AG Mitte, Urteil vom 08.01.2008 - 5 C 287/07
Fundstelle
openJur 2012, 7870
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 117,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 05.04.2006 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 22,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hierauf über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2007 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht ein restlicher Mietzinsanspruch für den Monat April 2006 in Höhe von 117,62 Euro zu. Unstreitig hat der Beklagte für diesen Monat einen um 117,62 Euro reduzierten Mietzins gezahlt. Der Beklagte war nicht berechtigt, die Miete zu kürzen, da ihm ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin in entsprechender Höhe nicht zustand, so dass die von ihm erklärte Aufrechnung unwirksam war.

Der Beklagte stand ein Schadensersatzanspruch in Höhe der zur Aufrechnung gestellten Anwaltskosten nicht zu, da die Klägerin beziehungsweise die die Klägerin vertretende Hausverwaltung, deren Verhalten sich die Klägerin zurechnen lassen müsste, durch Übermittlung des Mieterhöhungsverlangens vom 20.06.2005 und des Schreibens vom 02.09.2005 an den Beklagten keine vertragliche Nebenpflicht zumindest fahrlässig verletzt hatte. Eine zumindest fahrlässige Pflichtverletzung der Klägerin wäre nach Auffassung des Gerichts in der vorliegenden Fallgestaltung nur dann denkbar, falls das Mieterhöhungsverlangen gemäß § 558 BGB unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt begründet gewesen wäre und für die Klägerin beziehungsweise der sie vertretenden Hausverwaltung im Rahmen einer sachgerechten Prüfung auch erkennbar gewesen wäre, dass ein solcher Anspruch nicht bestand. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass zum Zeitpunkt der Übermittlung und des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens vom 20.06.2005 noch der Berliner Mietspiegel 2003 in Kraft war und für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens abzustellen ist, (vgl. hierzu Schmidt/Futterer-Börstinghaus § 558 b BGB Rn. 121). Es kann der Klägerin also nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie die ortsübliche Vergleichsmiete unter Berücksichtigung des damals noch gültigen Berliner Mietspiegels 2003 ermittelt hat. Soweit der Beklagte ausweislich der Klageerwiderung offenbar der Ansicht ist, dass die ortsübliche Vergleichsmiete auch unter Berücksichtigung der Werte des Berliner Mietspiegels 2003 nicht einmal 6,36 Euro/qm betragen habe, lässt sich dem Sachvortrag der beklagten Partei nicht entnehmen, weshalb ein solcher Betrag unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als ortsübliche Vergleichsmiete zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens auch unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB als gerechtfertigt erachtet werden konnte. Allein der Umstand, dass die Klägerin nach wohl überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Rechtsliteratur in dem Mieterhöhungsverlangen keine nachvollziehbare Einordnung der Wohnung in das maßgebliche Mietspiegelfeld des Berliner Mietspiegels 2003 vorgenommen hatte, begründet nicht bereits eine zumindest fahrlässige Pflichtverletzung in Form der Geltendmachung einer offensichtlich unberechtigten Forderung, da derartige Angaben auch noch nachträglich, spätestens in dem gerichtlichen Verfahren auf Zustimmung zur Mieterhöhung gemäß § 558 b Abs. 3 BGB hätten nachgeholt werden können. Der weitere Umstand, dass kurz vor Ablauf der Zustimmungsfrist der damals neue Berliner Mietspiegel 2005 in Kraft trat, dessen Werte nach dem insoweit übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien infolge Absenkung der maßgeblichen Mietspiegelwerte eine Mieterhöhung nicht mehr rechtfertigte und die Klägerin nicht unverzüglich danach von ihrem Mieterhöhungsverlangen Abstand nahm und statt dessen in dem Schreiben vom 02.09.2005 die Erteilung der Zustimmung unter Klageandrohung anmahnte, begründet ebenfalls keine zumindest fahrlässige Pflichtverletzung der Klägerin. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagten in seinem Schreiben vom 30.08.2005 unberechtigte Einwände gegen das Mieterhöhungsverlangen erhoben hatte. Denn die Nichtvorlage der Originalvollmacht hätte gemäß § 174 Satz 1 BGB unverzüglich gerügt werden müssen, was nach Ablauf einer Frist von 14 Tagen nach dem Zugang der Erklärung nicht mehr der Fall war. Ebenfalls ist zu berücksichtigten, dass in der Rechtsprechung und Rechtsliteratur die Frage, ob ein nach dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens in Kraft getretener neuer Mietspiegel für die Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen ist, von der mittlerweile wohl herrschenden Rechtsauffassung zwar bejaht wird, aber in Rechtsprechung und Rechtsliteratur durchaus nicht einhellig beantwortet wird, (vgl. hierzu die bei Schmidt/Futterer-Börstinghaus aaO in der Fußnote 368 darstellte kontroversen Rechtsansichten), so dass es rechtlich nicht unvertretbar gewesen wäre, dass Mieterhöhungsverlangen unter Berufung auf den Berliner Mietspiegel 2003 aufrechtzuerhalten. Erst recht kann dann der Klägerin nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie sich erst nach Übermittlung des Schreibens vom 02.09.2005 an den Beklagten ohne ausdrücklich Mitteilung dieser Absicht entschlossen hatte, von dem Mieterhöhungsverlangen Abstand zu nehmen. Seitens des Gerichts wird nicht verkannt, dass im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses oder einer sonstigen rechtlichen Sonderverbindung die Geltendmachung einer unberechtigten Forderung eine Pflichtverletzung begründen kann, (vgl. zum Beispiel die Entscheidung des LG Zweibrücken NJW-RR 1998, 1105 oder AG Kaiserlautern, Urteil vom 24.08.2007, 7 C 599/07, aus der juris-Datenbank). Das LG Zweibrücken aaO geht davon aus, dass es von dem Umständen des Einzelfalles abhänge, ob in einer unberechtigten Geltendmachung einer Forderung eine zum Schadensersatz verpflichtende Nebenpflichtverletzung zu sehen sei und verweist unter Bezugnahme auf BGH NJW 1980, 190 darauf, dass die Geltendmachung vermeintlicher, tatsächlich unbegründeter Ansprüche gegen den Vertragspartner nicht an sich schon eine positive Vertragsverletzung sein könne, dass mithin weitere Umstände hinzutreten müssten, um eine solche Vertragsverletzung zu bejahen. Nach Auffassung des LG Zweibrücken sei eine solche dann gegeben, falls für eine leugnende Feststellungsklage ein rechtliches Interesse bestünde, was dann gegeben sei, falls dem Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit drohe und das erstrebte Feststellungsurteil geeignet sei, diese Gefahr zu beseitigen. Auch wenn man der Auffassung der LG Zweibrücken folgen wollte, wäre ein schuldhafte Pflichtverletzung der Klägerin vorliegend nicht gegeben. Denn die Klägerin wäre ohnehin gehalten gewesen, ihren geltend gemachten Anspruch klageweise innerhalb der Frist des § 558 Abs. 2 Satz 2 BGB geltend zu machen und dem vermeintlichen Anspruch nicht bereits durch Fristablauf zu verlieren. Mithin wäre kurzfristig ohnehin gerichtlich zu klären gewesen, ob der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zusteht, so dass ein rechtliches Interesse für die Erhebung einer negativen Feststellungsklage nicht gegeben wäre. Abgesehen davon ist zu berücksichtigen, dass die Frage, ob der neue Mietspiegel, der erst nach Übermittlung des Mieterhöhungsverlangens in Kraft getreten ist, bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen gewesen wäre, in Rechtsprechung und Rechtsliteratur unterschiedlich beantwortet wird, was zumindest Auswirkung auf die Frage hat, ob eine schuldhafte Pflichtverletzung vorgelegen hat. Ein zumindest fahrlässig begangene Pflichtverletzung ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts bei der Geltendmachung eines Mieterhöhungsverlangens gemäß § 558 BGB jedoch jedenfalls dann nicht gegeben, soweit - wie vorliegend - die Geltendmachung eines Anspruchs zumindest rechtlich vertretbar war und sich für den Anspruchsteller nach ausreichender Prüfung der Sach- und Rechtslage, gegebenenfalls nach Einholung von Rechtsrat, nicht aufdrängen musste, dass die Geltendmachung dieser Forderung offensichtlich keine Erfolgsaussichten verspricht, auch wenn dennoch freiwillig von eine gerichtlichen Geltendmachung des Anspruches anschließend abgesehen wird. Die vorliegende Fallgestaltung ist auch nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der dem AG Kaiserslautern aaO zur Entscheidung vorlag. Dort hatte die vermeintliche Gläubigerin trotz Vorliegen eines Erlassvertrages eine Forderung dennoch geltend gemacht, so dass die Forderung unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als begründet erachtet werden konnte.

