LG Berlin, Urteil vom 06.03.2007 - 37 O 95/06
Fundstelle
openJur 2012, 5592
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 301.048,65 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz p.a. aus 32.620,42 € seit dem 10.11.2000, weiteren 2.556,46 € seit dem 14.11.2000, weitere 39.369,47 € seit dem 15.11.2000, weiteren 2.812,10 € seit dem 17.11.2000, weiteren 51.129,19 € seit dem 21.11.2000, weiteren 56.242,11 € seit dem 23.11.2000, weiteren 35.790,43 € seit dem 24.11.2000, weiteren 73.626,03 € seit dem 30.11.2000 und weiteren 6.902,44 € seit dem 01.12.2000 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Rückzahlung von Leistungen der Gemeinschuldnerin in Anspruch.

Der Kläger ist seit dem 8. März 2004 Insolvenzverwalter über das Vermögen der xxx Geldtransport-xxx Berlin-Brandenburg GmbH (Nachfolgend: Gemeinschuldnerin). Ein erster Insolvenzantrag vom 21. März 2001 wurde am 23. Mai 2001 mangels Masse abgewiesen. An der Gemeinschuldnerin waren beteiligt R M mit 50%, seine Ehefrau M M mit 10% sowie R W mit 40%. Zwischen der Gemeinschuldnerin, verschiedenen anderen Unternehmen aus der W Unternehmensgruppe/xxx-Unternehmen, darunter die seit dem 13. April 2000 insolvente xxx Geldtransport-xxx, xxx & xxx Ost GmbH GmbH (nachfolgend: xxx OST), und der Beklagten bestand seit dem 15. Januar 1996 der wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Dienstleistungsvertrag. Gesellschafterin der Beklagten ist M M, Geschäftsführerin ihre Tochter, N E.

Die Gemeinschuldnerin leistete von ihrem Konto xxx90 bei derxxxbankdie nachfolgend aufgeführten - streitgegenständlichen - Zahlungen an die Beklagte:

lfd. Nr.BuchungstagBetrag1       10.11.200063.800,002       14.11.20005.000,003       15.11.200077.000,004       17.11.20005.500,005       21.11.2000100.000,006       23.11.2000110.000,007       24.11.200070.000,008       30.11.2000144.000,009       01.12.200013.500,00Summein DM:588.800,00        in €:301.048,66Als Verwendungszweck war jeweils angegeben "Zahlung aus Abtretungserklärung sowie am 23. November 2000 "Übertrag". Mit Schreiben vom 10. Februar 2005 forderte der Kläger die Beklagte zur Mitteilung des Rechtsgrundes auf.

Zuvor, am 27. September 2000, hatte die xxx Nord Geld- und Wertpapiertransport-xxx GmbH den Auftragsbestand der Gemeinschuldnerin erworben. Am 11. Oktober 2000 erfolgte - so der Insolvenzantrag vom 21. März 2001 - die Betriebsstilllegung der Gemeinschuldnerin.

Der Kläger hält die aufgelisteten Zahlungen für rechtsgrundlos und unentgeltlich und erklärt die Insolvenzanfechtung. Er behauptet im Übrigen, dass die Gemeinschuldnerin am 1. September 2000 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen sei, was dem Geschäftsführer auch bekannt gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ihr hätten aus dem Dienstleistungsvertrag gegen die xxx Ost Ansprüche in Höhe von 613.395,28 DM zugestanden. Diese habe sie an die Gemeinschuldnerin abgetreten. Als Gegenleistung habe sie die streitgegenständlichen Zahlungen erhalten (Beweis: Zeugin D).

Die Gemeinschuldnerin sei weder zahlungsunfähig noch überschuldet gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Im Hinblick auf den Schriftsatz vom 26. Februar 2007 gilt dies nur, soweit er Rechtsausführungen enthält.

Gründe

Die Klage ist begründet.

I.

Es kann offen bleiben, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 S.1 1.Alt. BGB hat.

Denn die streitgegenständlichen Zahlungen könnten mit Rechtsgrund erfolgt sein.

Unterstellt - konkrete Anhaltspunkte der im Wege einer sekundären Behauptungslast darlegungsbelasteten Beklagten (Sprau in Palandt, BGB, 64. Auflage, § 812 Rn. 103) fehlen -, die Zahlungen beruhten auf einem Forderungskaufvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten, ist dieser grundsätzlich wirksam.

Er könnte ist indes nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig sein, handelte es sich tatsächlich um eine Schenkung.

Denn eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnisse nur zum Schein abgegeben wird, ist nichtig. Sollte eine Schenkung verdeckt werden, wäre deren Wirksamkeit gemäß § 117 Abs. 2 BGB nach § 518 Abs. 1 S.1 BGB zu beurteilen. Danach wäre die notarielle Beurkundung des Versprechens notwendig. Zwar ermangelt es dieser Form; wegen der Bewirkung der Leistung durch Zahlung ist dieser Mangel indes geheilt.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte indes einen Zahlungsanspruch gemäß §§ 134 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO in streitgegenständlicher Höhe.

