VerfG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 25.09.2002 - 79/02
Fundstelle
openJur 2012, 1013
  • Rkr:
Gründe

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Durchsuchungs- und einen Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Neuruppin und die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Neuruppin.

I.

Der Beschwerdeführer ist Beamter auf Lebenszeit im Polizeidienst und war dem Polizeipräsidium zugeteilt. Für die Aufarbeitung liegengebliebener Vorgänge in den Jahren 1998 bis 2000 rechnete er 290 Stunden Mehrarbeit mit einem Betrag i.H.v. 8222,45 DM brutto ab, der zur Auszahlung kam. Nach Bekannt werden anderweitiger auffälliger Überstundenabrechnungen im Polizeipräsidium wurden mit Verfügung vom 28. Februar 2001 disziplinarische Vorermittlungen angeordnet. Ferner kam es zur Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zunächst wegen Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung, später wegen Betruges, gegen die Polizeipräsidentin, den Abteilungsleiter K., den Beschwerdeführer und weitere Bedienstete, das zunächst von der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) bearbeitet und durch Verfügung vom 21. Juni 2001 an die für Korruptionsdelikte schwerpunktmäßig zuständige Staatsanwaltschaft Neuruppin abgegeben wurde. Die Übernahmenachricht an den Beschwerdeführer erging unter dem 16. Juli 2001. Im Rahmen der Ermittlungen wurden dann Zeugen vernommen und verfügbare Unterlagen (Personalakte, Zeiterfassungsbögen, Abrechnungsunterlagen der Bezügestelle) angefordert und ausgewertet. Die Zwischenergebnisse wurden durch Aktenvermerk vom 20. September 2001 zusammengefasst. Am 11. Oktober 2001 wurde der Beschuldigte K. vernommen, der dabei seinen Kalender für das Jahr 2001 der Staatsanwaltschaft übergab und die Kalender für die Jahre 1998 bis 2000 nachreichte. Mit Aktenvermerk vom 30. Oktober 2001 wertete der ermittelnde Staatsanwalt den Verfahrensstand wegen eines möglichen Zusammenwirkens des Beschwerdeführers mit dem Beschuldigten K. aus. Mit Blick auf ermittlungsrelevante Unterlagen des Beschwerdeführers bemerkte er:

"Eine Aufforderung zur freiwilligen Herausgabe - wie bei K. - erscheint zwar grundsätzlich möglich. Ob allerdings sämtliche beweiserheblichen Unterlagen dabei zu Tage gefördert werden, ist anzuzweifeln. Nachdem durch die Aufforderung an den Beschuldigten K. deutlich wurde, mit welcher Zielrichtung die Staatsanwaltschaft in den Ermittlungen arbeitet, ist - ausgehend von einem Zusammenwirken der beiden Beschuldigten - damit zu rechnen, dass hier bei einer Aufforderung nur noch "ausgesuchte" Unterlagen präsentiert werden. Befürchtungen dieser Art ergeben sich auch aus anderer Quelle: So hatte die Zeugin R. anlässlich der Vernehmung am 16. August 2001 mitgeteilt, dass der Beschuldigte T. bei seinem Anhörungstermin im Disziplinarverfahren handschriftliche Aufzeichnungen über die von ihm und seinen Mitarbeitern geleisteten "Mehrarbeitsstunden" vorlegte, die er gefertigt haben wollte. Auf eine spätere Aufforderung an ihn, diese zu den Akten zu reichen, seien dann schreibmaschinengeschriebene Unterlagen überreicht worden ..., was beim Ministerium offenbar die Befürchtung von Manipulationen aufkommen ließ. Sofern es zu einem Zusammenwirken gekommen ist, könnte die Durchsuchung außerdem Aufschluss über die Art und Weise der Kontakte der Beschuldigten geben".