Weitere mögliche Anspruchsgrundlagen für einen Anspruch auf Erstattung der auf Seiten des Beklagten entstandenen Anwaltskosten sind nicht ersichtlich; insbesondere scheidet eine analoge Anwendung des § 91 ZPO aus, (vgl. hierzu BGH NJW 2007, 1458 ff.).

Die als Nebenforderung geltend gemachten Anwaltskosten sind als Verzugsschaden erstattungsfähig. Der Beklagte befand sich mit der Entrichtung des restlichen Mietzinses für den Monat April 2006 in Verzug. Die durch das vorprozessuale Tätigwerden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstandenen nicht anrechenbaren Kosten sind im Rahmen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden und deshalb als Verzugsschaden erstattungsfähig. Die jeweiligen Zinsansprüche resultieren aus den §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Ziffer 1, 288 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 3 des Mietvertrages. Das für den Verzug erforderliche Verschulden des Beklagten gemäß § 286 Abs. 4 BGB ist vorliegend gegeben, da er sich trotz anwaltlicher Beratung nicht darauf verlassen konnte, dass das zur Entscheidung berufende Gericht seiner Rechtsansicht zur Frage des Bestehens eines Schadensersatzanspruches bei der vorliegenden Fallkonstellation folgen wird. Nach zutreffender Rechtsauffassung des BGH handelt der Schuldner auch dann auf eigenes Risiko und damit schuldhaft, wenn er sich seine Rechtsansicht sorgfältig gebildet hat und ernsthaft mit einer abweichenden Rechtsansicht des zuständigen Gerichts rechnen muss, (vgl. zuletzt BGH NJW 2007, 428 ff. mit weiteren Nachweisen), wobei er sich das Verhalten der ihn beratenden Personen gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss. Da mit einer abweichenden Rechtsansicht des erkennenden Gerichts gerechnet werden musste, ist ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten im Hinblick auf die Frage des Verzugseintritts gegeben.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 511 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 1 ZPO hat und auch eine Fortbildung des Rechts oder eine Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts gemäß § 511 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 2 ZPO nicht erfordert.