VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 28.06.2007 - 4 K 167/04
Fundstelle
openJur 2012, 6167
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Stadtverordnetenversammlung der Klägerin beschloss am 17. September 2003 eine Arbeits- und Vergütungsordnung (AVO), mit der alle Arbeits- und Entgeltbedingungen ihrer Mitarbeiter geregelt werden sollten. Die enthaltenen Eingruppierungs- und Vergütungsregelungen wichen dabei erheblich von denen für die Beschäftigten im Landesdienst geltenden Bestimmungen ab. Außerdem beauftragte die Stadtverordnetenversammlung die Verwaltung der Klägerin mit der Führung von Sondierungsgesprächen zum Abschluss eines Haustarifvertrages auf der Grundlage der AVO. Ein Haustarifvertrag kam nicht zustande. Die Klägerin kündigte ihre Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) mit Wirkung zum 01. Januar 2004.

Mit Schreiben vom 18. September 2003 legte die Klägerin ihre AVO dem Beklagten vor und beantragte die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gem. § 73 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz Gemeindeordnung Brandenburg (BbgGO). In der Begründung hieß es: Die AVO sei angesichts der Höhe des seinerzeit aktuellen Tarifabschlusses 2003/2004 und der im Zuge der Anpassung an den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) zu erwartenden Steigerungen beschlossen worden. Steigende Ausgaben bei weiterhin hohem Investitionsbedarf auf der einen und sinkende Einnahmen auf der anderen Seite hätten zu einer finanziellen Notlage geführt, auf die die Klägerin mit einer geänderten Haushaltsführung reagieren müsse. Das starre Regelwerk des BAT erlaube allerdings keine Anpassung an die konkreten örtlichen Verhältnisse.

Mit Schreiben vom 24. September 2003 wies der Beklagte darauf hin, dass er die Genehmigung nicht erteilen könne, weil sämtliche Regelungen der AVO, die von den auf die Landesbediensteten anwendbaren Regelungen abweichen, rechtswidrig seien. Eine Genehmigung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 BbgGO komme ohnehin nur für einzelne und nicht für generelle Regelungen, wie die der AVO, in Betracht. Der Hinweis auf die schlechte Haushaltslage könne daran nichts ändern. Dem hielt die Klägerin entgegen, dass § 73 Abs. 1 BbgGO nur verhindern solle, dass qualifiziertes Personal wegen der finanziellen Besserstellung bei den Gemeinden dem Land verloren gehe. Die vorliegend geregelten Einsparungen seien hiervon nicht erfasst. Im Übrigen beschneide der Beklagte mit seiner Rechtsauffassung ihre kommunale Selbstverwaltungsgarantie.

Der Beklagte lehnte durch Bescheid vom 25. November 2003 die Genehmigung der AVO gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 BbgGO ab und ordnete an, den Beschluss über die AVO aufzuheben sowie bereits geschlossene Arbeitsverträge unverzüglich an das für die Arbeitnehmer im Landesdienst geltende Recht anzupassen. Zur Begründung führte er aus: Die Rechtsverhältnisse der Bediensteten der Gemeinden unterlägen unabhängig von der Zugehörigkeit zum KAV der Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 1 BbgGO. Den Gemeinden sei keine Möglichkeit eröffnet, abweichende Regelungen selbst zu erlassen. Die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, könne dem klaren Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 2 BbgGO zufolge nur für Eingruppierungen und Vergütungsregelungen gelten und nicht auf die mit der AVO vorgenommene umfassende Neuregelung des Vergütungsrechts erstreckt werden. Bei der AVO handele es sich zudem nicht um eine tarifvertragliche Regelung, sondern nur um eine einseitige Erklärung der Klägerin.