Der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers hat im Laufe des Ermittlungsverfahrens gegenüber der Staatsanwaltschaft mehrfach die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zur Herausgabe relevanter Unterlagen erklärt.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft von dem selben Tag erließ das Amtsgericht unter dem 09. November 2001 einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohn- und Diensträume des Beschwerdeführers "wegen Betrug u.a." und ordnete zugleich die Beschlagnahme von "Aufzeichnungen und Unterlagen (z. B. Kalender) in Bezug auf die Beziehungen zu dem Beschuldigten K. sowie der von ihm und dem Beschuldigten K. geleisteten Arbeitsstunden im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Polizeipräsidium" an. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde entschied das Landgericht durch - mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffenen - Beschluss vom 07. Januar 2002, dass "eine Entscheidung der Beschwerdekammer .... nicht veranlasst" sei, da die zu beschlagnahmenden Gegenstände nicht näher bezeichnet gewesen seien. Die Staatsanwaltschaft bezeichnete darauf die von ihr zu Beweiszwecken in Anspruch genommenen Gegenstände und gab die anderen an den Beschwerdeführer zurück. Das Amtsgericht bestätigte unter dem 05. Februar 2002 die Beschlagnahme. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde durch Beschluss des Landgerichts vom 28. März 2002 unter gleichzeitiger Zurückweisung der Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 09. November 2001 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen den Beschwerdeführer bestehe der Verdacht, Straftaten gemäß §§ 266 Abs. 1 Alt. 1, 26, 53 StGB begangen zu haben. Die Voraussetzungen für eine Mehrarbeitsvergütung hätten überwiegend nicht vorgelegen. Die Durchsuchungsanordnung sei auch nicht unverhältnismäßig. Das Angebot des Beschwerdeführers zur Zusammenarbeit und Herausgabe von Unterlagen mache eine Durchsuchung nicht entbehrlich. Hinsichtlich der Beschlagnahmeanordnung habe die Beschwerdekammer die beschlagnahmten Gegenstände gesichtet und für die Ermittlungen von Interesse befunden.

II.

Mit der am 11. Mai 2002 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer hinsichtlich der Durchsuchungsanordnung die Verletzung der Grundrechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 15 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg - LV -), Eigentum (Art. 41 Abs. 1 LV) und Datenschutz (Art. 11 LV), hinsichtlich der Beschlagnahmeentscheidung die Verletzung der Grundrechte auf Datenschutz (Art. 11 LV), Eigentum (Art. 41 Abs. 1 LV) und freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 10 LV). Ferner sieht er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 2 LV) und den Anspruch auf ein faires und zügiges Verfahren (Art. 52 Abs. 4 LV) verletzt. Er ist der Auffassung, dass bereits kein Anfangsverdacht für das Ermittlungsverfahren bestanden habe, da er sich in vertretbarer Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften zur Abrechenbarkeit von Mehrarbeit verhalten habe. Im übrigen sei die Durchsuchung jedenfalls unverhältnismäßig, da ein derart einschneidendes Vorgehen nur bei Eile oder Erschöpfung anderer Beweismittel zulässig sei. Die Staatsanwaltschaft habe jedoch sein Angebot auf Zusammenarbeit ignoriert. Die beschlagnahmten Dokumente seien für die Ermittlungen ohne Wert. Dass er Mehrarbeit geleistet habe, stehe fest. Für die Frage einer möglichen Strafbarkeit komme es allein auf die Auslegung der Mehrarbeitsvorschriften an. Ferner dauere die Beschlagnahme mit inzwischen mehr als 7 Monaten unverhältnismäßig lange an. Die Ablehnung seines Angebots zur Zusammenarbeit habe das Ermittlungsverfahren unnötig in die Länge gezogen und laufe auf Verweigerung des rechtlichen Gehörs hinaus.

III.

Das Landgericht, das Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Das Landesverfassungsgericht hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft angefordert. Sie liegen als Zweitakten vor.

B.

