LG Berlin, Urteil vom 19.06.2007 - 53 T 51/07
Fundstelle
openJur 2012, 6273
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 30.04.2007 - 3 C 147/07 - aufgehoben.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Störung der Wohnungsrechte der Antragstellerin, wie sie sich aus den Wohnungsgrundbüchern von Dxx Blatt xxx Abt. Xx lfd. Nr. x und Bl. xxx Abt. xx lfd. Nr. x ergeben, durch Aufhebung der Sperrung der Wasserzufuhr und Sperrung der Heizung zu beenden.

3. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, eine aus technischen Gründen erst angekündigte und zur Zeit noch nicht durchgeführte weitere Sperrung von Wasserzufuhr und Heizungsversorgung für die unter 2. genannten Wohnungsrechte zu unterlassen.

4. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird entsprechend § 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin (§§ 567 ff. ZPO) hat in der Sache Erfolg. Nachdem das Beschwerdegericht eine mündliche Verhandlung anberaumt hatte, ist so zu verfahren, als sei in der ersten Instanz auf mündliche Verhandlung ein Urteil erlassen und dagegen Berufung eingelegt worden. Dementsprechend ist hier durch Endurteil zu entscheiden (vgl. Zöller, ZPO 26. Aufl., Rdnr. 14 zu § 922 m. w. N.).

1. Der Antrag ist zulässig. Die Antragsgegnerin ist rechtsfähig, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt (BGH NJW 2005, 2061). Das ist nach der genannten Entscheidung insbesondere bei Rechtshandlungen im Außenverhältnis der Fall (BGH a. a. O. S. 2068). Danach bleibt nur in engem Rahmen Raum für Konstellationen, bei denen der Gemeinschaft keine Rechtsfähigkeit zuerkannt werden kann. Hier geht es bei der Antragstellerin um eine nicht zur Gemeinschaft der Eigentümer gehörende Dritte, die durch eine Verwaltungsmaßnahme betroffen ist. Dass die dieser Maßnahme zugrunde liegende Willensbildung durch Mehrheitsbeschluss zustande kam, ändert insoweit nichts, denn die Antragstellerin war daran nicht beteiligt.  

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Beseitigung der von dieser verursachten Störungen und auf Unterlassung der beschlossenen und zur Durchführung vorgesehenen weiteren Beeinträchtigungen der Wasser- und Heizungsversorgung ihrer Wohnungsrechte aus den §§ 823, 1004, 1027, 1093, 1090 Abs. 2 BGB. Offen bleiben kann, ob der Antragstellerin darüber hinaus auch noch wie einem Mieter Ansprüche aus Besitzschutz zustehen (vgl. die zusammenfassende Darstellung von Scheidacker, NZM 2005,281 ff.).

a) Dabei kann außerdem dahinstehen, ob der von einem Eigentümer in der Versammlung vom 04.04.2007 zu TOP 1a über die Versorgungssperre der streitgegenständlichen Wohneinheiten gefasste Mehrheitsbeschluss vor den Wohnungseigentumsgerichten Bestand haben wird, auch wenn davon auszugehen ist, weil allgemein eine solche Maßnahme gegenüber einem in Zahlungsverzug befindlichen Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen als den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend angesehen wird (vgl. KG NJW-RR 2001, 1307 ff.; BGH NJW 2005, 2622 ff.; OLG Frankfurt a. M. NZM 2006, 869 ff.) und auch nicht nichtig ist (BayObLG NZM 2004, 556).

Denn das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien berührt er nur mittelbar.

b) Auch wenn weithin angenommen wird, dass die Rechte des Mieters (im Falle einer vermieteten Eigentumswohnung) nicht weiter gehen können als die des vermietenden Wohnungseigentümers (KG NZM 2001, 761; NZM 2002, 221), kann das bezogen auf den vorliegenden Fall zweier dinglicher Wohnungsrechte nicht bedeuten, dass die Antragstellerin in jedem Fall dieselben Sanktionen (bei einem Mieter spricht man von einem “Austrocknen” und “Ausfrieren”) hinnehmen muss wie die XXX als Eigentümerin. Denn ein solch schematisches Verfahren würde Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechen und unberücksichtigt lassen,  dass die Antragstellerin ihren Verpflichtungen gegenüber der XXX stets nachgekommen ist. Darüber hinaus hat sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der XXX dafür Sorge getragen, dass das von ihr geschuldete laufende Nutzungsentgelt der Eigentümergemeinschaft zufließt und bietet auch an, dieses weiter zu tun. Unter dieser Voraussetzung erscheint es treuwidrig, wenn die Antragsgegnerin im Verhältnis zur Antragstellerin zusätzlich die Bezahlung der aufgelaufenen Wohngeldrückstände zur Voraussetzung für eine Aufhebung der Versorgungssperre machen könnte (vgl. OLG Köln NZM 2000, 1026, 1028). Denn die Antragstellerin ist für das Entstehen dieser Schulden nicht verantwortlich, sie stammen auch aus einer Zeit nach der Begründung ihrer Wohnungsrechte; insofern gilt etwas anderes als im Verhältnis zum Eigentümer, der das Zurückbehaltungsrecht der Gemeinschaft nicht durch Teilzahlungen abwenden kann (KG FGPrax 2005, 251). Die fehlende Durchsetzbarkeit einer Versorgungssperre gegenüber einem Mieter einer Eigentumswohnung war bereits Gegenstand einer anderen Entscheidung des Kammergerichts (NJW-RR 2006 658 f.). Rückstände und laufende Wohngeldverpflichtungen betreffend andere Wohnungseigentumsrechte der XXX in der betroffenen Anlage können der Antragstellerin ohnehin nicht angelastet und als Druckmittel eingesetzt werden.

Bei dieser Sachlage kommt es auf den aus dem Konkursverfahren der Antragstellerin resultierenden Streit der Parteien nicht entscheidend an. Insbesondere ergibt sich keine andere Betrachtung aus der Tatsache, dass die Antragstellerin weiterhin ihre Rechte zu wahren versucht, die sie durch die Urkunde vom 26.05.2005, an deren Erstellung sie nicht beteiligt war, beeinträchtigt sieht.

c) Dem Erlass der einstweiligen Verfügung nach den Hauptanträgen der Antragstellerin steht auch nicht ein Zurückbehaltungsrecht der Antragsgegnerin gem. § 273 BGB entgegen, denn ein solches besteht nur im Verhältnis zwischen Eigentümergemeinschaft und einzelnem Eigentümer. Allerdings dürfte nach dem zuvor Dargelegten der uneingeschränkte Anspruch der Antragstellerin auf Versorgung mit Wasser und Heizung nur unter der Voraussetzung bestehen, dass die Antragstellerin die von ihr der XXX geschuldeten und zurückbehaltenen laufenden Gelder  bis zur Höhe des auf die beiden streitbefangenen Einheiten entfallenden Wohngeldes weiterhin der Eigentümergemeinschaft zukommen lässt.

d) Da auch ein Verfügungsgrund gem. §§ 935, 940 ZPO vorliegt, ist die beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO. Die Zulassung der Revision kommt bereits wegen § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht in Betracht.