OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.01.2007 - OVG 3 S 33.06
Fundstelle
openJur 2012, 5115
  • Rkr:

Ein "Pharaonenvergleich" in der Predigt eines islamischen Vorbeters kann einen öffentlichen Aufruf zur Gewaltanwendung im Sinne von § 54 Nr. 5 a [4. Alt.] AufenthG beinhalten und deshalb die zwingende Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach sich ziehen.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Mai 2006 geändert.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (VG 35 A 426.04) gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis und die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Antragsgegners vom 18. November 2005 anzuordnen, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist jemenitischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahre 1996 zu Studienzwecken ins Bundesgebiet ein. Er besuchte zunächst studienvorbereitende Kollegien und begann danach mit dem Studium der Humanmedizin an der Universität Greifswald. Im Jahre 1999 wechselte er an die Freie Universität Berlin. Für die Durchführung des Studiums wurden ihm wiederholt Aufenthaltsbewilligungen erteilt.

Der Antragsteller wurde am 30. Juni 2001 zum Vorstandsmitglied („Vereinssekretär und Protokollführer“) der Hochschulgruppe für Kultur und Wissenschaft - AQIDA - gewählt. Nach Auffassung des Antragsgegners handelt es sich bei dieser Hochschulgruppe um eine unselbständige universitäre Organisation der islamistischen Hizb-ut-Tahrir (HuT). Die HuT wurde am 10. Januar 2003 durch das Bundesministerium des Innern mit der Begründung verboten, es handle sich hierbei um einen Ausländerverein, der sich in seinen Aktivitäten gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte, Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele befürworte und eine derartige Gewaltanwendung hervorrufen solle. Mit Schreiben vom 20. Januar 2003 teilte der Präsident der Technischen Universität Berlin (TU) der Hochschulgruppe AQIDA mit, dass sie aus dem Register der Vereinigungen an der TU gestrichen worden sei. Grund hierfür sei, dass die AQIDA am 27. Oktober 2002 in den Räumen des Studentenwerks Berlin eine Veranstaltung mit einem führenden Mitglied der HuT, S., als Referenten durchgeführt habe. Mit dieser Veranstaltung habe es die AQIDA einem Vertreter der HuT ermöglicht, die extremistischen Ziele der HuT zu propagieren. Ein solches Verhalten sei mit den Anforderungen an eine Vereinigung, die an der TU registriert sei, nicht zu vereinbaren.

Im Zusammenhang mit dem Verbot der HuT kam es zu zahlreichen Wohnungsdurchsuchungen, so auch beim Antragsteller. Auf der bei ihm beschlagnahmten Computerfestplatte befand sich umfangreiches Material der HuT. So waren dort u. a. die Homepages der HuT, des Informationsbüros der HuT und der HuT-Zeitschrift „Explizit“ gespeichert sowie Abhandlungen anderer islamistischer Gruppierungen.

Bei einer zeugenschaftlichen Vernehmung durch das Bundeskriminalamt am 9. Oktober 2001 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen der Terroranschläge vom 11. September 2001 räumte der Antragsteller ein, Z. aus Greifswald zu kennen. Er habe jedoch erst aus den Medien erfahren, dass es sich um einen der Flugzeugattentäter gehandelt habe.

Am 19. Juli 2003 schloss der Antragsteller mit der deutschen Staatsangehörigen A. die Ehe. Aus dieser Ehe ist im September 2004 ein Sohn hervorgegangen. Für Februar/März 2007 wird die Geburt eines weiteren Kindes erwartet.

Am 17. März 2004 war der Antragsteller bei der Dissertationsverteidigung des M. anwesend. Dieser war nach eigenen Angaben Mitglied der HuT, nach Erkenntnissen der Polizei Frankfurt (Main) Regionalleiter der Organisation in Berlin-Brandenburg.

Der Antragsteller war am 22. April 2004 bei einer Veranstaltung des Islamischen Kultur- und Erziehungszentrum Berlin (IKEZ) zum Thema „Das Verhältnis des Islam zu Gewalt und Frieden“ anwesend. Bei dieser Veranstaltung saß er zwischen zwei Personen, die als HuT-Anhänger bekannt sind.