Die zulässige Verfassungsbeschwerde hat in der Sache selbst keinen Erfolg.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

1. Die Beschwerdebefugnis ist gegeben.

a) Soweit es um die Durchsuchung seiner Privaträume geht, ist der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung des Art. 15 Abs. 1 LV (Unverletzlichkeit der Wohnung) beschwerdebefugt. Soweit es um die Durchsuchung der Diensträume geht, ist allerdings - anders als bei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegebenenfalls in den Schutzbereich des korrespondierenden Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (GG) fallenden Laden- und Geschäftsräumen (BVerfGE 32, 54, 68 ff.; 44, 353, 371; 76, 83, 88; 96, 44, 51) - nicht Art. 15 LV betroffen. Gegen die Durchsuchung seines Dienstzimmers nach - wie die gleichzeitige (erste) Beschlagnahmeanordnung (vom 9. November 2001) ergibt - eher der privaten Lebenssphäre zuzurechnenden "Aufzeichnungen und Unterlagen (z. B. Kalender)" ist der Beschwerdeführer jedoch unter dem Gesichtspunkt einer - der Sache nach mit gerügten - möglichen Verletzung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 10 LV) als Auffanggrundrecht (vgl. zu Art. 2 Abs. 1 GG: BVerfGE 6, 32, 37; 80, 137, 152 ff.)  beschwerdebefugt. Eine Verletzung der Grundrechte auf Datenschutz (Art. 11 Abs. 1 LV) und Eigentum (Art. 41 Abs. 1 LV), wie sie der Beschwerdeführer darüber hinaus geltend macht, scheidet hingegen, was die Durchsuchung angeht, von vornherein aus. Diese Rechte werden nicht schon durch eine bloße Durchsuchung, sondern gegebenenfalls erst durch eine anschließende Beschlagnahme betroffen.

b) Soweit es um die Beschlagnahme geht, ergibt sich die Beschwerdebefugnis aus einer möglichen Verletzung sowohl des Grundrechts auf Datenschutz (Art. 11 Abs. 1 LV) als auch des Eigentumsrechts (Art. 41 Abs. 1 LV).

aa) Die zwangsweise Inanspruchnahme von persönlichen Daten durch Beschlagnahme von Aufzeichnungen, Schriftstücken, Kalendern und anderen Unterlagen solcher Art, wie sie hier in Frage steht, ist für die Rechtslage im Land Brandenburg an dem speziellen landesverfassungsrechtlichen Grundrecht auf Datenschutz (vgl. ähnlich die Landesverfassungen von Berlin [Art. 33], Mecklenburg-Vorpommern [Art. 6 Abs. 1], Nordrhein-Westfalen [Art. 4 Abs. 2], Rheinland-Pfalz [Art. 4 a], Saarland [Art. 2 S. 2], Sachsen [Art. 33], Sachsen-Anhalt [Art. 6 Abs. 1] und Thüringen [Art. 6 Abs. 2]; zur Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz mit Blick auf Art. 142 GG: Iwers, Entstehung, Bindungen und Ziele der materiellen Bestimmungen der Landesverfassung Brandenburg, S. 341 f.) zu messen. Das im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sog. Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1, 41 ff.) in die Landesverfassung eingestellte (vgl. Breidenbach/Kneifel-Haverkamp, in: Simon/Franke/Sachs, Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, § 21 Rn. 2) Recht auf Datenschutz schützt nicht nur im Rahmen der elektronischen Datenverarbeitung vor Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Weiterleitung von persönlichen Daten, sondern vor jeglichem Zugriff auf persönliche Daten. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 LV, demzufolge jeder das Recht hat, über die "Preisgabe" und "Verwendung" seiner persönlichen Daten zu bestimmen (Satz 1), und personenbezogene Daten - vorbehaltlich Art. 11 Abs. 2 LV - nur mit Zustimmung des Betroffenen "erhoben, ... weitergegeben oder sonst verwendet" werden dürfen (Satz 2). Art. 11 Abs. 1 LV schützt damit, soweit nicht Ausnahmen nach Art. 11 Abs. 2 LV greifen, vor jeglicher Inanspruchnahme persönlicher Daten (auch) durch staatliche Stellen (vgl. auch Höfelmann, Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung anhand der Ausgestaltung des Datenschutzrechts und der Grundrechtsnormen der Landesverfassungen, S. 64 f., 175 f.). Es gilt auch - und gerade auch - für Art. 11 Abs. 1 LV, was das Bundesverfassungsgericht zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausgeführt hat (BVerfGE 78, 77, 84):

