KG, Urteil vom 30.11.2004 - 5 U 55/04
Fundstelle
openJur 2012, 1907
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 20. Februar 2004 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin - 102 O 59/04 - geändert:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für sogenannte „Z... Medizin“ wie nachfolgend abgebildet zu werben:

<Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Im vorliegenden Abdruck fehlt die oben erwähnte Abbildung.>

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

Gründe

A.

Der Antragsteller ist ein gerichtsbekannter Wettbewerbsverband. Der Antragsgegner propagiert u. a. Naturheilverfahren, die mit Gaben von Vitaminen und Spurenelementen nach seiner Auffassung Krankheiten wie Krebs erfolgreich bekämpfen können. Er ist Inhaber der beim Deutschen Patent- und Markenamt u. a. für pharmazeutische und veterinär-medizinische Erzeugnisse, Vitamine und Mineralien für medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel, Ausbildung im Bereich der Gesundheitsvorsorge und Nahrungsergänzung eingetragenen Wortmarken „Z... Medizin“, „Z... Medizin Formulars“, „Z... Medizin Ratgeber“ sowie „Z... Medizin-Software für Ihre Gesundheit“.

In der ersten Hälfte des Monats Februar 2004 unternahm der Antragsgegner eine Vortragsreise, die ihn auch für zwei Veranstaltungen am 11. und 12. Februar 2004 nach Berlin führte. Bezogen auf diese beiden Veranstaltungen in Berlin erschien in der Programmzeitschrift „tip“ Heft 3/2004 vom 29. Januar 2004 die im Tenor eingangs abgebildete Anzeige.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Werbung diene letztlich dem Absatz von Mitteln zur Bekämpfung von Krebs. Deshalb laufe die Werbung den einschlägigen Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes und damit auch § 1 UWG a. F. zuwider. Weiterhin handele es sich auch um Werbung mit wissenschaftlich nicht hinreichend gesicherten Wirkungsaussagen, so dass auch ein Verstoß gegen das allgemeine Irreführungsverbot nach Maßgabe des UWG wie auch des HWG vorliege. Dass die beanstandete Anzeige letztendlich ein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken bedeute, folge aus der Stellung des Antragsgegners im „R.. -Konzern“, dem „Strukturvertrieb“ und auch aus der Verwendung des Begriffs „Z... Medizin“ im Text der Anzeige. Dieser Begriff stehe die für die vom Antragsgegner entwickelten Vitaminpräparate.

Der Antragsteller hat beantragt,

dem Antragsgegner unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für so genannte „Z... Medizin“ zu werben:

1. mit Krankheitsgeschichten oder Hinweisen auf solche, wenn dies wie folgt geschieht:

„D... wird leben

Der kleine D... aus dem Siegerland war an Knochenkrebs erkrankt, einem Osteosarkom am Bein, das schon Metastasen in der Lunge gebildet hatte. Die Ärzte an der Uniklinik Münster verordneten eine Chemotherapie, an der D... beinahe gestorben wäre. Und sie wollten operieren. Doch D... Eltern setzten auf das Naturheilverfahren der Z... Medizin. Und sie erreichten in neun Monaten ein unwiderlegtes Ergebnis: Die Metastasen in D.s Lunge sind vollständig zurückgegangen.“

und/oder

2. mit Angaben, wonach die Mittel bei Geschwulstkrankheiten einzusetzen seien, insbesondere zu werben:

2.1. „Krebs ist Heilbar! Natürlich“,

2.2. „Krebs ist kein Todesurteil mehr!“

2.3. „Jetzt geht es um das Leben von Millionen weiteren Krebspatienten“,

2.3. „Die medizinische Wahrheit hat sich gegen das milliardenschwere Pharma-Geschäft mit der Krebskrankheit durchgesetzt. Verantwortungsbewusste Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten sind jetzt gefordert mitzuhelfen, damit das sinnlose Massensterben an der jetzt vermeidbaren Krankheit unverzüglich beendet wird.“

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hat geltend gemacht, bei den Vorträgen handele es sich um eine rein private Betätigung. Die Vorträge erfolgten im Rahmen seines Engagements als Wissenschaftler und Publizist in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die richtige Therapie von Krebs. Weiterhin sei er - der Antragsgegner - auch gar nicht passivlegitimiert, weil - wie er unbestritten vorgetragen hat - die Anzeige von der Dr. R. Health Foundation geschaltet worden sei.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Antragsgegner - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich - eine strafbewehrte Unterlassungserklärung dahin abgegeben, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die oben genannte Anzeige nicht zu verwenden, solange darin der Satz „Doch D.s Eltern setzten auf das Naturheilverfahren der Zellular Medizin“ enthalten sei.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es fehle an einem Handeln des Antragsgegners im geschäftlichen Verkehr, denn dieser habe nicht hinreichend greifbar mit einem Absatzbezug gehandelt. Der Begriff „Zellular Medizin“ werde nicht kennzeichenmäßig verwendet, sondern allgemein verfahrensbeschreibend. Auch verweise die Anzeige nicht auf Internet-Adressen mit absatzfördernden Inhalt. Nach dem Gesamtverhalten des Antragsgegners sei eine Absatzförderung zwar möglich und vielleicht sogar nicht fernliegend, aber nicht so zwingend, als dass die Vortragsserie nicht doch auch nur einem Kampf des Antragsgegners um Anerkennung in der Öffentlichkeit dienen könne und der Werbeeffekt als bloßer Reflex hingenommen werden müsse.

Mit seiner Berufung wiederholt und vertieft der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er stellt seinen erstinstanzlichen Antrag, allerdings mit der Maßgabe, dass es hinter „für sogenannte ‘Zellular Medizin’ zu werben“ heißen solle „wie nachfolgend abgebildet zu werben“ und dem eine Ablichtung der konkreten Verletzungsform (Veröffentlichung gemäß Seite 4 des angefochtenen Urteils) folgen solle.

Der Antragsgegner beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

B.

Die Berufung des Antragstellers ist begründet.

Dem Antragsteller stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 1 UWG a. F. (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG n. F.) in Verbindung mit §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 12 Abs. 1 HWG (in Verbindung mit der Anlage A Nr. 2 zu § 12 Abs. 2 HWG) zu.

