LSG der Länder Berlin und Brandenburg, Urteil vom 20.10.2006 - L 28 AL 165/04
Fundstelle
openJur 2012, 4326
  • Rkr:
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 03. September 2001 bis zum 28. Januar 2002 und damit einhergehend um die Erstattung des Alg sowie von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt (noch) 5.748,75 €.

Der 1971 geborene, ledige Kläger war bis zum 30. April 2001 als Arbeiter bei der D P AG beschäftigt. Durch Bescheid vom 27. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2001 verfügte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01. Mai 2001 bis zum 23. Juli 2001 (12 Wochen) und ein Ruhen des Alg-Anspruchs bis zum 25. Juli 2001, weil der Kläger sein Arbeitsverhältnis zur D P AG durch einen Aufhebungsvertrag vom 19. April 2001 gelöst hatte, ohne ein Anschlussarbeitsverhältnis gehabt zu haben. Den Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 01. Mai 2001 lehnte die Beklagte wegen Eintritts der Sperrzeit bis zum 25. Juli 2001 ab; weiterer Bescheid vom 27. Juli 2001. Bereits mit einer Veränderungsmitteilung vom 22. Juni 2001 hatte der Kläger eine Teilnahme an einem Lehrgang zur Qualifizierung als Rettungssanitäter (Lehrgangsdauer vom 22. Mai 2001 bis zum 10. August 2001) angezeigt.

Der Kläger meldete sich am 13. August 2001 (Montag) arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg (Steuerklasse 1, keine auf der Lohnsteuerkarte 2001 zu berücksichtigenden Kinder). Durch seine Unterschrift bestätigte er den Erhalt und die Kenntnisnahme vom Inhalt des "Merkblatt 1 für Arbeitslose".

Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alg vom 11. August 2001 bis zum 31. Dezember 2001 mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 397,46 DM nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1110 DM; Bescheid vom 19. Oktober 2001. In der Zeit vom 01. Januar 2002 bis zum 28. Februar 2002 bezog der Kläger Alg mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 203,70 € nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 570 €; Bescheid vom 02. Januar 2002. Am 01. März 2002 nahm er eine selbstständige Tätigkeit als Handelsvertreter auf (Veränderungsmitteilung vom 26. Februar 2002). Bereits am 29. Januar 2002 ließ der Kläger sich anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten ein Antragsformular zur Überbrückungsbeihilfe aushändigen.

Während des Alg-Bezuges hatte der Kläger ab 03. September 2001 eine Tätigkeit als Rettungssanitäter bei der Rettungsdienst gGmbH B in B aufgenommen. Geschäftsführer der Rettungsdienst gGmbH B ist D E. Gegenstand der Tätigkeit des Klägers war der Transport von Behinderten in unterschiedlichen Touren, die wöchentlich eingeteilt wurden. In jeder Tour waren eine Früh- und eine Spättour eingerichtet, da die zu befördernden Personen morgens abgeholt und am Abend in die Wohneinrichtung zurückgebracht werden mussten. Infolge von Erkrankungen der Behinderten oder anderer Mitarbeiter der Rettungsdienst gGmbH konnten sich die Touren auch täglich verändern. Jede Tour dauerte jeweils zwischen 1 3/4 und 2 3/4 Stunden, gelegentlich auch länger. Zuständig für die Einteilung der Touren war Herr K, der diese Tätigkeit von Frau Sch nach deren Ausscheiden aus Altersgründen übernommen hatte. Er führte die Einstellungsgespräche mit den im Behindertentransport eingesetzten Arbeitnehmern und erstellte die Lohnabrechnung anhand von Fahrer-Tourennachweisen, welche durch die Fahrer ausgefüllt wurden.

Die von der Rettungsdienst gGmbH B für den Zeitraum September 2001 bis Dezember 2001 ausgestellten Bescheinigungen über Nebeneinkommen des Klägers, die in der Folgezeit zu den Verwaltungsvorgängen der Beklagten gelangten, weisen wöchentliche Arbeitszeiten unter 15 Stunden aus; wegen der Einzelheiten dieser Nebentätigkeitsbescheinigungen wird auf Bl. 36, 38 bis 40 der Leistungsakten der Beklagten verwiesen.

