SG Berlin, Urteil vom 04.01.2007 - S 82 KR 561/03
Fundstelle
openJur 2012, 4971
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Kläger ab 1. Oktober 2002 nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versicherungspflichtig ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des Klägers als Ausstellungsgestalter (Ausstellungsmacher) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) streitig.

Der 1969 geborene Kläger ist Philosoph und Medienhistoriker und seit 1997 als wissenschaftlicher Autor und Übersetzer tätig. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Promotionsstudiums war er bis Sommersemester 2002 an der H Universität (HU) zu B immatrikuliert.

Mit dem am 9. August 2002 bei der Beklagten eingegangenen Fragebogen zur Prüfung der Versicherungspflicht nach dem KSVG beantragte er zum 1. Oktober 2002 die Aufnahme in die Künstlersozialversicherung. Neben seiner unter Beifügung einer aktuellen Publikationsliste (Bl. 11 VA der Beklagten) im Bereich Wort genannten Tätigkeit als wissenschaftlicher Autor und Übersetzer gab er im Bereich darstellende Kunst als selbständige Tätigkeit Ausstellungsinszenierungen an. Aufgrund der Abschlussphase seiner Dissertation habe er in den letzten sechs Monaten keine sonstigen wissenschaftlich-künstlerischen Tätigkeiten erbracht. Ab 1. Oktober 2002 war der Kläger als wissenschaftlicher Projektleiter für die H und L Ausstellungen GbR tätig, welche vom J M B (JMB) mit der Konzeption und Realisierung einer Ausstellung mit dem Arbeitstitel "..." beauftragt worden war. Nach dem am 13. September 2002 mit der H und L Ausstellungen GbR geschlossenen Werkvertrag (Bl. 15 – 18 VA) gehörte zu den Aufgaben des Klägers die Erstellung des wissenschaftlichen Grobkonzepts und der wissenschaftlichen Feinkonzeption und Koordination der wissenschaftlichen Mitarbeiter hierfür; Konzeption und Realisierung einzelner Schwerpunktabteilungen; Exponatrecherchen in Museen, Archiven und anderen Institutionen; Recherchen sowie Konzeption und Vorbereitung von Auftragsarbeiten; Erstellen der Exponatlisten und Abklärung der Leihmodalitäten; Mitwirkung an der Erstellung des Ausstellungsdrehbuches; Mitwirkung an der Entwicklung des Konzeptes für die Begleitpublikation; Verfassen von Nummernkatalog und Schwerpunktessays für die Begleitpublikation; Verfassen der Raumtexte und der Exponatbeschreibungen für die Ausstellung; Mitwirkung an der Redaktion aller Texte; Begleitung des Ausstellungsaufbaus; Mitwirkung am Abschlussbericht; Leitung von Teamsitzungen und Koordination der wissenschaftlichen Mitarbeiter; Einhaltung und Kontrolle des Zeitplanes sowie Teilnahme an Präsentations- und Abstimmungssitzungen mit dem JMB. Für die vertragliche Laufzeit bis 31. Dezember 2003 war ein Gesamthonorar von 63.636,00 € vereinbart, welches in monatlichen Teilbeträgen von 3.535,33 € sowie einer einmaligen Zahlung von 10.606,00 € bei Beginn der Vertragslaufzeit fällig war.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2002 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliegt. Seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Projektleiter für die Ausstellung im JMB könne nicht als künstlerisch/publizistisch im Sinne des KSVG angesehen werden. Im Vordergrund stehe die wissenschaftliche Konzeption der Ausstellungen. Das Präsentieren von bildender Kunst sei jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Schaffen, Ausüben oder Lehren von Kunst. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 und der Begründung zurück, der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege im organisatorischen und nicht im publizistischen Bereich, auch wenn einzelne Teiltätigkeiten, z. B. das Verfassen von Katalogtexten, für sich genommen als publizistische Tätigkeit gewertet werden können.

Mit der am 14. April 2003 erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Feststellung von Versicherungspflicht nach § 1 KSVG für seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Projektleiter kultur- und wissenschaftsgeschichtlicher Ausstellungen.

