KG, Urteil vom 09.12.2005 - 14 U 52/04
Fundstelle
openJur 2012, 2861
  • Rkr:

Zur Unzulässigkeit des Nachschiebens von Gründen bei der Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses einer Aktiengesellschaft

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 05. Februar 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 95 O 122/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen Hauptversammlungsbeschlüsse der Beklagten und begehrt die Nichtigerklärung der Beschlüsse vom 04. Juli 2003, soweit darin Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung für das Geschäftsjahr 2002 erteilt und ein Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2003 bestellt wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beschlüsse weder nichtig noch anfechtbar seien. Der Wahl des Abschlussprüfers stünden keine gesetzlichen Hinderungsgründe entgegen, eine Sittenwidrigkeit der Wahl könne ohne nähere Angaben nicht festgestellt werden und die vorgetragenen Tatsachen rechtfertigten auch eine Anfechtbarkeit nicht. Eine behauptete Nichtigkeit des erstellten Jahresabschlusses für 2002 sei im Rahmen der fristgebundenen Anfechtungsklage nicht mehr zu berücksichtigen. Ebenso stünden der Wirksamkeit der Entlastungsbeschlüsse keine schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstöße von Vorstand oder Aufsichtsrat entgegen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 25. Februar 2004 zugestellte Urteil am 23. März 2004 Berufung eingelegt und diese am 12. Mai 2004 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. Mai 2004 verlängert worden war.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr Klagebegehren wie in erster Instanz weiter. Sie ist der Meinung, sie habe die Nichtigkeit des Jahresabschlusses für 2002 bereits in der Klageschrift und damit innerhalb der Frist des § 246 AktG ausreichend dargelegt. Es liege lediglich eine nachträgliche Berichtigung bzw. Ergänzung des Tatsachenvortrages vor, was zulässig sei. Die zum Abschlussprüfer bestellte Gesellschaft sei wegen laufender Schadensersatzverhandlungen befangen gewesen. Der Jahresabschluss zum 31.12.2002 sei nichtig, da Risiken in Höhe von 21,6 Milliarden Euro zu berücksichtigen gewesen wären, weil jedenfalls Absprachen mit dem Land Berlin über eine Risikoabschirmung und eine Neutralisierungsvereinbarung vor einer Genehmigung durch die Europäische Kommission nicht ausgleichend hätten berücksichtigt werden dürfen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 05.02.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin, Az. 95 O 122/03, die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 04.07.2003 durch welche die Entlastung des Vorstands (Punkt 2 der Tagesordnung) und des Aufsichtsrats (Punkt 3 der Tagesordnung) erteilt sowie die P., zum Abschlussprüfer und zum Konzernabschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2003 (Punkt 7 der Tagesordnung) gewählt wurden, für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sie meint, die Bilanz sei nicht nichtig und legt ein entsprechendes Urteil des Landgerichts Berlin (95 O 98/04) vom 04. August 2005 vor, das eine Nichtigkeit geprüft und abgelehnt habe. Außerdem sei die Klägerin mit einem entsprechenden Vortrag präkludiert, da er nicht binnen der Frist des § 246 Abs. 1 AktG erfolgt sei.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin sich nicht auf eine Nichtigkeit der am 04. Juli 2003 in der Hauptversammlung der Beklagten getroffenen Beschlüsse hinsichtlich der Wahl des Abschlussprüfers für 2003 und hinsichtlich der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für das Jahr 2002 berufen kann.

Die Beschlüsse sind nicht nichtig im Sinne des § 241 Ziffer 3 und 4 Aktiengesetz. Hinsichtlich der Wahl der P. zum Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2003 hat die Klägerin auch in zweiter Instanz Hinderungsgründe gemäß § 319 Abs. 2 und 3 HGB nicht dargetan, so dass eine Nichtigkeit gemäß § 241 Ziffer 3 AktG nicht in Betracht kommt. Auch ein Verstoß gegen die guten Sitten bei der Wahl des Abschlussprüfers, der gemäß § 241 Ziffer 4 AktG zu einer Nichtigkeit des Beschlusses führen könnte, ist nicht ersichtlich.

Ebenso wenig hat die Klägerin darlegen können, dass die Entlastungsbeschlüsse unter Verstoß gegen das Wesen der Aktiengesellschaft, die guten Sitten oder unter Verletzung überwiegend gläubigerschützender Vorschriften zustande gekommen wären. Die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat stellt eine billigende interne Maßnahme der Gesellschaft dar, mit der die Hauptversammlung gegenüber den handelnden Organen zum Ausdruck bringt, die Verwaltung im Wesentlichen zu billigen. Die Entlastung hat keine Außenwirkung, zumal ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche mit dem Entlastungsbeschluss gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG gerade nicht verbunden ist.

Die angegriffenen Beschlüsse sind auch nicht anfechtbar im Sinne der §§ 243, 246 AktG, denn die Klägerin hat binnen der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG keine Tatsachen vorgetragen, die einen Anfechtungsgrund im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG darstellen.