I.

Der Antragsgegner ist für den Inhalt der streitgegenständlichen Anzeige verantwortlich.

Zwar wird in der Anzeige auf eine „Dr. R. Health Foundation“ verwiesen. Diese „Gesellschaft“ trägt aber den Namen des Antragsgegners schon in ihrer Kennzeichnung und soll auch nach Vortrag des Antragsgegners allein für seine - nach seinem Vortrag „wissenschaftlichen“ - Interessen tätig sein. In der Anzeige wird u. a. mit der Wendung „Jetzt kommt Dr. R.“ eine Vortragstour des Antragsgegners angekündigt. Die personellen und gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der „Foundation“ legt der Antragsgegner nicht näher dar. Er bestreitet auch nicht, dass die Anzeige mit seinem Wissen und Wollen gestaltet worden sei. Damit ist mangels eines hinreichenden Bestreitens von einer eigenen Verantwortlichkeit des Antragsgegners auszugehen.

II.

Mit dieser Anzeige hat der Antragsgegner „im geschäftlichen Verkehr“ und „zu Zwecken des Wettbewerbs“ gehandelt, § 1 UWG a. F.

1.

Die Definition der „Wettbewerbshandlung“ in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F. ist damit - im hier wesentlichen Teil - deckungsgleich (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 2 Rdn. 4, 12, 22, 48).

2.

Zum „geschäftlichen Verkehr“ gehört jede Tätigkeit, die irgendwie der Förderung eines beliebigen Geschäftszwecks dient, der auch ein fremder sein kann (BGH, GRUR 1993, 761, 762 - Makler-Privatangebot; OLG Düsseldorf, WRP 1998, 421, 425; Marktbezug im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F., vgl. Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 12). Kommt in Betracht, dass ein Privater für einen fremden Geschäftszweck handelt, ist entscheidend, ob dies mit einer Wettbewerbsabsicht geschieht (Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 13).

3.

Von einer Wettbewerbsabsicht des Antragsgegners ist vorliegend auszugehen.

Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr „zu Wettbewerbszwecken“ liegt vor, wenn es objektiv geeignet ist, den Absatz oder den Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen und wenn ferner der Handelnde zusätzlich in der Absicht vorgegangen ist, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern und diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt (BGH, GRUR 1990, 333 - Schönheitschirurgie m. w. N.). Bei all dem muss die Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs nicht alleiniger Beweggrund einer Handlung sein. Es genügt, dass dieser Zweck hinter anderen Beweggründen nicht völlig zurücktritt (BGH, GRUR 1968, 95, 97 - Büchereinachlass). Für eine Wettbewerbsabsicht spricht bei Konkurrenten eine tatsächliche Vermutung (BGH, 1960, 386 - Mampe Halb und Halb I; BGHZ 45, 296, 302 - Höllenfeuer; GRUR 1962, 34 - Torsana).

aa)

Die Handlung muss objektiv geeignet sein, den Absatz oder Bezug des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (so auch nunmehr § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F.; auf das Entfallen der Voraussetzung „zum Nachteil eines anderen“ kommt es vorliegend nicht an). Eine mittelbare Förderung im Sinne einer Aufmerksamkeitswerbung (Imagewerbung) genügt (BGH, GRUR 1995, 595, 596 - Kinderarbeit; Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 23 m. w. N.). Ob die Handlung auf eine Erweiterung oder bloße Erhaltung des Kundenstamms zielt, spielt keine Rolle (BGH, GRUR 1959, 488, 489 - Konsumgenossenschaften; Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 23 m. w. N.).

Die vorliegende Anzeige ist geeignet, den Vertrieb der Vitaminprodukte der niederländischen Matthias R. B. V. nach Deutschland zu fördern.

(1)

Diese Vitaminprodukte sind vom Antragsgegner entwickelt worden und tragen seinen Namen (Anl. A 11, Bl. I/40 ff. d. A.; Schutzschrift S. 6). Sie werden vom Antragsgegner und im Vertrieb der Matthias R. B. V. als „Naturheilverfahren“ und „Zellular Medizin“ bezeichnet (Schutzschrift S. 4, 5; Anl. A 12, Ziff. 2.5, Bl. I/47 d. A., „Besondere Richtlinien ... zum Bezug der Zellular Medizin Formulars“, Bl. I/50 d. A. und „Besondere Richtlinien ... zum Bezug und Vertrieb der Produkte der MR Publishing B. V., Bl. I/51 d. A.; Anl. A 10, Bl. I/32 ff. d. A. bzw. Anl. AG 10, Bl. I/88 ff. d. A.). Der Antragsgegner ist Inhaber der Marke „Zellular Medizin“, so dass diese Bezeichnung anderen Unternehmen verwehrt ist.

(2)

Die Matthias R. B. V. vertreibt die Vitaminprodukte „Dr. R.s Gesundheitsprodukte“, Anl. A 11, Bl. I/40 d. A.) über das Internet und im Wege eines „Strukturvertriebs“ durch private, neben- oder hauptberufliche „Berater“ und „Verkaufsstellen“ (ohne notwendige medizinische Ausbildung), die einen Rabatt bzw. eine Provision erhalten (Anl. A 11, 12, Bl. I/40 ff. d. A.) und insbesondere im näheren lokalen Bereich weitere Abnehmer und neue „Berater“ und „Verkaufsstellen“ durch persönliche Ansprache gewinnen sollen. Die Anwendung der Produkte wird sowohl vorbeugend als auch im akuten Krankheitsfall empfohlen (vgl. Anl. A 10, A 11, AG 10). Auch unabhängig von einer eigenen akuten Erkrankung (oder einer solchen im persönlichen Umkreis) ist daher allen Verbrauchern der „Dr. R.s Gesundheitsprodukte“ und der „Dr. R.s Zellular Medizin Formulars“ diese Produktpalette bekannt und sie wenden sie - mehr oder weniger - regelmäßig an.