Die Tätigkeit des Klägers für die Ausstellung "...", die vom 25. Februar 2004 bis 27. Juni 2004 im JMB gezeigt wurde, endete im März bzw. April 2004. Der Kläger ist (Mit-)Herausgeber des unter demselben Titel 2004 im VerlagD Merschienenen Begleitbuches zur Ausstellung (Beistück A 3 zur GA) und Autor mehrerer darin enthaltener Essays. Im Wintersemester 2002/2003 war er als Dozent an der B-Universität W tätig und veranstaltete ein Blockseminar zur Thema "...".

Von Januar 2005 bis April 2004 konzipierte der Kläger eine Ausstellung zum 150. Geburtstag von S F unter dem Titel "P" (vgl. Vertrag mit der H und L Ausstellungen GbR vom 12. Mai 2005, Bl. 79 ff. GA), die vom 7. April 2006 bis 27. August 2006 im JMB gezeigt wurde. Wiederum war er (Mit-)Herausgeber des 2006 erschienenen Begleitbuches und Autor einzelner Essays (vgl. Beistück A 1 zur GA). Das Gesamthonorar betrug 32.000,00 €. Seit Anfang 2006 ist der Kläger wissenschaftlicher Leiter für eine Ausstellung, die im H Bahnhof in B zum Thema "..." stattfinden soll (vgl. Vertrag vom 9. Juni 2006, Bl. 75 ff. GA). Für diese Tätigkeit wurde ein Gesamthonorar von 42.000,00 € vereinbart, welches von November 2005 bis April 2006 in monatlichen Abschlagszahlungen von 1.000,00 € bzw. 3.000,00 € in der Zeit von Mai 2006 bis April 2007 fällig wird (vgl. § 2 des Vertrages vom 9. Juni 2006, Bl. 76 GA). Daneben war der Kläger weiter als Autor tätig (vgl. Publikationsliste seit 2003, Bl. 74 GA).

Nach Ansicht des Klägers ist eine Ausstellung einer Publikation gleichzusetzen, da es ihre Aufgabe sei, wissenschaftliche Inhalte einem breiten Publikum zu vermitteln. Zur inhaltlichen Ausstellungskonzeption gehöre die Auswahl der zu behandelnden Themen, die Erstellung eines sog. "Drehbuches", welches die Abfolge und Präsentation der einzelnen Schwerpunkte nach wissenschaftlichen, künstlerischen und pädagogischen Kriterien definiere, sowie das Verfassen der Ausstellungs-, Werbe- und Katalogtexte. Thematische Schwerpunkte, Thesen, Exponate und Objektinszenierungen der Ausstellung seien im Wesentlichen von ihm erarbeitet und festgelegt worden. Dies erfordere wissenschaftliche Kompetenz und kreatives Ideenreichtum, um überraschende kulturelle Zusammenhänge herausarbeiten zu könne und die inhaltliche Qualität der Ausstellung zu bestimmen. Für jedes Thema, jede These und jedes Objekt müsse eine eigenständige Form der Präsentation gefunden, zugleich jedoch die konzeptuelle Einheit gewährleistet werden. Das Ausstellungsdrehbuch, in dem diese Aspekte festgehalten werden, sei verbindliche Grundlage für die Publikation der Ausstellung. Auswahl der Objekte, ihre Gruppierung und Inszenierung bewegt sich nach Ansicht des Klägers im Grenzbereich von Wissenschaft und künstlerischer Produktion und sei der Arbeit eines Schriftstellers durchaus vergleichbar. Als wissenschaftlicher Leiter des Teams habe er die Konsistenz des Drehbuchs unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zu gewährleisten gehabt. So sei es u. a. seine Aufgabe gewesen, Ideen zu geben, die kreativen Energien zu steuern, ständig das Gesamtkonzept im Blick zu haben, den Mitarbeitern Richtungen für weitere Recherche und Ideenfindung zu geben und darüber zu entscheiden, welche Möglichkeiten weiter verfolgt oder fallen gelassen werden sollten.