Danach hat die Beklagte das, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung der Gemeinschuldnerin, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden und richtete sich nicht nur auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts (§ 134 Abs. 2 InsO). Zugleich muss sie zu einer Benachteiligung der Gläubiger der Gemeinschuldnerin geführt haben, § 129 Abs. 1 InsO.

Durch die Zahlung des streitgegenständlichen Betrages an die Beklagte sind die Gläubiger der Gemeinschuldnerin benachteiligt worden, weil der überwiesenen Betrag zur Deckung der Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin nicht mehr zur Verfügung stand. Wie sich aus dem ersten und nach § 139 Abs. 2 InsO hier maßgeblichen Insolvenzantrag vom 21. März 2001 ergibt, war die Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen nicht mehr in der Lage, aus ihrer Liquidität die laufenden Verpflichtungen zu erfüllen. Die in der Leistung potentiell angelegte Masseverkürzung genügt als objektive Anspruchsvoraussetzung, wenn das Massevermögen jetzt unzulänglich - so der Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam - ist (Kirchhof in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, § 129 Rn. 120). Insofern spricht hierfür eine tatsächliche Vermutung, die zu widerlegen, der Beklagten obliegt (Kirchhof in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, § 129 Rn. 107). Dies behauptet die Beklagte nicht einmal. Schließlich hatte deren Geschäftsführer im Insolvenzantrag vom 21. März 2001 noch Kreditorenverbindlichkeiten in Höhe von rund 2 Mio. DM und Zahlungsverbindlichkeiten von insgesamt rund 4 Mio. DM angegeben. Wegen der Betriebseinstellung im Oktober 2000 müssen diese Verbindlichkeiten aus der Zeit zuvor stammen, in der die Schuldnerin noch operativ tätig war. Anhaltspunkte, wann oder wie diese Schulden getilgt wurden, sind nicht vorgetragen. Auch ist nicht ersichtlich, dass diese Forderungen erst im Jahre 2001 entstanden sind. Denn nach dem eigenen Vortrag der Beklagten, beschäftigte sich die Gemeinschuldnerin nach der Betriebsstilllegung nur noch mit der Geldbearbeitung, wobei offen bleibt, in welchem Umfang dies geschah. Dementsprechend stellte das Finanzamt Königs Wusterhausen in seinem Prüfungsbericht vom 27. März 2001 auch fest, dass Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin aus Lieferungen und Leistungen per Dezember 2000 in Höhe von 2.398.220,87 DM bestanden.

Die streitbefangenen Zahlungen sind Schenkungen im Sinne des § 134 InsO.

Eine Leistung ist unentgeltlich, wenn der Erwerb des Empfängers in seiner Endgültigkeit vereinbarungsgemäß nicht von einer ausgleichenden Zuwendung abhängt; eine Vereinbarung der Unentgeltlichkeit im Sinne des § 516 BGB ist nicht erforderlich (Kirchhof in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, § 134 Rn. 17). Ob die Leistung des Schuldners bestimmungsgemäß nicht durch einen Vorteil ausgeglichen wird, entscheidet allein der objektive Vergleich der ausgetauschten Werte. Maßgeblich ist, ob sich Leistung und Gegenleistung in ihrem objektiv zu ermittelnden Wert entsprechen; subjektive Vorstellungen und Absichten von Schuldner und Empfänger treten demgegenüber in ihrer Bedeutung zurück. Unentgeltlich sind im Sinne dieser Definition insbesondere so genannte "verschleierte Schenkungen", also der Abschluss eines äußerlich entgeltlichen Geschäfts nur zum Schein, um die Freigiebigkeit zu verdecken (Kirchhof in Münchener Kommentar, a.a.O., Rn. 21, 22, 40f.).

So verhält es sich hier.

Es bleibt schon offen, ob es zwischen der Beklagten und der Gemeinschuldnerin überhaupt zum Abschluss eines Forderungskaufvertrages gekommen ist. Weder liegt dieser in Schriftform vor noch werden konkrete Umstände zu dessen Zustandekommen und dessen notwendiger Vertragsinhalt von der Beklagten aufgezeigt. In Schriftform liegen allein vermeintliche Abtretungserklärungen aus April 1999 und März 2000, sowie wiederholende Abtretungen aus dem November 2000 vor, die indes keinen Hinweis auf eine von der Gemeinschuldnerin geschuldete Gegenleistung enthalten.

Zwar obliegt dem Kläger als Insolvenzverwalter die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 134 InsO - Unentgeltlichkeit und Gläubigerbenachteiligung - (Kirchhof in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, a.a.O. Rn. 49). Dies entbindet die Beklagte indes nicht von ihrer sekundären Behauptungslast zum vermeintlichen Rechtsgrund (Sprau in Palandt, BGB, 64. Auflage, § 812 Rn. 103). Erst wenn dessen Inhalt feststeht, kann eine Bewertung von Leistung und Gegenleistung erfolgen. Fehlt allerdings der Rechtsgrund, fehlt auch das für den Vergleich der Leistungen notwendige Austauschverhältnis. Dementsprechender Vortrag der Beklagten fehlt. Lediglich in der mündlichen Verhandlung hat sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten entsprechend eingelassen. Er hat aber inhaltlich nicht darlegen können, wie der Kaufpreis ermittelt wurde und ob die Forderungen zum Nominalwert zu übernehmen waren. Anhaltspunkte liefern auch die Abtretungserklärungen nicht. Aus den sich aus ihnen ergebenden Zahlen lässt sich der tatsächliche und streitgegenständliche Zahlbetrag nicht nachvollziehen.