"In dieses Recht wird nicht nur dann eingegriffen, wenn der Staat vom Einzelnen die Bekanntgabe persönlicher Daten verlangt oder diese der automatisierten Datenverarbeitung zuführt. Die Möglichkeiten und Gefahren der automatischen Datenverarbeitung haben zwar die Notwendigkeit eines Schutzes persönlicher Daten deutlicher hervortreten lassen, sind aber nicht Grund und Ursache ihrer Schutzbedürftigkeit. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt vielmehr wegen seiner persönlichkeitsrechtlichen Grundlage generell vor staatlicher Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten und ist nicht auf den jeweiligen Anwendungsbereich der Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder oder datenschutzrelevanter gesetzlicher Sonderregelungen beschränkt."

bb) Die Beschwerdebefugnis gegenüber der Beschlagnahme ergibt sich weiter aus einer möglichen Verletzung des Rechts auf Eigentum (Art. 41 Abs. 1 LV) angesichts der mit der Beschlagnahme naturgemäß verbundenen eingeschränkten Nutzbarkeit und Verwendbarkeit der beschlagnahmten Gegenstände (vgl. zu Art. 14 Abs. 1 GG: BVerfGE 52, 1, 30 m.w.N.; 88, 366, 377).

cc) Keine Beschwerdebefugnis besteht, was die Beschlagnahme angeht, unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung des Art. 10 LV. Die Vorschrift gilt nur subsidiär und tritt hinter speziellen Grundrechten - hier: Art. 11 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 1 LV - zurück (vgl. zu Art. 2 Abs. 1 GG im Verhältnis zu anderen Freiheitsgrundrechten: BVerfGE 6, 32, 37; 67, 157, 171; 83, 182, 194; 89, 1, 13).

c) Soweit der Beschwerdeführer allgemein den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 LV) und den Anspruch auf ein faires und zügiges Verfahren (Art. 52 Abs. 4 LV) sowie das rechtliche Gehör verletzt sieht, geht dies ins Leere. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein allgemeines verfassungsrechtliches Prinzip und kein selbständig rügbares Grundrecht. Auch eine Verletzung der genannten Verfahrensgrundrechte scheidet bezogen auf den dem Verfassungsgericht unterbreiteten Verfahrensgegenstand von vornherein aus. Der Beschwerdeführer hat das Verfassungsbeschwerdeverfahren durch seine dahingehende Bezeichnung des Beschwerdegegenstandes auf die Entscheidungen des Amtsgerichts (Durchsuchungsanordnung vom 09. November 2001 und Bestätigung der Beschlagnahme durch Beschluss vom 05. Februar 2002) und des Landgerichts (Beschwerdeentscheidung) beschränkt, so dass lediglich das zu diesen Gerichtsentscheidungen führende Verfahren miterfasst ist. Insoweit aber hatte der Beschwerdeführer ersichtlich rechtliches Gehör und ist eine verzögerte oder verfahrensrechtlich unfaire Handhabung der befasst gewesenen Gerichte nicht zu erkennen. Für diese Gerichtsentscheidungen wirft auch der Beschwerdeführer allein die Frage der materiellen Vereinbarkeit mit der Landesverfassung auf. Soweit er in seinen Schriftsätzen auch das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren - wegen dessen Dauer, des Nicht-Eingehens auf seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit, des Unterbleibens einer Beschuldigtenvernehmung usw. - beanstandet, greift dies über die angefochtenen Gerichtsentscheidungen hinaus und hat mit ihnen nichts zu tun. Außerdem gelten die in Rede stehenden Verfahrensgrundrechte (rechtliches Gehör, faires und zügiges Verfahren) nach dem klaren Wortlaut des Art. 52 Abs. 3 und 4 LV nur "vor Gericht" und - jedenfalls als landesverfassungsrechtlich verbürgt - nicht auch für behördliche Verfahren, zu denen unbeschadet seiner Besonderheiten auch das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gehört. Für diese unterschiedliche Behandlung lässt sich anführen, dass in behördlichen Verfahren - anders als in gerichtlichen Verfahren - dienstaufsichtliche Einwirkungsmöglichkeiten bestehen, u. U. auch eine Untätigkeitsklage in Betracht kommt.

