, soweit sie sich gegen den Antragsteller richten, in Bezug auf ihre Rechtmäßigkeit nicht an § 12 BbgPolG sondern an § 32 BbgPolG zu messen. Der Antragsteller unterliegt einer als Observation einzustufenden Beobachtung durch den Antragsgegner. Unter einer Observation wird dabei die in der Regel unauffällige und planmäßige -gegebenenfalls unter dem Einsatz technischer Mittel erfolgende- Beobachtung einer Person oder eines Objekts mit dem Ziel der Erhebung diesbezüglicher Erkenntnisse verstanden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1998 -1 StR 511/97-, BGHSt 44, 13). § 32 BbgPolG stellt insoweit aber nur Voraussetzungen auf, soweit sich eine Observation auf eine Person bezieht. Dies ergibt sich aus § 32 Abs. Satz 1 BbgPolG, der eine Erhebung personenbezogener Daten erfordert mit der Folge, dass die Erhebung objektbezogener Daten nicht in dessen Anwendungsbereich fällt (vgl. auch Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Auflage, § 22 Rdn. 3). Eine personenbezogene Observation liegt dabei jedenfalls dann vor, wenn diese unabhängig von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort einer polizeilichen Beobachtung unterzogen wird. Für die Abgrenzung kann es aber nicht allein darauf ankommen, ob die Beobachtung nur an einem bestimmten Ort erfolgt und dort Daten erhoben werden, da die zu beobachtende Person einen Aufenthalt stets am selben Ort pflegen kann und eine personenbezogene Beobachtung dann auch regelmäßig an diesem Aufenthaltsort erfolgt. Umgekehrt werden durch eine objektbezogene Beobachtung auch regelmäßig Erkenntnisse über Personen gewonnen, wenn sich diese im Beobachtungszeitpunkt dort aufgehalten haben. Maßgeblich muss insoweit die Zielrichtung des polizeilichen Handelns sein, welche danach zu bestimmen ist, ob sich das polizeiliche Handeln nach den Gesamtumständen als eine Beobachtung einer Person zur Gewinnung von auf diese bezogenen Informationen oder als Beobachtung eines Ortes darstellt. Die hiernach gebotene Abgrenzung kann das Gericht, da der Antragsgegner nach seinem Vorbringen einen Verwaltungsvorgang nicht angelegt hat, vorliegend allein anhand der objektiven Umstände und des Vorbringens der Beteiligten vornehmen.

7Hiervon ausgehend mag mit dem Antragsgegner zwar davon auszugehen sein, dass die Räumlichkeiten des Tatoo-Studios als gefährlicher Ort im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 2 BbgPolG anzusehen sind. Die Gefährlichkeit des Ortes ist aber nicht schon deshalb gegeben, weil dem Ort für sich genommen eine Gefährlichkeit inne wohnt, wie dies etwa bei einem allseits bekannten Drogenumschlagsplatz (z.B. ein Bahnhofsgebäude) der Fall sein kann, bei dem die Begehung von Straftaten unabhängig von den einzelnen jeweils vor Ort befindlichen Personen drohen kann. Die spezifische Gefahr, die der Antragsgegner in den Vordergrund seiner Überlegungen zur Rechtfertigung der Maßnahmen stellt, wird vielmehr durch die Stellung des Antragstellers als "President" der "…" vermittelt. Mithin geht es nicht (nur) um Besucher und Kunden des Tattoo-Studios, sondern um die Gewinnung von Informationen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Person des Antragstellers stehen. Dies begründet sich zunächst darin, dass die Maßnahmen ausschließlich im räumlichen Umfeld des Antragstellers durchgeführt werden. Es wird ferner daran deutlich, dass sich die Maßnahmen der Polizei nicht auf Identitätsfeststellungen im Sinne von § 12 BbgPolG beschränken, sondern vielmehr in eine über diese hinausgehende polizeiliche Gesamtmaßnahme eingebettet sind. Insoweit hat der Antragsgegner nämlich selbst vorgetragen, dass