KG, Urteil vom 03.11.2003 - 12 U 102/03
Fundstelle
openJur 2012, 1461
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30. Dezember 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin – 24 O 469/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1.Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte Akupunkturbehandlung aus §§ 7, 17 StVG, 823 Abs. 1 und 2 BGB, § 3 Abs. 1 PflVersG steht der Klägerin gegen die Beklagten nicht zu.a)Es kann dahinstehen, ob die Klägerin, wie sie nunmehr behauptet, die streitgegenständlichen Rechnungen der behandelnden Ärztin Dr. L für die Akupunkturbehandlung ausgeglichen hat, denn auch, wenn dies nicht der Fall wäre, würde dieser Umstand einem Zahlungsanspruch der Klägerin nicht entgegenstehen. Zwar besteht der Schaden insoweit zunächst in einer Belastung mit einer Verbindlichkeit, so dass nach allgemeinen Grundsätzen über § 249 BGB nur Freistellung beansprucht werden könnte (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 249 Rdnr. 1). Der Freistellungsanspruch geht jedoch gemäß § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch über. Eine Fristsetzung nach § 250 BGB war im vorliegenden Fall entbehrlich, da die Beklagten durch ihr Prozessverhalten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben, dass sie eine Naturalrestitution ernsthaft und endgültig verweigern (vgl. Palandt-Heinrichs, a. a. O., § 250 Rdnr. 2 m. w. N.).b)Der Senat hält es auch für denkbar, dass die Aufwendungen für eine Akupunkturbehandlung im Einzelfall nach § 249 BGB als Kosten der Heilbehandlung erstattungsfähig sind. Als Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung oder auch auf Linderung der Krankheit abzielt (OLG Karlsruhe, VersR 1998, 1256 ff.). Allerdings sind grundsätzlich nur solche Behandlungen anzuerkennen, die nach Auffassung der Schulmedizin wissenschaftlich allgemein als erfolgversprechend anerkannt sind. Von diesem Grundsatz sind jedoch dann Ausnahmen zu machen, etwa wenn bei unheilbaren Krankheiten Behandlungsmethoden zur Linderung fehlen (vgl. OLG Karlsruhe a. a. O.). Dasselbe muss nach Auffassung des Senats auch dann gelten, wenn die Schulmedizin für ein bestimmtes Leiden zwar Behandlungsmethoden entwickelt hat, diese jedoch im konkreten Fall – wie es hier die Klägerin geltend macht, beispielsweise wegen Unverträglichkeit, – ungeeignet sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1988 – 3/8 RK 5/87 –). Voraussetzung ist jedoch, dass die angewandte "Außenseitermethode" auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht und bei einer ex amte Betrachtung zumindest eine gewisse Aussicht auf Erfolg (Heilung, Linderung, Verhinderung von weiterer Verschlechterung) verspricht, wobei es als sachgerecht erscheint, die Anforderungen an den möglichen Behandlungserfolg vom Grad der Schwere der Verletzung/Erkrankung und den damit verbundenen Leiden des Geschädigten abhängig zu machen (vgl. OLG Karlsruhe a. a. O., sowie zu den Musterbedingungen der privaten Krankenversicherung BGH NJW 1993, 2369; NJW 1996, 3074; NJW 2003, 294; OLG Frankfurt, OLG-Report Frankfurt 2003, 42 ff.; vgl. auch OLG Hamm, OLG-Report 2002, 67). Soweit der Senat in seinem Urteil vom 10. Januar 2000 (12 U 4698/98) die Kosten für eine Behandlung nach einer sogenannten Außenseitermethode im Rahmen des § 249 BGB für grundsätzlich nicht erstattungsfähig angesehen hat, wird daran nicht mehr festgehalten.c)Die Klage ist jedoch deshalb unbegründet, weil die Kosten einer notwendigen Heilbehandlung der Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalles vom 26. April 1998 gemäß § 116 SGB X auf den Träger der Sozialversicherung übergegangen sind. Hierauf haben die Beklagten bereits in erster Instanz hingewiesen. Wie sich aus den von der Klägerin selbst eingereichten Unterlagen ergibt, ist diese bei der Techniker Krankenkasse, einer gesetzlichen Krankenkasse, versichert gewesen, so dass der Anwendungsbereich des § 116 SGB X grundsätzlich eröffnet ist. Nach § 116 SGB X tritt ein Forderungsübergang kraft Gesetzes ein, wenn aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften ein Schadensersatzanspruch besteht, der Versicherungsträger aufgrund des selben Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die Sozialleistungen der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und die Leistung sich auf den selben Zeitraum bezieht, wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz (VerbKom § 116 SGB X Rdnr. 4). Zeitpunkt des Forderungsübergangs auf den Versicherungsträger ist der Unfallzeitpunkt, und zwar unabhängig davon, ob ab diesem Zeitpunkt überhaupt Leistungen zu erbringen sind oder beantragt wurden. Es genügt die "weit entfernte Möglichkeit", dass der Versicherungsträger irgendwann einmal wegen des Unfalls leistungspflichtig wird (VerbKom § 116 SGB X Rdnr. 9 m. w. N.). Dem Umfang nach geht die Forderung auf den Versicherungsträger über, wie sie dem Geschädigten gegenüber dem Schädiger zugestanden hat (BGH NJW 2003, 2193).Hinsichtlich der hier streitigen Kosten der notwendigen Heilbehandlung besteht sachliche Kongruenz zwischen den Sozialleistungen und den vom Schädiger zu leistenden Schadensersatz (vgl. VerbKom a. a. O., Rdnr. 8).

Allerdings wird in Rechtsprechung und Schrifttum diskutiert, in welchem Umfang der Geschädigte solche Kosten erstattet verlangen kann, die vom Sozialversicherungsträger nicht erstattet werden. Dieses Problem taucht insbesondere dann auf, wenn ein SGB-Kassenpatient sich privatärztlich behandeln lässt oder bei stationärem Aufenthalt ein Doppel- oder Einzelzimmer belegt. In diesem Zusammenhang wird die Auffassung vertreten, Mehrkosten seien vom Schädiger dann zu übernehmen, wenn der Geschädigte sie auch ohne einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten aufgewendet hätte (vgl. die Nachweise bei Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Rdnr. 163).

Im vorliegenden Fall stellt sich dieses Problem schon deshalb nicht, weil, wie die Klägerin selbst geltend macht, auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Kosten einer sogenannten "Außenseitermethode" erstattungsfähig sind, wenn Behandlungsmethoden, die allgemein medizinisch wissenschaftlich anerkannt sind, nicht zur Verfügung stehen oder im Einzelfall aus irgendwelchen Gründen ungeeignet sind und eine zur Verfügung stehende "Außenseitermethode" in ihrer Wirksamkeit zwar noch nicht gesichert ist, aber ein Behandlungserfolg nach der medizinischen Wissenschaft für möglich gehalten werden muss (BSG a. a. O.).

Nach dem Vorbringen der Klägerin sind die oben genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben, so dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 116 SGB X kraft Gesetzes auf den Träger der Sozialversicherung übergegangen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob die Klägerin beim Sozialversicherungsträger Erstattung der aufgewendeten Kosten beantragt bzw. Leistungen erhalten hat. Es wäre Sache der Klägerin, bei Vorliegen der Voraussetzungen die Erstattung der Kosten einer Akupunkturbehandlung beim zuständigen Sozialversicherungsträger zu beantragen und notfalls die Hilfe der Sozialgerichte in Anspruch zu nehmen.

2.Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 ZPO n. F.).3.Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.