2. Der Rechtsweg ist ausgeschöpft (§ 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg - VerfGGBbg -). Gegen den die Beschwerde gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts zurückweisenden Beschluss des Landgerichts steht ein weiteres Rechtsmittel gemäß § 310 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) nicht zur Verfügung.

3. Die zweimonatige Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde (§ 47 Abs. 1 VerfGGBbg) ist gewahrt. Die den Rechtsweg abschließende Entscheidung des Landgerichts ist ausweislich eines handschriftlichen Eingangsvermerks des Verteidigers am 30. März 2002 zugegangen. Die am 11. Mai 2002 eingegangene Verfassungsbeschwerde ist damit rechtzeitig erhoben.

4. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Verletzung von Landesgrundrechten im Rahmen eines bundesrechtlich - hier: durch die Strafprozessordnung - geordneten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg in st. Rspr. seit Beschluss vom 16. April 1998 - VfGBbg 1/98 -, LVerfGE 8, 82, 84 f. unter Bezugnahme auf BVerfGE 96, 345, 371 ff.; zuletzt Beschluss vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 46/02 -) sind gegeben: Ein Bundesgericht war nicht befasst. Eine Rechtsschutzalternative zu der Verfassungsbeschwerde steht, wie ausgeführt, nicht zur Verfügung. Die als verletzt in Betracht kommenden landesverfassungsrechtlich verbürgten Rechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 15 Abs. 1 LV), freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 10 LV), Datenschutz (Art. 11 Abs. 1 LV) und Eigentum (Art. 41 Abs. 1 LV) sind inhaltsgleich mit den entsprechenden Rechten des Grundgesetzes (Art. 13 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG sowie i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG [Recht auf informationelle Selbstbestimmung, BVerfGE 65, 1, 41 ff.]; Art. 14 Abs. 1 GG).

II.

Die Verfassungsbeschwerde bleibt in der Sache selbst ohne Erfolg.

1. Die gerichtliche Anordnung zur Durchsuchung der Wohn- und Diensträume des Beschuldigten bleibt im Rahmen des nach der Landesverfassung Statthaften.

a) Soweit es um die Wohnung geht, darf eine Durchsuchung gemäß Art. 15 Abs. 2 LV nur durch den Richter oder aufgrund richterlicher Entscheidung angeordnet und nur in den vorgeschriebenen Formen durchgeführt werden. Selbstverständliche Voraussetzung dabei ist, dass sich die Durchsuchungsanordnung ihrerseits auf eine gesetzliche Grundlage stützen kann und hiervon in einer dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gerecht werdenden Weise Gebrauch gemacht wird. Die Durchsuchung der Wohnung stellt ihrer Natur nach einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen dar (BVerfGE 20, 162, 186 f.; 42, 212, 219 f.). Sie steht daher wie alle Zwangsmaßnahmen unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE a.a.O.). Dementsprechend muss die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich sein und darf der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Schwere des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfG NJW 1992, 551, 552). Darüber hinaus muss der Richter durch eine geeignete Konkretisierung des Durchsuchungsbeschlusses dafür Sorge tragen, dass der Grundrechtseingriff kontrollierbar bleibt (vgl. BVerfG NJW 1992, 551, 552; 1994, 3281, 3282).