(3)

In der Anzeige wird u. a. der Name des Antragsgegners („Jetzt kommt Dr. R.“) deutlich herausgestellt. Die Anzeige bezieht sich wesentlich auf einen Heilungserfolg bei einem an Knochenkrebs erkrankten Jungen durch ein Naturheilverfahren (ohne Chemotherapie, Operation und das „milliardenschwere Pharma-Geschäft“), und zwar ein solches der „Zellular Medizin“. Der Inhalt der Anzeige stellt aus der Sicht des angesprochenen Verbrauchers - zusammengefasst - die Aussage auf, diese Produkte könnten schlechthin eine Krebserkrankung heilen und dies sei durch die Behandlung des Jungen nunmehr endgültig bewiesen.

(4)

Jeder Verbraucher, der schon bisher „Dr. R.s Gesundheitsprodukte“ und „Dr. R.s Zellular Medizin Formulars“ vorsorglich oder akut angewendet hat, wird durch die Anzeige massiv in seinem Verbrauch dieser Produkte bestärkt. Zugleich erleichtert die Anzeige den „Beratern“ die Ansprache neuer Kunden, die schon durch die Anzeige für diese Produkte interessiert werden. All dies bedeutet objektiv eine massive Förderung des Wettbewerbs der Matthias R. B. V.

bb)

Es ist auch davon auszugehen, dass der Antragsgegner in der Absicht gehandelt hat, mit der Anzeige in erster Linie diesen Wettbewerb der Matthias R. B. V. zu fördern. Ein etwaiges gesundheitspolitisches oder medizinisch-wissenschaftliches Anliegen des Antragsgegners tritt dahinter sogar - wenn es denn überhaupt vorhanden sein sollte - deutlich zurück.

(1)

Das bloße Bewusstsein des Handelnden, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, deutet zwar meist auf eine Förderungsabsicht hin, schließt aber nicht aus, dass vorrangig aus anderen Gründen gehandelt wird (BGH, GRUR 1981, 658 - Preisvergleich; Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 24). Damit der Verfasser einer Veröffentlichung das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG in Anspruch nehmen kann, muss der Beitrag aber wissenschaftlichen Anforderungen genügen (vgl. BGH, GRUR 2002, 633, 634 - Hormonersatztherapie), d. h. er muss sich nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit darstellen (BVerfGE 47, 327, 347; Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 28). Ist diesen Anforderungen genügt, so ist bei reinen wissenschaftlichen Aufsätzen oder fachlichen Äußerungen, auch wenn sie sich auf den Wettbewerb auswirken und einem Mitbewerber förderlich sind, in der Regel die Wettbewerbsabsicht zu verneinen (BGH, GRUR 1957, 360 - Phylax; Köhler, a.a.O.), es sei denn, die Wissenschaft diente nur der Tarnung des Wettbewerbs (Köhler, a.a.O.).

Ist ein Wissenschaftler am Absatz einer Ware selbst wirtschaftlich interessiert, spricht für seine Äußerungen, selbst wenn sie wissenschaftlichen Gehalt haben, aber zugleich auch die Wettbewerbsfähigkeit von Mitbewerbern beeinträchtigen, nach der Lebenserfahrung eine Vermutung für eine Wettbewerbsabsicht. Sie ist evident, wenn die Äußerungen auf eine Herabsetzung von Konkurrenzprodukten gerichtet sind oder persönliche Angriffe enthalten (BGH, GRUR 1964, 389, 391 - Fußbekleidung; Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 28) und diese nicht nur beiläufig im Rahmen einer politischen oder wissenschaftlichen Auseinandersetzung erfolgt sind (OLG Düsseldorf, WRP 1998, 421, 425). Der Umstand allein, dass bei einem Unternehmen beschäftigte Mitarbeiter wissenschaftliche Beiträge veröffentlichen, die die Stellung des Unternehmens im Wettbewerb berühren, reicht zwar nicht ohne weiteres für die Feststellung aus, der Mitarbeiter habe in Wettbewerbsabsicht gehandelt. Von einer Wettbewerbsabsicht - als hinreichendem weiteren Zweck - ist aber dann auszugehen, wenn dem Mitarbeiter die objektive Förderungseignung bewusst sein musste und er damit rechnen musste, die Hervorhebung der Produkte seines Arbeitgebers werde die Auswahlentscheidung des angesprochenen Verkehrs günstig beeinflussen (BGH, WRP 1996, 894, 895 - Lohnentwesungen).

(2)

Vorliegend genügen die Äußerungen in der Anzeige schon nicht wissenschaftlichen Grundanforderungen.

- Die Aufmachung ist werbend-plakativ, geradezu „schreiend“, wenn als unbestreitbare Tatsache herausgestellt wird, Krebs sei heilbar („Natürlich!“) und dies unwiderleglich durch den Behandlungserfolg bei „D.“ bewiesen sei.

- Die groß abgebildete Röntgen-Aufnahme von den Lungen ist ohne wissenschaftliche Aussage, und zwar schon wegen der notwendig unscharfen Wiedergabe in einer Zeitschriftenanzeige. Noch mehr gilt dies für eine Anzeige, die sich in erster Linie an medizinische Laien wendet.

- Der Junge hatte immerhin eine Chemotherapie begonnen und erst später die Behandlung mit den Vitaminprodukten aufgenommen. Es war daher völlig offen, ob nicht ein etwaiger Rückgang der Krebserkrankung schon auf die begonnene Chemotherapie zurückzuführen war. Dieser mögliche Zusammenhang wird in der Anzeige überhaupt nicht angesprochen.

- Es ist allgemein bekannt (jedenfalls bei näherer Befassung mit medizinischen Vorgängen, wie sie dem Senat geläufig sind), dass die Anwendung eines Mittels in einem Einzelfall schon deshalb keine sichere Aussage zulässt (sondern allenfalls einen schwachen Hinweis gibt), weil es auch ohne jede Behandlung in - wenn auch sehr seltenen Einzelfällen - zu einer spontanen Heilung kommen kann. Kann - wie auch vorliegend - ein Kausalverlauf konkret nicht unmittelbar im Körper des Jungen verfolgt und nachgewiesen werden, vermag erst eine signifikante Mehrzahl von Anwendungserfolgen eine - statistisch gesicherte - Aussage zulassen. Dies liegt etwa auch den Arzneimittelzulassungsverfahren zugrunde. Die Behauptung des Antragsgegners, mit dem Fall „D.“ sei nunmehr „unwiderlegbar“ die Wirksamkeit der Produkte erwiesen, widerspricht allen Grundregeln eines wissenschaftlichen Arbeitens.