bereits seit dem 09. Februar 2008 gefahrenabwehrende Maßnahmen veranlasst worden seien. Dazu übergegangen, Besucher bzw. Kunden des Antragstellers einer offenen Identifikationsmaßnahme zu unterwerfen, ist der Antragsgegner aber ersichtlich erst unter dem 15. Februar 2008; erstmals an diesem Tag hat der Antragsteller diese bemerkt. Zudem hebt der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung hervor, dass der Antragsteller der "President" der "…" bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Ferner führt er zur Begründung der polizeilichen Maßnahmen an, dass Vergeltungsmaßnahmen der "…" gegen die Gruppe der "…" unmittelbar bevorstünden und im Tatoo-Studio hierauf gerichtete Bestrebungen verabredet und vorbereitet werden sollen. Schließlich führt der Antragsgegner als Zweck der Maßnahme insbesondere an, dass sie der Feststellung der Angehörigen einer kriminellen Rockerszene dienen soll. Anknüpfungspunkt ist insoweit stets der Antragsteller, der durch seine hervorgehobene Position in der Organisation der "…" die Zentralfigur der vom Antragsgegner befürchteten Gefahren ist und der zugleich den Anhaltspunkt für die Feststellung bietet, welche der Personen, die sich an seinem Aufenthaltsort aufhalten oder sich zu diesem begeben wollen und deshalb einer Kontrolle und Identitätsfeststellung unterzogen werden. Verwaltungsunterlagen, die ein anderes Vorgehen und eine andere Zielrichtung des Antragsgegners belegen könnten, sind dem Gericht nicht zugeleitet worden.

Dass nicht der Ort für sich genommen Anlass und Grund der polizeilichen Maßnahme ist, sondern diese vielmehr in der Person des Antragstellers liegen, erschließt sich auch daraus, dass die Verabredung und Vorbereitung der befürchteten Bestrebungen nämlich die Verabredung und Vorbereitung von Verbrechenstatbeständen eine Kommunikation und Interaktion zwischen verschiedenen Personen voraussetzt. Der Kreis der hieran beteiligten Personen wird aber nicht allein durch den Aufenthalt an einem bestimmten, als gefährlich eingeschätzten Ort bestimmt. Ein polizeiliches Interesse an der Feststellung dieser Personen ist insoweit nur dann gegeben, wenn diese eine Kontaktaufnahme zum Antragsteller selbst anstreben. Dies begründet sich nicht nur aus der hervorgehobenen Position des Antragstellers innerhalb der "…". Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die handelnden Polizeibeamten nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Antragstellers Besucher des Gebäudes gezielt befragen, mit welchem Ansinnen dieses betreten werden soll. Diese Befragung erscheint aber nur dann sinnvoll, wenn hiermit Erkenntnisse darüber gewonnen werden sollen, wer einen Kontakt zu der Person des Antragstellers herstellt.

Richtet sich die Maßnahme auch im Tatsächlichen zuvörderst gegen den in der ....straße .. seinen Lebensmittelpunkt habenden Antragsteller in seiner Eigenschaft als "President" der "…" so unterliegt er einer Beobachtung durch den Antragsgegner insbesondere mit dem Ziel, welche Personen sich mit ihm in Verbindung setzen. Zugleich werden damit Informationen über den Antragsteller selbst gewonnen insbesondere dahingehend, mit welchen Personen er -auch mit welcher Häufigkeit und Dauer- in Kontakt getreten ist. Dies ermöglicht es der Polizei wiederum weitere Rückschlüsse über den Antragsteller selbst zu ziehen insbesondere dahingehend, in welchem sozialen, gegebenenfalls kriminellen Umfeld sich dieser bewegt, was vor allem dann aus polizeilicher Sicht Erfolg verspricht, wenn bereits Informationen über die mit dem Antragsteller in Kontakt tretenden Personen vorliegen oder noch gewonnen werden.

