KG, Urteil vom 06.02.2006 - 23 U 206/04
Fundstelle
openJur 2012, 3140
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. August 2004 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 100 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger, der bis zur Einziehung seines Geschäftsanteils neben den Gesellschaftern H. K. und B. an der K. I. Berlin (...) GmbH beteiligt war, begehrt die Feststellung, dass auf einer Gesellschafterversammlung vom 13. Januar 2004 mit seinen Stimmen gegen die Stimmen der drei anderen Gesellschafter beschlossen worden sei, dass zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Gesellschafter H. ein Rechtsanwalt beauftragt werde.

Der Geschäftsanteil des Klägers ist durch Gesellschafterbeschluss vom 27. Oktober 1997 eingezogen worden. Die hiergegen gerichtete Nichtigkeitsfeststellungsklage des Klägers ist vom 2. Zivilsenat des Kammergerichts mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Juli 2002 - 2 U 31/01 - abgewiesen worden (B 1 = Bl. 26 ff. d.A.). In diesem Urteil hat das Kammergericht festgestellt, dass die Einziehung des Geschäftsanteils wegen zumindest grob fahrlässiger Verletzung wichtiger Interessen der Beklagten und schwerwiegender Störung des Vertrauensverhältnisses gerechtfertigt war. Um die Auszahlung der von einem Sachverständigen ermittelten Abfindungssumme wird gegenwärtig im Urkundenprozess gestritten (KG - 23 U 130/05).

Auf einer Gesellschafterversammlung vom 26. August 2003 wurde der Beschluss gefasst, dass die Gesellschaft Schadensersatzansprüche gegen den Gesellschafter H. geltend machen solle. In dem hiergegen von dem Gesellschafter H. angestrengten Anfechtungsprozess hat sich die Beklagte (ohne Beteiligung der anderen Gesellschafter) im Vergleichswege verpflichtet, den Beschluss nicht zu vollziehen (B 3 = Bl. 110 d.A.). Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, die jetzt im Berufungsverfahren (KG - 14 U 15/05) anhängig ist.

In einer auf Initiative des Klägers einberufenen Gesellschafterversammlung vom 13. Januar 2004 wurde über den Antrag des Klägers, zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Gesellschafter H. einen namentlich benannten Rechtsanwalt zu beauftragen, abgestimmt. Der Kläger stimmte mit 400 Stimmen dafür, die drei anderen Gesellschafter stimmten mit insgesamt 450 Stimmen dagegen. Ein Abstimmungsergebnis wurde nicht festgestellt.

Der Kläger vertritt unter Berufung auf § 11 Abs. 4 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags, der die Stimmabgabe selbst unmittelbar betroffener Gesellschafter ausschließt, die Ansicht, dass der von ihm beantragte Beschluss mehrheitlich zustandegekommen sei, da die Stimmabgabe des Gesellschafters H. (300 Stimmen) nichtig sei. Mit der Beschlussfeststellungsklage begehrt er die Feststellung des Beschlusses sowie die Feststellung, dass der gefasste ablehnende Beschluss nichtig sei.

Demgegenüber vertritt die Beklagte die Ansicht, dass die Stimmabgabe des Klägers, der sich seinerseits durch sein zur Einziehung seines Geschäftsanteils führendes Verhalten schadensersatzpflichtig gemacht habe, gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoße und nichtig sei, da er trotz wiederholter Aufforderungen seine unbestimmten Vorwürfe gegen den Gesellschafter H. nicht konkretisiert habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. August 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die Stimmabgabe des Klägers wegen evident nicht gegebener Schadensersatzansprüche treuwidrig und daher nichtig sei. Gegen das ihm am 15. Oktober 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. November 2004 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 17. Januar 2005 begründet.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass in der Versammlung der Gesellschafter der Beklagten am 13. Januar 2004 in Berlin mehrheitlich der Beschluss gefasst wurde, zur Umsetzung des Gesellschafterbeschlusses vom 26. August 2003 wegen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen G. H. Herrn Rechtsanwalt C.-F. W. aus der Kanzlei E. und S., K.straße ... in ... B. mit der außergerichtlichen sowie gerichtlichen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen G. H. zu beauftragen,

2. den in der Versammlung der Gesellschafter der Beklagten am 13. Januar 2004 in Berlin gefassten Beschluss, zur Umsetzung des Gesellschafterbeschlusses vom 26. August 2003 wegen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Gert H.n nicht Herrn Rechtsanwalt C.-F. W. aus der Kanzlei E. und S., K.straße ... in ... B. mit der außergerichtlichen sowie gerichtlichen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen G. H. zu beauftragen, für nichtig zu erklären.