Auch ein seriöses gesundheitspolitisches Anliegen ist mit einem derartigen „scheinwissenschaftlichen“ Auftreten nicht vereinbar.

(3)

Die Äußerungen in der Anzeige sollen die Konkurrenz der Pharmaindustrie und der ärztlichen schulmedizinischen Behandlungen zielgerichtet herabsetzen, wenn der Antragsgegner von einem „milliardenschweren Pharma-Geschäft mit der Krebskrankheit“ spricht und einem „sinnlosen Massensterben an der jetzt vermeidbaren Krebskrankheit“.

(4)

Es ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner am finanziellen Ertrag der Matthias R. B. V. erheblich beteiligt ist.

Er hat deren Produkte entwickelt. Sie tragen seinen Namen. Er ist Inhaber u. a. der Marken „Zellular Medizin“ und „Zellular Medizin Formulars“, Kennzeichnungen, die für die Produkte der Matthias R. B. V. verwendet werden. Der Antragsgegner ist nach eigener Aussage Geschäftsführer der Matthias R. Holding B. V. (Anl. A 13, Bl. I/56 d. A.). Diese Holding ist einziger Anteilseigner und Geschäftsführer der Matthias R. B. V. (vgl. Senat, Urteil vom 28. Mai 2002, 5 U 94/01, Umdruck S. 54 f.; Urteil vom 13. Juli 2001, 5 U 9733/00, Umdruck S. 17 f.; Urteil vom 22. Juni 2001, 5 U 9646/00, Umdruck S. 20; Urteil vom 13. Juli 2001, 5 U 1023/00, Umdruck S. 9, 21). Aus den in den zuvor genannten Verfahren zwischen den Parteien getroffenen Feststellungen folgt sogar, dass der Antragsgegner alleiniger Anteilseigner der Matthias R. Holding B. V. (und damit mittelbar auch der Matthias R. B. V.) - jedenfalls - war. Der Antragsgegner bestreitet eine solche Stellung weiterhin nur unzureichend mit der Hinweis, er sei weder Geschäftsführer der Matthias R. B. V. noch „unmittelbar“ an ihr beteiligt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der Antragsgegner dem auch nicht mehr näher entgegengetreten.

(5)

Die streitgegenständliche Anzeige bedurfte erheblicher finanzieller Mittel. Es drängt sich auf, dass diese aus dem Vertrieb der Vitaminprodukte stammen.

(6)

Angesichts der massiven objektiven Werbewirkung für den Produktvertrieb, der unwissenschaftlichen, werbenden Aufmachung der Anzeige, ihres die Konkurrenz herabsetzenden Inhalts und der großen finanziellen Beteiligung des Antragsgegners am Ertrag des Produktvertriebes ist eine Wettbewerbsabsicht des Antragsgegners nicht zweifelhaft.

Dabei ist es unerheblich, wenn die „schreiende“ Aufmachung der Anzeige auch dazu gedient haben sollte, auf die Vortragstour des Antragsgegners aufmerksam zu machen und der Antragsgegner auf den Vortragsveranstaltungen selbst sich nur allgemein zu Vitaminprodukten geäußert hätte. Denn dazu bedurfte es keiner „unwissenschaftlichen“ Anzeigeninhalte. Das massive finanzielle Interesse des Antragsgegners bleibt insgesamt im Vordergrund, tritt jedenfalls nicht völlig zurück.

b)

Eine Wiederholungsgefahr für die Wettbewerbsabsicht ist auch nicht dadurch entfallen, dass der Antragsgegner sich strafbewehrt zur Unterlassung des Satzes „Doch D.s Eltern setzten auf Naturheilverfahren der Zellular Medizin“ verpflichtet hat.

aa)

Schon die Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung ist zweifelhaft. Denn durch die Herausnahme des einen Satzes wird der Text entstellt, ohne dass erkennbar ist, wie der Antragsgegner den Satz neu formulieren will, wenn er andererseits daran festhält, den übrigen Anzeigeninhalt auch zukünftig zu verwenden.

bb)

Selbst wenn der Hinweis in der Anzeige auf ein eingesetztes „Naturheilverfahren der Zellular Medizin“ entfällt, bleibt der Zusammenhang zwischen den Produkten (die den Namen „Dr. R.“ tragen), dem „Strukturvertrieb“ über die „Berater“ (medizinischen Laien, die in ihrem Umfeld Verbraucher ansprechen und zum Kauf der Produkte anhalten) und den streitgegenständlichen Aussagen der Anzeige (ein Produkt könne Krebs sicher heilen) gewahrt. Denn der Name „Dr. R.“ erscheint hervorgehoben im weiteren Inhalt des Plakats und lässt die oberhalb des Namens plazierten Aussagen als von ihm (den Antragsgegner) autorisiert erscheinen. Dies wiederum unterstützt nachhaltig den „Strukturvertrieb“. Im Vordergrund der Anzeige bleiben die marktschreierischen Aussagen zur Heilbarkeit des Krebses; die Ankündigung der Vortragstour verblasst dagegen.

cc)

Im Übrigen ist jedenfalls nunmehr die „Behandlung“ des D. mit „Dr. R.-Produkten“ durch die Berichterstattung in Presse und Fernsehen allgemein bekannt geworden (Anl. BB 1, BB 2, BB 3). Damit verbinden nunmehr weite Teile der angesprochenen Verbraucher selbst ohne Erwähnung eines „Naturheilverfahrens der Zellular Medizin“ den Fall des „D.“ mit den Produkten des „Dr. R.“. Diese Berichterstattung ist durch die Anzeigenkampagne des Antragsgegners ausgelöst worden.

Die gedankliche Verbindung in der Erinnerung der Verbraucher ersetzt nunmehr nicht nur den entfallenen Hinweis auf die „Zellular Medizin“, sondern sie ist sogar noch deutlich konkreter in ihrem Bezug zu den Produkten der Matthias R. B. V. und damit des Antragsgegners.

III.