Am 12. August 2005 trat der Antragsteller als Vorbeter in einem Gebetsraum für muslimische Studenten an der TU Berlin auf. Er nahm bei seiner Predigt die Geschichte von Moses und dem Pharao zum Anlass, Parallelen zum heutigen Irak zu ziehen und den amerikanischen Präsidenten Bush sowie den britischen Premierminister Blair mit dem Pharao zu vergleichen. Er drohte ihnen das gleiche Schicksal wie dem Pharao an und bezeichnete sie als Unterdrücker der Muslime. Des Weiteren beklagte er die momentane Schwäche der Muslime und äußerte in einem Bittgebet den Wunsch, Allah möge die Feinde der Muslime vernichten.

Mit Bescheid vom 18. November 2005 wurde der Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer ehebedingten Aufenthaltserlaubnis vom 1. Oktober 2003 abgelehnt, zugleich wurde er aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und ihm die Abschiebung angedroht. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, der Bescheid beruhe auf den Ausweisungsgründen des § 54 Nr. 5 a und Nr. 6 AufenthG. Die beantragte Aufenthaltserlaubnis sei deshalb gemäß § 5 Abs. 4 AufenthG zu versagen.

Der Antragsteller hat daraufhin seine bereits am 4. Dezember 2004 erhobene Klage (VG 35 A 426.04) umgestellt und begehrt dort nunmehr, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 18. November 2005 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Daneben hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.

Zur Begründung hat er geltend gemacht, die Verbindung zwischen der AQIDA und der HuT sei eine reine Vermutung des Antragsgegners. Trotz der im April 2003 durchgeführten Wohnungsdurchsuchung sei kein Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet und seien die beschlagnahmten Gegenstände wieder freigegeben worden. Das von der Veranstaltung am 22. April 2004 aufgenommene Videoband zeige, dass er dort nur zugehört habe.

Der Antragsteller hat beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage VG 35 A 426.04 hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebungsandrohung im Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 18. November 2005 anzuordnen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hat seinen Bescheid verteidigt.

Mit Beschluss vom 24. Mai 2006 hat das Verwaltungsgericht Berlin die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebungsandrohung angeordnet.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis und die Abschiebungsandrohung erwiesen sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Ein zwingender Grund für die Versagung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 a AufenthG liege nicht vor. Eine fortbestehende Tätigkeit des Antragstellers für die AQIDA im Zeitpunkt der Behördenentscheidung sei nicht ersichtlich, überhaupt seien nennenswerte Aktivitäten des Antragstellers für die AQIDA nicht belegt. Ebenso wenig belegt sei eine Mitgliedschaft des Antragstellers in der HuT. Bei der Veranstaltung am 22. April 2004 sei er zwar zugegen gewesen, eine Teilnahme an den Störungen oder sonst eine Verbindung zu der Störergruppe, bei der nicht auszuschließen sei, dass es sich um Mitglieder bzw. Anhänger der HuT gehandelt habe, sei jedoch nicht erkennbar. Die Anwesenheit des Antragstellers bei der Dissertationsverteidigung am 17. März 2004 habe erkennbar auf persönlichem bzw. auf wissenschaftlichem Interesse beruht, eine politische Motivation sei nicht erkennbar. Die Tätigkeit als Vorbeter beim Freitagsgebet am 12. August 2005 sei keine Tätigkeit für die HuT oder AQIDA gewesen. Der Antragsteller habe wegen seiner deutschen Familie einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung bezüglich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Dieses Ermessen habe der Antragsgegner nicht ausgeübt. Im Bescheid vom 18. November 2005 fehlten jedwede Erwägungen hierzu.

Gegen den Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung er ausführt:

