VG Potsdam, Urteil vom 05.03.2008 - 6 K 3940/03
Fundstelle
openJur 2012, 8156
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger gewährte im Jahr 2000 unter anderem Hilfe zur Pflege in stationären Einrichtungen (reguläre Pflegestufen), Hilfe zur Eingliederung in stationären Einrichtungen, Hilfe zur Eingliederung in teilstationären Einrichtungen, Hilfe zur Pflege in stationären Einrichtungen (sogenannte "Pflegestufe 0/K") und Hilfe zum Lebensunterhalt in Bezug auf 241 Spätaussiedler und 16 jüdische Flüchtlinge.

Mit Bescheid vom 26. Juli 2001 erkannte das Landesamt für Soziales und Versorgung einen Erstattungsanspruch des Klägers in Bezug auf Hilfe zur Pflege in stationären Einrichtungen (reguläre Pflegestufen) an. Erstattet wurden 2.842.649,22 DM. Dabei wurde für das 2. Halbjahr 2000 ein Erstattungssatz von 93 % zu Grunde gelegt.

Mit Bescheid vom 27. August 2001 erkannte das Landesamt für Soziales und Versorgung einen Erstattungsanspruch des Klägers in Bezug auf Hilfe zur Eingliederung in stationären Einrichtungen und in Bezug auf Hilfe zur Eingliederung in teilstationären Einrichtungen an. Erstattet wurden 27.644.688,20 DM und 10.996.752,21 DM. Auch dabei wurde für das 2. Halbjahr 2000 jeweils ein Erstattungssatz von 93 % zu Grunde gelegt.

Nicht anerkannt wurde u. a. eine für das 2. Halbjahr 2000 geltend gemachten Erstattung in Bezug auf Hilfe zur Pflege in vollstationären Einrichtungen (Pflegestufe 0/K).

Auch erhielt der Kläger keine Kostenerstattung wegen der im Jahr 2000 insgesamt geleisteten Hilfe zum Lebensunterhalt für die aufgenommenen 241 Spätaussiedler und 16 jüdischen Flüchtlinge.

Der Kläger hat am 12. Dezember 2003 beim Verwaltungsgericht Potsdam Klage mit dem Ziel erhoben, eine höhere Kostenerstattung zu erreichen.

Der Kläger trägt sinngemäß vor, die gewährte Kostenerstattung bleibe teilweise sogar hinter dem zurück, was das Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz in der für das Jahr 2000 maßgeblichen Fassung vorschreibe. Insoweit habe er gesondert Klage erhoben. Vorliegend gehe es ihm dementsprechend nicht darum, überhaupt eine Einhaltung des Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz zu erreichen. Vielmehr lasse dieses Gesetz - selbst bei seiner Einhaltung - Kostendeckungslücken. Deren Schließung strebe er an.

Er habe in Bezug auf die Hilfe zur Pflege in stationären Einrichtungen bei vollem Kostenausgleich für das 2. Halbjahr 2000 eine Kostenerstattung in Höhe 1.559.908,53 DM erhalten müssen. Die im Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz vorgesehene Erstattung von 93 % habe 1.457.858,44 DM betragen müssen. Selbst bei Einhaltung des Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz bestehe danach eine Deckungslücke von 109.193,60 DM.

Er habe in Bezug auf die Hilfe zur Eingliederung in stationären Einrichtungen bei vollem Kostenausgleich für das 2. Halbjahr 2000 eine Kostenerstattung in Höhe von 15.289.879,58 DM erhalten müssen. Die im Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz vorgesehene Erstattung von 93 % habe 14.219.588,01 DM betragen müssen. Selbst bei Einhaltung des Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz bestehe eine Deckungslücke von 1.070.291,57 DM.

Er habe in Bezug auf die Hilfe zur Eingliederung in teilstationären Einrichtungen bei vollem Kostenausgleich für das 2. Halbjahr 2000 eine Kostenerstattung in Höhe von 6.235.507,54 DM erhalten müssen. Die im Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz vorgesehene Erstattung von 93 % habe 5.799.022,01 DM betragen müssen. Selbst bei Einhaltung des Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz bestehe eine Deckungslücke von 436.485,53 DM.

In Bezug auf die Hilfe zur Pflege in stationären Einrichtungen (sogenannte Pflegestufe 0/K) bestehe für das 2. Halbjahr 2000 wegen der im Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz überhaupt nicht vorgesehenen Kostenerstattung eine Deckungslücke in Höhe von 282.335,22 DM.

