LG Berlin, Beschluss vom 14.09.2007 - 86 T 424/07
Fundstelle
openJur 2012, 6970
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde wird nach einem Wert von 5.000 EUR zurückgewiesen.

Gründe

A.

Die Schuldnerin hat mit einem Schriftsatz vom 7. Juni 2007, der am gleichen Tag eingegangen ist, bei dem von ihr als zuständig angesehenen Amtsgericht Charlottenburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen eingereicht. Der Antrag ist mit Zahlungsunfähigkeit begründet worden. Das Amtsgericht hat mit einem Beschluss vom 8. Juni 2007 zunächst einen Gutachter mit der Feststellung der wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin beauftragt und den Gutachter unter Anordnung weiterer Sicherungsmaßnahmen zugleich zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem mit Beschluss vom 14. Juni 2007 durch das Amtsgericht Göttingen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden ist, hat das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 26. Juni 2007 die angeordneten Maßnahmen aufgehoben und mit Beschluss vom 9. August 2007 den Antrag der Schuldnerin als unzulässig zurückgewiesen. Gegen diesen ihr am 13. August 2007 zugestellten Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit der am 24. August 2007 eingelegten sofortigen Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde wird dabei u.a. darauf gestützt, dass der Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Göttingen bisher nicht in Rechtskraft erwachsen sei, weil insoweit ein von der Schuldnerin eingeleitetes Beschwerdeverfahren geführt werde.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 24. August 2007 gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 9. August 2007 ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt. Insbesondere steht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin durch das Amtsgericht Göttingen nicht der Wahrnehmung ihrer Rechte in diesem, dem insolvenzfreien Bereich zuzuordnenden Verfahren entgegen.

3Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den beim Amtsgericht Charlottenburg gestellten Insolvenzeröffnungsantrag zu Recht als unzulässig angesehen. Das Amtsgericht Charlottenburg war aufgrund des bereits eröffneten Insolvenzverfahrens gehindert, auf den Antrag der Schuldnerin hin ebenfalls die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzuordnen (vgl. 1.). Darüber hinaus fehlt der Schuldnerin das Rechtsschutzbedürfnis für die Eröffnung eines weiteren Insolvenzverfahrens (vgl. 2.). Das Amtsgericht musste mit der Entscheidung über den Eröffnungsantrag auf nicht zuwarten (vgl. 3.).

1.

4Der Antrag der Schuldnerin ist unzulässig, weil das Amtsgericht Charlottenburg nach den §§ 4 InsO, 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO gehindert ist, ein weiteres Insolvenzverfahren zu eröffnen (vgl. dazu Heidelberger Kommentar/Kirchhof, InsO, 4. Aufl., § 27 Rn. 9). Dem stünde auch nicht entgegen, wenn der Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Göttingen fehlerhaft wäre, wie die Schuldnerin meint. Denn dies führt nicht zu seiner Unwirksamkeit. Die Voraussetzungen der Nichtigkeit des Beschlusses sind nicht gegeben. Wegen der vielfältigen Rechtswirkungen die von einem Insolvenzeröffnungsbeschluss ausgehen, ist es schon aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit geboten, den entsprechenden Beschluss nur ganz ausnahmsweise als nichtig zu behandeln. Dies kommt hauptsächlich dann in Betracht, wenn ein Mangel vorliegt, der der Entscheidung schon äußerlich den Charakter einer richterlichen Entscheidung nimmt (vgl. BGHZ 138, 40 = NJW 1998, 1318 = MDR 1998, 481). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Beschluss nicht unterschrieben ist (BGHZ 137, 49, 51f. = NJW 1998, 609 = MDR 1998, 298) oder sich das Verfahren gegen eine nichtexistente Person richtet (vgl. Heidelberger Kommentar/Kirchhoff, aaO, § 27 Rn. 31). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben und werden von der Schuldnerin auch nicht geltend gemacht. Auch die von der Schuldnerin eingelegte sofortige Beschwerde hat die Wirkungen der Eröffnung nicht beseitigt. Eine Aussetzung nach den §§ 4 InsO, 570 Abs. 3 ZPO ist schon nicht angeordnet worden, eine Wirkungslosigkeit des Beschlusses wäre damit aber auch nicht verbunden (vgl. Heidelberger Kommentar/Kirchhof, aaO, § 34 Rn. 25; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 34 Rn. 24). Im vorliegenden Fall ist auch nicht deshalb eine Ausnahme von dem Grundsatz anzunehmen, dass eine anderweitige Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Verfahrenshindernis für weitere Eröffnungsanträge darstellt, weil die Schuldnerin eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg bejaht. Es ist zwar denkbar, dass mehrere Insolvenzverfahren eröffnet werden, um einen positiven Kompetenzkonflikt über eine Vorlage an das nächst höhere gemeinsame Gericht zu entscheiden, §§ 4 Abs. 1 InsO, 36 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Dies hätte aber vorausgesetzt, dass auch das Amtsgericht Charlottenburg seine Zuständigkeit bejaht und eine entsprechende Entscheidung herbeigeführt hätte.  Dass es dies nicht getan hat, kann dabei nicht von der Schuldnerin gerügt werden, weil dadurch die Zuständigkeit des Amtsgerichts Göttingen in Frage gestellt wäre. Dies kann  im Beschwerdeverfahren nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht geltend gemacht werden.

