VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 26.05.2005 - 109/03
Fundstelle
openJur 2012, 2140
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung des Willkürverbotes und einen Verstoß gegen die gebotene Gewährung rechtlichen Gehörs durch eine Entscheidung des Kammergerichts in einem familienrechtlichen Verfahren.

Der Beschwerdeführer und seine geschiedene Ehefrau schlossen am 8. Juli 1992 einen gerichtlichen Unterhaltsvergleich, mit dem sich der Beschwerdeführer verpflichtete, an seine geschiedene Ehefrau monatlich im Voraus eine Unterhaltsrente von 830,00 DM zu zahlen, wobei die Parteien von einem monatlich durchschnittlichen Nettoeinkommen des Beschwerdeführers von 4.000,00 DM und dessen Ehefrau von 1.000,00 DM ausgingen. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer als Verkehrsbereichsleiter/Hauptsachbearbeiter bei den Berliner Verkehrsbetrieben seit dem 26. November 1963 tätig, die geschiedene Ehefrau, die zu diesem Zeitpunkt bereits 51 Jahre alt war, als Küchenhilfe teilzeitbeschäftigt. Die Kinder des Beschwerdeführers und der geschiedenen Ehefrau waren bereits im Zeitpunkt des Unterhaltsvergleichs volljährig. Der Beschwerdeführer lebte danach seit dem 13. November 1992 mit seiner jetzigen Ehefrau und einem am 17. Januar 1991 geborenen Kind zusammen. Er ist seit dem 1. Dezember 2000, seine geschiedene Ehefrau seit dem 25. März 2001 arbeitslos.

Mit Anwaltsschreiben vom 30. Mai 1996 verlangte die geschiedene Ehefrau vom Beschwerdeführer eine monatliche Unterhaltsrente von 2.557,08 DM, wobei sie ihr eigenes anrechenbares Einkommen mit 1.207,16 DM bezifferte. Mit Schreiben vom 10. September 1996 erklärte sie sich mit einer monatlichen Unterhaltszahlung von 1.500,00 DM ab Mai 1996 einverstanden, woraufhin der Beschwerdeführer ihr mit Anwaltsschreiben vom 17. Oktober 1996 das Angebot unterbreitete, einen monatlichen Unterhalt von 1.350,00 DM zu zahlen, was er rückwirkend ab dem 30. Mai 1996 in der Folgezeit auch tat.

Am 20. Mai 1998 erhob der Beschwerdeführer Abänderungsklage beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg mit dem Antrag, den am 8. Juli 1992 vor Gericht geschlossenen Vergleich dahingehend abzuändern, den Unterhalt auf 0 herabzusetzen. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg wies die Klage mit Urteil vom 28. August 2002 als unbegründet ab. Es führte aus, da die Parteien schon bei der vergleichsweisen Festsetzung des Unterhalts für die geschiedene Ehefrau in Höhe von monatlich 830,00 DM von einem monatlich durchschnittlichen Nettoeinkommen des Beschwerdeführers von 4.000,00 DM und der geschiedenen Ehefrau von 1.000,00 DM ausgegangen seien sowie die gemeinsamen Kinder zu diesem Zeitpunkt volljährig waren, sei eine Abänderung nicht begründet. Denn zur Überzeugung des Gerichts stünde fest, dass die geschiedene Ehefrau wegen Krankheit daran gehindert gewesen sei, die bestehende Erwerbstätigkeit auszuweiten, so dass ihr nunmehr ein Unterhaltsanspruch aus § 1572 BGB zustehe. Im Hinblick auf die seit einem Jahrzehnt bestehende Arbeitsmarktsituation, ihr Alter, ihre Erkrankungen und ihre Berufsbiographie hätte die geschiedene Ehefrau keinen Arbeitgeber finden können, der bereit gewesen wäre, die Vorgaben des im Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens zu erfüllen. Der Beschwerdeführer sei auch nach wie vor in der Lage, den titulierten Geschiedenenunterhalt zu zahlen, auch wenn berücksichtigt werde, dass er einem minderjährigen Kind und seiner jetzigen Ehefrau gegenüber unterhaltspflichtig sei und auch für sich einen angemessenen Unterhalt in Anspruch nehmen könne.

