FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.08.2005 - 1 B 1246/05
Fundstelle
openJur 2012, 2416
  • Rkr:
Tatbestand

Der Antragsteller hat sich zu 1/6 an der mit Gesellschaftsvertrag vom 26. August 2002 gegründeten "G GbR" beteiligt. Die anderen Gesellschafter sind xxxx P und xxxx S mit Beteiligungen von jeweils 1/3 und die Lebensgefährtin des Antragstellers, Frau Sxxx, mit 1/6. Zweck der Gesellschaft ist der Erwerb, die Modernisierung, Nutzung und Bewirtschaftung sowie Verwertung von Grundstücken.

Mit Kaufvertrag vom 9. Oktober 2002 erwarben die Gesellschafter das Wohn- und Geschäftshaus in Bxxx-xxx,Rxxx-xxx, mit Lastenwechsel zum 7. Dezember 2002 zu einem Kaufpreis von 197 489,00 Euro.

Nach Durchführung umfangreicher Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen bewohnt der Antragsteller seit Mitte April 2003 zusammen mit seiner Lebensgefährtin und einem gemeinsamen Kind die aus der Zusammenlegung zweier kleinerer Wohnungen hervorgegangene Wohnung im 2. Obergeschoss des Gebäudes.

Der Antragsteller beantragte die Gewährung einer Eigenheimzulage ab dem Kalenderjahr 2003, die ihm durch den Bescheid vom 12. Februar 2004 für die Jahre 2003 bis 2009 einschließlich in Höhe von 639,00 Euro (entsprechend 50 % von 1 278,00 Euro) zuzüglich einer Kinderzulage in Höhe von 384,00 Euro gewährt wurde.

Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch verfolgte der Antragsteller das Ziel einer Erweiterung des Förderungszeitraums auf das Jahr 2010. Zur Begründung trug er vor, dass zwar der Besitz am streitbefangenen Grundstück am 7. Dezember 2002 auf die GbR übergegangen sei, jedoch habe er erst aufgrund eines Beschlusses aller Gesellschafter den Besitz an der Wohnung im 2. Obergeschoss im Kalenderjahr 2003 erlangt.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens wies der Antragsgegner den Antragsteller darauf hin, dass der Fördergrundbetrag nur in Höhe seines Miteigentumsanteils von 1/6 zu gewähren sei und stellte eine entsprechende Verböserung in Aussicht. Da der Antragsteller seinen Einspruch aufrechterhielt, erließ der Antragsgegner am 27. April 2005 eine Einspruchsentscheidung, mit der zum einen der Einspruch zurückgewiesen wurde, was die begehrte Ausweitung des Förderungszeitraums anging und zum anderen die Zulage für die Jahre 2003 bis 2009 gekürzt wurde, weil der Antragsteller den Fördergrundbetrag nur in Höhe seines Miteigentumsanteils von 1/6 in Anspruch nehmen könne, also in Höhe von 213,00 Euro (zusammen mit der Kinderzulage: 597,00 €).

Was den Förderzeitraum angehe, beginne dieser mit dem Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung der Wohnung. Der Anspruch auf Förderung bestehe nur für die Kalenderjahre, in denen der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutze. Eine Wohnung sei angeschafft, wenn der Erwerber das wirtschaftliche Eigentum an dem Objekt erlange, was regelmäßig der Zeitpunkt sei, zu dem Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr auf ihn übergingen. Die Gesellschafter der GbR seien wirtschaftliche Eigentümer zum Zeitpunkt des im  Kaufvertrag vereinbarten Lastenwechsels geworden in Höhe ihres jeweiligen Anteils.

Einen Antrag auf Vollziehungsaussetzung hat der Antragsgegner abgelehnt.

Daraufhin hat der Antragsteller Klage erhoben, bei der es um die Höhe des Fördergrundbetrages und die Frage des Förderzeitraums geht. Zur Klagebegründung führt er an, dass die von ihm genutzte Wohnung infolge Zusammenlegung zweier Wohnungen von je 80 und 60 m² entstanden sei, wobei die kleinere Wohnung nicht mehr zu Wohnzwecken geeignet gewesen sei, weil sie nicht über Bad und WC verfügt habe. Wegen der Vereinbarung einer Nutzungsregelung zwischen den Gesellschaftern sei er, der Antragsteller, so zu stellen, als wäre er hälftiger wirtschaftlicher Eigentümer der von ihm genutzten Wohnung. Aufgrund der Nutzungsvereinbarung ergebe sich eine auf Dauer angelegte Beschränkung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums der die jeweilige Wohnung nicht bewohnenden Gesellschafter. Der Sachverhalt sei dem einer Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz vergleichbar, die aus Kostengründen unterblieben sei.

Unter Bezugnahme auf die Klagebegründung hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Vollziehungsaussetzung gestellt.

Er beantragt,

1. die Vollziehung des Bescheides über Eigenheimzulage vom 12. Februar 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2005 auszusetzen, soweit die für die Jahre 2006 bis 2009 zu gewährende Eigenheimzulage von 1 023,00 Euro pro Jahr auf 597,00 Euro pro Jahr und eine Rückzahlung von insgesamt 1 278,00 Euro festgesetzt ist,

2. die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben, ebenso bereits verwirkte Säumniszuschläge aufzuheben,

3. die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen,

4. hilfsweise, gegen die Entscheidung des Finanzgerichts die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Aussetzungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Gründe

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist durch die vom Antragsgegner ausgesprochene Ablehnung der Vollziehungsaussetzung eine der Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung -FGO- erfüllt.