Aufgrund einer bei der Rettungsdienst gGmbH B am 09. Dezember 2002 durchgeführten Außenprüfung gelangten vom Kläger und von Herrn K unterschriebene Stundenabrechnungen für die Monate September 2001 bis Dezember 2001 zu den Leistungsakten der Beklagten. Die hierin angegebenen täglichen Arbeitszeiten wichen erheblich von den Angaben in den Bescheinigungen über Nebeneinkommen ab, wegen der Einzelheiten hierzu wird auf Bl. 44 bis 47 der Leistungsakten der Beklagten verwiesen.

Nach Auswertung der Unterlagen hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 03. Februar 2003 zu dem Umstand einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung bei der Rettungsdienst gGmbH B an.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Juni 2003 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg im Zeitraum vom 03. September 2001 bis zum 28. Januar 2002 mit der Begründung auf, der Kläger habe in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ab 03. September 2001 gestanden. Gleichzeitig forderte sie die Erstattung des überzahlten Alg sowie von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 5.787,66 € für den vorgenannten Zeitraum.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid vom 09. September 2003 zurückgewiesen. Die Saldierung der Arbeitszeiten in den strittigen Zeiträumen habe eine über 15 Stunden wöchentlich dauernde Arbeitszeit und damit eine im Sinne des § 8 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ergeben mit der Folge, die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 118 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) und damit der Anspruch des Klägers auf Alg sei mit der Aufnahme der Tätigkeit bei der Rettungsdienst gGmbH Barnim entfallen. Es lägen auch die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung gem. § 45 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III vor.

Am 17. September 2003 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers vor dem Sozialgericht Frankfurt/Oder Klage erhoben und geltend gemacht, entgegen der Ansicht der Beklagten habe er auch während des Zeitraumes der Beschäftigung bei der Rettungsdienst gGmbH B der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Es träfe zu, er habe mehr als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet. Es sei mit der Rettungsdienst gGmbH B eine durchschnittliche Arbeitszeit vereinbart worden. Dies ergebe sich aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen, woraus hervorgehe, dass sowohl Stundenüberschreitungen als auch Unterschreitungen zumindest handschriftlich aufgezeichnet worden seien. Aus dem Gegenstand der Tätigkeit habe sich die Notwendigkeit von schwankenden Arbeitszeiten bei einem gleich bleibenden monatlichen Gehalt ergeben, weil es nicht möglich gewesen sei, die zu befördernden Personen bei Erreichen der wöchentlich zulässigen Stundengrenze auf halber Strecke stehen zu lassen. Mehrstunden seien angespart und durch Freizeitausgleich abgebaut worden. Es sei nicht entscheidend, welche Arbeitszeit tatsächlich wöchentlich gearbeitet, sondern welche Stundenzahl in Vorhinein vereinbart worden sei. Eine voraussichtlich durchschnittliche Arbeitszeit sei zu Grunde zu legen. Die jeweils schwankenden Arbeitszeiten hätten nicht zu einer ständigen Änderung der der Verhältnisse iS eines Wegfalls oder Wiedereintritts von Arbeitslosigkeit geführt. Bei der Berechnung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit sei entweder die gesamte Dauer der Beschäftigung oder ein Zeitraum von 12 Monaten zugrunde zu legen. Er (Kläger) habe innerhalb der 22 Wochen, in der er für die Rettungsdienst gGmbH B tätig gewesen sei, durchschnittlich nicht mehr als 14 Stunden je Woche gearbeitet. Die Angaben in den Nebentätigkeitsbescheinigungen belegten dies. Zudem sei ihm grob fahrlässiges Verhalten nicht vorzuwerfen, denn er habe angenommen, eine durchschnittliche Arbeitszeit von weniger als 15 Wochenstunden sei zulässig. Ein anders lautender Hinweis sei den Merkblättern der Beklagten auch nicht zu entnehmen gewesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2004 hat die Beklagte die Erstattungsforderung auf 5.748,76 € reduziert. Das hierin liegende (Teil-)Anerkenntnis hat die in diesem Termin anwesende Prozessbevollmächtigte des Klägers angenommen.