Mit Urteil vom 25. April 2003 wies das Kammergericht die Berufung des Beschwerdeführers hiergegen zurück. Es führte aus, die Klage sei unzulässig, da ihr das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle, denn der Prozessvergleich vom 8. Juli 1992 entfalte keine materiell-rechtliche Wirkung mehr, die mittels eines Abänderungsurteils neu zu gestalten wäre. Der Beschwerdeführer und die geschiedene Ehefrau hätten sich durch das Angebot mit Schreiben des Anwalts des Beschwerdeführers vom 17. Oktober 1996 und konkludente Annahme durch die geschiedene Ehefrau aufgrund jahrelanger Annahme der angebotenen Zahlungen darauf geeinigt, dass die geschiedene Ehefrau rückwirkend ab Mai 1996 eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 1.350,00 DM erhalte. Mit diesem außergerichtlichen Vergleich, der nach § 1585 c BGB nicht der Einhaltung einer besonderen Form bedürfe, hätten die Parteien den Unterhaltsanspruch neu geregelt. Aufgrund dieser wirksamen Abänderung des ursprünglichen Prozessvergleiches beurteile sich die Frage, ob angesichts veränderter Verhältnisse eine Änderung der vergleichsweise festgelegten Unterhaltspflicht eingetreten sei, allein auf der Grundlage der letzten Regelung. Dies gelte zumindest dann, wenn sich der neuen Vereinbarung nicht entnehmen lasse, dass die Grundlagen des früheren Vergleichs weiter gelten sollten. Eine solche Bezugnahme auf den anlässlich der Scheidung der Parteien getroffenen Prozessvergleich lasse sich der Vereinbarung aus dem Jahre 1996 nicht entnehmen. Erst Recht sei nicht ersichtlich, dass die neue Vereinbarung von vorneherein nur vorübergehender Natur sein sollte und der alte Prozessvergleich später, etwa bei einer Abänderung der für die Neuregelung maßgeblichen Verhältnisse, von selbst wieder aufleben sollte. Der Beschwerdeführer hätte, soweit er eine gerichtliche Klärung seiner Unterhaltspflicht anstrebe, dies mittels einer gegen die im Jahre 1996 übernommene Unterhaltsverpflichtung gerichteten negativen Feststellungsklage tun müssen und nicht im Wege der Klage auf Abänderung des von den Parteien ohnehin bereits in seinen materiell-rechtlichen Wirkungen einvernehmlich aufgehobenen Prozessvergleichs. Diesem Ergebnis stehe auch nicht entgegen, dass der am 8. Juli 1992 geschlossene Prozessvergleich in seinen prozessualen Wirkungen weiter fortbestehe, denn über diese Wirkungen, die einerseits in der Beendigung des damaligen Unterhaltsrechtsstreits, andererseits in der Schaffung eines Vollstreckungstitels zu sehen seien, würden die Parteien nicht streiten. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, dass die geschiedene Ehefrau die Zwangsvollstreckung aus dem materiell-rechtlich wirkungslos gewordenen Alt-Titel betreibe. Im Übrigen müsste sich der Beschwerdeführer hiergegen im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 795, 767 ZPO zur Wehr setzen. Sein Begehren sei auch nicht im Sinne einer gegen die im Jahre 1996 getroffene Unterhaltsvereinbarung gerichteten negativen Feststellungsklage auszulegen oder umzudeuten. Der Beschwerdeführer sei in der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2003 auf die gegen die Zulässigkeit der erhobenen Abänderungsklage bestehenden Bedenken des Senats hingewiesen worden, ohne dass er dies zum Anlass genommen habe, im Wege der Klageänderung oder auch nur hilfsweise einen gegen die außerprozessual getroffene Unterhaltsvereinbarung gerichteten Feststellungsantrag zu stellen. Hierfür hätten unter Umständen gute Gründe vorgelegen, da die Parteien zu den Grundlagen der im Jahre 1996 vergleichsweise getroffenen Regelung nur wenig Konkretes vorzutragen gewusst hätten.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, dass die Entscheidung des Kammergerichts willkürlich sei, da sie unterstelle, dass die Parteien mit der Abänderung des Unterhaltsbetrages im Jahre 1996 den geschlossenen Unterhaltsvergleich aus dem Jahre 1992 einvernehmlich aufgehoben hätten. Dieser Auffassung fehle jede tatsächliche Grundlage. Insbesondere weise das Kammergericht selbst darauf hin, dass in der Korrespondenz aus dem Jahre 1996 der ursprüngliche Prozessvergleich nicht erwähnt sei. Die Schlussfolgerung daraus, dass die Parteien damit den Prozessvergleich einvernehmlich aufgehoben hätten, sei in jeder Hinsicht unzulässig, da in der getroffenen Vereinbarung zwischen den Parteien jeder Anknüpfungspunkt hierfür fehle. Das Gericht sei aber bei der Auslegung einer Vereinbarung daran gebunden, was die Parteien vereinbart hätten, und dürfe lediglich, wenn entsprechende Anknüpfungspunkte vorlägen, diese zur Auslegung heranziehen. Es könne nicht etwas hinzudichten, was die Parteien überhaupt nicht erklärt hätten, und den Parteien einen Parteiwillen unterstellen, für den jeglicher Anknüpfungspunkt fehle. Beide Parteien des Familienrechtsstreits hätten keinen Anlass gehabt, mit der Vereinbarung von 1996 den ursprünglichen Titel aufzuheben, insbesondere die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers nicht, auf die Rechte aus einem vollstreckbaren Prozessvergleich zu verzichten.