Der Kläger beantragt ferner,

die Revision zuzulassen, es bei der Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung gemäß §§ 711 Satz 2, 710 ZPO zu belassen und die Schutzanordnungen aus § 712 ZPO zu treffen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertieft nach gerichtlichem Hinweis auf ihre Darlegungslast für den Einwand treuwidrigen Abstimmungsverhaltens ihre Ausführungen zum schädigenden Verhalten des Klägers in der Vergangenheit und dessen Ursächlichkeit für die späteren Maßnahmen des Gesellschafters H., die ihm der Kläger nunmehr vorhält. Insoweit wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 30. Januar 2006 (Bl. 232 ff d.A.) sowie die Erwiderung des Klägers vom 1. Februar 2006 (Bl. 242 ff. d.A.) verwiesen.

II. Die Berufung des Klägers wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist daher zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel des Klägers keinen Erfolg.

1. Hinsichtlich der Frage, ob die Stimmabgabe des Klägers in der Gesellschafterversammlung vom 13. Januar 2004 wegen Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht nichtig ist, neigt das Berufungsgericht allerdings zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen der Beklagten nicht ausreicht, um eine solche Feststellung treffen zu können. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass Schadensersatzansprüche gegen den Gesellschafter H., wie sie der Kläger behauptet, offensichtlich nicht in Betracht kommen. im Hinblick auf die geringen Anforderungen, die an die Darlegung von Schadensersatzansprüchen in einer Beschlussvorlage zu stellen sind (vgl. BGH, NJW 1986, 2051, 2053), würde der Senat eine Treuwidrigkeit bei der Antragstellung und Stimmabgabe im vorliegenden Fall verneinen.

2. Letztlich kommt es auf Fragen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht hier aber nicht an. Denn die Klage ist bereits deswegen unbegründet, weil der Kläger nicht mehr Gesellschafter der Beklagten ist und nach Verlust seiner Mitgliedschaftsrechte keine Beschlüsse mehr zur Abstimmung stellen, nicht an Abstimmungen teilnehmen und erst recht nicht die Feststellung von ihm selbst gefasster Beschlüsse betreiben kann.

Der Kläger ist, auch wenn das ihm zustehende Abfindungsguthaben noch nicht an ihm ausgezahlt ist, mit Bekanntgabe des rechtmäßigen Einziehungsbeschlusses vom 27. Oktober 1997 aus der beklagten Gesellschaft ausgeschieden. Damit sind seine Mitgliedschaftsrechte erloschen.

Die Frage, ob die Zwangseinziehung des Geschäftsanteils bereits mit der Bekanntgabe des Einziehungsbeschlusses an den betroffenen Gesellschafter oder erst mit der Zahlung des Abfindungsbetrages wirksam wird, ist im Schrifttum umstritten. In der Rechtsprechung wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass der Einziehungsbeschluss unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass das Abfindungsguthaben aus Mitteln des nicht gebundenen Gesellschaftsvermögens gezahlt werden kann und gezahlt wird (vgl. KG, KGR 2000, 25, 26 m.w.N. zu Schrifttum und Rechtsprechung). Der Bundesgerichtshof hat sich abschließend zu dieser Frage noch nicht geäußert (vgl. BGH, Urt. vom 20.02.1995 - II ZR 46/94, NJW-RR 1995, 667, 669 mit Nachweisen zum Meinungsstand; zweifelnd auch BGH, NJW 2004, 1865). In älteren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof für den Fall, dass ein Gesellschafter aufgrund der Satzung durch Gesellschafterbeschluss ausgeschlossen wird, angenommen, dass der Betroffene mit demrechtmäßigenAusschließungsbeschluss seine Gesellschafterrechte verliert (BGHZ 88, 320, 324; 32, 17, 23).