Mit Urteil vom selben Tage hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Die Voraussetzungen der Rücknahme des Bescheides, Alg ab 11. August 2001 bzw. ab 01. Januar 2002 in den jeweiligen wöchentlichen Leistungssätzen zu bewilligen, liege gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, denn bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit bei der Rettungsdienst gGmbH B habe es sich spätestens ab dem 03. September 2001 nicht um eine im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB III geringfügige Beschäftigung gehandelt, weil er ab diesem Zeitpunkt nicht weniger als 15 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Bereits in der Woche vom 03. September 2001 bis zum 09. September 2001 habe er insgesamt 22 Stunden und in den Folgewochen vom 10. September 2001 bis zum 16. September 2001 insgesamt 19,33 Stunden, vom 17. September 2001 bis zum 23. September 2001 18,75 Stunden und vom 24. September 2001 bis zum 30. September 2001 17,5 Stunden gearbeitet. An diesem Ergebnis ändere sich nichts, wenn ausgehend von einem Beschäftigungsbeginn am 03. September 2001 auf die Beschäftigungswoche abgestellt werde. Unerheblich sei auch, dass der Kläger nicht in allen Wochen die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten habe (insbesondere in der Woche vom 15. Oktober 2001 bis zum 21. Oktober 2001 – 1,5 Stunden –, 22. Oktober 2001 bis zum 28. Oktober 2001 – 0 Stunden –, 29. Oktober 2001 bis zum 04. November 2001 – 13,16 Stunden –, 19. November 2001 bis zum 25. November 2001 – 14,5 Stunden – und ab dem 10. Dezember 2001 bis zum 31. Dezember 2001 – 0 Stunden –), denn durch die Überschreitung dieser Grenze in den Wochen vom 03. September 2001 bis zum 09. September 2001, 10. September 2001 bis zum 16. September 2001, 17. September 2001 bis zum 23. September 2001 und 24. September 2001 bis zum 30. September 2001 sei die Wirkung der Arbeitslosmeldung entfallen. Nicht zu beanstanden sei die Wertung der Beklagten, die Vorsprache des Klägers am 29. Januar 2002 als erneute Arbeitslosmeldung anzusehen. Es sei entgegen der Ansicht des Klägers auch keine durchschnittliche Arbeitszeit zu bilden. Eine solche setze die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit voraus, die der Kläger jedoch nicht getroffen habe. Die voraussichtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses sei nicht maßgebend, da dies nur gelte, wenn im Voraus weder aus der Natur der Sache noch aus der vertraglichen Vereinbarung eine Klärung über das Ausmaß der Beschäftigung möglich sei. Der Zeitaufwand habe im Falle des Klägers jedoch erkennbar von Anbeginn an die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten. Die Überschreitungen beruhten nicht auf schwankenden Arbeitszeiten, sondern auf schwankenden Toureneinteilungen. Schließlich hätte der Kläger aus den unmissverständlichen Hinweisen im "Merkblatt 1 für Arbeitslose" entnehmen können, ein Anspruch auf Alg durch die Aufnahme der Tätigkeit bei der Rettungsdienst gGmbH sei mit Erreichen der 15 Stunden Grenze erloschen. Diesen Hinweisen sei nicht – wie vom Kläger behauptet – zu entnehmen, dass eine Durchschnittsberechnung zulässig sei. Ihm sei deshalb grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. August 2004 zugestellte Urteil haben sie für den Kläger am 17. August 2004 Berufung (noch) beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingelegt. Der Kläger ist bei seiner Ansicht verblieben, wonach es sich bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit um eine noch zulässige geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 118 SGB III gehandelt habe und sein Anspruch auf Alg deshalb mit Aufnahme der Tätigkeit am 03. September 2001 bei der Rettungsdienst gGmbH B nicht erloschen sei. Bezogen auf die maßgebende gesamte Dauer des Beschäftigungsverhältnisses sei er durchschnittlich lediglich 14 Stunden wöchentlich tätig gewesen. Dies habe auch der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit entsprochen, allein auf diese Vereinbarung sei jedoch bei der Beurteilung der Geringfügigkeit einer Beschäftigung oder die sich aus der Eigenart der Beschäftigungszeit ergebende Arbeitszeit abzustellen. Ausweislich der vorliegenden Stundenabrechnungen habe nicht nur die Anzahl der wöchentlichen Touren geschwankt, sondern auch die Dauer der Touren. Entsprechend dem Arbeitsanfall habe auch seine Arbeitszeit geschwankt. Bei Anwendung des subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffs sei ihm auch der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht zu machen, denn es sei bei allen Kollegen in Absprache mit der Beklagten ebenso wie in seinem Falle verfahren worden. Das Merkblatt enthalte keinen Hinweise zu schwankenden Arbeitszeiten bei Abrufarbeitsverhältnissen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 19. Mai 2004 sowie den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 11. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. September 2003, soweit diesbezüglich noch eine Erstattung von 5.748,75 Euro im Streit sind, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Ansicht fest, wonach es sich bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht lediglich um eine im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB III geringfügige Tätigkeit gehandelt und er diesen Umstand zumindest grob fahrlässig nicht erkannt habe.

