KG, Urteil vom 20.01.2005 - 8 U 127/04
Fundstelle
openJur 2012, 2030
  • Rkr:

Wenn eine Brutto-Kaltmiete unter Bezugnahme auf die im Berliner Mietspiegel 2003 enthaltenen Netto-Kaltmieten erhöht werden soll, ist die Brutto-Kaltmiete zunächst in eine Netto-Kaltmiete umzurechenen, wobei die zum Zeitpunkt der Abgabe der Erhöhungserklärung aktuellen Betriebskostenanteile herauszurechnen sind.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. Mai 2004 verkündete Urteil der Zivilprozessabteilung 3 des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 12. Mai 2004 verkündete Urteil der Zivilprozessabteilung 3 des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:

Die von ihr zur Begründung des Erhöhungsverlangens in Ansatz gebrachten Betriebskosten des Jahres 1997 seien zur Herstellung des für die Begründung der Mieterhöhung erforderlichen Vergleichsmaßstabes geeignet. Jedenfalls aber hätte das Amtsgericht bei der Umrechnung der im Mietspiegel enthaltenen Nettokaltmiete in eine Bruttokaltmiete die pauschalen Betriebskosten aus dem Mietspiegel heranziehen müssen.

Die Klägerin beantragt,

das am 12. Mai 2004 verkündete Urteil der Zivilprozessabteilung 3 des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, einer Erhöhung des Brutto-Kaltmietzinses ab 1. Mai 2003 für die von ihnen aufgrund des Mietvertrages vom 27. Oktober 1986 innegehaltene und in B., G. im 3. Obergeschoss rechts des Vorderhauses belegene Sechszimmerwohnung nebst Nebengelass um monatlich 153,24 € von bisher 766,20 € auf 919,44 € zuzustimmen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

II.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf die begehrte Zustimmung zur Erhöhung des Mietzinses gemäß §§ 558, 558 a, 558 b BGB.

Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass das Erhöhungsverlangen der Klägerin vom 18. Februar 2003 nicht deshalb unwirksam ist, weil die Begründung unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel 2000 erfolgte, der infolge der Geltung des Berliner Mietspiegels 2003 überholt ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Auflage, § 558 a BGB, Rdnr. 8).

Der Umstand, dass die Klägerin ihrer Mieterhöhungserklärung nach Auffassung des Senates nicht maßgebliche Betriebskosten aus dem Jahre 1997 zugrunde gelegt hat, führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens. Das Erhöhungsverlangen ist dem Mieter gemäß § 558 a Abs. 1 BGB in Textform zu erklären und zu begründen. Diesen Anforderungen genügt die Mieterhöhungserklärung der Klägerin. Ein Mieterhöhungsverlangen ist auch dann zulässig, wenn die darin enthaltenen Angaben nicht zutreffen und es nicht rechtfertigen. Dies sind Fragen der Begründetheit des materiell-rechtlichen Erhöhungsanspruchs, deren Klärung nicht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung erfolgen darf (LG Berlin, GE 1999, 378 mit weiteren Nachweisen).

Das Mieterhöhungsverlangen ist jedoch unbegründet, da die von der Klägerin zur Begründung des Erhöhungsverlangens in Ansatz gebrachten Betriebskosten des Jahres 1997 zur Herstellung des für die Begründung der Mieterhöhung erforderlichen Vergleichsmaßstabes nicht geeignet sind. Grundsätzlich muss in einem Mieterhöhungsverfahren sichergestellt sein, dass die Vertragsmiete und die Vergleichsmiete die gleiche Mietstruktur aufweisen, da andernfalls die Vergleichsmaßstäbe nicht stimmen. Die Klägerin hat zur Begründung der Mieterhöhung auf den Berliner Mietspiegel Bezug genommen (§ 558 a Abs. 2 Ziffer 1 BGB). Der hier maßgebliche Berliner Mietspiegel 2003 enthält „Netto - Kaltmieten“. Das ist die Miete ohne alle Betriebskosten. Die Klägerin begehrt hier aber die Erhöhung einer „Brutto - Kaltmiete“, in der sämtliche Betriebskosten des § 27 der II. Berechnungsverordnung mit Ausnahme der Heizungs- und Warmwasserkosten enthalten sind. Zur Herstellung einer Vergleichbarkeit muss entweder die vertraglich vereinbarte Bruttomiete in eine Nettomiete oder aber die im Mietspiegel aufgeführte Nettomiete in eine Bruttomiete umgerechnet werden. Wie diese Umrechnung zu erfolgen hat ist streitig.

Der Senat schließt sich der in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung an, wonach die Umrechnung in der Weise zu erfolgen hat, dass der im Mietspiegel enthaltenen Netto-Kaltmiete die Betriebskosten hinzuzurechnen sind, die der Vermieter aktuell, also zum Zeitpunkt der Abgabe des Mieterhöhungsverlangens im Außenverhältnis zu tragen hat (OLG Stuttgart, NJW 1983, 2329; OLG Hamm, NJW 1985, 2034; OLG Hamm GE 1993, 151; AG Dortmund, NZM 2001, 584; LG Rottweil, NZM 1998, 432; Hannemann, NZM 1998, 612; Schmidt/Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 8. Auflage, § 558 a BGB, Rdnr. 57 ff; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Auflage, § 558 a BGB, Rdnr. 8).