Für die damit von der Polizei erstrebte Informationsgewinnung, insbesondere über die Person des Antragstellers und zu dessen Kontakten zu anderen Personen, kommt vorliegend allein § 32 Abs. 1 BbgPolG als rechtliche Grundlage in Betracht. Hiernach kann die Polizei personenbezogene Daten durch eine länger als vierundzwanzig Stunden oder an mehr als zwei Tagen vorgesehene oder tatsächlich durchführte und planmäßig angelegte Beobachtung einer Person erheben, soweit es sich um eine der in den § 32 Abs. 1 Nummern 1-3 BbgPolG näher umschriebenen Personen handelt. Wie festgestellt ist nach den dem Gericht bekannten Umständen und einer Gesamtbetrachtung der objektiven Gegebenheiten Zweck der Maßnahme die Gewinnung von Informationen jedenfalls vorrangig in Bezug auf die Person des Antragstellers und namentlich von solchen, die eine Verbindung zu bestimmten (und identifizierten) Personen belegen. Hierbei handelt es sich um personenbezogene Daten. Denn diese umfassen sämtliche Einzelangaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person -hier des Antragstellers- (vgl. die Definition in § 3 Abs. 1 Brandenburgisches Datenschutzgesetz). Die Beobachtung des Antragstellers ist im Sinne des § 32 Abs. 1 BbgPolG auch längerfristig, da die Maßnahmen zumindest an mehr als zwei Tagen tatsächlich und zielgerichtet durchgeführt wurden. Zudem hat der Antragsgegner selbst erklärt, dass es sich um "auch weiterhin durchzuführende Personenkontrollen einschließlich Identitätsfeststellungen" handelt, mithin diese nach wie vor andauern und fortgeführt werden sollen. Gegen eine Bewertung der Maßnahme des Antragsgegners als eine längerfristig angelegte Observation im Sinne von § 32 Abs. 1 BbgPolG spricht auch nicht, dass die Beobachtung des Antragstellers offen und nicht verdeckt erfolgt. Eine Observation erfolgt zwar in der Regel unauffällig (vgl. BGH, a.a.O.); dies schließt es aber begrifflich nicht aus, in Abweichung von der Regel eine Person offen zu beobachten, wobei dies freilich auch unter Vorgabe anderer Gründe erfolgen kann. § 32 Abs. 1 BbgPolG unterscheidet auch nicht zwischen einer offenen und einer verdeckten Observation der zu beobachtenden Person (vgl. zu § 22 Abs. 1 des Polizeigesetzes Baden-Württemberg: Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Auflage, § 22 Rdn. 4). Zudem ist aus der Grundnorm des § 29 BbgPolG zu schließen, dass Erhebungen von personenbezogenen Daten durch die Polizei ohnehin grundsätzlich mit Kenntnis des Betroffenen (§ 29 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG) und offen zu erfolgen haben (§ 29 Abs. 3 BbgPolG) und die verdeckte Erhebung ausnahmsweise und zwar nur in den durch Gesetz bestimmten Fällen zulässig ist. Die genannten Vorschriften normieren den Grundsatz, dass Daten offen und bei dem Betroffenen zu erheben sind, wobei als Datenerhebung bei dem Betroffenen nicht nur dessen Befragung sondern auch andere Formen der polizeilichen Wahrnehmung in Frage kommen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung; Landtags-Drucksache 2/1235; Seite 91); in der Gesetzesbegründung wird insoweit ausdrücklich als Beispiel die Beobachtung einer Person erwähnt. Hieraus ist zu schließen, dass die Erhebung von personenbezogenen Daten im Wege der längerfristigen Observation stets an § 32 Abs. 1 bis 3 BbgPolG zu messen ist, gleichviel ob die Polizei die Beobachtung offen oder verdeckt durchführt. Hiergegen spricht auch nicht, dass die Personen, soweit der Antragsgegner feststellt oder vermutet, dass diese mit dem Antragsteller in Kontakt getreten sind oder treten wollen, selbst einer Identifikationsmaßnahme unterzogen werden. § 32 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG eröffnet der Polizei vielmehr ausdrücklich die Möglichkeit, auch personenbezogene Daten über andere Personen zu erheben, soweit dies für eine Datenerhebung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG -also insbesondere zur Erhebung von Daten mit Bezug auf die observierte Person- erforderlich ist. Auf welche Weise die Daten erhoben werden, ist in § 32 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG selbst nicht geregelt, so dass auch eine offene Befragung und Identifikation, wie sie § 12 BbgPolG ermöglicht, als polizeiliches Mittel in Frage kommt.