Das in der Anzeige angesprochene Produkt zur Heilung einer Krebserkrankung ist ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, und zwar jedenfalls ein Arzneimittel kraft Präsentation.

1.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind Arzneimittel u. a. Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Darüber hinaus fallen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG auch Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen unter den Arzneimittelbegriff, die die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers beeinflussen. Allerdings wird der Arzneimittelbegriff durch § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG dahin eingeschränkt, dass Lebensmittel im Sinne des § 1 LMBG keine Arzneimittel sind. Derselbe Stoff kann danach nicht gleichzeitig Lebensmittel und Arzneimittel sein.

Nach § 1 Abs. 1 LMBG sind Lebensmittel Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden.

Entscheidend für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel oder Lebensmittel ist seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt. Die Verkehrsauffassung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung eines Produktes kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt (vgl. BGH, GRUR 1995, 419, 420 - Knoblauchkapseln; BGH, NJW 1998, 836, 837; BVerwGE 97, 132, 135 f.; BGH, GRUR 2004, 793, 796 - Sportlernahrung II m. w. N.).

a)

Hat ein Produkt keine pharmakologischen Wirkungen, so wird es in der Regel als Lebensmittel einzuordnen sein. Denn ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im Allgemeinen nicht annehmen, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel ist, wenn es in der vorgegebenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat (BGH, GRUR 2000, 528, 530 - L-Carnitin). Dies gilt uneingeschränkt, wenn ein Produkt bereits allein wegen seiner Inhaltsstoffe (und daran anknüpfende Vorstellungen der Verbraucher zu Verwendungsmöglichkeiten) als Arzneimittel beurteilt werden soll (so im Falle des BGH, a.a.O., L-Carnitin). Soweit aber ein Produkt ohne objektive pharmakologische Wirkung dennoch vom Hersteller oder Verkäufer als Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet oder empfohlen wird (also unter Herausstellung von pharmakologischen Wirkungen), kann ungeachtet der objektiv fehlenden pharmakologischen Wirkung ebenso von einem Arzneimittel auszugehen sein. Denn der Verbraucher soll auch davor geschützt werden, anstelle eines wirksamen Arzneimittels ein unwirksames Präparat anzuwenden (BVerwG, Pharma-R 1995, 256, 260 und 261 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH; BGH, a.a.O., Knoblauchkapseln, S. 421 zu Art. 1 Nr. 2 EG-Arzneimittelrichtlinie vom 26. Januar 1995, Richtlinie 65/65; EuGH, Slg 1983, 3902 - Van Bennekom, Rdn. 17, 18). Insoweit ist bei der Abgrenzung von Lebensmitteln (diätetischen oder Nahrungsergänzungsmitteln, vgl. Hagenmeyer/Hahn, WRP 2004, 1495 ff.) zu Arzneimitteln zu beachten, dass auch Lebensmittel der Gesundheitserhaltung dienen können und nicht selten als „gesunde Ernährung“ dem Verbraucher gegenübertreten. Der Schutzzweck des AMG zur Verhinderung einer erfolglosen Selbstmedikation bei medizinischer Behandlungsbedürftigkeit ist dann nicht berührt, wenn die Produkte nur dem durchschnittlich gesunden Normalverbraucher zur Gesunderhaltung angeboten werden und auch eine naheliegende Krankheitsvorbeugung (etwas Impfung) damit nicht unterlaufen und verdrängt wird (Senat, MD 2002, 701, 708).

b)

Die Erfassung auch sogenannter „Präsentationsarzneimittel“ neben den sogenannten „Funktionsarzneimitteln“ (Arzneimittel kraft Wirkung ihrer Inhaltsstoffe) entspricht Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG. Denn der Verbraucher soll auch nach der EG-Arzneimittelrichtlinie nicht nur vor schädlichen oder giftigen Arzneimitteln als solchen geschützt werden, sondern auch vor (möglicherweise wirkungslosen) Erzeugnissen, die anstelle der geeigneten Heilmittel verwendet werden (EuGH, Slg 1993, S. 3883, Rdn. 17 - Van Bennekom; Slg 1991, S. 1703, Rdn. 16 - Upjohn). Daran hat auch die am 30. April 2004 in Kraft getretene Richtlinie 2004/27/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Abl. Nr. L 36, S. 34) nichts geändert (Klaus, ZLR 2004, 569, 571; Doepner u. a., ZRL 2004, 429, 448). Es ist nur die Wendung „... als Mittel zur Heilung ... bezeichnet werden ...“ ersetzt worden durch „... als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung ... bestimmt sind“ (im deutschen Text; der englische und französische Text etwa blieb sogar unverändert, vgl. Klaus, a.a.O.). Die Entscheidungen des EuGH zur Einstufung von Vitaminen und Mineralstoffen als Arzneimittel (EuZW 2004, 375 - dreifache Tagesdosis und ZLR 2004, 479 - einfache Tagesdosis) betreffen ausdrücklich nur Funktionsarzneimittel, nicht Präsentationsarzneimittel (EuGH, a.a.O., S. 377 bzw. 490).

c)

Für die Annahme eines Präsentationsarzneimittels ist keine „ausdrückliche Äußerung“ des Herstellers notwendig, vielmehr reicht eine mittelbare Willensbekundung aus (EuGH, a.a.O., Van Bennekom). Ein „Bezeichnen“ liegt danach vor, wenn der Durchschnittsverbraucher schlüssig und mit Gewissheit den Eindruck erhält, dass die Wirkungen einer Heilung oder Verhütung menschlicher Krankheiten in dem Produkt vorhanden sind, ohne dass dies tatsächlich der Fall sein müsste (EuGH, a.a.O., Van Bennekom und Upjohn; EuGH E 1991, 1547, 1548 - Monteil & Samanni). Es genügt sogar, wenn eine solche Bezeichnung vorliegt, das Produkt jedoch allgemein als Lebensmittel angesehen wird und keine therapeutischen Wirkungen bekannt sind (EuGH E 1992, 5485, 5509 - Ter Voort; Hanika, MedR 2000, 63, 64).

2.