In einem zu diesem Rechtstreit anhängigen Parallelverfahren (Az.: L 28 AL 155/04) sind in einem Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit Beweisaufnahme am 08. Dezember 2005 der Geschäftsführer der Rettungsdienst gGmbH B D E, der Mitarbeiter des Rettungsdienstes J K und ein ehemaliger Mitarbeiter des Rettungsdienstes B H als Zeugen vernommen worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung in diesem Parallelverfahren hat das Gericht die ehemalige Mitarbeiterin der Rettungsdienst gGmbH B H Sch, den früheren Mitarbeiter der Beklagten M F und den Mitarbeiter der Beklagten M S als Zeugen vernommen. Die Niederschriften der Zeugenaussagen sind den Beteiligten in dem Rechtstreit (Az.: L 28 AL 165/04) mit dem Hinweis zur Kenntnisnahme durch die Ladung zur mündlichen Verhandlung und Schreiben vom 13. Oktober 2006 gegeben worden, dass diese Zeugenerklärungen Gegenstand des anhängigen Verfahrens sind. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen im Erörterungstermin vom 08. Dezember 2005 wird auf Bl. 114 bis 120 der Gerichtsakte verwiesen. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2006 zum Rechtsstreit (Az.: L 28 AL 155/04) wird auf Bl. 109 bis 112 der Gerichtsakte verwiesen.

Durch Urteil des Senats vom 23. März 2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 28. Juni 2006 ist die Berufung in dem Rechtstreit zum Az.: L 28 AL 155/04 als unbegründet – rechtskräftig – zurückgewiesen worden. Auf die Anfrage bei den Prozessbevollmächtigten ob wegen dieses Urteils hier die Berufung zurückgenommen werden könne, ist von ihnen mitgeteilt worden, die Rücknahme der streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide hänge entscheidend (auch) vom Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen ab. Hierzu sei der Kläger nicht selbst gehört worden. Es sei davon auszugehen, dass er (Kläger) die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht in erheblich schweren Maß verletzt habe. Eine Rücknahme der Berufung komme nicht in Betracht.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Erstattungsforderung um einen Cent reduziert; das darin liegende Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf die Gerichtsakte zu diesem Rechtsstreit und die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten zur Kundennummer (...) Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 € übersteigt, denn die Erstattungsforderung der Beklagten beträgt insgesamt (noch) 5.784,75 €.

Die Berufung ist nicht begründet. Die zulässige Anfechtungsklage ist vom Sozialgericht Frankfurt (Oder) zu Recht abgewiesen worden. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligung von Alg im Zeitraum vom 03. September 2001 bis zum 28. Januar 2002 ist § 45 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit.

Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass die Bescheide vom 19. Oktober 2001 bzw. 02. Januar 2002, mit denen dem Kläger ab 11. August 2001 bzw. ab 01. Januar 2002 Alg bewilligt bzw. weiterbewilligt wurde, zum Zeitpunktes ihrer Bekanntgabe rechtswidrig waren, weil der Kläger keinen Anspruch auf das ihm für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum durch diese Bescheide bewilligte Alg hatte.

Gem. § 117 SGB III in der im Jahre 2001 geltenden, mit Wirkung vom 1. Januar 1998 eingeführten Fassung haben Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitnehmer, die

1.arbeitslos sind,2.sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben und3.die Anwartschaftszeit erfüllt haben.Diese Voraussetzungen lagen jedoch in dem hier streitbefangenen Zeitraum ab dem 03. September 2001 nicht mehr vor, weil der Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt nicht mehr arbeitslos war.

Gem. § 118 Abs. 1 SGB III in der im Jahre 2001 geltenden Fassung – a. F. – ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der

1.vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und2.eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche).36Gem. § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. schließt die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben. Um eine solche geringfügige Beschäftigung handelte es sich hier jedoch nicht.