Die Klägerin hat am 22. Dezember 2003 Klage beim Verwaltungsgericht Potsdam erhoben, die nach Verweisung durch Beschluss vom 26. Januar 2004 hier anhängig ist. Sie trägt vor: Die AVO diene der Anpassung an ihre schlechte Haushaltssituation und wolle den Abbau von Arbeitsplätzen verhindern. § 73 BbgGO könne einer im Vergleich zum Land untertariflichen Entlohnung ihrer Mitarbeiter nicht entgegengehalten werden, weil anderenfalls gegen das durch Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verbürgte Recht auf Personal- und Finanzhoheit verstoßen werde.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 25. November 2003 zu verpflichten, die Arbeits- und Vergütungsordnung der Stadt XXX vom 17. September 2003 zu genehmigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat unter dem 24. Februar 2004 die in seinem Bescheid getroffene Anordnung, den Beschluss über die Arbeits- und Vergütungsordnung aufzuheben und eventuell geschlossene Arbeitsverträge anzupassen, aufgehoben. Im Übrigen nimmt er Bezug auf die Begründung seines Bescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Heft) Bezug genommen, die vorgelegen haben und - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Klage ist zwar zulässig, denn die Klagefrist gem. § 74 Abs. 1, Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) von einem Monat ist durch Eingang der Klageschrift beim Verwaltungsgericht Potsdam am 22. Dezember 2003 gewahrt worden. Auf den Eingang der Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) erst nach Fristablauf kommt es hierbei nicht an, weil die Klageerhebung beim Verwaltungsgericht Potsdam willensgetragen und damit wirksam war (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, Rdnr. 8 zu § 74).

Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg, weil der die Genehmigung ablehnende Bescheid des Beklagten vom 25. November 2003 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Als Anspruchsgrundlage kommt hier allein § 73 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BbgGO in Betracht. Danach kann das Ministerium XXX (der Beklagte) ausnahmsweise eine von landesrechtlichen Vorgaben abweichende Eingruppierung und Vergütung eines Angestellten oder Arbeiters der Gemeinde genehmigen. Dieser ins Ermessen des Beklagten gestellten Genehmigungsmöglichkeit liegt zugrunde, dass sich gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 BbgGO die Rechtsverhältnisse der Beamten, Angestellten und Arbeiter der Gemeinde nach den für Beamte, Angestellte und Arbeiter im Landesdienst geltenden Bestimmungen zu richten haben, es sei denn, besondere Rechtsvorschriften bestimmen etwas anderes. In § 73 Abs. 2 BbgGO ist im Anschluss daran geregelt, dass die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Gemeinden die erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen und die Ablegung der Prüfung nachweisen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder tariflichen Regelungen erforderlich sind. Die Gemeindevertretung entscheidet auf Vorschlag des hauptamtlichen Bürgermeisters oder Amtsdirektors über das Bewerberauswahlverfahren bei der Begründung eines Beamtenverhältnisses (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 des Landesbeamtengesetzes) sowie über die Einstellung und Entlassung von Angestellten und Arbeitern; das gleiche gilt für die Festsetzung der Vergütung oder des Lohnes, sofern nicht ein Anspruch aufgrund eines Tarifvertrages besteht.

Das klägerische Begehren findet weder im Wortlaut der Vorschrift noch nach Sinn und Zweck derselben eine rechtliche Stütze.

Da die in § 73 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BbgGO geregelte Zulassung von Ausnahmen ausschließlich den 1. Halbsatz der Vorschrift in Bezug nimmt, ist das Ermessen des Beklagten nur eröffnet, wenn von der für vergleichbare Landesbedienstete geltenden Eingruppierung und Vergütung abgewichen werden soll. Die hier vorgelegte AVO geht aber über eine solche Ausnahmeregelung bei weitem hinaus. Nach § 1 Abs. 1 AVO - Geltungsbereich - sollen mit ihr alle Arbeits- und Entgeltbedingungen geregelt werden. Eine solche umfassende Neuregelung des gesamten Arbeits- und Tarifrechts für die Mitarbeiter der Klägerin scheidet mithin als Genehmigungsgegenstand schon deshalb aus.