11Die längerfristig angelegte Observation des Antragstellers erweist sich nach derzeitigem Sachstand als offensichtlich rechtswidrig. Dahinstehen kann, ob der Antragsteller dem Kreis der Personen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BbgPolG angehört, die einer Observation unterzogen werden können. Die gegen ihn gerichtete polizeiliche Maßnahme erfüllt jedenfalls nicht die wegen ihrer hohen Eingriffsintensität (vgl. Landtags-Drucksache 2/1235; Seite 96) vom Gesetzgeber aufgestellten besonderen Anordnungsvoraussetzungen. Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG darf eine längerfristige Observation nur durch den Behördenleiter angeordnet werden; sie ist auf höchstens einen Monat zu befristen (Absatz 2 Satz 2). Hiervon ausgehend ist bereits zweifelhaft, ob die Maßnahme nach § 32 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG von dem Behördenleiter angeordnet worden ist. Der Antragsgegner hat einen Verwaltungsvorgang, mit dem eine solche Anordnung belegt werden könnte, schon nicht nur nicht vorgelegt. Zudem hat er, was sich aus seiner Antragserwiderung ergibt, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme vor dem Tattoo-Studio des Antragstellers allein an § 12 BbgPolG gemessen, der ein solches besonderes Anordnungserfordernis nicht vorsieht. Es ist von daher auch nicht ohne weiteres zu erwarten, dass eine Anordnung durch den Behördenleiter vorliegt. Jedenfalls erweist sich die Anordnung aber deshalb als rechtswidrig, weil es an der nach § 32 Abs. 2 Satz 3 BbgPolG erforderlichen schriftlichen Begründung der Anordnung fehlt, die zu den Akten zu nehmen ist. Der Antragsgegner hat auf gerichtliche Anfrage mit Schriftsatz vom 06. März 2008 ausdrücklich erklärt, ein Verwaltungsvorgang sei nicht vorhanden. Hat der Antragsgegner über die streitgegenständliche Maßnahme aber keine Unterlagen in schriftlicher Form angelegt, die als Verwaltungsvorgang dem Verwaltungsgericht übersandt werden könnten, so ist es denknotwendig ausgeschlossen, dass eine Begründung im Sinne § 32 Abs. 2 Satz 3 BbgPolG vorhanden ist, die in schriftlicher Form in einer Akte ansonsten vorgelegen haben müsste.

Zudem erweist sich die Observation des Antragstellers -jedenfalls nunmehr- auch deshalb als rechtswidrig, weil es an einer richterlichen Anordnung fehlt. Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 4 BbgPolG darf eine über einen Zeitraum von einem Monat hinausgehende längerfristige Observation nur durch den Richter des nach Satz 5 zuständigen Amtsgerichts (Amtsgericht, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat) angeordnet werden. Dem wird die Maßnahme des Antragsgegners nicht gerecht. Keiner Beantwortung bedarf dabei die Frage, ob der Richtervorbehalt bereits greift, wenn die polizeiliche Observation von Anfang an für einen länger als einen Monat dauernden Zeitraum geplant war oder erst dann, wenn die Observation auch tatsächlich die zeitliche Grenze von einem Monat zu überschreiten droht bzw. schon überschritten hat. Jedenfalls letzteres ist der Fall. Zwar hat der Antragsteller lediglich vorgetragen, erstmals am 15. Februar 2007 seien Polizeibeamte vor der Eingangstür zum Tattoo-Studio erschienen und hätten Personen befragt und kontrolliert. Indes hat der Antragsgegner selbst dargelegt, bereits seit dem 09. Februar 2008 im unmittelbaren Umfeld des Tattoo-Studios des Antragstellers Personenkontrollen durchgeführt zu haben. Auf diesen Zeitpunkt ist für den Beginn der polizeilichen Beobachtungsmaßnahme abzustellen. Denn wie dargelegt, kommt es für die Qualifizierung der Maßnahmen der Polizei als längerfristige Observation nicht darauf an, ob die Beobachtung des Antragstellers offen oder verdeckt erfolgt. Maßgeblich ist allein, dass eine bestimmte Person durch die Polizei zur Gewinnung von personenbezogenen Daten einer Beobachtung unterzogen wird. Den Beginn einer solchen Beobachtung markiert aber die erstmalige planmäßige Einleitung hierauf gerichteter polizeilicher Maßnahmen; sie setzen nicht erst dann ein, wenn der Betroffene erstmals von den Beobachtungsmaßnahmen Kenntnis erlangt. Ist nach dem Vortrag des Antragsgegners mithin von einer Observation des Antragstellers seit dem 09. Februar 2008 auszugehen, so ist ein Zeitraum von einem Monat verstrichen, ohne dass der Antragsgegner die nach § 32 Abs. 2 Satz 4 BbgPolG zwingend erforderliche richterliche Anordnung eingeholt hätte.