Gleiches gilt, soweit die Durchsuchung der Diensträume des Beschwerdeführers nach - wie die gleichzeitige (erste) Beschlagnahmeanordnung (vom 09. November 2001) ergibt - "Aufzeichnungen und Unterlagen (z. B. Kalender)" in Frage steht. Auch das damit berührte Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (s. oben zu B. I. 1. a)) findet gemäß Art. 10 LV seine Grenzen in den der Verfassung entsprechenden Gesetzen, wobei auch hier im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit jeweils dem besonderen Stellenwert des Grundrechts Rechnung zu tragen ist.

b) Den hiernach geltenden Anforderungen wird die verfahrensgegenständliche gerichtliche Durchsuchungsentscheidung gerecht:

Eine richterliche Anordnung, wie sie nach Art. 15 Abs. 2 LV für die Durchsuchung der Wohnung sowie nach § 105 Abs. 1 StPO auch für die Durchsuchung anderer Räume erforderlich ist, liegt zugrunde. Sie kann sich auf § 102 StPO stützen. Danach kann bei dem Verdächtigten einer strafbaren Handlung eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. Dass hier Amts- und Landgericht diese Voraussetzungen bejaht, insbesondere den Beschwerdeführer einer Straftat ("Betrug u. a.") verdächtig befunden haben, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit der Beschwerdeführer einen Tatverdacht von sich weist, ist die gegenteilige Einschätzung der Staatsanwaltschaft und, dieser folgend, des Amts- und des Landgerichts nach Lage des Falles - angesichts der auffälligen Mehrarbeitsabrechnungen auch des Beschwerdeführers - jedenfalls nicht unvertretbar. Das Landesverfassungsgericht kann sich in dieser Hinsicht ohne besonderen Grund, der hier nicht ersichtlich ist, nicht nach Art einer übergeordneten Fachinstanz an die Stelle der Staatsanwaltschaft bzw. des Ermittlungsrichters setzen (zum verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BVerfGE 18, 85, 96 f.; 59, 95, 97; BVerfG NJW 1991, 690, 691; 2002, 1410, 1411).

Die Durchsuchungsanordnung stellt sich hier auch nicht als unverhältnismäßig dar. Die Durchsuchung war geeignet, beweiserhebliches Material, auch vor dem Hintergrund des Betrugsvorwurfs, zutage zu fördern. Das Amtsgericht brauchte die Durchsuchung auch nicht wegen des Angebots des Beschwerdeführers zur Zusammenarbeit und zur Herausgabe relevanter Unterlagen für entbehrlich halten. Ob und wie auf ein Angebot des Beschuldigten zur Zusammenarbeit zu reagieren ist, unterliegt dem Einschätzungsermessen der Strafverfolgungsbehörden und gegebenenfalls des Ermittlungsrichters vor Ort (vgl. BVerfG NJW 1994, 2079, 2080 f. und 1995, 385). Die Handhabung hier hält sich im Rahmen dieses Einschätzungsspielraums. Welche Aufzeichnungen und andere Unterlagen als Beweismittel von Wert sind, lässt sich erst beurteilen, wenn man sie zu sehen bekommt. Eine freiwillige Herausgabe "benötigter" Unterlagen überlässt aber die Entscheidung, was als Beweismittel verfügbar wird, weitgehend der eigenen Einschätzung des Betroffenen. Von daher brauchten sich vorliegend Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter auf eine freiwillige Herausgabe verfahrensrelevanter Unterlagen nicht einzulassen. Es mag Fallgestaltungen geben, in denen es sich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit aufdrängt, vor einer Durchsuchungsanordnung die Ergiebigkeit des Angebots des Verdächtigten zur Zusammenarbeit auszuloten. Vorliegend stand jedoch die Durchsuchung auch angesichts des Angebots des Beschwerdeführers zur Zusammenarbeit nach Lage des Falles nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der Schwere des gegen den Beschwerdeführer bestehenden Verdachts. Das ihm zur Last gelegte Verhalten - unrechtmäßige Mehrarbeitsabrechnung in einer Polizeibehörde in einer beträchtlichen Größenordnung (im Falle des Beschwerdeführers nach eigenen Angaben 290 Stunden mit einem Auszahlungsbetrag von mehr als 8.200,00 DM) - ist nicht derart, dass sich eine Durchsuchungsanordnung von vornherein verbot.