Auch nach Sinn und Zweck kann die Vorschrift nicht Grundlage der begehrten Genehmigung sein. Mit § 73 Abs. 1 Satz 1 BbgGO folgt der Gesetzgeber dem Grundsatz, wonach das öffentliche Dienstrecht einheitlich für Bund, Länder und Kommunen gelten soll. Für die in den Gemeinden ernannten Beamten regelt § 1 Landesbeamtengesetz die einheitliche Geltung der gesetzlichen Regelungen. Im Bereich der Angestellten und Arbeiter wird die Einheitlichkeit der Tarifstrukturen zum einen durch die Tarifgemeinschaft im KAV gesichert, zum anderen regeln die Gemeindeordnungen auf Landesebene ein Angleichungsgebot. Es trifft zwar zu, dass die Regelung der Rechtsverhältnisses der kommunalen Bediensteten in vollem Umfang der kommunalen Personalhoheit und damit der Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 Abs. 2 GG bzw. Art. 97 Abs. 1 Landesverfassung Brandenburg unterfällt, gleichwohl ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt, dass den Gemeinden eine Angleichungspflicht von Seiten des Landesgesetzgebers auferlegt werden kann (vgl. unter anderem BVerwGE 18, 135 [142]). Die den Gemeinden mit § 73 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BbgGO auferlegte Angleichungspflicht hat die auf Landesebene bestehenden tarifvertraglichen Regelungen zum Gegenstand. Für die mit dem 2. Halbsatz eingeräumte Möglichkeit, Ausnahmen zuzulassen, kann nichts anderes gelten, d.h. ausschließlich tarifvertragliche Regelungen im Zuständigkeitsbereich der Gemeinden (außerhalb des KAV sogenannte Haustarifverträge) können Gegenstand der Genehmigung sein. Bei der von der Klägerin vorgelegten AVO handelt es sich aber gerade nicht um eine zwischen Tarifvertragsparteien zustande gekommene Vereinbarung, weshalb der Genehmigungsantrag bereits seinem Wesen nach ins Leere geht (vgl. Niermann in: Kommunalverfassungsrecht Brandenburg Band 1, Art. 1 Ordnungsnummer 3.2 zu § 73 GO-Kommentar).

Unabhängig von dem zuvor Gesagten scheidet vorliegend eine Genehmigung auch der Sache nach aus. Die Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BbgGO trägt ihrem klaren Wortlaut zufolge Ausnahmecharakter und soll die Einheitlichkeit des öffentlichen Dienstrechtes auf Landes- und Kommunalebene nicht grundsätzlich in Frage stellen können. Zunächst geht die Klägerin zu Unrecht davon aus, dass die Angleichungspflicht des § 73 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BbgGO nur für die Fälle gelte, in denen den kommunalen Bediensteten eine höhere Eingruppierung bzw. Vergütung zugute kommen soll. Nach der genannten Vorschrift dürfen die Gemeinden weder günstigere noch ungünstigere Regelungen treffen (vgl. Niermann: a. a. O., m. w. N.). Es trifft zwar zu, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in den in der Kommentierung zitierten Entscheidungen (BVerwGE 18, 135 und BVerwGE 45, 77) nur mit höheren Vergütungsregelungen auseinander zu setzen hatte. Dies hatte seine Ursache aber im tarifrechtlich verankerten Günstigkeitsprinzip, wonach günstigere Arbeitsbedingungen in Arbeitsverträgen von denen des Tarifvertrages abweichen durften. Der hier im Streit stehende Fall war seinerzeit nur deshalb nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen geworden, weil er bereits durch das geltende Tarifvertragsrecht ausgeschlossen war. Die Zulässigkeit einer solchen Regelung kann aus der fehlenden Spruchpraxis jedenfalls nicht geschlossen werden.

Die AVO wird schließlich auch mit Blick auf die von der Klägerin erwarteten Haushaltsmitteleinsparungen und positiven Auswirkungen geschaffener Leistungsanreize nicht genehmigungsfähig. Denn die genannten Beweggründe für die Abweichungen sind allgemeiner Art und entsprechen gerade nicht der vom Gesetzgeber vorausgesetzten Ausnahmesituation.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre rechtliche Grundlage in § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

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