Ob eine Beschäftigung kurzzeitig ist, ist zunächst den vertraglichen Vereinbarungen über die Arbeitszeit zu entnehmen. Maßgebend ist, welche Arbeitszeit vorausschauend vereinbart worden war. Erst wenn Vereinbarungen hinsichtlich der Arbeitszeit nicht bestehen, ist darauf abzustellen, ob die Beschäftigung der Natur der Sache nach auf weniger als 15 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt (vgl. Urteil des BSG vom 15. Juni 1988, Az.: 7 RAr 12/87 = Die Beiträge 1988, 286-292; Urteil vom 15. Mai 1985, Az.: 7 RAr 22/84, zitiert nach Juris).

Entscheidend für die Prognose sind bei der gebotenen vorausschauenden Betrachtung grundsätzlich die Merkmale und Umstände, wie sie bei Beginn der Beschäftigung vorliegen. Ausreichend ist in jedem Fall eine ungefähre Einschätzung, welche Arbeitszeit in der Woche nach dem Arbeitsvertrag oder der bisherigen Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten war (Steinmeyer in Gagel, Kommentar zum SGB III, Rn. 70 zu § 119). Kurzzeitig stellt die Beschäftigung sich somit dar, wenn sie nach den Vereinbarungen voraussichtlich auf weniger als 15 Stunden wöchentlich beschränkt wird. In Einzelfällen kann die tatsächliche Erfüllung des Beschäftigungsverhältnisses, wie es sich aus der rückschauenden Beurteilung ergibt, mit gewürdigt werden, etwa wenn von Anfang an wesentliche Merkmale auf eine kurzzeitige Beschäftigung hindeuten, eine Klärung im voraus aber nicht möglich war (Urteil des BSG vom 15. Juni 1988, Az.: 7 RAr 12/87 a. a. O.).

Bei der Beurteilung, ob es sich bei der vereinbarten Tätigkeit des Klägers um eine im Sinne des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. kurzzeitige Beschäftigung gehandelt hat, ist damit auf die tatsächlich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbarten Arbeitsstunden abzustellen.

Der Kläger hatte bei der anzuwendenden vorausschauenden Betrachtung im Zeitpunkt der Vereinbarung der Beschäftigung mit seinem Arbeitgeber keine lediglich kurzzeitige Beschäftigung – zumindest mündlich – vereinbart. Gegen eine derartige Vereinbarung spricht zwar entgegen der Ansicht des Sozialgerichts nicht schon eine Vereinbarung einer monatlichen Arbeitszeit von 64 Wochenstunden (wobei diese Behauptung den handschriftlichen Vermerken auf den Stundennachweisen widerspricht) denn hiervon ausgehend lässt sich die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14,77 Stunden (64 X 52 : 12) ermitteln (vgl. hierzu Steinmeyer in Gagel, Kommentar zum SGB III, Rn. 73 zu § 119). Da § 118 Abs. 2 SGB III a. F. auf die wöchentliche Arbeitszeit abstellt, die der Arbeitnehmer in einer gewöhnlichen Arbeitswoche erbringen soll und die ihm vom Arbeitgeber zu vergüten ist, muss die Wochenarbeitszeit aus der Monatsarbeitszeit entwickelt werden (BSG, Urteil vom 15. Mai 1985, Az.: 7 RAr 22/84 a. a. O.).

Der Vereinbarung einer im Sinne von § 118 Abs. 2 SGB III a. F. kurzzeitigen Beschäftigung steht vorliegend jedoch entgegen, dass der Kläger mit der Rettungsdienst gGmbH darüber hinaus abgesprochen hatten, dass die Arbeitszeit von 64 Wochenstunden pro Monat flexibel eingeteilt werden und der Kläger "auf Abruf" tätig sein sollte. Vereinbart waren schwankende Arbeitszeiten und die Führung eines Stundenkontos, durch welches ein monatlicher Saldo ausgeglichen werden konnte.