Das Verwaltungsgericht habe eine fortbestehende Tätigkeit des Antragstellers für die AQIDA und die HuT nicht überzeugend verneint. Andere Mitglieder der AQIDA hätten wichtige Funktionen innerhalb der HuT wahrgenommen. Weiterhin habe das Verwaltungsgericht die Anwesenheit des Antragstellers bei der Dissertationsverteidigung am 17. März 2004 und bei der Veranstaltung am 22. April 2004 nicht angemessen gewürdigt. Auch die Predigt beim Freitagsgebet in der so genannten TU-Moschee am 12. August 2005 sei vom Verwaltungsgericht nicht zutreffend gewürdigt worden. Der vom Antragsteller dort gebrauchte Pharaonenvergleich hinsichtlich des amerikanischen Präsidenten Bush und des britischen Premierministers Blair sei als verschlüsselter Mordaufruf zu werten. Der Verweis auf den „Pharao“ sei nach den Erkenntnissen des Berliner Verfassungsschutzes eine unter Islamisten übliche Chiffre, mit der Muslime zur Tötung von Staatoberhäuptern aufgerufen würden. Der Begriff des Pharao kennzeichne insofern das Sinnbild des zu tötenden „ungerechten Herrschers“. Infolgedessen habe der Antragsteller öffentlich zur Gewaltanwendung aufgerufen und einen weiteren Ausweisungsgrund im Sinne von § 54 Nr. 5 a AufenthG verwirklicht.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Mai 2006 zu ändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den Beschluss des Verwaltungsgerichts.

In der mündlichen Verhandlung am 11. Januar 2007 hat der Antragsteller erklärt, zu dem „Pharaonenvergleich“ werde im Klageverfahren vorgetragen, im vorliegenden Verfahren bestehe keine Veranlassung, sich zu dem Freitagsgebet vom 12. August 2005 weiter zu äußern. Zu dem „Pharaonenvergleich“ habe er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. April 2006 erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte, die Akten des Verwaltungsgerichts Berlin VG 22 A 108.03, VG 35 A 203.04, VG 35 A 204.04 und VG 35 A 426.04 sowie auf den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners (Ausländerakte) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Beschwerdevorbringen, das den Anforderungen des § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO genügt, führt zu einer Änderung des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den hinsichtlich der Versagung des Aufenthaltstitels und der Abschiebungsandrohung kraft Gesetzes (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sowie § 4 Abs.1 AGVwGO Bln) sofort vollziehbaren Bescheid des Antragsgegners vom 18. November 2005 angeordnet.

Das Verwaltungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung und dem privaten Interesse des Antragstellers, während des Rechtsbehelfsverfahrens von dieser Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben, zu erfolgen hat. Soweit es dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse, weil sich der Bescheid des Antragsgegners vom 18. November 2005 nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand als voraussichtlich rechtswidrig erweise, hält dies einer Überprüfung nicht stand.

32Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht begründet, weil an der Rechtmäßigkeit der Versagung der beantragten Aufenthaltsgenehmigung und der Abschiebungsandrohung keine ernstlichen Zweifel bestehen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht ganz Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a AufenthG verwirklicht hat, was die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 4 AufenthG ausschließt. Hierbei kann offen bleiben, ob die Verwirklichung des Ausweisungsgrundes „Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ (§ 54 Nr. 5 a [2. Alt.] AufenthG) anzunehmen ist, was vom Verwaltungsgericht verneint wurde. Jedenfalls hat der Antragsteller den Ausweisungsgrund des öffentlichen Aufrufs zur Gewaltanwendung (§ 54 Nr. 5 a [4. Alt.] AufenthG) erfüllt. Dies folgt, wie die Beschwerde überzeugend darlegt, aus den Äußerungen des Antragstellers als Vorbeter beim Freitagsgebet in der TU-Moschee am 12. August 2005. Das Verwaltungsgericht hat die dortigen Äußerungen allein unter dem Gesichtspunkt gewürdigt, ob hieraus anhaltende Aktivitäten des Antragstellers zugunsten von AQIDA bzw. HuT abzuleiten seien (S. 14 des Beschlussabdrucks). Dies greift zu kurz. Mit seinem vertieften, auf fachkundigen Stellungnahmen der Berliner Verfassungsschutzbehörde beruhenden Beschwerdevorbringen zeigt der Antragsgegner auf, dass der Vergleich des amerikanischen Präsidenten Bush und des britischen Premierministers Blair mit dem Pharao als Mordaufruf zu werten ist und damit als Aufruf zur Gewaltanwendung im Sinne des genannten Ausweisungstatbestandes.

