KG, Urteil vom 19.06.2006 - 8 U 263/05
Fundstelle
openJur 2012, 3722
  • Rkr:

Ein Anspruch aus § 1004 BGB gegen den Zustandsstörer entfällt mit der wirksamen Aufgabe desEigentums.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 03.11.2005 verkündeteUrteil der Zivilkammer 13 des Landgerichts Berlin 13 O 173/05abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durchSicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betragesabwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheitin der selben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Mit der Berufung wendet sich der Beklagte gegen das am 3. November 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Der Beklagte hält das Urteil für unzutreffend, weil das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass er das streitgegenständliche Grundstück in Besitz habe, so dass weder ein Herausgabeanspruch noch ein Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung gegeben sei. Zur Entfernung der Aufbauten sei er aus Rechtsgründen nicht verpflichtet. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf seinen Schriftsatz vom 8. Februar 2006 verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil für zutreffend. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf seinen Schriftsatz vom 15. Mai 2006 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1. Räumung und Herausgabe

Soweit sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Räumung wendet, ist die Berufung schon deshalb begründet, weil zwischen den Parteien kein Mietverhältnis besteht, nach dessen etwaiger Beendigung der Kläger auf der Grundlage des § 546 BGB Räumung der gemieteten Fläche verlangen könnte.

Soweit der Beklagte sich gegen die auf § 985 BGB gestützte Verurteilung zur Herausgabe wendet, macht er zu Recht geltend, dass das Landgericht von einem Besitz seinerseits an dem Grundstück nicht habe ausgehen dürfen. Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Beklagte wenigstens zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Herausgabeklage (vgl. hierzu Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 985 Rdnr. 16) Besitzer des Grundstücks gewesen ist. Diesen Beweis hat der Kläger nicht erbracht. Der Kläger hat weder Zeugen noch sonstige Beweismittel dafür benannt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit etwa auf dem Grundstück gesehen worden ist. Entgegen der vom Kläger auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2006 geäußerten Auffassung, war er hierzu auch nicht etwa wegen einer Umkehr der Beweislast oder aus sonstigen Rechtsgründen befreit (vgl. zu den Grundsätzen der Beweislastverteilung Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., vor § 284 Rdnr. 15 ff.). Nachdem der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 30. Januar 2002 das Betreten des Grundstücks untersagt hatte, hat der Beklagte zwar mit einem Schreiben seines damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 8. Februar 2002 geltend gemacht, dass er das Verhalten des Klägers als verbotene Eigenmacht werte und auf einer ungestörten Besitzausübung bestehe. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um den Vortrag des Beklagten, wonach er sich an das Zutrittsverbot des Klägers vom 30. Januar 2002 strikt gehalten und das Grundstück seit diesem Zeitpunkt nicht mehr betreten habe, zu widerlegen. Der Beklagte hat nach Auffassung des Senats in seinem damaligen Schreiben lediglich auf die aus seiner Sicht bestehende Rechtslage verwiesen, nicht jedoch erklärt, dass er das Grundstück auch tatsächlich in Besitz habe und diesen Besitz auch weiterhin ausüben werde. Der Senat vermag dem Kläger auch insoweit nicht zu folgen, als dieser einen darüber hinausgehenden Vortrag des Beklagten zur Besitzaufgabe verlangt. Nachdem der Kläger quasi ein Hausverbot ausgesprochen hatte, entfiel ein unmittelbarer Besitz des Beklagten ab dem Zeitpunkt, ab dem er dem Zutrittsverbot Folge leistete. Der Beklagte hat nach seinem, vom Kläger durch andere Tatsachen nicht widerlegten Vortrag, genau das getan, was der Kläger von ihm wollte:

Deshalb ist es nach wie vor Sache des Klägers eine bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit über die Dauer von rund 3 Jahren fortdauernde Besitzausübung des Beklagten darzulegen und zu beweisen.

2. Entfernung der Baulichkeiten

Der Kläger kann vom Beklagten Entfernung der von ihm durch Kaufvertrag mit B. vom 4. September 1996 erworbenen Baulichkeiten nicht verlangen.

Da zwischen den Parteien kein Mietverhältnis besteht, indem etwa wie in dem Mietvertrag zwischen dem Kläger und B. unter § 11 Abs. 4 eine Verpflichtung des Mieters zur Entfernung aller Baulichkeiten nach Ende des Mietverhältnisses enthalten ist, scheidet ein vertraglicher Anspruch aus.