In Bezug auf die Hilfe zum Lebensunterhalt für 241 aufgenommene Spätaussiedler und 16 jüdischen Flüchtlinge bestehe für das Jahr 2000 wegen der im Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz überhaupt nicht vorgesehenen Kostenerstattung eine Deckungslücke in Höhe von 3.790.703,41 DM.

Die Deckungslücken summierten sich auf insgesamt 5.689.009,33 DM(= 2.908.744,28 Euro). Insoweit sehe auch das Gemeindefinanzierungsgesetz 2000 keine Kostendeckung vor. Ein Erstattungsanspruch ergebe sich aber aus § 3 Abs. 1 der Landkreisordnung (LKrO) und Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Nach beiden Bestimmungen müsse die Kostenerstattung für übertragene Aufgaben dem strikten Konnexitätsprinzip folgen. Die Landkreise dürften nicht schutzlos bleiben, wenn die einschlägigen spezialgesetzlichen Kostenerstattungsregelungen und das jeweilige Gemeindefinanzierungsgesetz dem nicht gerecht würden. Der notwendige Schutz sei durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gewähren. Verfassungsgerichtlicher Schutz reiche nicht aus. Eine Zahlungsklage kenne das Verfassungsprozessrecht nicht. Mit einer Kommunalverfassungsbeschwerde könnten zwar einfachgesetzliche Kostenerstattungsregelungen angegriffen werden. Insoweit gelte aber eine Jahresfrist, die mit dem Inkrafttreten der jeweiligen Regelung zu laufen beginne und häufig schon abgelaufen sei, wenn sich zeige, dass die Kostenerstattung nicht genüge, um die tatsächlich angefallenen Kosten zu decken.

Der Kläger beantragt,        den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.908.744,28 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Der Beklagte beantragt,        die Klage abzuweisen.Der Beklagte trägt sinngemäß vor: Schon die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges sei fraglich. Statthafte Klageart sei nicht die allgemeine Leistungs-, sondern die Verpflichtungsklage, weil über den Anspruch durch Verwaltungsakt entschieden werden müsse. Richtiger Beklagter sei deshalb nicht das Land Brandenburg, sondern das Landesamt für Soziales und Versorgung mit Sitz in Cottbus. Örtlich zuständig sei das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder). Weil der Kläger auch dort auf eine höhere Kostenerstattung klage, liege doppelte Rechtshängigkeit vor. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Weder aus § 3 Abs. 1 LKrO noch aus Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV lasse sich ein Zahlungsanspruch ableiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet. Das gilt ohne weiteres, soweit der Kläger den geltend gemachten Zahlungsanspruch auf § 3 Abs. 1 LKrO stützt. Insoweit liegt insbesondere eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor (vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2004 - 1 A 707/01 -, juris, Rz. 33 ff.). Der Verwaltungsrechtsweg ist auch eröffnet, soweit der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV stützt. Allerdings folgt dies nicht schon aus der in § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) geregelten Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, bei einmal gegebener Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs auch über "rechtswegfremde" Anspruchsgrundlagen zu entscheiden. Diese Verpflichtung gilt nicht im Verhältnis zur Verfassungsgerichtsbarkeit, weil die § 17 ff. GVG insoweit nicht greifen (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, a. a. O., Rz. 32, m. w. N.). Indessen liegt auch, soweit der Kläger sich auf Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV beruft, eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor. Eine Streitigkeit wird nicht allein dadurch zur Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art, dass verfassungsrechtliche Vorschriften entscheidungserheblich sind. Denn das ist bei zahlreichen Streitigkeiten zwischen Bürgern und Verwaltung der Fall und es steht gleichwohl außer Frage, dass für diese Streitigkeiten der Verwaltungsrechtweg eröffnet ist (vgl. hierzu: Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auflage, Rdnr. 185 f. zu § 40 VwGO). Dementsprechend muss zu der Entscheidungserheblichkeit verfassungsrechtlicher Vorschriften ein besonderes qualitatives Element hinzukommen, damit eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art vorliegt. Ob und wie sich dieses qualitative Element umschreiben lässt, ist umstritten (vgl. zum Streitstand mit weiteren Nachweisen: Schenke, in: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Rdnr. 31 ff. zu § 40 VwGO; Sodan, a. a. O., Rdnr. 184 ff.zu § 40 VwGO). Dieser Streit bedarf jedoch hier keiner Entscheidung. Der Verfassungsgeber ist nicht gehindert, Verfassungsvorschriften zu erlassen, die unmittelbar durch die Verwaltung umgesetzt werden können. Streitigkeiten insoweit gehören erkennbar vor die Verwaltungs- und nicht vor die Verfassungsgerichte oder gar - wegen Art. 19 Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes - vor die ordentlichen Gerichte. Angesichts dessen sind sie als Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO anzusehen. So liegt es auch hier, soweit der Kläger seinen Zahlungsanspruch auf Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV stützt. Denn er macht ungeachtet des Umstandes, dass er sein Klagevorbringen im Laufe des Verfahrens mehrfach neu akzentuiert hat, im Kern geltend, dass Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV hinsichtlich der Kostenerstattung für die Erfüllung bestimmter Aufgaben eine derartig konkrete Zahlungsverpflichtung des Landes gegenüber den Landkreisen regele, dass diese Verpflichtung - nach Rechnungslegung durch die Landkreise - letztlich unmittelbar durch die Verwaltung umgesetzt werden könne. Dies ist insbesondere durch seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. In der mündlichen Verhandlung hat im Übrigen auch der Beklagte klargestellt, dass eine förmliche Rüge der fehlenden Rechtswegeröffnung nicht erhoben wird; deshalb ist eine Vorabentscheidung über die Rechtswegeröffnung nach § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht geboten gewesen.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Der Kläger begehrt nicht den Erlass eines Verwaltungsakts, sondern ausdrücklich eine Kostenerstattung jenseits dessen, was im Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz geregelt und worüber bereits durch Bescheid entschieden worden ist (vgl. zur Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage in einer vergleichbaren Fallgestaltung: Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, a. a. O., Rz. 40).