Zwar musste nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 102 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bei der Prüfung, ob eine nur kurzzeitige Beschäftigung vorlag, die voraussichtliche Arbeitszeit ermittelt werden, wenn mit schwankenden Arbeitszeiten zu rechnen war. Das Bundessozialgericht hat ausgeführt, es erscheine – sofern bei der Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses Besonderheiten wie z. B. eine zeitliche Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht erkennbar sind – sachgerecht, einen Zwölf-Monats-Zeitraum zu Grunde zu legen (vgl. u. a. Urteile vom 15. Mai 1985, a. a. O., und vom 15. Juni 1988 a. a. O.). Es mache bei schwankenden Arbeitszeiten keinen Unterschied, ob der Arbeitslose die vereinbarte monatliche Arbeitszeit im Wesentlichen gleichmäßig auf die Wochen verteilt zu erbringen hatte oder ob die Arbeitszeit von Woche zu Woche schwanken konnte. Es verbiete sich auch, einzelne Monate, in denen sich bei einer monatlichen noch zulässig vereinbarten Arbeitzeit eine Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze errechnen lässt, unter Außerachtlassung günstigerer Monate für sich zu betrachten. Schon aus verwaltungspraktischen Erwägungen sei es nicht unsachgemäß und deshalb mit Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar, wenn bei der Unterscheidung kurzzeitiger von anderen Beschäftigungen auf die vereinbarte Arbeitszeit in einer gewöhnlichen Arbeitswoche abgestellt werde. Bezogen auf den Gesamtzeitraum der Beschäftigung lag damit nach der Rechtsprechung des BSG im Falle des Klägers eine Beschäftigung vor, durch welche die Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. nicht überschritten wurde.

43Der Senat folgt dieser noch zu § 102 AFG ergangenen Rechtsprechung jedoch nicht. Das Sozialgericht hat bereits mit überzeugenden Argumenten ausgeführt, dass sich die zum AFG aufgestellten Grundsätze nicht auf die Regelungen des SGB III übertragen lassen. Die Anwendung der zu § 102 AFG aufgestellten Grundsätze hätte zur Folge, dass auch eine Vereinbarung, wonach ein Arbeitnehmer insgesamt sechs Monate tätig sein soll, er in den ersten drei Monaten jedoch 29,9 Wochenstunden arbeiten soll und in den letzen drei Monaten überhaupt keine Arbeitsleistung zu erbringen hätte, zulässig wäre. Dieses Ergebnis widerspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, das auf eine wöchentliche Arbeitszeit von unter 15 Stunden abstellt. Dem praktischen Bedürfnis schwankender Arbeitszeiten wird durch das Gesetz gerade durch die Regelung Rechnung getragen, gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer sollen unberücksichtigt bleiben. Die im vorliegenden Fall getroffene Vereinbarung beinhaltete hingegen eine nicht mehr nur gelegentliche Abweichung von der Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. und ist deshalb mit dieser Regelung nicht in Übereinstimmung zu bringen. Der Kläger hat selbst vorgetragen, es sei vereinbart worden, dass Mehrstunden in Folgewochen oder -monaten ausgeglichen werden würden. Dies wurde umgesetzt, indem der Kläger wochen- oder tageweise nicht arbeitete.

Der Einwand des Klägers, die Dauer der Tätigkeit sei im Voraus nicht planbar gewesen, rechtfertigt insbesondere nicht die erweiternde Auslegung des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. Denn ausgehend von einer zulässigen Wochenarbeitszeit unter 15 Stunden hätte die Arbeitszeit des Klägers entsprechend dem noch zulässigen Umfang verteilt werden können. Sofern es gleichwohl infolge unvorhersehbarer Ereignisse zu einer – geringfügigen – Überschreitung gekommen wäre, hätte dem die Regelung des § 118 Abs. 2 Satz 2 SGB III a. F. Rechnung getragen. Die Vereinbarung war jedoch von vornherein darauf angelegt, die Geringfügigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. zu überschreiten und diese Überschreitung in anderen Folgewochen auszugleichen. Es handelte sich bei den Überschreitungen auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht um unvorhersehbare Überschreitungen, denn Überschreitungen von fünf bis acht Stunden pro Woche beruhten nicht auf unvorhersehbaren Ereignissen wie Krankheit oder Ausfall eines anderen Fahrers, sondern auf der Übernahme der Tour durch den Kläger. Die Dauer der Touren, dies zeigen die Stundenabrechnungen des Klägers, veränderten sich selbst nämlich nur unwesentlich. Bei einer "Beschäftigung auf Abruf" hätte der Kläger von Seiten seines Arbeitgebers anders eingeplant werden müssen, um die Geringfügigkeitsgrenze nicht zu überschreiten. Eine Ungewissheit im Umfang der Arbeitszeit bestand nach alledem nicht wegen der Eigenart der vom Kläger auszuführenden Tätigkeit im Behindertentransport, sondern wegen der vom Kläger erklärten Bereitschaft, für die Rettungsdienst gGmbH im Rahmen deren Bedarf als Fahrer tätig zu werden. Es wäre jedoch auch möglich gewesen, eine feste Arbeitszeit zu vereinbaren und für die Vertretungen – wie dies in anderen Branchen auch üblich ist – sog. Springer einzustellen.