Schon die Umstände sprechen im Übrigen dafür, dass die Leistung der Gemeinschuldnerin tatsächlich unentgeltlich war. Die Gegenleistung der Beklagten war wertlos.

Die Beklagte berühmt sich Forderungen gegen die xxx Ost GmbH in Höhe von 613.395,28 DM zum Zeitpunkt der Forderungsabtretung aus dem Dienstleistungsvertrag vom 15. Januar 1996. Ob diese Forderung bestand und gar werthaltig war, bleibt offen. Es sind als Anlagenkonvolut B 4 in zwei Ordnern lediglich verschiedene Abtretungsvereinbarungen nebst Rechnungen vorgelegt worden (A 11 - 16). Der hier vorgetragene Forderungsbetrag ist daraus aber nicht nachzuvollziehen. Die jüngste Abtretung von 391.402,65 DM bezieht sich auf einen Forderungsbestand in Höhe von 980.202,65 DM, resultierend aus Einzelforderungen über 315.033,96 DM, 511.668,23 DM und 153.500,46 DM. Im Übrigen beziehen sich die Abtretungsvereinbarungen lediglich auf beigefügte, inhaltsleere Rechnungen. Damit genügt die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht.

Die Beklagte beruft sich darauf, dass der Vertrag unkündbar war, Ziffer 5. des Vertrages. Dabei übersieht sie jedoch, dass das Entgelt, welches die Beklagte auf Basis ihrer Eigenkalkulation bestimmen durfte (§ 315 BGB), nur für tatsächlich geleistete Arbeiten geschuldet war, vgl. §§ 611, 614 BGB. Die in Ziffer 2. des Dienstleistungsvertrages aufgeführten Leistungen setzten aber jeweils eine Mitarbeit der Auftraggeber voraus. Zumindest musste die für die Buchhaltung und Verwaltung notwendigen Unterlagen von diesen der Beklagten zur Verfügung gestellt werden. Auch hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Die Rechnungen sind hierfür erst recht kein Beleg, enthalten sie doch außer einer pauschalen Beschreibung keine inhaltlichen Anknüpfungspunkte.

Gegen die Werthaltigkeit der Forderungen spricht auch, dass diese Ansprüche gegenüber der xxx Ost von der Beklagten offensichtlich niemals geltend gemacht wurden, obwohl das Honorar jeweils monatlich in Rechnung zu stellen war, Ziffer 4. des Dienstleistungsvertrages. Es dürfte mit kaufmännischen Gepflogenheiten nicht zu vereinbaren sein, einen derartigen Forderungsbetrag über einen längeren Zeitraum nicht geltend zu machen, obwohl zwischen den maßgeblichen Gesellschaftern enge personelle Verknüpfungen bestanden. Um so mehr erstaunt dieses Verhalten angesichts der Insolvenz der xxx Ost zum 13. April 2000, dürfte doch den Beteiligten zuvorderst deren finanzielle Situation nicht verborgen geblieben sein. Nur die zeitnahe Beitreibung von fälligen Forderungen dürfte kaufmännischen Gepflogenheiten entsprechen.

Nicht nachzuvollziehen ist in diesem Zusammenhang, dass gegenüber dem Insolvenzverwalter der xxx Ost GmbH die Aufrechnung nicht geltend gemacht wurde, als an diese unmittelbar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Betrag von pauschal 1 Mio. DM gezahlt wurde. Hinweise auf bestehende Gegenforderungen sind nicht ersichtlich; der vom Insolvenzverwalter darüber hinausgehende Betrag von rund 2 Mio. DM ist schließlich zur Tabelle festgestellt worden (§ 178 Abs. 3 InsO). Einwände hiergegen haben weder der Liquidator der Schuldnerin noch der ihn damals begleitende jetzige Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Prüfungstermin geltend gemacht.

Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Beklagte selbst vorträgt, dass das Abrechnungsverhältnis zwischen der xxx Ost und der Gemeinschuldnerin hoch streitig war. Schon deswegen war die Werthaltigkeit der zur Aufrechung gestellten, abgetretenen Forderungen mehr als fraglich.

Die Zinsforderung beruht auf § 280 Abs. 1 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S.1 ZPO; die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S.1,2 ZPO.

Schriftsatznachlass war nicht zu gewähren, weil es für die Entscheidung auf den im Schriftsatz vom 26. Februar 2007 enthaltenen neuen Tatsachenvortrag für die Entscheidung nicht ankam.