AG Potsdam, Urteil vom 02.03.2007 - 32 C 349/06
Fundstelle
openJur 2012, 5517
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf dieVollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durchSicherheitsleistung in Hohe von 120 % des aus dem Urteil zuvollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor derVollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zuvollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Der Kläger verfolgt mit seiner Klage Ansprüche aus einem streitigen Unfallereignis vom 08.08.2006. Die Beklagte zu 2) betreibt in Teltow auf dem Gelände ... einen Supermarkt in einem Einkaufszentrum. An dem Einkaufszentrum befindet sich ein Kundenparkplatz. Die Beklagte zu 1) ist Eigentümerin des Grundstückes. Zwischen der Beklagten zu 2) und der Beklagten zu 1) besteht ein Geschäftsraummietvertrag, nach dessen Inhalt ein Ladengeschäft vermietet wird sowie „zur Mitbenutzung neben anderen Mietern auf dem Grundstück Stellplatzflächen und alle für die Nutzung erforderlichen Verkehrsflächen und notwendigen Stellplätze.“ Insoweit wird auf § 1 des Mietvertrages, Bl. 52 d. A., verwiesen. Nach § 8 des Vertrages obliegt dem Mieter die Verkehrssicherungspflicht innerhalb des Mietobjekts. Für angrenzende Wege und Gehwege trägt der Vermieter die Haftung. Insoweit wird auf Bl. 57 d. A. verwiesen.

Der Kläger behauptet, er habe sich am 03.08.2006 gegen 12:25 Uhr auf das Grundstück der Beklagten zu 1) begeben, um in den Supermarkt der Beklagten zu 2} Einkäufe zu tätigen. Zu diesem Zweck sei er mit seinem PKW Typ Audi A6 Avant, amtliches Kennzeichen ..., der bis dahin unbeschädigt gewesen sei, vorwärts in eine der vorhandenen Parkflächen mit den Vorderrädern bis an den Bordstein herangefahren. Durch abgesenkte Rasengittersteine im Bereich dieses Parkplatzes habe die Frontschürze seines PKW auf den Bordstein aufgesetzt und sei dadurch beschädigt worden. Hinsichtlich der Fahrzeugschäden wird auf die eingereichte Werkstattrechnung vom 18.09.2006 (Blatt 18 d. A.) Bezug genommen. Der Kläger behauptet, den Beklagten sei die Gefahr, die von dem Bordstein für dort parkende Fahrzeuge ausgegangen sei, bekannt gewesen. Zum einen sei der Bordstein an dieser Stelle offensichtlich erheblich beschädigt. Zum anderen habe ein Mitarbeiter der Beklagten zu 2) bei der Schadensmeldung die Auskunft erteilt, dass derartige Beschädigungen dort bereits mehrfach aufgetreten seien.

Der Kläger macht folgende Schäden mit der Klage geltend:

Reparaturkosten773,65 € bruttoNutzungsausfall (für 4 Tage á 59,- €) 263,- €Pauschale 20,- €.Der Kläger beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner 1.029,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.09.2006 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) behauptet, eine Beschädigung des Stoßfängers am Klägerfahrzeug sei durch den Bordstein nicht möglich, da der Stoßfänger flexibel ausgestaltet sei und über einen sogenannten Verschleißstreifen verfüge. Darüber hinaus sei der Kläger in unangepasster Weise in den Parkplatz gefahren. Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Kläger mit der Fahrzeugfront den Bordstein nicht hätte überfahren dürfen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sei nach Ansicht der Beklagten zu 1) auch deshalb nicht gegeben, da der Abgrenzungsbordstein und die Absenkung der Parkfläche für den Nutzer des Parkplatzes erkennbar seien. Selbst wenn man eine Verkehrssicherungspflicht annähme, träfe den Kläger nach Auffassung der Beklagten zu 1) in jedem Fall ein erhebliches Mitverschulden, da er nicht vorsichtig tastend an den Bordstein herangefahren ist und das Fahrzeug auch nicht rückwärts einparkte. Die Beklagte zu 2) ist der Ansicht, dass sich ihre Verkehrssicherungspflicht nur auf den Bereich der Verkaufsräume, nicht aber auf den Bereich des Parkplatzes erstrecke.