Der Antrag ist aber nur zum Teil begründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66, Bundessteuerblatt -BStBl- III 1967, 382; seitdem ständige Rechtsprechung), wobei der Erfolg des Rechtsbehelfs nicht wahrscheinlicher sein muss als der Misserfolg.

In diesem Sinne bestehen im vorliegenden Fall bei der im Verfahren wegen vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Antragsgegner den Streitfall hinsichtlich des materiellen Rechts zutreffend beurteilt hat. Wegen des Erwerbs des Grundstücks in Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat der Antragsteller am Gesamtgrundstück einen ideellen Miteigentumsanteil erlangt. Wohnungen im Gesamthandsvermögen einer Gesellschaft werden nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung -AO- den Gesellschaftern nach den für Bruchteilseigentum geltenden Rechtsregeln als materielle Wirtschaftsgüter anteilig mit der Folge zugerechnet, dass die Gesellschafter nach Maßgabe der für Miteigentümer geltenden Rechtsregeln die Eigenheimzulage beanspruchen können (siehe § 9 Abs. 2 Satz 3 Eigenheimzulagegesetz -EigZulG-; vgl. auch Wacker, Eigenheimzulagegesetz, § 1 Tz. 4).

Dem Antragsteller als Miteigentümer einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung steht die Eigenheimzulage nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil zu, auch soweit andere Miteigentümer mangels Eigennutzung - in Bezug auf diese Wohnung - keinen Anspruch auf Eigenheimzulage haben (vgl. BFH, Urteil vom 5. Juni 2003 III R 47/01, BStBl II 2003, 744).

Die zum Klageverfahren 1 K 1191/05 eingereichte Nutzungsvereinbarung (dort Streitakte Bl. 20) führt zu keiner anderen Beurteilung: Allein die Tatsache, dass sich Miteigentümer mehrerer Wohnungen über die tatsächliche Nutzung dieser Wohnungen verständigen, genügt nicht für die Begründung wirtschaftlichen Alleineigentums an einer im Miteigentum stehenden Wohnung (siehe BFH, Urteil vom 4. April 2000 IX R 25/98, BStBl II 2000, 652 und ebenfalls vom 4. April 2000  IX R 26/98, n. v.).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zulagebescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung bestehen aber in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang aus verfahrensrechtlichen Gründen.

Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei dem Bescheid  über die Festsetzung der Eigenheimzulage um eine Mehrzahl von Regelungen, d. h. Verwaltungsakte im Sinne von § 118 AO, die in einem Bescheidformular zusammengefasst werden (wie hier: Wacker a. a. O., § 11 Tz. 18). Die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung trägt nach Meinung des Senats nicht dem materiellen Jahresprinzip Rechnung, wonach der Anspruch für jedes Jahr des Förderungszeitraums nach Maßgabe der in dem jeweiligen Jahr verwirklichten Tatbestandsmerkmale entsteht (vgl. Wacker a. a. O. Tzn. 17 und 18).

Diese rechtliche Beurteilung hat zur Folge, dass der Antragsgegner nicht befugt war, eine Verböserung des zunächst ergangenen Zulagebescheides im Rahmen der Einspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vorzunehmen, weil sich der Einspruch des Antragstellers nur auf die Nichtgewährung einer Zulage auch für das Jahr 2010 bezog und nicht gegen die Festsetzung der Zulage für die davor liegenden Jahre.

Allerdings war der Antragsgegner berechtigt, die Festsetzung de Zulage auch im Rahmen der Einspruchsentscheidung gemäß § 11 Abs. 5 EigZulG zu ändern, nachdem er die Fehlerhaftigkeit seiner bisherigen rechtlichen Beurteilung erkannt hatte, jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft unter Einschluss des Kalenderjahres der Neufestsetzung, hier also des Jahres 2005.

Eine anderweitige Änderungsvorschrift, die eine rückwirkende Änderung der Zulage auch für die Jahre 2003 und 2004 erlaubt hätte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere liegen bei summarischer Prüfung die Voraussetzungen einer Änderung zu Lasten des Antragstellers nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen nicht vor.

Der Senat hat die Beschwerde zugelassen. Allerdings beruht dies nicht auf den vom Antragsteller zur Begründung seines Hilfsantrags vorgetragenen Gründen, weil nicht zu erkennen ist, dass hinsichtlich der im Beschluss abgehandelten materiellen Rechtsfragen die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Beschwerdezulassung gemäß §§ 128 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO erfüllt wären. Hingegen war die Beschwerde nach diesen Bestimmungen zuzulassen wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts, was die Frage nach der Eigenschaft des Eigenheimzulagebescheides als Regelungsmehrheit oder -einheit angeht und die damit zusammenhängende Frage nach der Überprüfungsfähigkeit und Änderbarkeit gemäß § 367 Abs. 2 AO im Einspruchsverfahren.

Die Zulassung der Beschwerde war nach Auffassung des Senats nicht auf die Streitjahre 2003 und 2004 zu beschränken, da sich eine solche Beschränkung nur mit der Annahme einer Mehrzahl von im Zulagebescheid zusammenfassten Verwaltungsakte oder doch zumindest prozessual abtrennbaren, selbständigen Teilregelungen begründen ließe, diese Annahme aber gerade Grund für die Zulassung der Beschwerde und ggf. Gegenstand der Überprüfung im Beschwerdeverfahren ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß §§ 52, 63 Gerichtskostengesetz -GKG- bestimmt.

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