Im Übrigen verstoße die Entscheidung gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Zwar habe das Kammergericht zu Recht in seinem Urteil ausgeführt, dass es den Beschwerdeführer darauf hingewiesen habe, dass gegen die Zulässigkeit der Klage Bedenken bestünden. Dies reiche jedoch nicht aus, um den Anspruch des Beschwerdeführers auf angemessenes rechtliches Gehör zu gewährleisten. Der Senat habe nämlich nicht dargelegt, worin die Bedenken bestünden, also die in dem Urteil schließlich vertretene Rechtsauffassung geäußert, so dass der Beschwerdeführer zum einen keine Möglichkeit gehabt habe, dieser Rechtsauffassung entgegenzutreten, zum anderen, ggf. vorsorglich wenigstens hilfsweise den Klageantrag zu ändern. Darüber hinaus verletze das Urteil den Anspruch auf rechtliches Gehör, da die Parteien vom Gericht hätten entschieden wissen wollen, ob der Beschwerdeführer seiner geschiedenen Ehefrau weiter Unterhalt zu zahlen habe oder nicht. Wenn das Kammergericht meine, es könne die Anträge des Beschwerdeführers nicht auslegen oder umdeuten, hätte es dafür Sorge tragen müssen, dass der Weg zu einer Entscheidung in der Sache geebnet und die entsprechenden Anträge, wie das Gericht sie für erforderlich hält, gestellt würden.

II. Die Verfassungsbeschwerde ist, ihre Zulässigkeit unterstellt, jedenfalls unbegründet.

1. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne des Art. 15 Abs. 1 VvB gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht darauf, im Verfahren zu Wort zu kommen, sich namentlich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 64, 135 ff. <143 f.>). Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 42, 364 <367>). Das Gericht darf danach nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse verwerten, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten. Sofern die Wahrnehmung dieser Stellungnahmemöglichkeit verhindert oder unzumutbar erschwert würde, können auch richterliche Hinweise oder Mitteilungen durch Art. 15 Abs. 1 VvB erfordert sein (vgl. BVerfGE 64, 135 ff. <143 f.>). Eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters lässt sich allerdings aus Art. 15 Abs. 1 VvB nicht ableiten (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGE 66, 116 <147>). Art. 15 Abs. 1 VvB gewährleistet den Kern einer gerichtlichen Hinweispflicht. Die einzelnen vom Gesetzgeber getroffenen Ausformungen in den Prozessordnungen, wie hier § 139 ZPO, können darüber hinaus einfach-gesetzliche Gewährleistungen der Hinweispflicht enthalten. Die Kontrolle der Beachtung solcher Hinweispflichten hat jedoch ausschließlich im Rahmen der fachgerichtlichen Verfahrensordnungen zu erfolgen. Verfassungsrechtlich beachtlich sind nur solche prozessuale Lagen, in denen entsprechende Hinweise des Gerichts unumgänglich und notwendig sind, um das Gehörsrecht und die Verfolgung materieller Rechte nicht wirkungslos werden zu lassen (vgl. z. B. BVerwG, NVwZ 1985, 36 <37>). Das Vorliegen einer solchen Situation und der erforderliche Umfang der so von der Verfassung gebotenen Pflichten kann nur im Einzelfall festgestellt werden (vgl. für das Bundesrecht: BVerfG, NJW 1987, 2003). Dabei können Fragen wie die anwaltliche Vertretung oder Nichtvertretung des Berechtigten, die Unterschiede der Verfahrensarten und besondere soziale Gesichtspunkte eine Rolle spielen.