Örtlich zuständig ist nach § 52 Nr. 5 VwGO das Verwaltungsgericht Potsdam. Richtet sich eine allgemeine Leistungsklage gegen ein Land, dann ist örtlich das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Stelle ihren Sitz hat, die über den geltend gemachten Anspruch zu entscheiden hat (vgl. Schenke, a.a.O., Rdnr. 19 zu § 52 VwGO). Mit Blick auf die Art und die Begründung des geltend gemachten Anspruchs ist das hier erkennbar nicht das Landesamt für Soziales und Versorgung in Cottbus, sondern entweder das Ministerium des Innern oder das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Letzteres kann offen bleiben, weil beide Ministerien ihren Sitz in Potsdam haben.

Die Klage ist indessen unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Kostenerstattung.

Sein Zahlungsbegehren findet keine Stütze in § 3 Abs. 1 LKrO. Nach dieser Bestimmung hat das Land, wenn es den Landkreisen Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung oder Auftragsangelegenheiten überträgt, alle Kosten zu erstatten, die durch die Übertragung verursacht werden. Der Wortlaut des § 3 Abs. 1 LKrO legt für sich genommen zwar den Eindruck nahe, die Bestimmung vermittele einen Zahlungsanspruch. Dieser Eindruck ist jedoch unzutreffend. Denn nach § 3 Abs. 3 LKrO sind die durch das Land zu erstattenden Mittel erstmalig in der Begründung des Gesetzes oder der sonstigen landesrechtlichen Bestimmung, welche die Aufgaben übertragen, schätzungsweise zu benennen und Gemeindefinanzierungsgesetz jährlich bereitzustellen und fortzuschreiben. Damit hat der Gesetzgeber die Kostenerstattung nach § 3 Abs. 1 LKrO unter einen Regelungsvorbehalt gestellt, der im Übrigen auch gewisse Pauschalierungsspielräume eröffnet (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, a. a. O., Rz. 52 ff.). Dies hat zur Folge, dass die Kostenerstattung nach § 3 Abs. 1 LKrO nur dann klageweise eingefordert werden kann, wenn entsprechende Mittel im Gemeindefinanzierungsgesetz bereitgestellt worden sind (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, a. a. O., Rz. 43 ff.). Eine solche Mittelbereitstellung im Gemeindefinanzierungsgesetz ist für den hier in Rede stehenden Aufgabenbereich und Zeitraum unstreitig nicht erfolgt. Der daraus folgenden Verneinung eines Zahlungsanspruchs lässt sich auch nicht entgegenhalten, die nach § 3 Abs. 3 LKrO erforderliche Regelung sei im Gemeindefinanzierungsgesetz 2000 pflichtwidrig unterblieben. Denn der Gesetzgeber hat sich mit § 3 Abs. 1 LKrO nicht selbst dauerhaft gebunden, sondern kann hiervon durch spätere Gesetze (auch stillschweigend) abweichen (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, a. a. O., Rz. 58 ff.).