Der Antragsgegner legt dar, dass der Verweis auf den „Pharao“ eine insbesondere unter Islamisten übliche Chiffre sei, mit der Muslime zur Tötung von Staatsoberhäuptern aufgerufen werden. Der Begriff des Pharao kennzeichne insofern das Sinnbild des zu tötenden „ungerechten Herrschers“. Der Pharao verkörpere nach der Überlieferung von Bibel und Koran den mächtigsten Gott-König der damaligen antiken Welt, der sich in seiner Hybris den Ermahnungen Gottes und seines Propheten verschließt und dafür von Gott mit Tod und Vernichtung bestraft wird. In der biblischen Überlieferung des Exodus (2. Buch Mose, Kapitel 14 und 15) rettet Gott das aus Ägypten ausziehende Volk Israel vor der Verfolgung durch das ägyptische Heer und lässt dieses - mit dem Pharao an der Spitze - im Meer umkommen.

Soweit der Antragsteller Präsident Bush und Premierminister Blair im Zusammenhang mit dem Irakkrieg als „Pharao“ und Unterdrücker der Muslime bezeichnet, lehnt sich dies vordergründig an das genannte Gleichnis an. Den Staatschefs wird aufgrund ihres militärischen Engagements im Irak eine göttliche Bestrafung vorhergesagt. Nach dem vom Antragsgegner - unter Bezugnahme auf Stellungnahmen der Berliner Verfassungsschutzbehörde - aufgezeigten Kontext, den der Islamwissenschaftler Dr. F. im Termin zur mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert hat, ist diese Gleichsetzung heutiger Staatschefs mit dem antiken Pharao nicht allein als gleichnishafte Warnung vor göttlicher Bestrafung zu verstehen. Vielmehr hat die Bezeichnung als Pharao in einem islamistischen Kontext diffamierenden Charakter und ist mit der Aufforderung zur Tötung dieser Herrscher verbunden. Der Antragsgegner führt dabei als Beispiel die Ermordung des ägyptischen Staatspräsidenten Anwar al-Sadat am 6. Oktober 1981 durch die ägyptische Terrorgruppe „al-Jihad al-Islami“ („Der islamische Kampf“) an. Die Aktualität des Pharaonenvergleichs hat er im Termin zur mündlichen Verhandlung unterstrichen und darauf hingewiesen, dass die HuT Britain jüngst auf ihrer Webseite einen Pharaonenvergleich hinsichtlich des derzeitigen ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak, des Nachfolgers von Sadat, veröffentlicht hat.

Der genannte Vergleich ist nach den Ausführungen des Antragsgegners als Mordaufruf nicht an einen ägyptischen Hintergrund gebunden. Usama bin Laden, dessen islamistischem Netzwerk „Al-Qaida“ u. a. die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA zur Last gelegt werden, hat im Jahre 1996 den Pharaonenvergleich ebenfalls verwendet. In seiner an „alle Muslime“ gerichteten Botschaft hat er als nachzuahmendes Beispiel angeführt, dass in der islamischen Frühzeit junge Männer AbaJahl (den „Vater des Heidentums“) und „Pharao der Gemeinschaft der Muslime“ zu Recht getötet hätten. Ferner ist nach den Anschlägen vom 11. September 2001 den USA in einer Schrift des Islamisten Muhammad Abu Arafah unter Verweis auf die historische Legende vom Pharao eine baldige Zerstörung prophezeit und diesbezüglich das Schicksal des amerikanischen Präsidenten Bush mit dem Schicksal des Pharao „Ramses II.“ gleichgesetzt worden.

Der Antragsteller ist dieser für den Senat überzeugenden Interpretation seiner Predigt nicht entgegengetreten. Ungeachtet des auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes wäre dies ein Gebot der dem Antragsteller obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) gewesen. Obwohl er vom Senat in der mündlichen Verhandlung am 11. Januar 2007 zu einer erläuternden Stellungnahme ausdrücklich aufgefordert worden ist, hat er lediglich auf seine Äußerung in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. April 2006 Bezug genommen. Dies ersetzt eine Stellungnahme zu dem Verständnis des Pharaonenvergleichs schon deshalb nicht, weil der Antragsgegner dessen besondere Bedeutung erst im Beschwerdeverfahren näher dargelegt hat. Im Übrigen hat der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren zwar jeden Gewaltaufruf bestritten, jedoch eingeräumt, dass ihm der Tod von Bush und Blair jedenfalls nicht als unerwünscht erscheine. Diese sollten - so der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht - ein Schicksal wie der Pharao erleiden, weil sie ähnlich wie dieser andere Menschen unschuldig verfolgten. Der Antragsteller räumt damit ein, dass er die Bezeichnung des Pharao als negativ besetzt verwendet hat, womit für die so bezeichneten Staatsmänner eine Todesdrohung verbunden ist.

