KG, Beschluss vom 06.12.2007 - 12 W 83/07
Fundstelle
openJur 2012, 7677
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 20. November 2007 gegen den Beschluss der Zivilkammer 36 des Landgerichts Berlin vom 9. November 2007 - 36 O 159/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe

Die gemäß §§ 252, 567 Abs.1 ZPO zulässige Beschwerde ist aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 23. November 2007 unbegründet.

Der angefochtene Beschluss lässt weder Rechtsfehler noch Ermessensfehler erkennen.

Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreites oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts, nachdem dieses - noch ohne ein Ermessen - festgestellt hat, dass die erforderliche Abhängigkeit (Vorgreiflichkeit) vorliegt (vgl. nur Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 148, Rdnr. 5, 7; Baumbach u. a., ZPO, 66. Auflage, § 148, Rn 32). Bejaht es diese, handelt das Gericht bei der anschließenden Entscheidung darüber, ob es wegen dieser Vorgreiflichkeit das Verfahren aussetzt, im Rahmen eines pflichtgemäßen Ermessens (BGH NJW-RR 2007, 307; KG, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - 8 W 55/06 - KGR 2007, 112 = MDR 2007, 736).

5Das Beschwerdegericht darf die vorinstanzliche Ermessensentscheidung nur auf einen Verfahrens- oder Ermessensfehler überprüfen (Baumbach u. a., a.a.O., § 252, Rn 8; Zöller, a.a.O., § 252, Rn 3; LAG Nürnberg, NZA-RR 2003, 602; OLG Düsseldorf, NJW 1985, 1966; OLG München, JurBüro 2003, 154; OLG Brandenburg, OLGR 2006, 780).

Der Prüfung des Beschwerdegerichts unterliegt insoweit lediglich, ob das Erstgericht die Grenzen des ihm durch § 148 ZPO eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens bei der Anordnung der Aussetzung überschritten hat. Es kann die angegriffene Entscheidung nur auf etwaigen Missbrauch des Ermessens überprüfen, das heißt darauf, ob sich das Erstgericht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Das Beschwerdegericht ist nicht befugt, sein Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen (LAG Nürnberg, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.).

7Voll überprüfbar ist dagegen, ob die tatbestandliche Voraussetzung für die Ausübung des Ermessens, nämlich eine Vorgreiflichkeit vorliegt (KG, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - 8 W 55/06 - KGR 2007, 112 = MDR 2007, 736; Beschluss vom 11. Juni 2007 - 12 W 17/07 - ).

1. Das Landgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass eine Vorgreiflichkeit der Entscheidung über die Widerklage der hiesigen Beklagten vor dem Landgericht München I - 24 O 3629/07 - für den beim Landgericht Berlin anhängigen Rechtsstreit zum Az. 36 O 159/07 - vorliegt.

Vorgreiflichkeit im Sinne des § 148 ZPO ist gegeben, wenn im anderen Verfahren über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, dessen Bestehen für den vorliegenden Rechtsstreit als Vorfrage präjudizielle Bedeutung hat; das Rechtsverhältnis muss den Gegenstand des anderen Verfahrens bilden und darf dort nicht seinerseits nur Vorfrage sein (Zöller, a.a.O., § 148 Rn 5; Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 148 Rn 3; Baumbach u. a., a.a.O., § 148 Rn 4).

10Insoweit hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass die Entscheidung des Landgerichts München I - 24 O 3629/07 - vorgreiflich für den vorliegenden Rechtsstreit ist; denn dort wird rechtskräftig über das Bestehen der dortigen Widerklageforderung entschieden, die die Beklagte hier lediglich als Gegenrecht geltend macht.

Die Argumentation der Klägerin auf S. 2 der Beschwerdebegründung rechtfertigt keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Zwar trifft es zu, dass im Falle einer Zug-um-Zug-Verurteilung der Kläger teilweise mit seiner Klage unterliegt und diese Beschränkung des Klageanspruchs in Rechtskraft erwächst.

Soweit die Klägerin jedoch weiter geltend macht, das Landgericht habe selbst festzustellen, ob aus dem Bestehen des von der Beklagten erhobenen Gegenanspruchs ein Beschränkung des Klageanspruchs folgt, so ist darauf hinzuweisen, dass eben dieser Gegenanspruch der Streitgegenstand der vor dem Landgericht München I erhobenen Widerklage ist mit der Folge, dass nur dort rechtskräftig über den Gegenanspruch entschieden werden wird.

13Von dieser Entscheidung ist die Entscheidung über den hier vorliegenden Rechtsstreit abhängig, weil das Landgericht Berlin bei seiner Beurteilung des Gegenanspruch der Beklagten an die Entscheidung aus München gebunden ist, die insoweit in Rechtskraft erwächst (anders als in dem vom OLG Jena NJW-RR 2001, 503, entschiedenen Fall).

2. Das Landgericht hat auch die Grenzen, des ihm zustehenden Ermessens nicht überschritten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin auf S. 3 der Beschwerdebegründung verbietet sich die vom Landgericht vorgenommene Aussetzung auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der Prozessökonomie, da eine Verzögerung der Erledigung des ausgesetzten Rechtsstreits eintreten würde.

Denn das Landgericht München hat bereits für den 23. Januar 2008 die Fortsetzung seines Verfahrens anberaumt.

Das Landgericht Berlin hatte auf den 13. November 2007 terminiert, diesen Termin jedoch wegen der Aussetzung aufgehoben und angekündigt - im Falle der Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses noch in diesem Jahr zu terminieren.

Es kann nicht festgestellt werden, dass es ermessensfehlerhaft wäre, einen Zeitverlust von 2 Monaten in Kauf zu nehmen im Verhältnis zu den mit der Aussetzung verbundenen Vorteilen, nämlich des Vermeidens sich widersprechender Entscheidungen sowie überflüssiger Mehrarbeit in parallel geführten Prozessen. Denn letzteres ist Sinn und Zweck der prozessleitenden Maßnahme der Aussetzung nach § 148 ZPO (vgl. Thomas/Putzo, a.a.O., § 148 Rn 2).

3. Der Schriftsatz der Klägerin vom 8. November 2007 rechtfertigt keine andere Beurteilung der Sache. Das Verfahren 6 OH 11/05 Landgericht Berlin steht einer Aussetzung ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass bisherige Rechtstreitigkeiten der Parteien vor Gerichten in Berlin geführt worden sind.

Soweit die Klägerin die Möglichkeit betont, möglicherweise könne in dem - aufgehobenen Termin am 13. November 2007 - eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits erzielt werden, besteht diese Möglichkeit ebenso im Termin am 23. Januar 2008 vor dem Landgericht München I.

4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Diese obliegt dem Prozessgericht erster Instanz (vgl. nur BGH MDR 2006, 704; Baumbach u. a., a.a.O., § 252, Rdnr. 9).