Gemessen an diesen Voraussetzungen hat das Kammergericht seine aus § 139 Abs. 1 ZPO folgende Pflicht, auf sachdienliche Anträge hinzuwirken, nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise verletzt. Es lassen sich vielmehr sachlich zureichende, plausible Gründe dafür finden, dass das Kammergericht einen ausdrücklichen Hinweis auf die Änderung der Anträge unterlassen hat (vgl. Bay. VerfGH, NJW 1992, 1094). Der Beschwerdeführer räumt ein, dass das Kammergericht in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen habe, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen. Im Gegensatz zu den Ausführungen des Kammergerichts in dessen Urteil behauptet der Beschwerdeführer jedoch, der Senat habe nicht dargelegt, worin diese Bedenken bestünden, so dass er keine Möglichkeit gehabt habe, dieser Rechtsauffassung entgegenzutreten und vorsorglich wenigstens hilfsweise den Klageantrag zu ändern. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Kammergerichts vom 4. April 2003 bestätigt diese Behauptung des Beschwerdeführers nicht. Danach überreichte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers im Verlaufe der mündlichen Verhandlung außergerichtliche Schreiben, nämlich die Forderung der Ehefrau vom 30. Mai 1996, mit dem sie eine Erhöhung des Unterhalts gegenüber dem Prozessvergleich verlangte, ein weiteres Schreiben, in dem sie sich mit einer vergleichsweisen Regelung von 1.500,00 DM einverstanden erklärte, und ein Schreiben des damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers vom 17. Oktober 1996, mit dem er sich bereit erklärte, monatlich 1.350,00 DM zu zahlen, wie dann ja auch fortan verfahren wurde. Zudem wurde der Beschwerdeführer ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung persönlich dazu gehört, auf welcher Grundlage der Unterhalt von 1.350,00 DM für die Beklagte errechnet worden sei. Nachdem das Kammergericht somit im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Informationen und Fragen im Zusammenhang mit dem nachträglich außergerichtlich abgeschlossenen Vergleich erörtert und unstreitig Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage geäußert hat, war es verfassungsrechtlich nicht geboten, den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer gemäß § 139 ZPO ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer Antragsänderung oder eines Hilfsantrages hinzuweisen. Denn er hätte erkennen können und müssen, dass das Kammergericht den außergerichtlichen Vergleich für die Zulässigkeit als entscheidungserheblich ansah. Ein Fall, in dem das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abhebt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht, liegt nicht vor. Auch eine Überraschungsentscheidung ist darin nicht zu sehen, da das Kammergericht keinen bis zu seiner Entscheidung nicht erörterten Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit keine Wendung gegeben hat, mit der der Beschwerdeführer nach dem bis zu diesem Zeitpunkt gegebenen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (vgl. Beschluss vom 28. Januar 1997 – VerfGH 114/96 – LVerfGE 6, 19 <22>).