Ausstellungen, wie die von ihm konzipierten, wenden sich – so der Kläger – an eine breite Öffentlichkeit mit dem Ziel, das Publikum zu informieren und zu unterhalten und letztlich zwischen Wissenschaft und Bevölkerung zu vermitteln. Bei der Ausstellung "..." im JMB sei es darum gegangen, die deutsch-jüdische Geschichte der vergangenen 200 Jahre aus einer medientheoretischen Perspektive spektakulär und provokativ zu präsentieren, um sowohl den Stand der Forschung zu repräsentieren als auch breite Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die sich normalerweise mit dem sensiblen Thema nicht beschäftigen. Nach Ansicht des Klägers entspricht eine solche Tätigkeit derjenigen eines Wissenschaftsjournalisten, der komplexe Zusammenhänge verständlich vermitteln soll. Während für Journalisten Worte und Argumente die Bausteine der Produktion sind, seien Exponate für ihn Bausteine für die Publikation Ausstellung. Wie im Journalismus gäbe es auch bei dem Medium Ausstellung Rahmenbedingungen (Exponatzahl, räumliche Gegebenheiten, Zeitplan etc.), die einzuhalten seien. Konzeptentwürfe, Recherchen ggf. in Verbindung mit Reisen und Absprechen, gemeinsame Teamsitzungen etc. seien selbstverständlicher Bestandteil jeder journalistischen bzw. publizistischen Arbeit. Nach Ansicht des Klägers ist seine Tätigkeit derjenigen eines Chefredakteurs vergleichbar. Er sei wissenschaftlicher Autor der Ausstellung als Ganzes gewesen (Verweis auf das Schreiben der H und L Ausstellungen GbR vom 3. Dezember 2003, Bl. 22 GA), habe die Gesamtheit der Ausstellungstexte zu verantworten gehabt und sei Herausgeber des Begleitbuches zur Ausstellung und Autor mehrerer darin enthaltener Essays.

Entgegen der Argumentation der Beklagten sei der organisatorische Teil im Vergleich zu der inhaltlichen Arbeit nachrangig gewesen und habe nur bei etwa 10 % gelegen (Hinweis auf Bl. 22 GA). Zudem könne die inhaltliche Konzeption der Ausstellung nicht losgelöst von sich verändernden finanziellen und zeitlichen Rahmenbedingungen gesehen werden und habe sich während der Recherchephase mit ständig neuen Gegebenheiten – z. B. Absagen für Exponate und neuen Objektfunden – auseinandersetzen müssen. Schwerpunktmäßig organisatorische Leistungen hätten nicht in seinem Verantwortungsbereich gelegen.

Insgesamt – so der Kläger – sei die Ausstellung "..." mit knapp 90.000 Besuchern ein voller Erfolg gewesen und in allen wesentlichen Tageszeitungen und Zeitschriften besprochen worden, was sich dem Pressespiegel des JMB von August 2004 (Beistück A 2 zur GA) entnehmen lasse. Außerdem habe er für diese Arbeit den H-Preis der HU Berlin erhalten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 aufzuheben und festzustellen, dass er ab 9. August 2002 nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz sozialversicherungspflichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und

die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger weder Publizist noch Künstler im Sinne des KSVG ist. Ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren verweist sie darauf, dass der publizistische Teil nur einen Bruchteil der gesamten Tätigkeit des Klägers einnehme und seine vertraglichen Pflichten hauptsächlich dem organisatorischen Bereich zuzuordnen seien. Das Verfassen des Ausstellungsdrehbuches sei nur für den Auftraggeber interessant, ihm fehle daher der für ein publizistisches Erzeugnis erforderliche Öffentlichkeitsbezug. Die Herausgabe des Ausstellungskataloges sei als Annextätigkeit nicht geeignet, eine schwerpunktmäßig publizistische Tätigkeit zu begründen. Nach Ansicht der Beklagten erfordert eine publizistische Tätigkeit "in anderer Weise" im Sinne des KSVG eine starke Analogie zu den im Gesetzeswortlaut aufgeführten Leitberufen (Schriftsteller, Journalist). Wissenschaftler seien danach Publizisten, wenn ihr Berufsalltag durch das Verfassen wissenschaftlicher Fachbücher oder Fachaufsätze maßgeblich geprägt ist. Insgesamt lasse das vertragliche Aufgabenprofil des Klägers den erforderlichen publizistischen Schwerpunkt nicht erkennen. Nicht jeder Wissenschaftler falle indes in den Anwendungsbereich des KSVG. Des Weiteren verweist die Beklagte auf die Urteile des BSG vom 26. Januar 2006 (B 3 KR 1/05 R) und 23. März 2006 (B 3 KR 13/05 R) und regt an, die H und L Ausstellungen GbR zum Verfahren beizuladen.

Im Termin am 8. Juni 2006 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG erklärt und der Kläger sich mit der Zulassung der Sprungrevision einverstanden erklärt (vgl. Sitzungsniederschrift, Bl. 42 GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte nebst Beistücken und der Verwaltungsakte der Beklagten.