Die Durchsuchungsanordnung ist auch, dem Vorgehen bei der Durchsuchung Grenzen setzend und Richtung gebend, konkret genug gefasst. Die zu durchsuchenden Räumlichkeiten sind unzweideutig bezeichnet. Der Tatvorwurf "Betrug u.a." gibt die Richtung des Ermittlungsverfahrens der Sache nach hinreichend wieder und lässt jedenfalls in Verbindung mit der Vorgabe "in Bezug auf die Beziehungen zu dem Beschuldigten K. sowie der von ihm [= dem Beschwerdeführer] und dem Beschuldigten K. geleisteten Arbeitsstunden ... beim Polizeipräsidium" (in der gleichzeitigen [ersten] Beschlagnahmeanordnung [vom 09. November 2001]) hinreichend erkennen, in welchem Rahmen sich die Durchsuchung zu halten hatte. Die Beweismittel, die Gegenstand der Durchsuchung sein sollten, sind zudem mit "Aufzeichnungen und Unterlagen (z.B. Kalender)" (wiederum in der gleichzeitigen [ersten] Beschlagnahmeanordnung) der Art nach genau genug eingegrenzt.

2. Die gerichtliche Bestätigung der Beschlagnahme von Unterlagen des Beschwerdeführers durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 05. Februar 2002 in Gestalt der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 28. März 2002 hält der verfassungsrechtlichen Überprüfung ebenfalls stand. Weder in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Datenschutz (Art. 11 Abs. 1 LV) noch in sein Eigentum (Art. 41 Abs. 1 LV) an den Unterlagen wird in verfassungswidriger Weise eingegriffen.

a) aa) Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 LV sind Einschränkungen in das Recht auf Datenschutz im überwiegenden Allgemeininteresse durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes im Rahmen der darin festgelegten Zwecke zulässig. Die Beschlagnahme von Unterlagen mit persönlichen Daten zum Zwecke der Strafverfolgung auf der Grundlage der Bestimmungen der Strafprozessordnung stellt sich in diesem Sinne als Einschränkung des Datenschutzes durch Gesetz bzw. aufgrund eines Gesetzes im Rahmen der darin festgelegten Zwecke dar. Allerdings gilt auch hier, dass die gerichtliche Beschlagnahmeentscheidung, wenn personenbezogene Daten betroffen sind, ihrerseits dem Grundrecht auf Datenschutz Rechnung tragen muss. Das erkennende Gericht hat bereits bei anderer Gelegenheit klargestellt (Beschluss vom 15. November 2001 - VfGBbg 25/01 -, zur Veröffentlichung in LVerfGE bestimmt):

"Ebenso wie eine Durchsuchungsanordnung stellt eine Beschlagnahme einen Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen dar. Die Anordnung steht daher (wie alle Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren) unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein und darf der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des bestehenden Tatverdachts stehen (BVerfG NJW 1992, 551, 552 = NStZ 1992, 91 f.). § 98 StPO, der die Anordnung der Beschlagnahme grundsätzlich dem Richter zuweist und auch dann, wenn bei Gefahr im Verzug ausnahmsweise die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten zur Anordnung der Beschlagnahme befugt sind, grundsätzlich eine richterliche Bestätigung vorschreibt, hat dies sicherzustellen."