Vorliegend werden die in der Anzeige genannten bzw. umschriebenen Produkte als Arzneimittel bezeichnet. Sie sollen sicher eine akute Krebserkrankung heilen können. Damit sind die Produkte als Präsentationsarzneimittel zu verstehen. Der Verbraucher wird aufgefordert, seine Krebserkrankung mit diesen Produkten zu behandeln.

Ob das „Bezeichnen“ des Präsentationsarzneimittels auf eindeutige und dem Hersteller unmittelbar zuzurechnende Fälle zu beschränken ist (Mühl, WRP 2003, 1088, 1092), ist wegen des großen Gefahrenpotentials fraglich, kann vorliegend aber dahingestellt bleiben. Denn die Präsentation als Arzneimittel ist eindeutig und der Matthias R. B. V. auch - wegen der Personenidentität der Entscheidungsträger - ohne weiteres zuzurechnen.

IV.

Die Vorschriften des HWG (§§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 12 Abs. 1) sind vorliegend anwendbar.

Es liegt eine hinreichend produktbezogene, nicht nur unternehmensbezogene Werbung vor.

1.

Den Bestimmungen des HWG unterfällt nicht schlechthin jede Pharmawerbung. Einbezogen in den Geltungsbereich des HWG ist die produktbezogene Werbung (Produkt-, Absatzwerbung), nicht aber die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens-, Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Präparate für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt, obwohl auch sie - mittelbar - den Absatz der Produkte des Unternehmens fördern kann und soll, wie umgekehrt die Produktwerbung immer auch Firmenwerbung ist (BGH, NJW 1995, 1617 - Pharma-Hörfunkwerbung m. w. N.). Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des HWG danach entscheidende Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt davon ab, ob nach dem Erscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens im Vordergrund steht (Firmenwerbung) oder die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Arzneimittel (Absatzwerbung). Von Bedeutung ist insoweit - abgesehen von direkten Hinweisen auf namentlich genannte oder sonst unzweideutige kenntlich gemachte Arzneimittel - die Gestaltung der Werbung, der Zusammenhang, in dem sie steht, der Name des Werbeunternehmens und inhaltliche Hinweise, wie etwa die Beschreibung eines Indikationsgebietes und der Sinn verwendeter Begriffe (BGH, a.a.O.). Wird die Aufmerksamkeit des Publikums nicht auf bestimmte Arzneimittel, sondern generell auf Qualität und Preiswürdigkeit aller pauschal beworbenen Produkte gelenkt, besteht nicht die Gefahr, der das HWG mit der Einbeziehung produktbezogener Werbung in seinem Geltungsbereich entgegenwirken will, dass ein bestimmtes, in seinen Wirkungen und Nebenwirkungen vom Publikum nicht überschaubares Mittel ohne ärztliche Aufsicht oder Kontrolle durch den abgebenden Apotheker missbräuchlich angewendet werden könnte und dass es dem Werbeadressaten ermöglicht würde, auf die Abgabe bestimmter Arzneimittel zu drängen (BGH, a.a.O., m. w. N.).

Sind in der Werbung keine bestimmten, namentlich bezeichneten Arzneimittel genannt, kann dennoch eine unzulässige - mittelbare - Werbung für Arzneimittel in Betracht kommen, wenn durch die Werbung der Absatz bestimmter Arzneimittel im Hinblick darauf gefördert würde, dass die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund sonstiger Umstände, wie beispielsweise der Angabe der Indikationsgebiete oder ihrer Kenntnisse der Marktverhältnisse, der Anzeige entnehmen können, es solle für bestimmte einzelne oder mehrere Arzneimittel geworben werden, obwohl deren Bezeichnung ausdrücklich nicht genannt ist (BGH, a.a.O.). Dies kann der Fall sein, wenn in einem engen zeitlichen Zusammenhang genügend häufig auch ausschließlich bestimmte Arzneimittel beworben worden sind (BGH, a.a.O.). Die bloße Angabe allgemeiner Verwendungsgebiete („Sportverletzungen, Zahn-, Kopf-, Gliederschmerzen oder Schnupfen“) in Verbindung mit der Firmenbezeichnung und der Aufforderung, die Arzneimittel der werbenden Firma in der Apotheke zu verlangen, soll nicht genügen, da der Apotheker notwendig erst nach dem jeweiligen Produkt befragt werden müsse und letztlich der Apotheker darüber entscheide, welches Mittel aus der Angebotspalette der Firmen er dem Kunden empfehle, so dass eine beratende Tätigkeit durch einen Apotheker gewährleistet sei (BGH, a.a.O., S. 1618). Unterbunden werden sollen die Gefahren einer Selbstmedikation des Verbrauchers allein aufgrund der Werbeangaben, wenn er gegenüber dem Apotheker konkret ein bestimmtes Mittel hinreichend bezeichnen und dies bestimmt verlangen kann (BGH, GRUR 1992, 873, 874 - Pharma-Werbespot).

2.

Vorliegend ist die Indikation (Krebsbehandlung) konkret genannt. Die Produkte sind über die Herausstellung des Namens des Antragsgegners, die Kennzeichnung als „Naturheilverfahren der Zellular Medizin“ und die nunmehr durch die Berichterstattung zum Fall „D.“ gegebene Bekanntheit ohne weiteres ersichtlich. Dies gilt sowohl für den Kreis der Verbraucher, die schon jetzt diese Produkte beziehen (vorbeugende oder akute Behandlung), als auch für diejenigen Verbraucher, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Anzeige oder nachfolgend durch die „Berater“ im „Strukturvertrieb“ angesprochen werden. Bei diesen Verbrauchern ist auch nicht notwendig die Einschaltung eines Arztes oder Apothekers zu erwarten. Der Inhalt der Anzeige weist gerade weg von den schulmedizinisch behandelnden Ärzten. Die „Berater“ sind - wie erörtert - in der Regel nur medizinische Laien.

V.

Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG liegen bezüglich der Aussagen 1.1 („D. wird leben ... zurückgegangen“), 1.2 (Abbildung der Röntgen-Aufnahme mit dortigem Text) und 1.3 (Abbildung des radiologischen Befundes) vor.

1.

Insoweit wird - wie auch im Rahmen des Wettbewerbszweckes erörtert - für Arzneimittel produktbezogen geworben.