Der Kläger kann aber auch nach § 1004 Abs. 1 BGB keine Entfernung der Baulichkeiten verlangen. Auszugehen ist von Folgendem:

Die auf dem Grundstück enthaltenen Baulichkeiten waren von den ehemaligen Bezirksberechtigten im Einverständnis mit dem Kläger errichtet worden und auf Grund übereinstimmender vertraglicher Regelungen Scheinbestandteile im Sinne des § 95 BGB. Da die Errichtung mit Einwilligung des Klägers erfolgt war, hätte mangels etwaiger vertraglicher Ansprüche einem während der Dauer der Nutzungsverhältnisse geltend gemachten Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB die fehlende Rechtswidrigkeit der „Störung“ entgegengestanden. Nach Beendigung des ersten Nutzungsverhältnisses wäre allerdings eine Rechtfertigung zur Duldung der Aufbauten entfallen, so dass der Kläger die Entfernung der Baulichkeiten nach § 1004 Abs. 1 BGB hätte verlangen können. Nachdem diese von B. (der nach dem Mietvertrag mit dem Kläger ebenfalls zur Entfernung nach dessen Beendigung verpflichtet war) an den Beklagten verkauft worden waren, hatte dies nach Beendigung des Mietverhältnisses mit B. zur Folge, dass der Beklagte die Entfernung der Baulichkeiten jedenfalls nicht als Handlungsstörer schuldete. Insoweit wäre die Verursachung der Beeinträchtigung durch ihn selbst erforderlich gewesen; diese lag jedoch nicht vor.

18Der Kläger kann sich aber auch nicht (mehr) darauf berufen, dass der Beklagte die Entfernung der Baulichkeiten als „Zustandsstörer“ schuldet. Zwar ist der Beklagte Eigentümer der Baulichkeiten geworden, von denen die Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers ausgeht. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um ihn als Zustandsstörer zu werten. Der Bundesgerichtshof hat u.a. mit Urteil vom 4. Februar 2005 (V ZR 142/04 - NJW 2005, 1366, 1368/1369) ausgesprochen, dass die Annahme der Störereigenschaft eine wenigstens mittelbar auf den Willen des Störers zurückführende Eigentumsbeeinträchtigung voraussetzt. Ob diese Voraussetzungen hier vorlagen, kann dahinstehen. Auszugehen ist nämlich davon, dass die negatorische Verantwortlichkeit des Eigentümers der störenden Sache dann entfällt, wenn seine Eigentümerstellung endet, wobei dies auch und gerade durch Dereliktion möglich ist. Der Senat schließt sich der insbesondere von Gorsky (Staudinger [1999], § 1004 Rdnr. 112 ff.) hierzu vertretenen Auffassung an. Für den dinglichen Rechtsbehelf aus § 1004 BGB besteht kein Bedürfnis mehr, wenn der Anspruchsgegner keine dem Eigentümer vorbehaltene Herrschaftsbefugnis an der Sache ausübt. Die Rechtslage ist vergleichbar mit derjenigen, in der nach Übereignung der störenden Sache die (Zustands-) Störereigenschaft auf den nunmehrigen Eigentümer übergeht. Auch hier endet die Verpflichtetstellung für den negatorischen Anspruch, so dass bei Beendigung der Eigentumsstellung durch Dereliktion nichts anderes gelten kann. Da der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat sein Eigentum an den Baulichkeiten wirksam aufgegeben hat, endete spätestens zu diesem Zeitpunkt seine etwaige Haftung als Handlungsstörer, so dass der Kläger Beseitigung nach § 1004 Abs. 1 BGB nicht mehr verlangen kann.

Unberührt hiervon bleiben allerdings etwaige dem Kläger durch die Beseitigung der Baulichkeiten entstehenden Kosten, für deren Ersatz der Beklagte nach §§ 823 Abs. 1, 249 BGB verpflichtet wäre.

3. Nutzungsentschädigung

Die Berufung ist begründet, da die Voraussetzungen der §§ 987 ff. BGB im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht vorliegen.

Wie oben unter Ziffer II. 1. ausgeführt, ist ein Besitz des Beklagten an dem Grundstück in der Zeit vom 1. Februar 2002 bis zum 1. Januar 2004 nicht nachgewiesen. Da eine Vindikationslage im Sinne des § 985 BGB fehlte, scheiden Entschädigungsansprüche nach §§ 987 ff. BGB schon von daher aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, soweit sie die Frage angeht, ob die Zustandsstörerhaftung nach § 1004 Abs. 1 BGB auch durch Aufgabe des Eigentums an der störenden Sache endet. Der Senat verkennt nicht, dass der BGH (BGHZ 18253 ff.; 41, 393 ff.) zum Fortfall der Störereigenschaft durch Dereliktion Ausführungen getroffen hat; die damaligen Ausführungen des BGH (Wehrmachtsanlagen) sind jedoch nach Auffassung des Senats im Hinblick auf eine Rechtsfortbildung zu überprüfen, so dass die Voraussetzungen des § 543 ZPO gegeben sind.