bb) Hieran gemessen ist die Beschlagnahmeentscheidung des Amtsgerichts vom 05. Februar 2002 in Gestalt des Beschlusses des Landgerichts vom 28. März 2002 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie kann sich, nachdem der Beschwerdeführer ungeachtet seines Angebots zur Zusammenarbeit zu einer freiwilligen Überlassung der hier in Frage stehenden Unterlagen offensichtlich nicht bereit ist, auf §§ 94 Abs. 2, 98 Abs. 2 StPO stützen. Danach ist aufgrund richterlicher Anordnung bzw. mit gerichtlicher Bestätigung die Beschlagnahme von Gegenständen zulässig, die im Rahmen der Strafverfolgung als Beweismittel von Bedeutung sein können. In dieser Weise ist hier in dem Grundrecht auf Datenschutz Rechnung tragender Weise verfahren worden. Von den bei der Durchsuchung in Verwahrung genommenen Unterlagen sind, wie sich aus den Ermittlungsakten ergibt, die für die weiteren Ermittlungen nicht mehr benötigten an den Beschwerdeführer zurückgegeben worden. Die verbleibenden Unterlagen sind von der Staatsanwaltschaft näher bezeichnet worden. Anschließend hat das Amtsgericht die Beschlagnahme der im einzelnen bezeichneten Gegenstände (s. insoweit Verfassungsgericht des Landes Brandenburg a.a.O. unter Hinweis auf BVerfG NJW 1992, 551, 552) bestätigt. Das Landgericht hat sodann ausweislich der Begründung der Beschwerdeentscheidung die beschlagnahmten Unterlagen gesichtet und mit Blick auf Tatvorwurf und Bedeutung für das Ermittlungsverfahren überprüft. Es genügt im übrigen, dass das beschlagnahmte Material potentiell als Beweismittel von Bedeutung ist (vgl. BVerfG NJW 1995, 2839, 2840 m.w.N.). Dass hier in dieser Hinsicht eine Fehleinschätzung unterlaufen wäre und etwa die beschlagnahmten Unterlagen als Beweismittel für ein eventuelles strafbares Verhalten des Beschwerdeführers von vornherein nicht von Interesse wären, ist nicht zu erkennen. Das gilt auch für die beschlagnahmten Kalender und Aufzeichnungen; aus ihnen können sich etwa Überschneidungen von als Überstunden abgerechneten Zeiten mit privaten Aktivitäten ergeben. Insgesamt hält sich nach alledem die Beschlagnahmeentscheidung des Amtsgerichts vom 05. Februar 2002 in Verbindung mit der sie bestätigenden Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 28. März 2002 innerhalb des für Einschränkungen in das Recht auf Datenschutz durch Art. 11 Abs. 2 LV gezogenen Rahmens.

b) Die gerichtliche Bestätigung der Beschlagnahme der Unterlagen verstößt auch nicht gegen die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie. Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV gewährleistet das Eigentum nur nach Maßgabe der gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Hierzu zählen auch die Vorschriften der Strafprozessordnung über die Beschlagnahme von Gegenständen für Zwecke der Strafverfolgung (ebenso für die selbständige Einziehung von Gegenständen, die durch eine strafbare Handlung erlangt sind: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 17. Oktober 1996 - VfGBbg 19/95 -, LVerfGE 5, 74, 78), deren Anwendung durch die hier tätig gewordenen Gerichte, wie ausgeführt, verfassungsgerichtlich nicht zu beanstanden ist.

c) Soweit der Beschwerdeführer auch hinsichtlich der Beschlagnahme auf seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit verweist, gelten die diesen Punkt betreffenden Ausführungen zu der Durchsuchungsanordnung (s. oben zu B. II. 1. b)) entsprechend. Soweit der Beschwerdeführer ergänzend beanstandet, dass die Beschlagnahme nun schon mehrere Monate andauere, betrifft dies nicht die verfahrensgegenständliche gerichtliche Beschlagnahmeentscheidung vom 05. Februar 2002 (Amtsgericht) / 28. März 2002 (Landgericht). Hierzu wird auf die Ausführungen zu B. I. 1. c) Bezug genommen.

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