Eine heilmittelrechtlich relevante „Werbung“ sind alle informationsvermittelnden und meinungsbildenden Aussagen, die darauf abzielen, die Aufmerksamkeit der Adressaten zu wecken und deren Entschlüsse mit dem Ziel der Förderung des Absatzes von Waren oder Leistungen im Sinne des § 1 HWG zu beeinflussen (BGH, GRUR 1991, 860, 861 - Katovit; GRUR 1995, 612, 613 - Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie; Doepner, HWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 11).

Die vorliegende Werbung ist dafür objektiv nachhaltig geeignet und subjektiv dazu - jedenfalls vorrangig auch - bestimmt.

2.

Eine Krankengeschichte im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG liegt zunächst dann vor, wenn eine Aufzeichnung über ein Krankheitsgeschehen, wie sie in Kliniken oder in der ärztlichen Praxis gebräuchlich ist, wiedergegeben wird (OLG Düsseldorf, SRHX , 250; Doepner, a.a.O., § 11 Nr. 3 Rdn. 11).

Dies trifft hier zwanglos auf Ziff. 1.2 (Röntgenaufnahme) und 1.3 (Radiologischer Befundbericht) zu.

3.

Verfasser von Krankengeschichten im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG können aber auch Laien sein (BGH, GRUR 1981, 435, 437 - 56 Pfund abgenommen; KG, ES-HWG, § 11 Nr. 3, Nr. 8; Doepner, a.a.O., § 11 Nr. 3 Rdn. 12; Ring in Bülow/Ring, HWG, 2. Aufl., § 11 Abs. 1 Nr. 3 Rdn. 5; Gröning, HWG, § 11 Nr. 3 Rdn. 4).

Der Text Ziff. 1.1 schildert laienhaft den Krankheitsverlauf des D.

VI.

Hinsichtlich der Ziffern 2.1 bis 2.4 des Antrages liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 HWG in Verbindung mit der Anl. A Nr. 2 zu § 12 HWG vor.

1.

Die vorliegende Werbung für Arzneimittel wendet sich an jeden Verbraucher; sie erfolgt damit außerhalb der Fachkreise, § 2 HWG.

2.

Zu den von § 12 Abs. 1 HWG erfassten Krankheiten gehören nach der Anl. A Nr. 2 „Geschwulstkrankheiten“, also insbesondere Krebserkrankungen (BGH, GRUR 1984, 292, 293 - THX-Injektionen; GRUR 1985, 305, 306 - THX-Krebsvorsorge; Ring, a.a.O., § 12 Rdn. 21).

3.

Mit den genannten Aussagen der Anzeige wird für die Behandlung von Krebserkrankungen mit den Produkten der „Zellular Medizin“ bzw. des „ Dr. R.“ geworben.

Ziff. 2.1 ist insoweit eindeutig. Die Ziffern 2.2 bis 2.4 beziehen sich mittelbar auf eine solche Behandlung, damit Krebs „kein Todesurteil“ mehr sei, „Millionen weiterer Krebspatienten“ das Leben gerettet werden könne und „das sinnlose Massensterben an der jetzt vermeidbaren Krebskrankheit“ beendet werde.

VII.

Grundrechte des Antragsgegners auf Art. 12 GG (Berufsfreiheit), Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (Meinungsfreiheit) und Art. 5 Abs. 3 GG (Wissenschaftsfreiheit) stehen der Verurteilung des Antragsgegners nicht entgegen.

1.

Die §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 12 Abs. 1 HWG schränken die Möglichkeiten einer Publikumswerbung und dementsprechend die Freiheit der Berufsausübung ein; ihre Anwendung ist aber jedenfalls dann insoweit grundrechtskonform, wenn eine Wettbewerbsmaßnahme zu einer hinreichenden unmittelbaren oder zumindest zu einer mittelbaren Gesundheitsgefährdung führen kann (vgl. BVerfG, NJW 2000, 2736; BGH, GRUR 2004, 799, 800 - Lebertrankapseln zu § 11 Abs. 1 Nr. 10 HWG). Unmittelbar ist eine Gesundheitsgefährdung, wenn der durch die Werbung zur Einnahme des Präparats veranlasste Verbraucher hierdurch einen Schaden erleiden könnte. Eine mittelbare Gesundheitsgefährdung liegt vor, wenn die Werbung die nicht nur als geringfügig einzustufende Gefahr begründet, dass ihre Adressaten glauben, sie könnten ein auch bei ihnen vorliegendes Leiden durch die Einnahme des beworbenen Präparates heilen, und daher von einem Arztbesuch absehen, den sie ohne die Werbung gemacht hätten und der zum noch rechtzeitigen Erkennen anderer, ernsterer Leiden geführt hätte (BGH, GRUR 2001, 1170, 1171 - Optometrische Leistungen II; GRUR 2004, 799, 800 - Lebertran zu § 11 Nr. 10 HWG).

Vorliegend fordert die Anzeige auf, sich bei einer Krebserkrankung von der schulmedizinischen Behandlung abzuwenden und zur alleinigen Behandlung auf die „Zellular Medizin“ des Dr. R. zu vertrauen. Dies wird mit drastischen Worten zum Ausdruck gebracht: Einerseits sei Krebs nunmehr sicher heilbar, andererseits drohe ohne Einnahme der beworbenen Produkte eine sinnlose, qualvolle Behandlung (Chemotherapie, an der D. beinahe gestorben wäre; Operation), endend in einem „sinnlosen Massensterben“.

Dabei wird darüber hinaus zum einen der besondere Werbeeffekt von Krankengeschichten genutzt, der subtil die Ängste und Hoffnungen von Kranken oder krankheitsanfälligen Menschen berührt und die Erwartung erweckt, die Verwendung der beworbenen Produkte werde bei ihnen den gleichen Erfolg bringen, wie er in der Werbung beworben wird, um einen daraus folgenden psychologischen Zwang zum Produktvertrieb zu nutzen (vgl. KG, ES-HWG § 11 Nr. 3, Nr. 8; Doepner, a.a.O., § 11 Nr. 3 Rdn. 3 m. w. N.).