Mit der Erörterung der Umstände des späteren außergerichtlichen Vergleichs waren die Zulässigkeitsbedenken des Senats so hinreichend angesprochen, dass eine verfassungsrechtlich gebotene Verpflichtung, den Beschwerdeführer ausdrücklich aufzufordern, seinen Antrag zu ändern oder einen Hilfsantrag zu stellen, im Hinblick auf die im zivilrechtlichen Verfahren geltende Dispositionsmaxime nicht anzunehmen ist. Denn das Kammergericht hatte auch zu beachten, dass es die Rechte der Gegenpartei nicht im Rahmen seiner Hinweise verletzt. Das Kammergericht war insbesondere nicht zu einer Rechtsberatung des Beschwerdeführers verpflichtet. Nach den vorgenannten Gründen ist es im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 VvB verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Kammergericht die Anträge des Beschwerdeführers nicht ausgelegt oder umgedeutet hat.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Gewährleistung rechtlichen Gehörs darauf stützt, dass das Kammergericht nicht beachtet habe, dass die Parteien vom Gericht hätten entschieden wissen wollen, ob der Beschwerdeführer seiner geschiedenen Ehefrau weiter Unterhalt zu zahlen habe oder nicht, liegt ebenfalls keine Verletzung des Art. 15 Abs. 1 VvB vor, da das Gericht gemäß § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO mit seiner Entscheidung an die Anträge der Parteien jedenfalls insoweit gebunden ist, als sie den Streitgegenstand und den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umreißen müssen (vgl. Hartmann, in: Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl. 2004, § 253 Rn. 39).

2. Die Entscheidung des Kammergerichts verstößt auch nicht gegen den in Art. 10 Abs. 1 VvB verbürgten Gleichbehandlungsgrundsatz in seiner materiellen Ausprägung als Willkürverbot. Eine Verletzung des verfassungsrechtlich verbürgten Willkürverbotes liegt nur dann vor, wenn eine gerichtliche Entscheidung die Rechtslage – ohne dass es auf subjektive Umstände oder ein Verschulden des Gerichts ankäme – in unvertretbarer Weise verkennt, d. h., wenn bei objektiver Würdigung der Gesamtumstände die Annahme geboten ist, die vom Gericht vertretene Rechtsauffassung sei im Bereich des schlechthin Abwegigen anzusiedeln (vgl. Beschluss vom 25. April 1994 – VerfGH 34/94LVerfGE 2, 16 <18>, st. Rspr.). Hiervon kann nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt.

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 10 Abs. 1 VvB nicht verletzt.

Das Kammergericht hat in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise unter Hinweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung den Unterhaltsanspruch der Ehefrau mit einem außergerichtlichen Vergleich, der nach § 1585 c BGB nicht der Einhaltung einer besonderen Form bedurfte, als gegenüber dem älteren Prozessvergleich neu geregelt angesehen. Nachdem der neuen Vereinbarung aus dem Jahre 1996 auch nicht zu entnehmen war, dass sie von vornherein vorübergehender Natur sein und dass der frühere Vergleich weiter gelten sollte, ist es verfassungsrechtlich nicht als willkürlich anzusehen, dass das Kammergericht den ursprünglichen Prozessvergleich als materiell-rechtlich wirkungslos geworden angesehen hat, zumal die Parteien des Rechtsstreites nichts Konkretes dazu vorgetragen hatten, was bezüglich des ursprünglichen Prozessvergleiches gelten sollte. Die hiergegen im Verfassungsbeschwerdeverfahren vorgetragene Auffassung des Beschwerdeführers, die Parteien hätten keinen Anlass gehabt, mit der Vereinbarung von 1996 den ursprünglichen Titel aufzuheben, insbesondere die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers nicht, auf die Rechte aus einem vollstreckbaren Prozessvergleich zu verzichten, kann schon deshalb nicht durchgreifen, da das Kammergericht im Hinblick auf die Doppelnatur des Prozessvergleiches als Prozesshandlung und materiell-rechtlicher Vergleich ohne deutliche Hinweise auf den Parteiwillen im Zeitpunkt des 1996 geschlossenen Vergleiches sowie aufgrund der von ihm erörterten Tatsache, dass die Ehefrau keine Vollstreckung aus dem Titel betrieb, keinen tatsächlichen Anhaltspunkt hatte, davon auszugehen, dass nach dem Willen der Parteien der Prozessvergleich nach 1996 noch weiter gelten sollte (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Dezember 1982, IV b ZR 338/81). Jedenfalls ist diese Auffassung des Kammergerichts nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise als unvertretbar anzusehen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.