Für die bewusste Bezugnahme des Antragstellers auf den Gewaltaufruf im Pharaonenvergleich spricht außerdem seine Nähe zum islamistischen Umfeld der HuT. Zwar ist eine Mitgliedschaft in der HuT nicht belegt. Jedoch kann eine Mitgliedschaft des Antragstellers in der AQIDA und die dortige Eigenschaft als Vorstandsmitglied („Vereinssekretär und Protokollführer“) festgestellt werden. Dass die AQIDA als Hochschulgruppe der HuT personell und geistig verbunden war, wird aus der von ihr am 27. Oktober 2002 durchgeführten Veranstaltung mit S., einem führenden Mitglied der HuT, deutlich. Die personelle Verflechtung ergibt sich nach einem Vermerk der Berliner Verfassungsschutzbehörde vom 31. Januar 2005 ferner daraus, dass eine Reihe von Mitgliedern der AQIDA zugleich Mitglieder der HuT waren.

Die innere Verbundenheit des Antragstellers mit der HuT wird weiterhin aus dem bei der Wohnungsdurchsuchung bei ihm aufgefundenen Material deutlich. Insbesondere die gespeicherte Homepage der HuT sowie die Homepage der Zeitschrift „Explizit“, die die Ziele der HuT propagiert, weisen darauf hin, dass ihm das Gedankengut der HuT nicht fremd ist. Ergänzend kann in diesem Zusammenhang auch auf die Anwesenheit des Antragstellers bei der Veranstaltung am 22. April 2004 im IKEZ hingewiesen werden. Er hat bei dieser Veranstaltung zwischen zwei Personen gesessen, die - so der Antragsgegner unwidersprochen - als HuT-Aktivisten identifiziert worden sind.

Der Aufruf zur Gewaltanwendung erfolgte öffentlich. Bei der sog. TU-Moschee handelt es sich nach dem Vermerk der Berliner Verfassungsschutzbehörde vom 31. Oktober 2005 um einen Gebetsraum für muslimische Studenten. Das Bestehen einer Zugangsbeschränkung ergibt sich aus dem Vermerk nicht und wird von dem Antragsteller auch nicht behauptet. Bestätigt wird dies durch die Angaben des Bruders des Antragstellers in ihn betreffenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin (VG 35 A 203/04 und 204/04). Dieser hat dort vorgetragen und an Eides Statt versichert, dass es in der TU Räumlichkeiten gibt, die für alle Gläubigen zum Gebet offen stehen.

Die Verwirklichung des Ausweisungstatbestandes gemäß § 54 Nr. 5 a [4. Alt.] AufenthG hat zur Folge, dass dem Antragsteller gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden darf. Ein Ausnahmefall im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG liegt ersichtlich nicht vor. Der Antragsgegner war auch im Hinblick auf die Familie des Antragstellers zu Ermessenserwägungen nicht verpflichtet. § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht anwendbar.

Dies ist auch in Ansehung der durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützten familiären Beziehung des Antragstellers zu seiner Ehefrau und seinem Kind, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, gerechtfertigt. Diese Gesichtspunkte treten vorliegend hinter das erhebliche und höher einzuschätzende Sicherheitsinteresse des Staates und seiner Bürger zurück (vgl. BT-Drs. 15/420 [S. 70 f.] zu § 5 Abs. 4 AufenthG). Darüber hinaus kann im vorliegenden Fall nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller mit dem Gewaltaufruf in Abkehr von seiner eigenen Schutzverpflichtung gegenüber Ehefrau und Kind gehandelt hat und sich von seinem Tun auch nicht durch die damals bereits angekündigte Ausweisung hat abhalten lassen.

Nach allem erweist sich die Versagung der beantragten Aufenthaltserlaubnis zum derzeitigen Erkenntnisstand als rechtmäßig. Der Senat sieht daher keinen Anlass, hier entgegen der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis anzuordnen.

Die Abschiebungsandrohung entspricht den gesetzlichen Vorschriften (§ 58 Abs. 1, § 59 AufenthG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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