Der Senat hält die zuletzt zitierte Ansicht für richtig. Das GmbHG sieht eine aufgeschobene Wirksamkeit von Ausschließungsbeschlüssen oder Einziehungsbeschlüssen nicht vor. Es sprechen auch gewichtige Gründe dagegen. Das Kammergericht hat die Nachteile, die mit einer fortdauernden Einflussnahme des ausgeschiedenen Gesellschafters auf die Geschäfte der Gesellschaft verbunden sind, in der zitierten Entscheidung (KG, KGR 2000, 25) eindringlich ausgeführt. Der wesentliche Nachteil besteht darin, dass in den zahlenmäßig häufigeren Fällen, in denen der Ausschluss oder die Einziehung durch ein gesellschaftsschädigendes Verhalten gerechtfertigt war, durch die Konstruktion einer bis zur Auszahlung der Abfindung fortbestehenden Gesellschafterstellung der mit dem Ausschluss verfolgte Zweck, endgültig jede weitere schädliche Einwirkung des ausgeschlossenen Gesellschafters auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft zu verhindern, zunichte gemacht wird.

Die Ausschließung eines Gesellschafters (oder die Einziehung seines Geschäftsanteils) bildet in der forensischen Praxis in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle den Schlusspunkt eines länger andauernden Konflikts unter den Gesellschaftern, der von den gegnerischen Seiten regelmäßig mit großer Verbissenheit und unter Ausnutzung aller gesellschaftsrechtlichen und prozessualen Möglichkeiten, mit widerstreitenden Beschlussanträgen, sich widersprechenden Beschlüssen sowie darauf folgenden Anfechtung- und Nichtigkeitsfeststellungsklagen, häufig auch weiteren Auskunfts- und Schadensersatzklagen geführt wird. In der Regel enden diese für die Gesellschaft ruinösen Auseinandersetzungen erst dann, wenn eine der streitenden Parteien die Gesellschaft durch ihr Verhalten nachweisbar in so schwerwiegender Weise geschädigt hat, dass in erfolgversprechender Weise Ausschließungsklage erhoben oder eine Ausschließung oder Einziehung beschlossen werden kann.

Nach erfolgreicher, d.h. durch rechtskräftiges Urteil angeordneter oder bestätigter Ausschließung treffen naturgemäß widerstreitende Interessen aufeinander. Die Gesellschaft und die in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter haben das berechtigte Interesse, das Unternehmen nunmehr ungestört durch schädliche Einwirkung des Ausgeschlossenen fortführen zu können. Der ausgeschlossene Gesellschafter hat ein ebenfalls schutzwürdiges Interesse an der Sicherung seines Abfindungsanspruchs. Die Höhe des Abfindungsanspruchs ist häufig streitig und muss erst durch Sachverständigengutachten ermittelt werden. Aber auch wenn die Höhe des Abfindungsguthabens feststeht, verzögert sich die Auszahlung in der Mehrzahl der Fälle, weil der Gesellschaftsvertrag zur Erhaltung der Liquidität häufig eine Auszahlung in langfristig verteilten Raten vorsieht.

Die Abwägung der widerstreitenden Interessen der Gesellschaft an einer ungestörten Geschäftstätigkeit und des ausgeschlossenen Gesellschafters an der Sicherung seines Abfindungsanspruchs muss nach Ansicht des Senats jedenfalls in den Fällen, in denen die Ausschließung auf einem gesellschaftsschädigenden Verhalten des Ausgeschlossenen beruht, zugunsten der Gesellschaft und ihrer verbleibenden Gesellschafter ausfallen. Hierfür spricht zunächst der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass jeder die tatsächlichen und rechtlichen Nachteile, die sich aus eigenem schuldhaft rechtswidrigen Verhalten ergeben, vorrangig selbst zu tragen hat.