Soweit die Klägerin die Wahl des Abschlussprüfers angreift, hat sie auch in zweiter Instanz keinen konkreten Sachverhalt mehr dargelegt, der die bereits in der Klageschrift behauptete Befangenheit des Abschlussprüfers rechtfertigen würde. Soweit sie mit der Berufungsbegründung noch einen Zeitungsartikel aus dem Handelsblatt vom 31.03.2004 vorlegt, in dem Schadensersatzansprüche gegenüber dem Abschlussprüfer angesprochen seien, hat sie auch weiterhin keine konkreten Tatsachen angeben können, aus denen sich ableiten ließe, dass die zum Abschlussprüfer bestellte P. wegen möglicher Verhandlungen mit der Beklagten über mögliche fehlerhafte Prüfungsleistungen in einer Art und Weise befangen wäre, dass sich daraus eine Gesetzes- oder Satzungsverletzung herleiten ließe. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof am 25.11.2002 entschiedenen Fall (NJW 2003, 970, 972) fehlt es hier gerade an einer konkreten Schadensersatzregelung wegen eines vorausgegangenen Sachverhaltes, während dort bereits eine konkreter Schadensersatzbetrag gezahlt worden war.

18Die Klägerin kann sich für eine Anfechtbarkeit des Beschlusses zur Wahl des Abschlussprüfers nicht auf eine von dem Abschlussprüfer angeblich trotz Nichtigkeit testierte Bilanz auf den Stichtag 31. Dezember 2002 berufen, da sie diesen Anfechtungsgrund nicht binnen der Frist des § 246 Abs. 1 AktG geltend gemacht hat. Grundsätzlich ist es im Rahmen der Anfechtungsklage neben der Klageerhebung erforderlich, dass die behaupteten Anfechtungsgründe innerhalb der Frist in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern dargelegt werden (vgl. Hüffer, Aktiengesetz, 6. Auflage 2004, § 246 Rn. 26 mit weiteren Nachweisen). Hiervon geht auch die Klägerin zutreffend aus, sie meint jedoch, sie habe die Nichtigkeit der Bilanz bereits im Kern in der Klageschrift angesprochen. Dies ist indessen nicht der Fall. Die Klageschrift befasst sich überhaupt nicht mit einem konkreten Jahresabschluss sondern beinhaltet lediglich allgemeine Ausführungen zum „Berliner Bankenskandal“, der gerichtsbekannt sei, sowie Angriffe gegen die Tätigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat in den zurückliegenden Jahren im Allgemeinen. Hinsichtlich der Bilanzen hatte die Klägerin in der Klageschrift ausgeführt, dass die Verluste der Beklagten in Höhe von rund 25 Milliarden Euro zwar im Jahr 2001 und in den Jahren zuvor in den Bilanzen durch Wertberichtigungen berücksichtigt worden seien, das Land Berlin eine Landesbürgschaft zur Verfügung gestellt habe und die Bilanz des Konzerns für das Geschäftsjahr 2002 weiter einen Konzernverlust von 2.222.077.000 Euro ausgewiesen habe. Die Nichtigkeit der Bilanz stützt die Klägerin jedoch nach Ablauf der Frist des § 246 Abs. 1 AktG im Wesentlichen auf die unterlassene Bildung von Rückstellungen in Höhe von 21,6 Milliarden Euro, obwohl der Konzern für diese Verluste einzustehen gehabt habe. Bei diesem Vortrag handelt es sich nicht um eine nachträgliche Ergänzung oder Berichtigung bereits im Kern angegebener Tatsachen sondern um gänzlich neu vorgetragene Behauptungen, die als nachgeschobene Anfechtungsgründe nicht berücksichtigt werden können (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 09.11.1992, NJW 1993, 400, 404). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 22.07.2002 (NJW, 2002, 3465) zum Streitgegenstand der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage, da § 246 Abs. 1 AktG - auch - als materiellrechtliche Ausschlussfrist zu verstehen ist und das Verständnis eines einheitlichen Streitgegenstandes nicht ausschließt, dass die der Anfechtung zugrunde liegenden Tatsachen bereits im Rahmen der Frist mitgeteilt werden müssen (so jetzt ausdrücklich klarstellend BGH, Urt. v. 14.03.2005, ZIP 2005, 706; Falkenhausen/Kocher, Nachschieben von Gründen bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage, ZIP 2003, 426).

Die Klägerin kann sich schließlich nicht auf eine Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse berufen. Soweit sie die Anfechtbarkeit auf die Feststellung einer angeblich nichtigen Bilanz stützt, ist sie mit diesem Vortrag gemäß § 246 Abs. 1 AktG ausgeschlossen, wie vorstehend ausgeführt wurde. Unabhängig davon hat die Klägerin binnen der Anfechtungsfrist keine Tatsachen vorgetragen, die geeignet wären, einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß des Vorstandes oder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2002 zu begründen. Vielmehr hat sie im ersten Rechtszug lediglich pauschal unter Bezugnahme auf das Buch „Die ehrenwerte Gesellschaft - die Bankgesellschaft Berlin“ des Autors Matthew D. Rose unter anderem ein Missmanagement im Rahmen der Geschäftstätigkeit der Beklagten sowie eine fehlende Risikovorsorge gerügt, ohne im einzelnen konkrete Tatsachen darzulegen, die einen Verstoß gegen Gesetz oder Satzung darstellen könnten. Insbesondere fehlt es an jeglichem konkretem Vortrag zum Geschäftsjahr 2002, als die Beklagte bereits einzelne Maßnahmen zur Sanierung der Gesellschaft ergriffen und umgesetzt hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

Monatliche Ratenzahlungen auf eine Geldstrafe sind nicht als besondere Belastungen im Sinne des § 115 Abs. 1 S 3 Nr. 4 ZPO anzusehen, sondern aus dem zugebilligten Selbstbehalt zu erbringen.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte