(Überlassen von Datev)
Für den Kläger wurde am 23.02.1995 das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ...-H. 4., für das in den Fahrzeugpapieren als Schadstoffschlüssel die Schlüsselnummer 15 ausgewiesen ist, zum Straßenverkehr zugelassen. Nach Datenübermittlung der Zulassungsstelle an das Rechenzentrum des Landes Brandenburg über die verkehrsrechtliche Zulassung des Fahrzeugs auf den Kläger, erging am 03.03.1995 ein sogenannter Fehlerhinweis an den Beklagten. Dieser Fehlerhinweis enthielt die durch Kennzahlen verschlüsselten Fahrzeugdaten sowie den Hinweis:
"Fehler 153 KZ 26017 2302952?
Schlüssel zur Kennzahl unzulässig"
Auf der Hinweismitteilung ist, ausweislich der beigezogenen Akten des Beklagten, handschriftlich hinter dem Fragezeichen der Schlüsselnummer die Zahl 6 sowie die Formulierung "Aufbau vom Finanzamt selber Kennzahl eingeben" vermerkt.
Die Kraftfahrzeugsteuer wurde daraufhin zunächst ab dem Entrichtungszeitraum 23.02.1995 unter Zugrundelegung eines Schadstoffschlüssels 01 festgesetzt. Der diesbezügliche Bescheid befindet sich nicht in den beigezogenen Akten; der Sachverhalt ist aber insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig.
Aufgrund eines erneuten Datenabgleichs vom 29.10.2002 stellte der Beklagte fest, dass bei der Zulassungsstelle nicht die Schlüsselnummer 01 sondern die Schlüsselnummer 15 erfasst war. Zur Beseitigung dieser Unstimmigkeit setzte der Beklagte, gestützt auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO), mit Bescheid vom 22.11.2002 die Kraftfahrzeugsteuer rückwirkend ab dem 23.02.1998 auf jährlich 669 EUR fest. In den Erläuterungen zu diesem Bescheid findet sich die Formulierung: "Bestandsabgleich. Änderung der Schlüsselnummer von 01 in 15." Der Bescheid löste einen weiteren Fehlerhinweis aus, da die zwischenzeitliche Steuertarifumstellung für Fahrzeuge mit der Schlüsselnummer 15 unberücksichtigt geblieben war. Mit Bescheid vom 27.11.2002 setzte der Beklagte daher die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 23.02.2000 bis 31.12.2000 auf 572 EUR, für die Zeit vom 01.01.2001 bis 22.02.2001 auf 109 EUR und ab dem 23.02.2001 auf jährlich 751 EUR fest.
Gegen die beiden Bescheide legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein, den er damit begründete, dass dem Beklagten die richtige Schlüsselnummer 15 von Anfang an bekannt gewesen sei. Es handele sich daher nicht um eine neue, nachträglich bekannt gewordene Tatsache, die zu einer Korrektur des ursprünglichen Steuerbescheides berechtige. Mit Schreiben vom 10.02.2003 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass versehentlich in dem Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 27.11.2002 eine falsche Korrekturvorschrift genannt worden sei. Die Änderung sei aber nach § 129 AO möglich gewesen, da es sich bei der falschen Erfassung der Schlüsselnummer offensichtlich um einen Schreib- bzw. Erfassungsfehler gehandelt habe. Hierauf teilte der Kläger mit, dass für ihn weder der Fehler noch die Ursache des Fehlers erkennbar gewesen sei. Es sei vielmehr von einer falschen Beurteilung der Besteuerungsgrundlagen durch den Beklagten auszugehen. Mit Einspruchsentscheidung vom 27.05.2003 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der zuständigen Bearbeiterin lediglich ein offensichtliches mechanisches Versehen unterlaufen sei. Die Schadstoffeinstufung durch die Zulassungsstelle sei für die Finanzbehörde als sog. Grundlagenbescheid im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO bindend, so dass die Finanzbehörde gar keine eigene rechtliche Wertung oder Feststellung treffen dürfe. Die Bearbeiterin habe auch lediglich eine unrichtige Kennziffer im Computer angesprochen, obwohl die Hinweismitteilung auf eine andere Kennziffer abgezielt habe.
Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass dem Beklagten die richtige Schlüsselnummer seit 1995 aufgrund entsprechender Mitteilungen der Zulassungsstelle bekannt gewesen sei. Von einem bloßen Schreibfehler könne mangels Offensichtlichkeit nicht ausgegangen werden. Vielmehr müsse die zuständige Mitarbeiterin eine entsprechende Fehlvorstellung hinsichtlich der Schlüsselnummer gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die Kraftfahrzeugsteuer vom 22.11.2002 und den Bescheid über die Kraftfahrzeugsteuer vom 27.11.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.05.2003 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner in der Einspruchsentscheidung dargelegten Rechtsauffassung fest. Ergänzend führt er aus, dass es sich bei einem Eingabefehler eines Amtsträgers der Finanzbehörde um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO handele, wenn keine greifbaren Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Eingabefehler auf rechtlichen Fehlvorstellungen beruhe (BFH-Beschlüsse vom 15.12.2000 V B 119/00 und vom 07.03.2002 VI B 4/02).
Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogene Kraftfahrzeugsteuerakte des Beklagten Bezug genommen.
Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Entgegen der Auffassung des Beklagten konnte der ursprüngliche Kraftfahrzeugsteuerbescheid, in dem als Bemessungsgrundlage für die Steuer die Schlüsselnummer 01 zugrundegelegt ist, nicht nach § 129 AO berichtigt werden. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die ihr bei Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof -BFH- sind ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i.S.d. § 129 AO einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche mechanische Versehen, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden können. Für das Übersehen zweifelsfreier und aus den vorliegenden Akten ersichtlicher Tatsachen stellt der BFH auch auf die Qualität des Fehlers ab. Ausdrücklich unterscheidet er bloße Ablese- und Übernahmefehler von Fehlern bei der Beurteilung von Tat- und Rechtsfragen. Bei Fehlern dieser Art scheidet die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit selbst dann aus, wenn nur eine mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums besteht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 05.02.1998 IV R 17/97, BStBl II 1998, 535) oder sie auf eine mangelnde Sachaufklärung zurückgehen (vgl. BFH-Urteile vom 04.11.1992 XI R 51/88, BFH/NV 1993, 403 und vom 16.03.2000 IV R 3/99, BStBl II 2000, 372). Denn eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter aber unterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen (BFH-Urteile vom 31.07.1990 I R 116/88, BStBl II 1991, 22, m.w.N.; vom 23.01.1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 359; BFH-Beschlüsse vom 27.05.1998 IV B 151/97, BFH/NV 1998, 1452; vom 12.04.1994 IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1, und vom 14.02.1995 IX R 101/93, BFH/NV 1995, 1033). Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist dabei jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen.
Unter Beachtung dieser Grundsätze war der Beklagte nicht berechtigt, den ursprünglichen Kraftfahrzeugsteuerbescheid rückwirkend nach § 129 AO zu berichtigen, denn es fehlt an einer einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit.
Aus der Hinweismitteilung vom 23.02.1995 ergibt sich, dass im Rahmen der Datenübermittlung von der Zulassungsstelle an das Rechenzentrum ein Fehler aufgetreten war, da andernfalls das Fragezeichen anstelle der erforderlichen Schlüsselnummer nicht erklärlich wäre. Aufgrund welcher Erkenntnisse die Bearbeiterin daraufhin manuell die Schlüsselnummer 01 eingegeben hat, lässt sich der beigezogenen Akte des Beklagten nicht entnehmen. Auch der Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass üblicherweise entweder telefonisch bei der Zulassungsstelle nachgefragt oder um eine erneute Übermittlung der Daten gebeten werde, ist für die Sachaufklärung wenig hilfreich. Denn mangels entsprechender Vermerke der Sachbearbeiterin lässt sich nicht feststellen, dass diese sich überhaupt um den Erhalt der bei der Zulassungsbehörde erfassten Schlüsselnummer bemüht hätte. Dies wäre jedoch zwingend geboten gewesen, da die Feststellungen der Zulassungsbehörde über den Schadstoffschlüssel gemäß § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) für den Beklagten bindend sind. Die manuelle Eingabe der falschen Schlüsselnummer ist damit dem Bereich der unterlassenen Sachverhaltsaufklärung zuzuordnen, die dem Beklagten von Amts wegen oblag, und schließt die Beurteilung als ähnliche offenbare Unrichtigkeit aus. Nicht ein mechanisches Versehen des Beklagten, sondern eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht, gegebenenfalls sogar eine eigenständige aber falsche Einstufung des Fahrzeugs in eine Schadstoffklasse, war die Ursache des Fehlers, zumindest liegt eine solche Annahme nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit.
Zudem ist die Unrichtigkeit des Schadstoffschlüssels in der ursprünglichen Steuerfestsetzung auch nicht offenbar im Sinne des § 129 AO, so dass eine Berichtigung nach dieser Vorschrift auch dann ausgeschlossen wäre, wenn es sich um ein mechanisches Versehen bei der Eingabe der Daten gehandelt hätte. Eine Unrichtigkeit bei der Steuerfestsetzung ist nur dann offenbar im Sinne der genannten Korrekturvorschrift, wenn sie sich ohne weiteres aus der Steuererklärung, dem Steuerbescheid und den vom Beklagten geführten Akten ergibt. Da sich in den Akten aber keinerlei Hinweis darauf befindet, dass die Schlüsselnummer richtigerweise mit der Zahl 15 zu erfassen gewesen wäre, ist die Unrichtigkeit nicht offenbar, so dass eine Änderung nach der Vorschrift des § 129 AO ausscheidet (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. 02.2005, 8 K 85/03, EFG 2005, 748).
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die rückwirkende Kraftfahrzeugsteueränderung auch nicht auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden, denn bei der Feststellung des Schadstoffschlüssels durch die Zulassungsbehörde handelt es sich nicht um einen Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO. Es trifft zwar zu, dass grundsätzlich die Zulassungsbehörden allein über die Einstufung eines Fahrzeugs in Schadstoffemissionsklassen entscheiden und deren Feststellungen für die Finanzbehörden verbindlich sind (§ 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KraftStG). Soweit in der Rechtsprechung diesbezüglich ausgeführt wird, dass diese Feststellungen, die im Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief ausgedrückt sind, den "Charakter" eines Grundlagenbescheids haben (BFH-Urteil vom 31.03.1998 VII R 116/97, BStBl II 1998, 487, Finanzgericht Köln, Urteil vom 15.11.2000, 6 K 2452/00, UVR 2001, 155), folgt daraus aber nicht, dass es sich von der rechtlichen Qualität her um einen Grundlagenbescheid im Sinne der §§ 175 Abs. 1 Nr. 1, 171 Abs. 10 AO handelt, dessen Berücksichtigung jederzeit innerhalb der Festsetzungsverjährung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen möglich wäre. Der genannten Rechtsprechung ist lediglich zu entnehmen, dass rückwirkende Änderungen von Kraftfahrzeugsteuerbescheiden hinsichtlich bindender Feststellungen der Zulassungsbehörde deshalb nicht möglich sind, weil erst ab dem Tag der geänderten Feststellung durch die Zulassungsbehörde diese Feststellungen für die Finanzbehörde bindend sind. Dass es sich bei der Feststellung der Schadstoffemissionsklasse nicht um einen Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO handelt, wird bereits daran deutlich, dass die Verbindlichkeit der Feststellung beispielsweise nicht für die Fälle gilt, in denen die Fahrzeugpapiere lediglich deshalb geändert werden, weil sich aus verkehrsrechtlicher Sicht die Fahrzeugart (statt Pkw nunmehr Lkw) geändert hat, nicht aber auch die ursprünglich zuerkannte Schadstoffstufe. Es entspricht gängiger Praxis der Finanzverwaltung (siehe Verfügung der Oberfinanzdirektion Cottbus vom 01.12.1997 S 6104 - 1 - St 139) ebenso wie der Rechtsprechung (Finanzgericht Köln, Urteil vom 15.11.2000, a.a.O.), dass für ein solches Fahrzeug, wenn es kraftfahrzeugsteuerlich als Pkw eingestuft wird, die ursprüngliche Schadstoffeinstufung erhalten bleibt, auch wenn sie bei der Umschreibung gestrichen worden ist. Ebenso kann bei einer Änderung des Schadstoffschlüssels durch die Zulassungsbehörde, ein Kraftfahrzeugsteuerbescheid nicht auf der Grundlage des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden, sondern nur nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG, weil sich nämlich die Bemessungsgrundlage für die Kraftfahrzeugsteuer geändert hat. Insoweit besteht lediglich die Besonderheit, dass die geänderte Feststellung durch die Zulassungsbehörde für die Finanzbehörde bindend ist und die Finanzbehörde nicht selbständig beurteilen kann und darf, ob sich die Schadstoffklasse geändert hat.
Somit handelt es sich bei der Feststellung der Schadstoffklasse durch die Zulassungsbehörde um eine Feststellung, die lediglich hinsichtlich ihrer Bindungswirkung mit einem Grundlagenbescheid vergleichbar ist, im übrigen aber die Voraussetzungen der § 175 Abs. 1 Nr. 1, 171 Abs. 10 AO nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.