Dass nur die Betriebskosten zum Zeitpunkt der Abgabe des Mieterhöhungsverlangens maßgeblich sein können, ergibt sich aus der Gesetzessystematik. Alle Zeitpunkte die für den Vermieter in der Zukunft liegen, scheiden bereits deshalb aus, weil er die Betriebskosten zu diesem Zeitpunkt gar nicht kennt und deshalb bei seiner Berechnung auch gar nicht einbeziehen kann. Deshalb kann weder der Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens noch dessen Wirkungszeitpunkt maßgeblich sein. Aber auch Zeitpunkte der Vergangenheit scheiden aus. Der Vermieter hat einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Inklusivmiete (Bruttokaltmiete) zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens. Der in der Literatur auch vertretenen Auffassung, die Umrechnung habe in der Weise zu erfolgen, dass zu den Nettomietwerten des Mietspiegels die in der bisherigen Miete auf der Grundlage der letzten Betriebskostenerhöhung enthaltenen Betriebskostenanteile hinzuzuzählen seien (Beuermann, Der Mietspiegel Berlin (West) 1998 - Ein neues Äpfel-Birnen-Problem, NZM 1998, 598), kann nicht gefolgt werden, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG NJW 1980, 1617; BVerfG NJW-RR 1993, 1485) dürfen an die Begründungspflicht des Vermieter keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Es hieße grundsätzlich die Darlegungslast des Vermieters überspannen, wenn man von ihm das häufig Unmögliche verlangen würde, die ursprüngliche Zusammensetzung des Inklusivmietentgeltes im Einzelnen darzutun (OLG Stuttgart a.a.O.)

Ebenfalls nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Landgerichts Berlin, wonach bei der Umrechnung einer im Mietspiegel enthaltenen Nettokaltmiete in eine Bruttokaltmiete mit den pauschalen Werten aus dem Mietspiegel und nicht mit konkreten Werten zu rechnen sei (LG Berlin, GE 1999, 378; LG Berlin GE 1999, 983). Das zur Begründung dieser Rechtsauffassung herangezogene Argument, dass ein Ansatz konkreter Betriebskosten Teile des dem Berliner Mietspiegel zugrunde liegenden Datenmaterials unberücksichtigt lasse und damit die ortsübliche Vergleichsmiete entgegen den Vorgaben des Mietspiegels verfälschen würde (LG Berlin, GE 199, 378) vermag nicht zu überzeugen. Das Argument des Landgerichts hat seinen Ursprung in der Rechtsprechung aus dem Jahr 1996 (LG Berlin GE 1996, 1547). Zum damaligen Zeitpunkt bestand das Problem, einen Vergleichsmaßstab zwischen der im Mietspiegel enthaltenen Bruttomiete und einer vertraglich vereinbarten Nettomiete herzustellen. Es bestand die Aufgabe, aus der abstrakten Bruttovergleichsmiete die Betriebskosten herauszurechnen, um dann den ermittelten abstrakten Nettomietzins mit dem konkreten vertraglich vereinbarten Nettomietzins vergleichen zu können. Da sich die abstrakten Bruttomieten des Mietspiegels aus abstrakten Nettomieten zuzüglich abstrakter Betriebskosten zusammensetzten, war das Argument des Landgerichts, zur Ermittlung des ortsüblichen Nettomietzinses seien die ermittelten ortsüblichen Betriebskosten in Abzug zu bringen, in sich schlüssig.

Dieser Ansatz ist nicht auf den jetzt zu entscheidenden Fall, wo eine abstrakte Nettomiete einer sich aus einer konkreten Nettomiete zuzüglich konkreter Betriebskosten zusammengesetzten Bruttomiete gegenübersteht. Eine Vergleichbarkeit ist nur herzustellen, indem die konkreten Betriebskosten ermittelt und von der konkreten Bruttomiete in Abzug gebracht werden, so dass sich Nettomiete und Nettomiete gegenüberstehen oder aber die konkreten Betriebskosten der abstrakten Nettomiete zugeschlagen werden, so dass sich Bruttomiete und Bruttomiete gegenüber stehen.

Gegen die Rechtsauffassung des Landgerichtes spricht im Übrigen auch der Umstand, dass der Benutzungshinweis des Mietspiegel - Verfassers wie folgt lautet: „Ist im Mietvertrag eine Brutto-Kaltmiete (Inklusivmiete) vereinbart, also eine Miete einschließlich nicht näher ausgewiesener Anteile für Betriebskosten, so muss die ortsübliche Vergleichsmiete in Gestalt einer Bruttokaltmiete gebildet werden. In diesem Fall muss zunächst anhand des Mietspiegels die ortsübliche Netto-Kaltmiete ermittelt werden. In einem zweiten Schritt können dann die Betriebskosten der ortsüblichen Netto-Kaltmiete hinzugerechnet werden, die auf die fragliche Wohnung entfallen.“ Die durchschnittlichen kalten Betriebskosten scheinen demnach nicht zu dem Zweck ermittelt worden zu sein, um sie zur Ermittlung der Bruttovergleichsmiete heranzuziehen. Beweggrund für die Ermittlung dieser Werte war wohl eher der Umstand, dass das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt hat, dass Voraussetzung für die Berücksichtigung der konkreten Betriebskostenanteile sei, dass diese nach Art und Umfang dem Üblichen entsprechen. Die im Mietspiegel aufgeführten durchschnittlichen kalten Betriebskosten ermöglichen die Feststellung, ob die vom Vermieter angesetzten konkreten Betriebskosten zumindest vom Umfang her dem Üblichen entsprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.