2.

5Dem Antrag der Schuldnerin fehlt es auch an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis. Auch im Insolvenzverfahren ist allerdings grundsätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu vermuten, weil beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ein Anspruch darauf besteht, dass durch die Gerichte ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird. Das Rechtsschutzbedürfnis kann lediglich dann verneint werden, wenn das mit dem Antrag erstrebte Ziel auf andere Weise leichter erreicht werden kann oder bereits auf andere Weise erreicht worden ist. Dies ist hier anzunehmen, weil entsprechend dem Antrag der Schuldnerin ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die von der Schuldnerin gegen diese Eröffnung geltend gemachten Bedenken rechtfertigen die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Eröffnung eines weiteren Verfahrens nicht. Denn der Insolvenzschuldner hat weder Anspruch darauf, dass das Verfahren bei dem Gericht seiner Wahl eröffnet wird (§ 3 InsO), noch, dass die von ihm bestimmte Person zum Insolvenzverwalter bestellt wird (§§ 56 Abs. 1, 57 Satz 1 InsO). Soweit Bedenken gegen die Entscheidung über die Eröffnung oder die Auswahl des Insolvenzverwalter bestehen, können diese in dem eröffneten Verfahren nach allgemeinen Regeln geltend gemacht werden. Dies ist hier durch die sofortige Beschwerde der Schuldnerin auch geschehen.

3.

Die Entscheidung des Amtsgerichts erweist sich auch nicht deshalb als (verfahrens-)fehlerhaft, weil es nicht den Ausgang des über den Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Göttingen anhängigen Beschwerdeverfahrens abgewartet hat. Das Amtsgericht hat insoweit zu Recht auf die besondere Eilbedürftigkeit von Entscheidungen im Insolvenzverfahren hingewiesen und auch zutreffend hervorgehoben, dass aus Gründen der Rechtssicherheit eine Entscheidung über den Eröffnungsantrag notwendig war. Dies folgt bereits aus der Vielzahl der betroffenen Gläubiger und der Aufmerksamkeit, die die Insolvenzverfahren bezüglich der Schuldnerin und der mit ihr in einem Konzern verbundenen Unternehmen in der Öffentlichkeit gefunden haben. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob die Schuldnerin alsbald mit ihrer Beschwerde Erfolg haben wird, wogegen spricht, dass ihr die Rüge der Unzuständigkeit nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO versperrt sein dürfte und zweifelhaft ist, ob ein Schuldner, der selbst von dem Vorliegen eines Insolvenzgrundes ausgeht, geltend machen kann, das Insolvenzverfahren sei auf der Grundlage von unzulässigen Gläubigeranträgen eröffnet worden.   

 

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Verfahrens ist nach § 52 Abs. 2 GKG mit 5.000 EUR anzunehmen. Die Regelung des § 58 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 GKG findet keine Anwendung, weil hier bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet ist und die Schuldnerin sich im Ergebnis lediglich gegen die Verneinung der Zuständigkeit des Amtsgericht Charlottenburg wendet.