Aus dem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch folgt zugleich der gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderliche Anordnungsanspruch. Aufgrund des Gewichts des in Rede stehenden Grundrechts des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz; vgl. hierzu zuletzt: BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 -1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07-, veröffentlicht in http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20080311_1bvr207405.hmtl) und der hohen Eingriffsintensität, wie sie einer längerfristigen polizeilichen Beobachtungsmaßnahme durch den Gesetzgeber beigemessen wird (vgl. Gesetzbegründung, Landtags-Druckssache 2/1235; Seite 96), ist es dem Antragsteller nicht zuzumuten, eine derzeit offensichtlich rechtswidrige Maßnahme hinzunehmen.

Die Wirkung des vorliegenden Beschlusses ist allerdings zum einen dahingehend zu beschränken, dass dem Antragsgegner vorläufig nur zu untersagen ist, Kunden des Tattoo-Studios des Antragstellers einer Kontrolle zu unterziehen. Nur auf diesen Teilaspekt der Observationsmaßnahme der Polizei ist das Antragsbegehren des Antragstellers gerichtet; hieran ist das Gericht gemäß § 88 VwGO gebunden. Zudem ist die vorläufige Unterbindung von Maßnahmen der Polizei lediglich bis zum Vorliegen einer die weitere Durchführung von Observationsmaßnahmen anordnenden amtsgerichtlichen Entscheidung auszusprechen. Nur in diesem Umfang ist ein Anordnungsgrund gegeben. Sollte der Antragsgegner nämlich eine Entscheidung des Amtsgerichts nach § 32 Abs. 2 Satz 4 BbgPolG herbeiführen, so wäre nicht nur den besonderen Anordnungserfordernissen Rechnung getragen. Zugleich ist durch eine Entscheidung des Amtsgerichts gesichert, dass die materiellen Voraussetzungen für eine längerfristige Observation (§ 32 Abs. 1 BbgPolG) vorliegen und die Maßnahme erforderlich und verhältnismäßig ist. Die richterliche Anordnung kann nämlich nur dann erfolgen, wenn der Antragsgegner nachweist, dass die Maßnahme den an sie zu stellenden Anforderungen genügt, was das Amtsgericht eigenständig zu prüfen hat. Erfüllt ein vom Amtsgericht zu prüfender Antrag des Antragsgegners auf Anordnung nach § 32 Abs. 2 Satz 4 BbgPolG nicht die im Gesetz näher geregelten Voraussetzungen, so ist er abzulehnen. Ein weiterer Eingriff in Rechte des Antragstellers droht dann durch eine Observation in offener oder verdeckter Form von vornherein nicht. Kann eine weitere Observation des Antragstellers auf Anordnung des Amtsgerichts hingegen erfolgen, weil diese rechtmäßig ist, so ist dann ein rechtswidriger Eingriff in Rechte des Antragstellers nicht (mehr) zu besorgen. Nur einer rechtswidrigen Beeinträchtigung von Rechten des Antragstellers ist aber durch eine einstweilige Anordnung vorzubeugen, an der es dann aber fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der Antragsteller mit seinem Begehren weitestgehend obsiegt hat und es auch noch nicht feststeht, ob eine weitere Beobachtung seiner Person überhaupt erfolgen kann, ist es angemessen, dem Antragsgegner den überwiegenden Teil der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die tenorierte Kostenentscheidung trägt dem Rechnung.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Mangels hinreichender Anhaltspunkte für die wirtschaftliche Bedeutung der Sache für den Antragsteller ist ein Streitwert in Höhe des Auffangwertes festzusetzen. Eine Orientierung an den vom Antragsteller behaupteten wirtschaftlichen Nachteilen in Form von Umsatzeinbußen kommt nicht in Betracht, da mit diesen die Bedeutung der in Rede stehenden Rechte des Antragstellers auf Gewährleistung informationeller Selbstbestimmung nicht erfasst wird. Mit Blick auf die erstrebte Vorwegnahme der Hauptsache ist für eine Reduzierung des Streitwerts aufgrund der Vorläufigkeit einer einstweiligen Anordnung kein Raum.