Zum anderen beziehen sich die Werbeaussagen auf gravierende und komplizierte Erkrankungen. Bei diesen birgt die Diagnose und Therapie durch fachunkundiges Personal oder gar eine Selbstbehandlung durch Kranke besonders große Gesundheitsgefahren (Fehlschlag der Therapie, Verzögerung der Therapie oder gar Verschlimmerung der Krankheit bis hin zum Tod; Doepner, a.a.O., § 12 Rdn. 4; vgl. auch BGH, GRUR 1981, 831, 833 - Grippewerbung; GRUR 1995, 812, 816 - Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie).

Angesichts der vorliegenden Werbung besteht daher die sogar naheliegende Gefahr, dass an Krebs Erkrankte gar nicht erst einen Arzt aufsuchen (abgeschreckt von den drohenden sinnlosen und lebensbedrohlichen Qualen einer schulmedizinischen Behandlung), sondern zudem - von den „Beratern“ medizinisch-laienhaft umworben - allein die Produkte der „Zellular Medizin“ bzw. des „ Dr. R.“ in eigener Behandlung anwenden. Noch dringender ist die Gefahr, dass Krebspatienten aufgrund der Werbung (und etwa einem ergänzenden Verkaufsdruck der „Berater“, die zudem bestimmte Mindestumsätze erreichen müssen, vgl. Anl. A 12, Ziff. 2.5, Bl. I/47 d. A.) schulmedizinisch gebotene Heilbehandlungen eigenmächtig abbrechen und allein auf die „Dr. R.-Produkte“ vertrauen. Gerade im Bereich einer Krebserkrankung kommt es regelmäßig auf eine schnelle Behandlung an, wenn noch Hoffnung bestehen soll.

2.

In die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit greift das vorliegende Werbeverbot ebenfalls nicht ein.

a)

Es hindert den Antragsgegner nicht an wissenschaftlicher Betätigung noch an einer öffentlichen Verbreitung der dabei gewonnenen Erkenntnisse. Untersagt sind nur werbemäßige Ankündigungen, die schon ihrer Natur nach nicht als Wissenschaft im Sinne eines ernsthaften, planmäßigen Versuchs zur Ermittlung der Wahrheit (vgl. BVerfGE 35, 79, 113) angesehen werden können (vgl. BVerfG, GRUR 1986, 382, 385 - Arztwerbung). Allenfalls die wirtschaftliche Ausnutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse kann Gegenstand von Werbeaussagen sein; diese Nutzung ist typischer Schutzgegenstand anderer Grundrechte (BVerfG, a.a.O., Arztwerbung).

Vorliegend fehlt - wie erörtert - schon ein hinreichender ernsthafter wissenschaftlicher Gehalt. Im Übrigen müsste auch das Grundrecht des Antragsgegners auf Wissenschaftsfreiheit angesichts der dringenden Gefahren für Leib und Leben von an Krebs erkrankten Patienten zurücktreten. Es bleibt dem Antragsgegner ohne weiteres möglich, in gebotener sachlicher Form auf seine Vortragstour aufmerksam zu machen.

3.

Dies gilt entsprechend für die Meinungsfreiheit des Antragsgegners nach Art. 5 Abs. 1 GG.

Zwar soll nicht verkannt werden, dass - theoretisch - der Antragsgegner auch ein gesundheitspolitischen Anliegen verfolgen könnte. Dies wäre umso dringender, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine breite Lobby aus Schulmedizinern und Pharmaindustrie wirksame Krebsmedikamente (in Form der Vitaminprodukte) zum eigenen Vorteil unterdrücken könnten.

Insoweit ergeht sich aber der Antragsgegner nur in Allgemeinplätzen. Große Teile der Schulmedizin wären auch in ihrer wirtschaftlichen Grundlage nicht durch bei Krebsbehandlungen erfolgreiche Vitaminprodukte gefährdet. Ebenso haben viele Pharma- und Chemieunternehmen am Absatz von Vitaminprodukten ein eigenes großes finanzielles Interesse, weil sie die Grundstoffe hierzu herstellen und dies einen großen Markt eröffnet hat, wie die EU- und US-Kartellverfahren gegen Vitaminproduzenten belegen.

Ein - bei medizinischer Wirksamkeit ohne weiteres mögliches - Zulassungsverfahren nach dem Arzneimittelgesetz hat der Antragsgegner (bzw. sein Konzern) nicht betrieben noch auch nur ernsthaft in Angriff genommen; nicht einmal hinreichende klinische Studien an Menschen liegen vor.

VIII.

Der vorliegend aufgezeigte Verstoß gegen die genannten Vorschriften des HWG ist unlauter im Sinne des § 1 UWG a. F. (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG n. F.). Die Wettbewerbshandlungen des Antragsgegners sind geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die oben genannten Vorschriften des HWG sind auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. auch BGH, WRP 2004, 1481, 1482 - Johanneskraut).

IX.

Die Wiederholungsgefahr ist im Hinblick auf die Unterlassungserklärungen der Matthias R. B. V. und der Dr. R. Health Foundation nicht entfallen.

Zum Einen betreffen auch sie nur - unzureichend - den Satz zur „Zellular Medizin“. Zum Anderen legt es der Antragsgegner geradezu darauf an, sich hinter der Vielzahl seiner Gesellschaften „zu verstecken“, so dass die Gefahr bliebe, er würde über Neugründungen die Verletzungshandlungen wiederholen.

X.

Die vollständige Ausschöpfung der Berufungsfrist durch den Antragsteller lässt die Dringlichkeit nicht entfallen (vgl. Senat, WRP 1981, 462).

XI.

Allerdings dürfen in der Antrags- und Verbotsfassung die einzelnen Aussagen nicht aus ihrem Kontext gerissen werden. Für die Beurteilung der Voraussetzungen „im geschäftlichen Verkehr für sogenannte Zellular Medizin zu werben“ ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Davon ging aber von Beginn des Verfahrens an offensichtlich auch der Antragsteller aus. Zur Klarstellung hat der Senat im Verbotsausspruch den Gesamtbezug - antragsgemäß - ausgesprochen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Neufassung des Antrags durch den Antragsteller - und die entsprechende Verbotsfassung des Senats - enthält - da nur klarstellend - keine teilweise Zurückweisung.