Das Gericht hat die vom Kläger zur Akte gereichten Fotos in der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2007 in Augenschein genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Beklagte zu 2) selbst verkehrssicherungspflichtig ist, obwohl in § 8 des Mietvertrages die Verkehrssicherungspflicht „innerhalb des Mietobjekts,, - zu dem allerdings nach § 1. des Vertrages auch die Stellflächen zu rechnen sind - auf die Beklagte zu 1) übertragen worden ist. Denn die Beschaffenheit des Parkplatzes an der nach Darstellung des Klägers unfallursächlichen Stelle begründet keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Die Verkehrssicherungspflicht wird begründet aus der Eröffnung einer Fläche zur Nutzung durch den Verkehr. Die sich bei der Nutzung ergebenden Gefahren sind abzuwehren, wenn die Möglichkeit einer Verletzung ersichtlich ist und dieser Möglichkeit durch zumutbare Maßnahmen begegnet werden kann. Gefahren für Dritte sind insoweit abzuwehren, als sie bei üblicher oder bei nicht ganzfernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 823 Randziffer 51 ). Ein vollständiger Schutz vor allen denkbaren Gefahren lässt sich jedoch auch im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten nicht erreichen. Die Verkehrssicherungspflichten beziehen sich nur auf diejenigen Gefahren, die für den Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § S23 Rz. 221; BGH VersR 1968, S. 400; VersR 1979, 1055). Maßgeblich ist demnach, ob der Benutzer auch unter Anwendung der von ihm in der konkreten Situation zu erwartenden Sorgfalt die Gefahr nicht erkennen und vermeiden konnte. Davon ist vorliegend nicht auszugehen.

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger bei Einhaltung der ihn treffenden Sorgfalt, die Gefahr, die sich für sein Fahrzeug aus der unterschiedlich hoch verlaufenden Bordsteinkante und aus der Absenkung der Rasengittersteine ergab, hätte erkennen und den Schaden hätte vermeiden können. Entscheidend ist, dass der streitgegenständliche Bordstein als Gefahrenquelle deutlich sichtbar war. Es bestand für den Kläger uneingeschränkt die Möglichkeit, sich einen Überblick über die sichtbaren Begrenzungen des gewählten Parkplatzes zu machen und sein Parkverhalten entsprechend anzupassen. Eine Bordsteinbegrenzung stellt grundsätzlich eine Gefahrenquelle für die unmittelbar über den Boden, befindlichen Fahrzeugteile dar. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um Fahrzeuge mit einer serienmäßigen oder nachgerüsteten Ausstattung handelt. Wie aus den vom Kläger zur Akte gereichten Fotos, insbesondere Blatt 6 und 7 d. A. ersichtlich ist, ist der Höhenunterschied zwischen dem rechten und dem linken Bordstein, der nach Angaben des Klägers fast 6 cm beträgt., mit bloßem Auge erkennbar. In der konkreten Einparksituation ist ferner zu berücksichtigen, dass der Fahrer mit einer verringerten Geschwindigkeit fährt und beim Einfahren das Risiko, mit dem unteren Bereich seines Fahrzeuges an den Bordstein zu stoßen, erkennen kann. Auch war für den Kläger zu erkennen, dass der Boden im Unfallbereich und rechts daneben infolge des dort befindlichen Baumes erhebliche Unebenheiten aufweist und dass die Pflasterung nicht neu hergestellt ist. Insoweit konnte er auch damit rechnen, dass Unebenheiten auf den Parkflächen durch das Absenken von Rasengittersteinen vorhanden sind.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) auch keinen Anspruch aus vertraglicher Schutzpflichtverletzung (§ 280 i. V. m. 241 Abs. 2BGB). Ihn trifft auch keine Haftung aus der Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten (§§ 311 Abs. 2, 280, 241 Abs. 2 BGB). Es fehlt an einer entsprechender Nebenpflichtverletzung durch die Beklagte zu 1), so dass vorliegend dahinstehen kann, ob der Kläger am Unfalltag tatsächlich bei der Beklagten zu 1) eingekauft hat oder einkaufen wollte. Innerhalb eines Vertragsverhältnisses handelt es sich bei den Verkehrssicherungspflichten im Sinne des 823 Abs. 1 BGB zugleich um Vertragspflichten (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 823 Rz. 49). Eine Schutzpflichtverletzung scheidet hier aus, da vertraglich keine weiter gehende Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf den Parkplatz, die über die allgemeinen Verkehrspflichten hinaus geht, vereinbart worden ist. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) fehlt es bereits an einer vertraglichen Sonderverbindung.

Die Entscheidung über die Kosten ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.