Gründe

Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten zuvor ihr Einverständnis damit erklärt hatten.

Die zulässige Klage ist (überwiegend) begründet. Der Kläger unterliegt in seiner Tätigkeit als Ausstellungsgestalter ab 1. Oktober 2002 der Versicherungspflicht nach dem KSVG, so dass die anders lautenden Bescheide der Beklagten rechtswidrig sind und daher aufzuheben waren.

Von einer Beiladung der H und L Ausstellungen GbR konnte die Kammer absehen. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung, § 75 Abs. 2 SGG, liegen nicht vor und auch berechtigte Interessen der GbR werden durch dieses Verfahren nicht unmittelbar berührt, da die Frage der Versicherungspflicht eines selbständigen Künstlers oder Publizisten nach § 1 KSVG von der Abgabepflicht des Verwerters nach § 24 KSVG zu trennen ist.

Nach § 1 Nr. 1 KSVG werden selbstständige Künstler und Publizisten in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben. Gemäß § 2 Satz 1 KSVG ist Künstler im Sinne dieses Gesetzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist (§ 2 Satz 2 KSVG). Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der hier streitgegenständlichen Tätigkeit des Klägers als Ausstellungsgestalter (Ausstellungsmacher) um einepublizistischeTätigkeit im Sinne des KSVG.

§ 2 Satz 2 KSVG verweist als Leitbild der publizistischen Tätigkeit auf das Berufsbild des Schriftstellers und Journalisten. Allerdings hat der Gesetzgeber den Begriff des Publizisten im Sinne des KSVG nicht auf die genannten Leitberufe beschränkt, wie sich aus der Öffnungsklausel "oder in anderer Weise publizistisch tätig ist" ergibt. Der Begriff des Publizisten ist daher weit auszulegen (st. Rspr. des BSG: vgl. Urteil vom 30. Januar 2001 – B 3 KR 7/00 RSozR 3-5425 § 2 Nr. 12; Urteil vom 26. Januar 2006 – B 3 KR 1/05 RSozR 4-5425 § 2 Nr. 6) und beschränkt sich gerade nicht auf eine "eigenschöpferische Wortgestaltung" oder die inhaltliche Gestaltung und Aufmachung von Büchern und Massenkommunikationsmitteln wie Zeitschriften, Zeitungen und Broschüren. Erfasst wird vielmehr jeder im Kommunikationsprozess an einer öffentlichen Aussage schöpferisch Mitwirkende (vgl. BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 12). Setzt sich ein gemischtes Berufsbild – wie das des Ausstellungsgestalters – aus mehreren Arbeitsgebieten zusammen, ist von einer publizistischen Tätigkeit dann auszugehen, wenn die publizistischen Elemente das Gesamtbild der Beschäftigung prägen, d. h. die Publizistik den Schwerpunkt der Berufsausübung bildet (BSG Urteil vom 23. März 2006 – B 3 KR 13/05 RSozR 4-5425 § 2 Nr. 8, Rn. 11; zur Kunst: BSG SozR 4-5425 § 2 Nr. 6).

In Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger auch in seinem Tätigkeitsbereich der Ausstellungskonzeption und -realisierung Publizist im Sinne von § 2 Satz 2 KSVG. Unter Berücksichtigung sowohl des Inhalts des Werkvertrages mit der H und L Ausstellungen GbR vom 13. September 2002, der klägerischen Beschreibung seiner Arbeit sowie den sonstigen vorgelegten Unterlagen hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass publizistische Tätigkeiten den Schwerpunkt der von ihm im Rahmen des Ausstellungsprojekts "..." geschuldeten Leistungen bilden.

