Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 20.04.2006 - 10 WF 67/06
Fundstelle
openJur 2012, 3498
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Beklagten kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. Denn auch, wenn sie sich gegen die Abänderung der Jugendamtsurkunde vom 20.10.1992 nur für die Zeit bis einschließlich 18.12.2005 wendet, bietet ihre Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg,

§ 114 ZPO.

3Der Kläger verlangt Wegfall des durch die Jugendamtsurkunde vom 20.10.1992 titulierten Kindesunterhalts nach Eintritt der Volljährigkeit der Beklagten ab Februar 2005. Auch wenn die Klageschrift der Beklagten erst am 19.12.2005 zugestellt worden ist, kann Abänderung bereits ab Februar 2005 begehrt werden. Denn die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 Satz 1 ZPO gilt weder für Vergleiche (BGH - Großer Senat -, FamRZ 1983, 22; BGH, NJW 1990, 710; FamRZ 1991, 542; OLG Brandenburg - 1. Senat für Familiensachen - FamRZ 2004, 210; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 323, Rz. 46; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Schael, § 1, Rz. 398), noch für Jugendamtsurkunden (BGH, NJW 1990, 3274; FamRZ 1991, 542; OLG Köln, FamRZ 2000, 905; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 323, Rz. 47; FamVerf/Schael, a.a.O.). Dementsprechend können Vergleiche und Jugendamtsurkunden auch für die Zeit bis zur Klageerhebung abgeändert werden. Bei der Anpassung ist der beklagte Unterhaltsgläubiger durch §§ 242, 818 Abs. 3 BGB geschützt (BGH - Großer Senat -, FamRZ 1983, 22, 23; FamRZ 1990, 989, 990; FamVerf/Schael, a.a.O.). Angesichts dessen kann vorliegend auch der Kläger mit der am 2.10.2005 eingereichten Klage Abänderung der Jugendamtsurkunde bereits ab Februar 2005 verlangen.

4Die Beklagte weist mit der Beschwerde zur Recht darauf hin, dass sie vorliegend nicht in den Genuss des Schutzes durch den Einwand der Entreicherung, § 818 Abs. 3 BGB, kommt. Denn sie hat innerhalb des Abänderungszeitraums ab Februar 2005 keine Unterhaltsleistungen mehr vom Kläger erhalten. Sie kann sich aber entgegen der in der Beschwerdeschrift dargestellten Rechtsauffassung nicht auf die Vorschrift des § 242 BGB berufen. Daher kann dahinstehen, ob dieser Vorschrift zum Schutz des Unterhaltsgläubigers neben § 818 Abs. 3 BGB überhaupt eigenständige Bedeutung zukommt, obwohl immer dann, wenn tatsächlich kein Unterhalt gezahlt worden ist, aber materiell-rechtlich auch kein Unterhaltsanspruch mehr gegeben war, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers dahin, dass der Unterhalt noch nicht weggefallen ist, zumindest zweifelhaft erscheint. Denn vorliegend kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass die rückwirkende Abänderbarkeit des Vollstreckungstitels mit Treu und Glauben unvereinbar wäre und sie unbillig belasten würde.

5Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger die Beklagte unstreitig mit Anwaltschreiben vom 21.5.2005, der Beklagten zugestellt am 24.5.2005, zur Auskunft über die Höhe ihres eigenen Einkommens und über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihrer Mutter aufgefordert und gleichzeitig den Anspruch auf Herausgabe des Unterhalts geltend gemacht hat. Angesichts dessen war der Beklagten spätestens ab 24.5.2005 ausdrücklich bekannt, dass der Kläger den Wegfall des titulierten Unterhalts begehrt. Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, warum die Beklagte meint, nach Treu und Glauben könne Abänderung der Jugendamtsurkunde erst mit Klagezustellung verlangt werden.

Doch auch für die Zeit vom 1.2. bis 24.5.2005 stehen Treu und Glauben einer Abänderung der Jugendamtsurkunde nicht entgegen. Der Kläger hat unmittelbar nach Eintritt der Volljährigkeit der Beklagten die titulierten Unterhaltsleistungen eingestellt. Wenn die Beklagte der Meinung gewesen wäre, nach wie vor einen Unterhaltsanspruch zu haben, hätte sie den Unterhalt im Wege der Zwangsvollstreckung beitreiben können. Da dies nicht geschehen ist, belastet es die Beklagte auch nicht unbillig, wenn nachträglich festgestellt wird, dass ein Unterhaltsanspruch bereits ab Februar 2005 nicht mehr bestanden habe. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte nicht etwa geltend gemacht hat, auf den Unterhalt noch dringend angewiesen zu sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.