Selbst wenn wegen der schwankenden Arbeitszeiten der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit eine durchschnittliche Arbeitszeit zu ermitteln sein würde, kann dies nach alledem nur bedeuten, dass der bei der Bildung einer durchschnittlichen Arbeitszeit auf den Durchschnitt pro Beschäftigungswoche abgestellt werden muss, denn § 118 Abs. 2 SGB III a. F. gibt einen Wochenzeitraum vor. Innerhalb dieser Beschäftigungswoche kann die tägliche Arbeitszeit variieren. Die Beteiligten waren sich jedoch darüber einig, dass der Kläger in manchen Beschäftigungswochen die zulässige Arbeitszeit – zum Teil deutlich – überschreiten und er in anderen Beschäftigungswochen keine Arbeitsleistungen erbringen sollte. Vereinbart war damit gerade keine durchschnittliche Wochenarbeitszeit unter 15 Stunden.

Die Überschreitungen der Kurzzeitigkeitsgrenze waren auch nicht im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. unerheblich. Zwar bleiben hiernach bei der Feststellung der Beschäftigungslosigkeit gelegentliche Abweichungen der Arbeitszeit, die nur von geringer Dauer sind, außer Betracht. Unschädlich ist die Überschreitung der Kurzzeitigkeitsdauer jedoch nur, wenn sie sowohl gelegentlich als auch von geringer Dauer ist. Eine geringe Dauer liegt vor, wenn die Überschreitung nur einen kurzen Zeitraum andauert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann die Überschreitung bei einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis bei monatlicher Abrechnung bis zu einem Monat andauern (BSG, Urteil vom 14. Juli 1988, Az.: 11/7 RAr 41/87 = SozR 4100 § 115 Nr. 2). Gelegentliche Abweichungen sind solche, die nicht in regelmäßiger Wiederkehr auftreten und nicht vorhersehbar sind (BSG, a. a. O.).

Um solche nur gelegentliche Abweichungen handelte es sich jedoch nicht, weil diese Überschreitungen von Anfang an vereinbart und damit vorhersehbar waren. Da schon das Merkmal "gelegentlich" wegen dieser Vorhersehbarkeit bereits bei Beginn der Beschäftigung nicht vorlag, kommt es auf die Dauer der Überschreitung in der Folgezeit nicht mehr an.

Unerheblich ist schließlich, dass der Kläger nicht in allen Wochen mehr als kurzzeitig tätig war (vgl. auch LSG Brandenburg, Urteil vom 24. März 2004, Az.: L 10 AL 142/03, soweit ersichtlich nicht veröffentlicht). Denn dadurch, dass der Kläger ab dem 03. September 2001 nicht nur kurzzeitig beschäftigt war und dies der Beklagten nicht unverzüglich mitteilte, erlosch die Wirkung der Arbeitslosmeldung gem. § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Der Kläger war damit zu dem hier zu beurteilenden Zeitpunkt am 03. September 2001 nicht mehr arbeitslos. Wegen dieser fehlenden Anspruchsvoraussetzung stand dem Kläger ab diesem Zeitpunkt kein Alg mehr zu.

Für einen erneuten Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte es daher einer erneuten Arbeitslosmeldung und eines erneuten Leistungsantrages bedurft. Nicht zu beanstanden ist die Wertung der persönlichen Vorsprache des Klägers am 29. Januar 2002 als erneute Arbeitslosmeldung durch die Beklagte und damit Begrenzung der Rücknahme der Bewilligung des Alg bis zum 28. Januar 2002.

Die Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 19. Oktober 2001 und vom 02. Januar 2002 gem. § 45 Abs. 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit setzt zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Klägers voraus:

§ 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X verlangt, dass die Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auf grober Fahrlässigkeit beruhte.

Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats in diesem Sinne grob fahrlässig gehandelt, indem er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße missachtet hat. Vorausgesetzt wird dabei eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, d. h. eine besonders grobe und auch subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Anzulegen ist bei der Prüfung der groben Fahrlässigkeit nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (BSG, Urteil vom 24. April 1997, 11 RAr 89/96 m. w. N. = AuB 1997,282 ff.). Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Hierbei sind auch die persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 06. März 1997, 7 RAr 40/96, DBlR 4372, SGB X § 45). Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis kann dem Betroffenen in der Regel vorgeworfen werden, wenn Hinweise oder Belehrungen, die die Behörde in beigefügten Merkblättern oder im Antragsformular deutlich und verständlich gegeben hat, nicht beachtet werden und die Aushändigung noch nicht zu lange zurücklag (Wiesner in: von Wulffen/, Kommentar zum SGB X, 4. Auflage, § 45 Rnr. 24).