Die Kammer teilt bereits die Auffassung der Beklagten nicht, der zwischen dem Kläger und der H und L Ausstellungen GbR geschlossene Werkvertrag weise schwerpunktmäßig organisatorische Tätigkeiten auf, die nicht der Publizistik zuzuordnen seien. Die Beklagte selbst räumt ein, dass einige der dort genannten Tätigkeiten durchaus publizistischer Natur im engeren Sinne sind. Dies gilt für die Entwicklung des Konzeptes sowie das Verfassen von Nummernkatalog und Schwerpunktessays für die Begleitpublikation, das Verfassen der Raumtexte und der Exponatbeschreibungen für die Ausstellung sowie die Redaktion aller Texte, da es sich bei den genannten Aufgaben durchgängig um "eigenschöpferische Wortgestaltungen" im oben genannten Sinne handelt. Entgegen der Argumentation der Beklagten sind jedoch auch weitere vertragliche Aufgaben des Klägers dem Bereich der Publizistik im Sinne des KSVG zuzuordnen. Dies gilt insbesondere für die Auswahl der zu behandelnden Themen und die Erstellung des wissenschaftlichen Grobkonzepts und der Feinkonzeption für die Ausstellung sowie für die Konzeption (und Realisierung) einzelner Schwerpunktabteilungen. Nach den unbestrittenen Angaben des Klägers war er seine Aufgabe, thematische Schwerpunkte der Ausstellung, Thesen, Exponate und Objektinszenierungen zu erarbeiten und festzulegen. Diese Arbeiten entsprechen der Entwicklung einer Themensammlung und Gliederung für ein Buchprojekt. Betrachtet man – wie die erkennende Kammer in Übereinstimmung mit dem Kläger – die Ausstellung an sich als publizistisches Arbeitsergebnis, sind zahlreiche inhaltliche und organisatorische Vorarbeiten notwendige Voraussetzung dafür, um die Inhalte in Form der Ausstellung der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Dies umfasst vorliegend neben der wissenschaftlichen Erarbeitung und Konzeption der Ausstellung auch die Exponatrecherche in verschiedenen Institutionen, das Führen von Gesprächen (auch zu Leihmodalitäten) sowie die Erstellung des sog. "Ausstellungsdrehbuches", welches quasi den Stand der inhaltlichen Arbeit und der Ausstellungskonzeption dokumentiert. Derartige Vorbereitungen gehören notwendigerweise zur Tätigkeit eines Publizisten, was nicht nur für die hier streitige Realisierung einer Ausstellung gilt, sondern gleichfalls für jeden freien Autor oder Journalisten, bei dem der geschriebene Text lediglich das Endprodukt und Ergebnis zum Teil umfangreicher Vorarbeiten ist. Hierzu zählen die inhaltliche Erarbeitung des zu beschreibenden Themas, der Recherche und das Beschaffen von Informationen, teilweise durch Führen von Gesprächen und Interviews. Insoweit ist die Tätigkeit des Klägers aus Sicht der Kammer durchaus der Erstellung eines sachbezogenen Bildbandes vergleichbar, welcher unstreitig Produkt einer publizistischen Tätigkeit sein dürfte. Auch bei einem solchen Werk steht die sachbezogene Durchdringung des Themas an erster Stelle, gefolgt von der Konzeption des Werkes und der Recherche bzw. Anfertigung von Bildern und Fotos sowie deren textliche Beschreibung. Entsprechend dieser Argumentation hat auch das BSG (SozR 4-5425 § 2 Nr. 8, Rn. 12) in seiner Entscheidung zur Versicherungspflicht eines wissenschaftlichen Autors ausgeführt, dass es für einen "forschenden" wissenschaftlichen Autor geradezu typisch sei, dass praktische Vorfeldarbeiten und das Studium einschlägiger Literatur im Vergleich zur Erstellung des abschließenden Manuskripts den überwiegenden Zeitaufwand ausmachen, so dass die Qualifizierung als wissenschaftlicher Autor nicht mit der Begründung verneint werden könne, das Verfassen der Manuskripte habe einen weitaus geringeren Zeitaufwand verursacht als die vorangegangenen wissenschaftlichen Untersuchungen und Recherchen. Ausreichend ist daher, dass die (wissenschaftliche) Publikation quasi das Endprodukt eines Arbeitsprozesses ist, der durch verschiedene Aktivitätsstufen gekennzeichnet ist. So verhält es sich hier.