Das Zahlungsbegehren des Klägers findet auch keine Stütze in Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV. Werden die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zur Erfüllung neuer öffentlicher Aufgaben verpflichtet, so sind dabei nach Art. 97 Abs. 3 Satz 2 LV Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist dafür nach Art. 97 Abs. 3 Satz 3 LV ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen. Auch diese Bestimmungen enthalten nach Wortlaut und Systematik (nur) einen Regelungsauftrag, der wiederum einen gewissen Prognose- und Pauschalierungsspielraum eröffnet (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 14. Februar 2002 - VfGVBbg 17/01 -, juris, Rz. 54 ff.). Dieser Spielraum steht dem Gesetzgeber zu, soweit dieser nicht die Regelung der Einzelheiten dem Verordnungsgeber überlassen hat. Das ist hier nicht der Fall. In den Prognose- und Pauschalierungsspielraum des Gesetzgebers darf das Verwaltungsgericht indessen nicht dadurch eingreifen, dass es aus Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV unmittelbar Zahlungsansprüche herleitet. Ein solches Vorgehen verstieße gegen die Gewaltenteilung. Ebenfalls verstieße es gegen die Gewaltenteilung, wenn das Verwaltungsgericht den Gesetzgeber (im Sinne eines "Minus" zur Ableitung eines Zahlungsanspruchs aus Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV) zum Erlass von gesetzlichen Vorschriften verurteilen würde, die den Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV ausfüllen.

Der hier vorgenommenen Auslegung des Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV kann der Kläger nicht entgegenhalten, sie führe zu einer Rechtsschutzlücke. Es mag zutreffen, dass sich häufig erst mehr als ein Jahr nach dem Inkrafttreten einer gesetzlichen Kostenausgleichsregelung zeigt, dass diese Regelung Kostendeckungslücken offen lässt. In diesem Zeitpunkt ist in der Tat die Jahresfrist für die Erhebung einer Kommunalverfassungsbeschwerde (vgl. § 51 Abs. 2 des Verfassungsgerichtsgesetzes Brandenburg) und für die Darlegung der Rechtsverletzung (vgl. hierzu: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/07 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de) bereits verstrichen. Das spricht aber nicht zwingend für das Bestehen einer Rechtsschutzlücke. Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV verpflichtet den Gesetzgeber dazu, eine Kostenausgleichsregelung auf der Grundlage einer fundierten Prognose zu treffen. Eine derartige Kostenausgleichsregelung verstößt nicht allein deshalb gegen Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV, weil die zu Grunde liegende Prognose mit Unsicherheiten behaftet gewesen ist oder sich später als unzutreffend erwiesen hat. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob der Gesetzgeber bei seiner Prognose mit der erforderlichen Gründlichkeit und dem erforderlichen Realismus vorgegangen ist (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 14. Februar 2002, a. a. O., Rz. 56). Indessen wird man ihm diesbezüglich nur schwerlich Vorwürfe machen können, wenn die Landkreise nicht einmal binnen eines Jahres nach dem Inkrafttreten der Kostenausgleichsregelung dartun können, dass und aus welchem Grund die zu Grunde liegende Prognose fehlerhaft gewesen ist. Anders mag es dort liegen, wo sich die Verhältnisse erst im Laufe der Zeit geändert haben, der Gesetzgeber aber seine Pflicht verletzt hat, das betreffende Kostenausgleichsgesetz entsprechend anzupassen (vgl. auch zu dieser Pflicht mit weiteren Nachweisen: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, a. a. O.). Es spricht vieles dafür, den Landkreisen in diesen Fällen eine Handhabe zur Durchsetzung der Anpassungspflicht des Gesetzgebers zu geben. Das ist jedoch eine Frage des Verfassungsprozessrechts. Im Übrigen bieten selbst Rechtsschutzlücken insoweit keine hinreichende Rechtfertigung dafür, dass ein Verwaltungsgericht sich unter Verletzung der Gewaltenteilung an die Stelle des Gesetzgebers setzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.908.744,28 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung. Sie entspricht dem geltend gemachten Zahlbetrag.