Der Kläger hat in seinem Antrag auf Alg versichert, das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten und von dessen Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Über die Auswirkungen einer die Kurzzeitigkeitsgrenze überschreitende Beschäftigung auf den Anspruch auf Alg und auch darauf, dass die Beschäftigungs- und nicht die Kalenderwoche für die Beurteilung maßgebend ist, als auch auf die ihn treffende Mitteilungspflicht wurde er durch das ihm bei Antragstellung überreichte "Merkblatt 1 für Arbeitslose" hingewiesen:

Im Merkblatt für Arbeitslose wird auf Seite 17 unter dem Stichwort "Arbeitslosigkeit" darauf hingewiesen, dass ein Antragsteller für den Bezug von Alg arbeitslos sein muss. "Arbeitslos ist, wer vorübergehend in keinem Beschäftigungsverhältnis steht und eine Beschäftigung sucht. Arbeitslos ist auch, wer nur eine weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung oder Tätigkeit als Arbeitnehmer, Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger ausübt ... die Woche in diesem Sinne ist nicht mit der Kalenderwoche identisch, sondern umfasst sieben aufeinander folgende Tage der Beschäftigung bzw. Tätigkeit".

Auf Seite 19 heißt es weiter: "Bei der Aufnahme jeder Beschäftigung prüft das Arbeitsamt, ob diese Beschäftigung die Arbeitslosigkeit und damit den Anspruch auf Arbeitslosengeld entfallen lässt. Der Anspruch entfällt also, wenn die aufgenommene Beschäftigung 15 Stunden wöchentlich erreicht oder übersteigt."

Hinsichtlich der Folgen heißt es auf Seite 17 weiter: "Bei Nichtanzeige oder verspäteter Anzeige kann die Leistung erst wieder nach erneuter Arbeitslosmeldung gezahlt werden".

Hieraus hätte der Kläger, den der Senat im Termin am 20. Oktober 2006 gehört hat, leicht erkennen können: Durch die mit der Rettungsdienst gGmbH B getroffene Vereinbarung wird die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten und er musste der Beklagten diesen Umstand mitteilen. Die behauptete Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit der bewilligten Leistung, des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen in Folge der Aufnahme der Tätigkeit bei der Rettungsdienst gGmbH sowie von seiner Mitteilungspflicht beruhte deshalb (zumindest) auf grober Fahrlässigkeit.

Die bei der Rücknahme der Bewilligungen von Alg nach § 45 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SGB X vorgeschriebenen Fristen sind eingehalten.

Da die in § 45 Abs. 1 SGB X genannten Voraussetzungen vorliegen, hatte die Beklagte gemäß § 330 Abs. 2 SGB III die Bewilligung von Arbeitslosengeld in dem noch streitgegenständlichen Zeitraum aufzuheben. Eine Ermessensausübung ist (auch in atypischen Fällen) nicht zulässig.

Die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung des zu Unrecht gezahlten Arbeitslosengeldes ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Die Erstattungsforderung errechnet sich wie folgt:

Der Kläger hat in den Zeiträumen vom 03. September 2001 bis zum 28. Januar 2002 insgesamt Alg in Höhe von 4.298,54 € (28 Tage im September 2001 = 1.589,84 €, Oktober und Dezember 2001 jeweils 1.760,18 € und November 2001 1.703,40 € sowie weitere 28 Tage im Januar 2002 = 814,80 €) erhalten.

Die Erstattungspflicht hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherung folgt aus § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III. Die in Verbindung mit §§ 57 Abs. 1, 55 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 11. Buch (SGB XI) und § 232 a Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) zu erstattenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge hat das Sozialgericht zutreffend ermittelt, weswegen der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen im sozialgerichtlichen Urteil verweist. Aus den Erstattungsbeträgen des Alg in Höhe von 4.298,54 € und denen der Kranken- und Pflegebeiträgen in Höhe von 1.035,18 €, 251,71 €, 132,32 und 31,00 € errechnet sich eine Gesamterstattung von (noch) 5.748,75 €.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreites Rechnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Gründe vorliegt.