Auch bei den im Zusammenhang mit der Mitarbeiterkoordination stehenden Aufgaben des Klägers handelt es sich nicht um organisatorische Leistungen, sondern gleichfalls um begleitende Arbeiten, die durch die Existenz eines Teams bedingt sind. Wie vom Kläger nachvollziehbar ausgeführt gehört zu der Leitung des Teams die Vorgabe von Inhalten, die Steuerung und Koordination der Mitarbeiter, die Sicherung der Konsistenz des Gesamtkonzepts und nicht zuletzt auch die Überwachung zeitlicher Vorgaben. Insofern lässt sich seine Tätigkeit durchaus mit der eines Chefredakteurs – wie von Kläger vorgetragen – oder der des Herausgebers eines Gemeinschaftswerkes (z. B. eines juristischen Kommentars) vergleichen. Dessen Aufgabenspektrum auf dem Weg bis zur Fertigstellung der Gesamtpublikation beinhaltet u. a. auch die Vorbereitung und Leitung gemeinsamer Besprechungen, Zuständigkeitsverteilungen, inhaltliche und strukturelle Vorgaben, Koordination der Autoren, Einhaltung und Kontrolle des Zeitplanes und der inhaltlichen Qualität der einzelnen Beiträge sowie die Anpassung an veränderte Bedingungen, etwa durch Gesetzesänderungen. Dem publizistischen Charakter des gemeinsamen Arbeitsergebnisses stehen diese Tätigkeiten indes nicht entgegen.

Den – zweifellos vorhandenen – organisatorischen Teil, seiner Arbeit gibt der Klägers selbst mit etwa 10 % an, was von den Auftraggebern, der H und L Ausstellungen GbR (Schreiben vom 3. Dezember 2003, Bl. 22 GA) bestätigt wird. Diese Angabe ist aus Sicht der Kammer auch glaubhaft und realistisch – zumal das Begleitbuch zur Ausstellung (A 3 zur GA) neben dem Kläger und einem dreiköpfigen wissenschaftlichen Team unter "Koordination" zwei Mitarbeiterinnen, unter "Recherche" sechs Mitarbeiter (zum Teil Mitarbeiter des JMB) sowie drei Praktikanten aufführt. Angesichts der Funktion des Klägers als wissenschaftlicher Leiter der Ausstellung entkräftet diese Mitarbeiterstruktur die Argumentation der Beklagten, die Aufgaben des Klägers seien schwerpunktmäßig organisatorisch und damit nicht-publizistischer Art gewesen.

Schließlich räumt selbst das BSG (Urteil vom 26. Januar 2006 – B 3 KR 1/05 RSozR 4-5425 § 2 Nr. 6) ein, dass die Tätigkeit eines Ausstellungsgestalters bzw. Kurators dem Bereich der Publizistik zuzuordnen seinkann, wenn es sich etwa um eine historische oder zeitgeschichtliche Ausstellung – wie z. B. die "Wehrmachtsausstellung" – handele, mit der eine bestimmte Aussage getroffen werden soll, und der Ausstellungsgestalter schwerpunktmäßig journalistisch und publizistisch tätig sei oder Pressearbeit zu erledigen habe. Unabhängig von der Frage, ob diese Einschränkungen zwingend und sachgerecht sind, ist die Tätigkeit des Klägers als Ausstellungsgestalter – auch und gerade – in Anwendung der genannten Kriterien dem Bereich der Publizistik zuzuordnen. Insbesondere bei der Ausstellung "...", aber auch bei "...", handelt es sich um eine historische bzw. kulturgeschichtliche Ausstellung, die über ihr Objekt bestimmte Aussagen trifft und Thesen aufstellt und diese zur Diskussion stellt. Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass eine Vielzahl dieser Aussagen im Rahmen der Ausstellung nicht (ausschließlich) durch klassische Vermittlungsformen wie Worte, Texte und Bilder, sondern durch verschiedenste Exponate, Installationen und Objektinszenierungen dargestellt wird. Die multimediale Präsentation der inhaltlichen Aussagen der Ausstellung trägt vielmehr den Erkenntnissen moderner Wissensvermittlung Rechnung und erreicht gerade dadurch eine breite öffentliche Wahrnehmung. Die Beachtung der Ausstellung "..." in der Öffentlichkeit spiegelt sich auch im dem vom Kläger vorgelegten umfangreichen Pressespiegel (A 2 zur GA) wider. In seiner Funktion als wissenschaftlicher Leiter und Autor der Ausstellung hat der Kläger zudem an Presseterminen teilgenommen, wird in zahlreichen Artikeln und Berichten namentlich erwähnt und hat Interviews gegeben, die in verschiedenen Medien veröffentlicht wurden. Der – von BSG geforderte – publizistische Schwerpunkt der Tätigkeit als Ausstellungsmacher insgesamt wurde oben bereits ausführlich dargelegt, aber auch darüber hinaus war der Kläger als wissenschaftlicher Autor tätig, was sich der ihm eingereichten Publikationsliste ab 2003 (Bl. 74 GA) entnehmen lässt.