Es sprechen ferner ein Reihe praktischer Gesichtspunkte dafür. Die gerichtliche Praxis zeigt, dass ausgeschlossene Gesellschafter die ihnen von der herrschenden Meinung bisher eingeräumte Möglichkeit, sich an der Willensbildung der Gesellschaft bis zur vollständigen Auszahlung ihres Abfindungsguthabens zu beteiligen, häufig missbrauchen. Eine Vielzahl von Beschlussanfechtungsprozessen wird ohne reales Interesse am konkreten Streitgegenstand nur deswegen geführt, weil ausgeschlossene Gesellschafter den anderweitig anhängigen oder bereits rechtskräftig entschiedenen Streit über die Berechtigung ihrer Ausschließung auf diesem Wege ausweiten oder fortsetzen wollen. Daneben gibt es die zahlreichen Fälle, in denen ausgeschlossene Gesellschafter durch missbräuchlichen, obstruktiven Einsatz der ihnen zugebilligten, fortbestehenden Gesellschafterrechte eine Erhöhung oder beschleunigte Auszahlung ihrer Abfindung durchzusetzen versuchen.

Aber auch wenn der Prozessführung keine unlauteren Motive zugrundeliegen, erweist sich die mit der Zubilligung fortbestehender Klagerechte beabsichtigte Rechtswohltat in der Mehrzahl der Fälle eher als Übel. Die eigentlichen Streitpunkte, um die es in Einziehungs- und Ausschließungsfällen naturgemäß geht, sind die Frage, ob ein wichtiger Ausschließungsgrund vorliegt, und zweitens ggf. der Streit über die Höhe der Abfindung. Statt sich auf die Klärung dieser Fragen zu konzentrieren, verzetteln sich viele Parteien in vorgelagerten Beschlussanfechtungsverfahren, die zur Klärung der streitigen Kernfragen letztlich nichts beitragen und allenfalls eine weitere Verhärtung der Fronten bewirken. Das prozessuale Geplänkel auf Nebenkriegsschauplätzen führt rein tatsächlich zu einer unnötigen Verzögerung der abschließenden Auseinandersetzung und Wiederherstellung des Rechtsfriedens. Zur Illustration kann auf das von den Parteien dieses Rechtsstreits erzeugte Prozessaufkommen verwiesen werden. Zwischen den hier streitenden Parteien und den weiteren Gesellschaftern sind oder waren allein beim Kammergericht seit 2001 mindestens 8 Prozesse anhängig. Deren Erledigung hat die abschließende Streitbeilegung zwischen den Parteien (und anderen rechtssuchenden Parteien) naturgemäß verzögert. Inzwischen streiten die Parteien in dem Rechtsstreit 23 U 130/05, um die Zahlung einer ersten Tranche der Abfindung des Klägers.

Der Senat verkennt nicht, dass es nicht selten auch Fälle gibt, in denen die ausschließenden Gesellschafter die Auszahlung des Abfindungsguthabens zu verzögern oder gar zu vereiteln suchen. Hiergegen muss und kann sich der betroffene Abfindungsgläubiger aber mit den allgemeinen schuldrechtlichen Ansprüchen (Auskunftsklage, Zahlungsklage, ggf. Schadensersatzklage) zur Wehr setzen. Ein zwingender Grund, dem Abfindungsgläubiger über den Zeitpunkt der Ausschließung oder Einziehung hinaus die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten zu erlauben, besteht nach Ansicht des Senats nicht, jedenfalls nicht in Fällen, in denen - wie hier - die Einziehung aus wichtigem Grund wegen zumindest grob fahrlässiger Verletzung wichtiger Interessen der Beklagten und schwerwiegender Störung des Vertrauensverhältnisses beschlossen und der Beschluss durch rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711, 543 II 1 ZPO. Die Revision wurde zugelassen, weil die Frage, ob Gesellschafter, deren Geschäftsanteile eingezogen worden sind, noch Mitgliedschaftsrechte geltend machen können, von grundsätzlicher Bedeutung und vom Bundesgerichtshof bisher nicht abschließend entschieden ist. Der beantragte Vollstreckungsschutz konnte mangels Begründung des Antrags nicht gewährt werden.