Künstler im Sinne von § 2 Satz 1 KSVG ist der Kläger indes nicht. Der Gesetzgeber spricht im KSVG selbst nur allgemein von "Künstlern" und "künstlerischen Tätigkeiten" und hat auf eine materielle Definition des Kunstbegriffs bewusst verzichtet (BT-Drucks 8/3172 S 21). Aus den Materialien zum KSVG ergibt sich, dass der Begriff der Kunst trotz seiner Unschärfe jedenfalls solche künstlerischen Tätigkeiten umfassen soll, mit denen sich der "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)" aus dem Jahre 1975 (BT-Drucks 7/3071) beschäftigt. Zwar wird der Beruf des Ausstellungsgestalters dort nicht erwähnt, die Nichtverzeichnung im Künstlerbericht 1975 spricht jedoch nicht zwangsläufig gegen die Qualifizierung einer Tätigkeit als künstlerisch, denn dies würde der Vielfalt und Dynamik in der Entwicklung künstlerischer und/oder publizistischer Berufstätigkeit widersprechen (BSG SozR 4-5425 § 2 Nr. 6). Allerdings entspricht die Tätigkeit des Klägers keinem der im Künstlerbericht aufgeführten Katalogberufen, insbesondere ist er kein "Objektemacher" oder "Experimentalkünstler" (vgl. Finke/Brachmann/Nordhausen, § 2 KSVG Rn. 17), der künstlerische Objekte im eigentlichen Sinn schafft. Bei der Entwicklung der Objekte und Installationen geht es vielmehr um Konzeption und Herstellung von Ausstellungselementen, denen eine im Hinblick auf den Transport der publizistischen Aussage dienende Funktion zukommt. Auch die Ausstellung in ihrer Gesamtheit ist nach Auffassung der Kammer nicht als eigenschöpferisches künstlerisches Werk des Klägers zu qualifizieren. Anders als bei dem vom BSG (SozR 4-5425 § 2 Nr. 6, Rn. 18) angeführten Beispielen (etwa den "land art"-Großprojekten der Künstler Christo und Jeanne Claude) handelt es sich vorliegend gerade nicht um ein aus sich heraus wirkendes Gesamtkunstwerk, sondern vielmehr um die Präsentation von Einzelobjekten mit jeweils eigenständigen (Teil-)Aussagen.

Seine nach Auffassung der Kammer insgesamt als publizistisch im Sinne von § 2 Satz 2 KSVG zu bewertende Tätigkeit als Ausstellungsgestalter übt der Kläger seit 1. Oktober 2002 nicht nur vorübergehend selbstständig aus, ohne Arbeitnehmer zu beschäftigen (§ 1 Nr. 2 KSVG) und hat hieraus im Jahr der Antragstellung sowie in den Folgejahren auch jeweils ein über der Geringfügigkeitsgrenze des § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG liegendes Arbeitseinkommen erzielt. Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung (§ 4 KSVG) besteht nicht. Mit einem jährlichen Bruttoarbeitsentgelt von 21.212 € im Jahr 2002 bzw. 42.424 € (2003) hat der Kläger auch die gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4 KSVG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch für die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung geltenden jährlichen Entgeltgrenzen von 40.500 € (2002) bzw. 45.900 € (2003) nicht erreicht.

Nach alledem besteht ab 1. Oktober 2002 Versicherungspflicht als Publizist in der Künstlersozialversicherung nach §§ 1, 2 Satz 2 KSVG.

Für die Zeit zwischen der Meldung bei der Beklagten (9. August 2002) und dem 1. Oktober 2002 liegen die Voraussetzungen für die Feststellung von Versicherungspflicht nach dem KSVG indes nicht vor, da der Kläger seinem eigenen Vorbringen nach wegen der Fertigstellung seiner Dissertation in diesem Zeitraum keine wissenschaftlichen-künstlerischen Leistungen erbracht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Sprungrevision war gem. § 161 Abs. 1 Satz 1 SGG auf Antrag der Beklagten zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) und die Frage der Versicherungspflicht von Ausstellungsgestaltern nach dem KSVG auch nach der Entscheidung des BSG (Urteil vom 26. Januar 2006 – B 3 KR 1/05 R) nicht als abschließend geklärt bezeichnet werden kann.

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